Rz. 112

Die Gesellschaft hat darzulegen und zu beweisen, welche Handlung zu dem geltend gemachten Schaden geführt hat.[1] Außerdem ist der entstandene Schaden nachzuweisen. Bei einem Unterlassen muss vorgetragen und bewiesen werden, welche versäumte Aufsichts- oder Kontrollmaßnahme den Schaden ermöglicht hat. Der Geschäftsführer muss dann die Pflichtwidrigkeit ausräumen,[2] indem er darlegt und beweist, dass die Handlung im Rahmen des unternehmerischen Ermessens erfolgte oder dass eine Aufsichts- oder Kontrollmaßnahme nicht geboten gewesen war bzw. dass eine solche den Schaden auch nicht verhindert hätte. Der Geschäftsführer muss also darlegen und beweisen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßen Verhalten entstanden wäre.[3]

 

Rz. 113

Beispiele: Wird dem Geschäftsführer eine Fehlkalkulation vorgeworfen, müsse er die Pflichtwidrigkeit ausräumen, indem er beweist, dass er das Angebot nicht zu niedrig kalkuliert hat.[4]

 

Rz. 114

Der Geschäftsführer muss sich hinsichtlich des Verschuldens entlasten. Auch hier wird zu Recht für die Beweislastverteilung an die gesetzliche Regelung in § 93 Abs. Satz 2 AktG angeknüpft, wo es heißt:

"Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast."

 

Rz. 115

Aus dieser Vorschrift lässt sich herleiten, dass sich das betroffene Leitungsmitglied nicht nur wegen des Verschuldens, sondern auch hinsichtlich der Pflichtverletzung zu entlasten habe. Die Gesellschaft hat das Verhalten und den daraus ihr entstanden Schaden darzulegen und zu beweisen.[5]

 

Rz. 116

Hat die Gesellschaft den Schaden unter Beweis gestellt, so hat der Geschäftsführer dann den Gegenbeweis zu führen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßen Alternativverhalten entstanden wäre.[6]

 

Rz. 117

 

Beispiel: "Verspätete Anzahlung für das Rockfestival"

Dem Geschäftsführer der GmbH, die ein großes Rockfestival veranstalten wollte, wird vorgeworfen, sich gegenüber dem Grundstücksinhaber vertragswidrig verhalten zu haben, so dass dieser den Platz kündigen konnte. Konkret hat der Geschäftsführer eine Anzahlung trotz ausreichender Liquidität nicht rechtzeitig geleistet und Maßnahmen im Vorfeld zur Ertüchtigung des Platzes einschließlich der Beschaffung der erforderlichen Genehmigungen nicht rechtzeitig vorbereitet. Der Gesellschaft ist durch die Kündigung des Platzes und die Absage des Festivals ein Schaden von einer Mio. EUR entstanden. Nach der fristlosen Kündigung des Vermieters grassierte die Corona-Pandemie und das Festival hätte sowieso abgesagt werden müssen, alle Eintrittsgelder hätten zurückgezahlt werden müssen. Hier dürfte dem Geschäftsführer daher der Gegenbeweis gelingen, dass der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre. Die GmbH kann darauf dann wieder erwidern und darlegen, dass ggf. bei der Absage infolge der Pandemie Versicherungsschutz aus einer Veranstaltungsversicherung bestanden hätte – was von den vereinbarten Versicherungsbedingungen abhängt -während dies bei der Absage in Folge der fristlosen Kündigung des Vermieters nicht der Fall ist. So dass ihr gleichwohl ein Schaden entstanden ist.

Wie bereits oben beim Gliederungspunkt Schaden und Kausalität dargestellt (siehe unter IV) hat die Gesellschaft den Schaden darzulegen, der Geschäftsführer hingegen etwaige Vorteile dazulegen, die den Schaden verringern. Eine Abgrenzung zwischen Schaden und Vorteilsanrechnung ist nicht immer einfach. Lautet der Vorwurf z.B. der Geschäftsführer einer Bank habe einen ungesicherten Kredit gewährt, kann man sich darüber streiten, wer die Beweislast für die Verwertungserlöse aus den Sicherheiten hat, die immerhin, wenn auch in unzureichender Höhe eingeholt wurden. Macht die Gesellschaft ihren Schaden geltend, muss sie den aktuellen Schaden darlegen und beziffern, bereits erzielte Verwertungserlöse aus den Sicherheiten sind anzurechnen. Noch nicht verwertete Sicherheiten, wie z.B. eine Bürgschaft müssen noch nicht in Abzug gebracht werden.[7] Werden aus diesen Sicherheiten Erlöse zu einem späteren Zeitpunkt erzielt, sind diese als Vorteile auf den Schadensersatz anzurechnen. Der Geschäftsführer muss im ersten Schritt diese Vorteile darlegen, da diese aber der Gesellschaft zugeflossen sein sollen, muss diese dann sekundär die Umstände in ihrer Sphäre beweisen – z.B. darlegen, dass sie erfolglos gegen den Bürgen vollstreckt hat. Ansonsten wenn es zu keinen Erlösen kommt, erhält die GmbH ihren Schaden ohne Vorteilsanrechnung vom Organmitglied. Die Sicherheit geht dann ggf. dann auf den leistenden Geschäftsführer über bzw. ist diesem zu übertragen.

 

Rz. 118

Grundsätzlich hat die GmbH gegenüber dem Geschäftsführer einen Auskunftsanspruch über Vorgänge, die der Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer erlangt hat. Dieser folgt aus § 666 BGB i.V.m. §§ 675, 611 BGB.[8] Dieser Auskunftsanspruch kann die GmbH in die Lage versetzen sich noch fehlende Informationen zu beschaffen, auch um einen Haftungsanspruch gegenüber dem ...

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