Rz. 1

Da der Aufsichtsrat den Vorstand überwacht, hierbei aber selbst für Versäumnisse haftet, kann es Situationen geben, in den Vorstand und Aufsichtsrat gesamtschuldnerisch haften. Der Aufsichtsrat wird dann ggf. nicht mit der notwendigen Entschlossenheit Ersatzansprüche gegen den Vorstand verfolgen. Auf der anderen Seite wäre der Vorstand für die Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen den Aufsichtsrat zuständig, der ihn kontrolliert. In dieser Konstellation kann eine "Beißhemmung" bestehen. Daher räumt die Vorschrift des § 147 AktG den Aktionären die Möglichkeit ein, Ersatzansprüche der Gesellschaft aus der Organhaftung zu verfolgen. Diese Vorschrift umfasst u.a. sowohl Ansprüche aus der Organhaftung gegenüber dem Vorstand als auch gegenüber dem Aufsichtsrat. Den Grundsatz legt § 147 Abs. 1 AktG fest. Danach können Aktionäre auf der Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen, dass Ersatzansprüche gegen Vorstände und/oder Aufsichtsräte geltend gemacht werden. Der Ersatzanspruch soll, es so heißt es weiter, binnen sechs Monaten seit dem Tage der Hauptversammlung geltend gemacht werden. Die Geltendmachung müsste bei Ersatzansprüchen gegen den Vorstand vom Aufsichtsrat und bei Ersatzansprüchen gegen den Aufsichtsrat vom Vorstand erfolgen. In § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG ist geregelt, dass die Hauptversammlung besondere Vertreter bestellen kann. Dies ist sinnvoll, da insbesondere bei Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat die effektive Durchsetzung dieser Ansprüche durch den Vorstand häufig nicht gewährleistet ist. Ohne besondere Zuständigkeit wäre der Vorstand verpflichtet aufgrund seiner Leitungskompetenzersatzansprüche gegen den Aufsichtsrat vorzugehen (§ 78 AktG). Der nach § 147 II 1 AktG bestellte Sondervertreter ist hiernach im Rahmen seines Aufgabenkreises Organ der Gesellschaft (vgl. BGH NZG 2011, 1383) und befugt, die Gesellschaft zur prozessualen oder außerprozessualen Durchsetzung der Ersatzansprüche zu vertreten (vgl. BGHZ 79, 245 = NJW 1981, 1097 [1098]; OLG München NZG 2008, 230 Rn. 71).[1] Der besondere Vertreter, der die Ersatzansprüche geltend machen soll, hat aber auch die Vertretungsbefugnis für Hilfsgeschäfte, die erforderlich sind, um die Ansprüche durchzusetzen. So darf der besondere Vertreter auch einen Rechtsanwalt für die AG im Namen der Gesellschaft beauftragen,[2] dies gilt selbst dann, wenn der besondere Vertreter selbst auch bereits Anwalt ist, da die Art der Durchführung in seinem Ermessen liegt.[3] In den AVB D&O sind die besonderen Vertreter nicht bei dem Kreis der versicherten Personen in A-1 AVB D&O aufgeführt, insofern sind sie nicht in die D&O-Police einbezogen (siehe oben bei A-1 AVB D&O III9). Dies müsste gesondert vereinbart werden.

 

Rz. 2

Häufig wird es um Ansprüche wegen fehlerhafter Überwachung gehen, bei dem gerade Versäumnisse des Vorstands eine Rolle spielen. Hier wird der Vorstand wenig Bereitschaft aufbringen, den Aufsichtsrat deswegen zu belangen. Umgekehrt müsste der Aufsichtsrat bei entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss den Vorstand in Anspruch nehmen. Daher bietet sich die Bestellung von besonderen Vertretern durch die Hauptversammlung an. Diese wären aber zum Beispiel dann nicht erforderlich, wenn es um Versäumnisse geht, bei denen der Vorstand keine Pflichtverletzung begangen hat oder wenn der Vorstand, oder das Aufsichtsratsmitglied den es betrifft, bereits ausgeschieden ist. Inwieweit eine Interessenkollision besteht, sollte die Hauptversammlung im Einzelfall prüfen. Die Bestellung besonderer Vertreter sollte im Zweifelsfall vorsorglich erfolgen.

 

Rz. 3

Allerdings haben die besonderen Vertreter weniger Einblick in die geschäftlichen Verhältnisse, so dass dieser Umstand sich bei der Prozessführung dann durchaus nachteilig auswirken kann. Denkbar wäre, dass die Hauptversammlung z.B. zwei besondere Vertreter bestellt, wobei einer dann ggf. auch Vorstand wird, so dass dieser sich in dieser Stellung ungehindert Einblick verschaffen kann. Der besondere Vertreter ist berechtigt, durch Einsicht in die Geschäftsunterlagen weitere Informationen zu erlangen, die ihn in die Lage versetzen, die Ansprüche effektiv für die AG durchzusetzen. Dafür muss aber der Lebenssachverhalt, der den Ansprüchen zugrunde gelegt wird, hinreichend genau beschrieben werden (siehe dazu sogleich die Ausführungen unter Prozessuales).[4] Der besondere Vertreter ist anlassbezogen und zeitlich begrenzt als "Ad-hoc-Organ" der Gesellschaft tätig.[5]

 

Rz. 4

In Konstellationen, in der die Hauptversammlung mehrheitlich nicht gewillt ist, Ersatzansprüche durchzusetzen, gewährt das Gesetz auch einer Minderheit von 10 % des Grundkapitals bzw. Aktionären die mindestens 1 Mio.EUR vom Grundkapital halten das Recht, bei Gericht den Antrag zu stellen, dass besondere Vertreter zu bestellen sind (147 Abs. 2 Aktiengesetz). Diesem Antrag ist allerdings nicht per se stattzugeben, vielmehr setzt dies voraus, wie es das Gesetz in § 147 Abs. 3 Satz 2 AktG anordnet, dass dem Gericht eine gehörige Geltendmachu...

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