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§ 116 AktG enthält die zentrale Norm für die Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der AG. Danach gilt für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich § 93 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. Dieser Verweis ist so zu verstehen, dass der Aufsichtsrat in seinem Pflichtenkreis die Sorgfalt eines ordentlichen Aufsichtsratsmitglieds anzuwenden hat. Sofern die Kernaufgabe betroffen ist, den Vorstand zu kontrollieren, wäre dies der Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kontrolleurs. Bei den anderen Aufgaben gilt dies entsprechend. Bei der Bestimmung des Umfangs der Sorgfaltspflicht sind Spezialkenntnisse des jeweiligen Aufsichtsratsmitglieds zu berücksichtigen, wobei diese zu Gunsten der Gesellschaft – soweit zumutbar - einzusetzen sind.[1] Dies ist nicht so gemeint, dass das Aufsichtsratsmitglied hier umfangreiche Arbeiten ausführen muss, die ihm aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten möglich sind. Es geht vielmehr um die fachgerechte Überwachung. Ist das Aufsichtsratsmitglied Bauingenieur wird es eher beurteilen könnten, ob der dem Vorstand vorgeworfene Ausführungsfehler bei einem großen Bauprojekt pflichtwidrig ist als dies einem Aufsichtsratsmitglied möglich ist, das sonst bei einer Bank arbeitet. Neben der Sorgfaltspflicht bei der Ausführung der Aufsichtsratspflichten stehen die Treuepflicht und die Verschwiegenheitspflicht, deren schuldhafte Verletzung ebenfalls Schadensersatzansprüche nach § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 2 AktG auslösen können. Aus der Treuepflicht folgt, dass das Aufsichtsratsmitglied seine Stellung nicht zum eigenen Vorteil ausnutzen darf.[2] Der Aufsichtsrat ist ein Kollektivorgan, der Aufgaben in Gesamtverantwortung wahrnimmt. Soweit Ausschüsse gebildet werden, die Entscheidungen des Aufsichtsrats vorbereiten bzw. Aufgaben wahrnehmen, muss jedes Aufsichtsratsmitglied grundsätzlich im Blick behalten, ob der Ausschuss die Aufgaben des Aufsichtsrats als Kollektivorgan ordnungsgemäß wahrnimmt.[3]

[1] Siehe BGH Urt. v. 20. 9. 2011 - II ZR 234/09, NZG 2011, 1271 Leitsatz 3: "Das Aufsichtsratsmitglied, das über beruflich erworbene Spezialkenntnisse verfügt, unterliegt, soweit sein Spezialgebiet betroffen ist, einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab."
[2] Hachenburg/Raiser, GmbHG, § 52 Rn. 135.
[3] Koch AktG § 116 Rn. 16.

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