Rz. 63

Der Geschäftsführer hat den durch sein pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten entstandenen Schaden am Gesellschaftsvermögen zu ersetzen. In der Praxis gestaltet sich häufig die Ermittlung des ursächlichen Schadens und seine Höhe schwierig. Ob wirklich ein Vermögensschaden bei der GmbH vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach der sog. Differenzhypothese, also nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte.[1]

 

Rz. 64

Zu folgen ist der Aussage des OLG Frankfurt, Urt. vom 25.10.2011 - 5 U 27/10, BeckRS 2011, 27373 Leitsatz:

"Für den Schadensbegriff im Sinne auch von § 43 II GmbHG gelten grundsätzlich keine Besonderheiten, sondern die §§ 249 ff. BGB, so dass nach allgemeinen Grundsätzen ein Schaden dann vorliegt, wenn eine Minderung des Gesellschaftsvermögens eingetreten ist, ohne dass dieser durch einen damit im Zusammenhang stehenden Vermögenszuwachs mindestens ausgeglichen ist."

Ebenfalls überzeugend ist dem Gericht dahin zu folgen, dass bei schadensträchtigem Handeln, z.B. wenn mehrere spekulative Geschäfte mit Derivaten getätigt werden, nicht einzelne Geschäfte herausgegriffen werden dürfen oder müssen, sondern eine Gesamtschadensbilanz aufzustellen ist. Dies ist allerdings einschränkend so zu beurteilen, dass die Gesellschaft sich durchaus auf einzelne abgrenzbare Geschäfte beschränken kann. Das in Anspruch genommene Organmitglied muss dann ggf. im Rahmen der Vorteilsanrechnung darlegen, dass der Schaden geringer ist. Aus dem konkreten Geschäft können kongruente Vorteile vorgetragen werden. Will das Organmitglied auch Vorteile aus anderen Geschäften gegenrechnen lassen, wäre es insgesamt in der Beweislast und müsste den gesamten Schaden und die gesamten Vorteile darlegen.

Siehe OLG Frankfurt[2] zur Haftung des AG-Vorstands:

"Bei der Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ist der allgemeine Schadensbegriff der §§ 249ff BGB maßgeblich. Zur Darlegung des Schadens ist daher eine Gesamtschadensbilanz aufzustellen, d.h. es ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung darzulegen, dass durch die vom Vorstand beschlossenen Geschäfte eine Minderung des Gesellschaftsvermögens eingetreten ist, die nicht durch einen damit im Zusammenhang stehenden Vermögenszuwachs ausgeglichen wird. Der Schaden der AG kann nicht mit einzelnen vom Vorstand veranlassten verlustreichen Geschäften gleichgesetzt werden; daher ist es nicht zulässig, einzelne auf Vorstandsbeschlüssen beruhende Verlustgeschäfte aus dem Gesamtzusammenhang herauszugreifen und ohne Rücksicht auf ihn isoliert als Schaden geltend zu machen."

 

Rz. 65

Nach der Differenzhypothese wird im ersten Schritt der Schaden ermittelt, im zweiten Schritt muss geprüft werden, ob Vorteile aus der schädigenden Handlung angerechnet werden können. Bei der Vorteilsanrechnung geht es darum, dass nach Eintritt des Schadens durch anschließende Vorteile der Schaden verringert wird.[3]. Hierfür ist der Schädiger in der Darlegungs- und Beweislast. Besteht der Schaden z.B. in der Beauftragung einer Due-Diligence-Prüfung, die nutzlos war, weil das Zielunternehmen nie erworben werden sollte, wäre die Rechnung hierfür der Schaden.[4] Kommt es nun z.B. im weiteren Verlauf dazu, dass das Zielunternehmen einen anderen Kaufinteressenten findet, der bereit ist für die Due-Diligence-Prüfung einen "gewissen" Betrag an die GmbH zu zahlen, würde der geschädigten Gesellschaft ein Vorteil erwachsen, der auf den Schaden anzurechnen wäre. Kosten für die Aufarbeitung und Verbesserung der Struktur sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig.[5] Dies sind Präventionskosten durch die künftige Schäden vermieden werden sollen. Es muss aber im Einzelfall geprüft werden, ob es um Schadensminderungs- und Schadensbehebungskosten geht, die unter § 43 Abs. 2 GmbHG fallen. Muss ein vom Geschäftsführer geschaffenes pflichtwidrig installiertes System bzw. Struktur beseitigt werden, sind dies Kosten, die zum Schaden gehören. Die Gesellschaft hat für den Schaden die Beweislast. Das Organmitglied muss die anzurechnenden Vorteile darlegen, wobei wenn die Gesellschaft für Umstände in ihrer Sphäre die sekundäre Beweislast trägt (siehe unten bei XI).

 

Rz. 66

Bei der Schadenshöhe bzw. dem Schadensumfang gelten für die GmbH die Erleichterungen des § 287 Abs.1 ZPO. Danach entscheidet das Gericht – wenn es unter den Parteien streitig ist, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft - unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung.[6] Das Gericht ist dazu indes zur Schätzung nur in der Lage, wenn genügend Anknüpfungspunkte für eine Schadensschätzung vorliegen. Die Gesellschaft muss also Tatsachen vortragen und unter Beweis stellen, die für eine Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO eine hinreichende Grundlage bilden.[7] Das Gericht kann sozusagen nicht im "luftleeren Raum" entscheiden. In der Praxis besteht dann häuf...

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