Rz. 9
Die Insolvenzordnung legt in §§ 15a, 17 InsO fest, dass bei Zahlungsunfähigkeit unverzüglich, spätestens binnen drei Wochen Insolvenzantrag zu stellen ist. Der Schuldner ist nach § 17 Abs. 2 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Rz. 10
Beispiel: "Gelder für Vakzine"
Die Gesellschaft entwickelt einen Impfstoff gegen eine Viruserkrankung. Hierbei wurden in mehreren Finanzierungsrunden Gelder von Investoren aufgenommen. Die letzte Tranche in Höhe von 5 Mio.EUR bleibt der Investor aber schuldig. Er teilt nach mehrmaliger Aufforderung unmissverständlich mit, dass er insolvent ist. Deshalb könne die zugesagte Zahlung nicht mehr erfolgen. Der Geschäftsführer der GmbH, der gleichzeitig der Leiter der Entwicklung ist und als Biomediziner über das erforderliche Know-how verfügt, glaubt daran, dass die GmbH den Impfstoff auch ohne die ausgefallene Zahlung noch fertig stellen wird und dieser auch eine Zulassung erhält. Daher stellt er trotz Zahlungsunfähigkeit keinen Insolvenzantrag.
Rz. 11
Die Gesellschaft ist zahlungsunfähig, weil sie nicht mehr alle offenen Rechnungen über einen gewissen Zeitraum, hier werden drei Wochen angesetzt, entrichten kann. Sie ist auch kurzfristig nicht in der Lage sich einen Kredit zu verschaffen, um die Zahlungsunfähigkeit auszuräumen. Von den offenen Verbindlichkeiten, die heute in Höhe von 100.000 EUR fällig sind, kann die Gesellschaft nur 70.000 EUR mit aktuellen ihr zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln zahlen. Nach der Rechtsprechung reicht bereits eine Finanzierungslücke von 10 % über einen Zeitraum von 3 Wochen aus, um von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen.[1] Der Insolvenzverwalter der den Anspruch geltend macht, wählt einen Stichtag, für den er die Zahlungsunfähigkeit durch Vorlage einer Liquiditätsbilanz berechnet. Hierbei muss er vortragen, welche fällige Verbindlichkeiten über einen Zeitraum von drei Wochen nicht bezahlt worden sind, er muss aber auch berücksichtigen, ob während der drei Wochen Aktiva, also beispielsweise Zahlungseingänge erfolgt sind, die die Zahlungsunfähigkeit wieder entfallen lassen.[2] Entscheidend ist dann, ob über drei Wochen eine Liquiditätslücke von 10 % oder mehr bestand. Dann hätte der Geschäftsführer nach Ablauf der drei Wochen spätestens Insolvenzantrag stellen müssen.
Rz. 12
Der Geschäftsführer beruhigt die Gläubiger, teilweise gelingt es ihm Zahlungsziele hinauszuzögern, Ratenzahlungsvereinbarungen zu treffen. Er kann aber nie die Deckungslücke vollständig schließen, das heißt es bleibt bei der Zahlungsunfähigkeit. Nach sechs Monaten kommt ein Konkurrenzimpfstoff auf den Markt, der das Virus erfolgreich bekämpft, d.h. der Alternativimpfstoff wirkt. Der Geschäftsführer stellt nun Insolvenzantrag, weil er nicht mehr an den Erfolg seines Impfstoffes glaubt, der noch immer nicht marktreif ist. Eine Zulassung wird auch kurzfristig nicht erfolgen, da die Erprobungsphase noch nicht abgeschlossen ist.
Rz. 13
Der Geschäftsführer hat hier über einen Zeitraum von mehreren Monaten den Insolvenzantrag verschleppt. Er haftet daher einerseits nach § 15b Abs. 4 Satz 1 InsO für die verbotenen Zahlungen wegen Verschleppung des Insolvenzantrags aber auch nach § 823 II BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO (siehe zu dieser Anspruchsgrundlage die Ausführungen unter C Teil 2: Außenhaftung A III 2).
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