Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmensrestitution. Anteilsrestitution. Einzelrestitution. mittelbare Unternehmensbeteiligung. Erlösauskehr. Bruchteilseigentum

 

Leitsatz (amtlich)

Ist die (unmittelbare oder mittelbare) Beteiligung an einem Unternehmensträger im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG geschädigt worden, kann der Berechtigte unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG i.d.F. des Wohnungsmodernisierungssicherungsgesetzes vom 17. Juli 1997 die Einräumung von (anteiligem) Bruchteilseigentum an sämtlichen Vermögensgegenständen verlangen, die zum Zeitpunkt der Anteilsentziehung zum Unternehmen gehörten oder später von diesem angeschafft worden sind.

 

Normenkette

VermG § 1 Abs. 6, § 3 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 3, § 6 Abs. 6a S. 4

 

Verfahrensgang

VG Gera (Urteil vom 12.12.1995; Aktenzeichen 3 K 406/94 GE)

 

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 12. Dezember 1995 und Nr. 2 des Bescheides des Thüringer Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 2. Juli 1994 werden aufgehoben.

Der Beklagte und die Beigeladenen – diese als Gesamtschuldner – tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin, die frühere Treuhandanstalt und jetzige Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem den Beigeladenen nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermögensgesetzVermG) ein Anspruch auf Auskehr des anteiligen Erlöses bzw. Verkehrswerts aus der Veräußerung der G'er Thermometerwerk GmbH zuerkannt wird.

Die Beigeladenen sind die Rechtsnachfolger des 1943 wegen seiner jüdischen Herkunft ermordeten Aktionärs Siegmund H., der 15,4 % der Anteile an der Aktiengesellschaft T-Glasinstrumentenfabrik A., E. und J., I., im Nennwert von 90 000 RM gehalten hatte. Die Aktiengesellschaft war Alleingesellschafterin eines Tochterunternehmens, der K., S. & Co. GmbH, G. Im Jahr 1938 wurden die Aktienanteile des Herrn H. verfolgungsbedingt entzogen. Nach Kriegsende wurden beide Unternehmen auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet und in Volkseigentum überführt. Die Aktiengesellschaft wurde zunächst als VVB W.-glas I. und später als VEB-Kombinat X-Glas I. weiterbetrieben und im Jahr 1990 in die I'er Glaswerke GmbH umgewandelt. Die frühere GmbH wurde nach der Enteignung als VEB Thermometerwerke G. fortgeführt und 1990 in die G'er Thermometerwerk GmbH umgewandelt, deren sämtliche Anteile von der Klägerin gehalten wurden. Im Jahre 1993 veräußerte die Klägerin diese Anteile.

Die Beigeladenen meldeten im Jahre 1990 vermögensrechtliche Ansprüche an. Der Beklagte stellte daraufhin mit bestandskräftig gewordenen Teilbescheiden vom 11. Dezember 1992 und vom 19. Februar 1993 fest, daß die Beigeladenen hinsichtlich der früheren Aktiengesellschaft Berechtigte gemäß § 2 Abs. 1 und § 1 Abs. 6 VermG seien und für zwei von der Klägerin zwischenzeitlich verkaufte Grundstücke der Aktiengesellschaft gemäß § 3 a Abs. 5 VermG bzw. § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG die Auskehr des Veräußerungserlöses in Höhe von 15,4 % beanspruchen könnten. Nach der Veräußerung der Anteile an der G'er Thermometerwerk GmbH beantragten die Beigeladenen, ihnen auch insoweit den anteiligen Verkaufserlös auszuzahlen. Mit Teilbescheid vom 2. Juni 1994, der den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildet, stellte der Beklagte erneut die Berechtigung der Beigeladenen hinsichtlich der früheren Aktiengesellschaft fest (Nr. 1 des Bescheides) und erkannte den Beigeladenen einen Anspruch auf Auskehr des Erlöses bzw. Verkehrswertes entsprechend dem Anteil von 15,4 % zu (Nr. 2 des Bescheides).

Die gegen Nr. 2 des Bescheides vom 2. Juni 1994 erhobene Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht ab (ZOV 1996, 456) und führte zur Begründung aus: Der festgestellte Anspruch auf Erlösauskehr lasse sich zwar nicht unmittelbar auf § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG stützen, weil lediglich die Beteiligung an der Aktiengesellschaft und nicht das Unternehmen selbst von einer Maßnahme nach § 1 Abs. 6 VermG betroffen gewesen sei. Aus demselben Grund könne die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG nicht unmittelbar angewendet werden. Schließlich scheide auch eine unmittelbare Anwendung von § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG aus; der Rechtsvorgänger der Beigeladenen sei nämlich über seine unmittelbare Beteiligung an der Aktiengesellschaft nur mittelbar an der Tochtergesellschaft beteiligt gewesen. Der Anspruch sei aber in entsprechender Anwendung der genannten Bestimmungen begründet.

