Rz. 4

Verbotene Zahlungen sind solche, die die Insolvenzmasse zu Lasten der Insolvenzgläubiger schmälern. Dadurch wäre im ersten Schritt jeder Zahlungsausgang oder Abfluss umfasst, auch soweit vorher für die Zahlung eine Vorleistung in die Masse erfolgte.[1] Der Insolvenzverwalter, der den Anspruch geltend macht, könnte also anhand der Kontoauszüge der Gesellschaft im ersten Schritt alle Ausgangszahlungen auflisten und beim Geschäftsleiter geltend machen. Der Geschäftsleiter müsste dann prüfen, welche Zahlungen keine Masseschmälerung bedeuten, z.B. weil anschließend für diese noch gegenüber der Gesellschaft ein Wert erbracht, z.B. Ware geliefert wurde (sog. Aktivtausch). Auch die Bezahlung schon gelieferter Ware kann einen Aktivtausch darstellen, der keine Haftung auslöst, wenn erst durch die Zahlung das Eigentum an der Ware wegen eines vereinbarten Eigentumsvorbehalts übergeht.[2] Eine verbotene Auszahlung ist umgekehrt die Zahlung eines Schuldners auf ein überzogenes, das heißt debitorisch geführtes Konto der Gesellschaft, weil dadurch der Kontokorrentkredit der Bank reduziert wird. Nur wenn die Bank, ggf. nach Rückführung des Kontokorrentkredits eine Sicherheit freigibt, die allen Gläubigern zu Gunsten kommt, führt die Zahlung auf ein debitorisch geführtes Konto nicht zu einer Haftung.

 

Rz. 5

Eine gewisse Korrektur des Zahlungsverbotes erfolgt nach § 15b Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 InsO. So fallen Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, nicht unter das Zahlungsverbot. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage. So lautete die Regelung bis zum 31.12.2020: "Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Dies dürfte dem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter entsprechen."

 

Rz. 6

Das neue Recht nimmt aber im Verhältnis zur bisherigen Rechtslage Ergänzungen vor, wobei streitig ist, ob diese Modifikationen ggf. auch schon nach Auslegung, der alten Rechtslage entsprachen, dann wären dies nur Klarstellungen. So heißt es nun in § 15b Abs. 2 InsO, dass Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche sind, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes dienen. Diese gelten als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar. Aber Vorsicht: Dies gilt nach § 15b Abs. 3 InsO in der Regel nicht für Zahlungen, die nach dem Zeitpunkt geleistet werden, zu dem bereits eine Insolvenzantragspflicht besteht, ohne dass ein Insolvenzantrag gestellt wurde. Der Gesetzgeber will, dass der Geschäftsleiter bei Vorliegen der Insolvenzreife den Insolvenzantrag stellt. Er soll dann noch so weiter "wirtschaften" dürfen, wie dies erforderlich ist, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten, um so die Sanierungschancen zu erhöhen. Aus der Formulierung in § 15b Abs. 3 InsO, dass in der Regel Zahlungen nach dem Zeitpunkt, ab dem der Insolvenzantrag gestellt wurde, nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, kann aber geschlossen werden, dass es hiervon auch Ausnahmen gibt. Diese müsste indes der Geschäftsleiter beweisen.

 

Rz. 7

Welche Zahlungen, die nach dem Bestehen der Insolvenzantragspflicht noch mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, ist sehr streitig. Hier kann auf die Rechtsprechung zu den Vorgängervorschriften (u.a. § 64 GmbHG, § 91 AktG) verwiesen werden.[3] In der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung des § 64 Satz 2 GmbHG hieß es wie erwähnt: "Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind." Solche Zahlungen waren generell vom Zahlungsverbot ausgenommen, unabhängig davon, ob schon Insolvenzantrag gestellt wurde.

 

Beispiel: "Ziegel für das Dach"[4]

Eine Dachdecker-GmbH mit 50 Mitarbeitern ist wegen eines Zahlungsausfalls des größten Kunden selbst in der Krise. Seit einer Woche ist die Gesellschaft zahlungsunfähig. Ein Auftrag, bei dem nach Fertigstellung eine Schlusszahlung von 50.000 EUR fällig werden würde, steht kurz vor dem Abschluss. Das Problem ist, dass die GmbH noch Ziegel für diesen Auftrag für 10.000 EUReinkaufen muss. Der Lieferant besteht jedoch auf Vorkasse. Die GmbH leistet diese Vorkasse, die Ziegel werden geliefert und verlegt. Die Schlussrechnung wird gestellt und bezahlt. Der Insolvenzantrag muss jedoch gleichwohl gestellt werden. Ohne die Vorkasse wäre die Bauzeit nicht eingehalten worden, was eine Vertragsstrafe ausgelöst hätte. Der Kunde hätte zudem eine Ersatzvornahme vornehmen lassen und diese Kosten geltend gemacht. Per Saldo ist die Insolvenzmasse trotz Zahlung des Betrags von 10.000 EUR an die Ziegellieferanten durch die Schlusszahlung höher als ohne diese. Diese Zahlung war daher mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar.

 

Rz. 8

Im Ergebnis sollte der Geschäftsführer sämtliche Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife unterlas...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge