Rz. 40

Geschäftsleiter können in die Haftung geraten, wenn sie Sozialversicherungsbeiträge bei Fälligkeit nicht abführen. Diese sind am drittletzten Bankarbeitstag des Kalendermonats zur Zahlung fällig. Das Vorenthalten der Sozialversicherungsbeiträge, primär der Arbeitnehmeranteile löst eine Strafbarkeit nach § 266a StGB aus. Das Strafgesetzbuch ordnet in § 266a Abs. 1 StGB eine Strafbarkeit mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe an, wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält. Arbeitgeber ist die Gesellschaft, übergeleitet wird die Strafbarkeit jedoch auf die Geschäftsleiter als gesetzliche Vertreter der Gesellschaft (siehe § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB.) Das Vorenthalten der Sozialversicherungsbeiträge kann nur vorsätzlich erfolgen. Daher sind die Fälle, wo bewusst bei Fälligkeit die Beträge nicht abgeführt werden nicht versichert. Aber auch hier kann ein Aufsichtsversäumnis eines nur fahrlässig handelnden Mitgeschäftsführer in Betracht kommen. Auch gilt der Grundsatz der Gesamtverantwortung (siehe dazu ausführlich oben bei § 43 GmbHG V).[1] Auch beim unmittelbar verantwortlich handelnden Geschäftsführer kann es vor allem bei den Fällen der Scheinselbständigkeit am Vorsatz fehlen. Hier kann eine Abwehrdeckung von Bedeutung sein, die solange Abwehrdeckung gewähren wird, wie der Vorsatz nicht rechtskräftig festgestellt ist.

 

Rz. 41

 

Beispiel: "Bühnentechnik im Team"[2]

Der Bundesgerichtshof[3] verurteilte einen Geschäftsführer einer GmbH in 161 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

 

Rz. 42

Die GmbH beschäftigte freie Mitarbeiter oder Subunternehmer die jedoch bei Lichte betrachtet Arbeitnehmer, sogenannte Scheinselbständige, waren. Die GmbH war im Bereich der Licht- und Tontechnik und des Bühnenaufbaus tätig. Sie war dafür zuständig, für Veranstaltungen in einer Multifunktionshalle die Bühnentechnik aufzubauen. Hierbei bediente sie sich aus einem Pool von selbständigen Gewerbetreibenden, wobei je nach Auftrag aus diesem Pool Teams zusammengestellt wurden, die für den Aufbau der Bühnentechnik sorgten. Diese Personen wurden von dem Gericht nach dem Gesamtbild als Arbeitnehmer qualifiziert, sodass für sie Sozialversicherungsbeiträge abzuführen waren. Sie waren derart in den Betrieb der GmbH eingegliedert, dass sie bezüglich der Zeit, Dauer, Ort und der Art der Ausführung der Beschäftigung dem Weisungsrecht der GmbH als Arbeitgeberin unterlagen.

 

Rz. 43

Der Geschäftsführer muss nicht nur - wie hier geschehen - damit rechnen strafrechtlich verfolgt zu werden, er haftet auch zivilrechtlich bei vorsätzlicher Verwirklichung des Straftatbestandes gegenüber der sogenannten Einzugsstelle, also den Krankenkassen für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge. Die Haftung setzt die Einzugsstelle (die jeweilige Krankenkasse) im Zivilrechtsweg durch.

[1] OLG Frankfurt Urt. v. 23.1.2004 - 24 U 135/03, NZG 2004, 388, Leitsätze: "1. Bestehen Anhaltspunkte für die Annahme, dass der kaufmännische Geschäftsführer einer GmbH fällige Arbeitgeberanteile nicht an die Einzugsstelle abführt, so hat der technische Geschäftsführer kraft verbliebener Überwachungspflichten Sorge dafür zu tragen, dass aus eingehenden liquiden Mitteln vorrangig Beiträge abgeführt werden. 2. Ein in diesem Sinne hinreichender Anlass zum Tätigwerden ist spätestens dann gegeben, wenn auch dem technischen Geschäftsführer bekannt wird, dass die liquiden Mittel nicht mehr hinreichen, sämtliche fälligen Verbindlichkeiten sofort zu erfüllen."
[2] Entnommen aus Jula Der GmbH-Geschäftsführer 3. Teil F V.
[3] BGH Beschl. v. 13.12 2018 - 5 StR 275/18, GmbHR 2019, 278.

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