Mit ihrer durch das Verwaltungsgericht zugelassenen Revision bringt die Klägerin vor: Daß kein Anspruch auf Erlösauskehr bestehe, ergebe sich nunmehr aus § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG in der Fassung des Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes vom 17. Juli 1997. Zwar sei nach der Neuregelung von einer Berechtigung der Beigeladenen auch bezüglich des Tochterunternehmens auszugehen. Der Anspruch richte sich aber auf die Einräumung von anteiligem Bruchteilseigentum an einzelnen Vermögensgegenständen. Anspruchsgegner sei der jeweilige Verfügungsberechtigte. Dies sei teilweise die G'er Thermometerwerk GmbH, teilweise auch sie, die Klägerin, weil einige Grundstücke dieser Gesellschaft nach der Anteilsveräußerung wieder in ihre, der Klägerin, Verfügungsbefugnis zurückgelangt seien.

Der Beklagte und die Beigeladenen verteidigen das angefochtene Urteil. Der Oberbundesanwalt hält bei der hier gegebenen Entziehung einer mittelbaren Beteiligung § 3 Abs. 1 Satz 4 bzw. § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG für unmittelbar anwendbar.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Anfechtungsklage stattgeben müssen. Die Beigeladenen sind zwar aufgrund der bestandskräftigen Teilbescheide des Beklagten vom 11. Dezember 1992 und vom 19. Februar 1993 Berechtigte gemäß § 2 Abs. 1 und § 1 Abs. 6 VermG, soweit ihrem Rechtsvorgänger Aktien der damaligen Aktiengesellschaft T.-Glasinstrumentenfabrik A., E. und J. entzogen worden sind. Sie haben jedoch, obwohl mit der Entziehung dieser unmittelbaren Unternehmensbeteiligung zugleich auch die mittelbare Beteiligung des Rechtsvorgängers der Beigeladenen an der K., S. & Co. GmbH entzogen wurde, keinen Anspruch auf die anteilige Auskehr des für die Veräußerung der Geschäftsanteile an der G'er Thermometerwerk GmbH erzielten Erlöses (1), was freilich andere vermögensrechtliche Ansprüche nicht ausschließt (2).

1. Das Verwaltungsgericht hat einen solchen Anspruch auf die analoge Anwendung der Vorschriften des § 3 Abs. 4 Satz 3, des § 6 Abs. 6 a Satz 4 und des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG gestützt. Das ist rechtsfehlerhaft.

Die Vorschriften des § 3 Abs. 4 Satz 3 und des § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG lassen sich hier deshalb nicht entsprechend anwenden, weil beide Regelungen Surrogatansprüche begründen, die an eine ursprünglich bestehende und durch Veräußerung des restitutionsbehafteten Vermögenswerts entfallene Restitutionslage anknüpfen. Von einer derartigen Restitutionslage kann bei vorangegangener Schädigung von Anteilsrechten an einem Unternehmensträger jedoch nur dann gesprochen werden, wenn dieser Träger noch oder wieder existiert, also entweder niemals untergegangen oder nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 a VermG wieder aufgelebt ist. Fehlt es an dieser Voraussetzung, ist die Anteilsrestitution von der Natur der Sache her nicht mehr möglich (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VermG); der Berechtigte ist auf einen Anspruch auf Entschädigung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Entschädigungsgesetzes vom 27. September 1994 ≪BGBl I S. 2624≫ oder § 1 Abs. 1 des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes vom 27. September 1994 ≪BGBl I S. 2632≫) verwiesen. So verhält es sich hier:

Die Aktiengesellschaft T.-Glasinstrumentenfabrik A., E. und J., an der der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 15,4 % beteiligt war, ist mit der Enteignung ihres Unternehmensvermögens nach Kriegsende als Unternehmensträger untergegangen. Da die Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage beruhte, ist das Unternehmen gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG von der Restitution ausgenommen und kann folglich nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 1 a VermG an den zu diesem Zweck wiederbelebten Unternehmensträger zurückgegeben werden. Damit ist auch die Rückgabe der vor Kriegsende entzogenen Anteile an diesem Unternehmensträger ausgeschlossen.

Dasselbe gilt für die Wiederherstellung der mittelbaren Beteiligung des Rechtsvorgängers der Beigeladenen an der K., S. & Co. GmbH in Form der Einräumung von Anteilen an der heutigen Verfügungsberechtigten, der G'er Thermometerwerk GmbH. Denn § 6 VermG gewährt bei Schädigung einer solchen mittelbaren Beteiligung und nachfolgender Enteignung des Mutterunternehmens hinsichtlich der mittelbaren Beteiligung keinen selbständigen Restitutionsanspruch, sondern verweist auf die Rückgabe des Unternehmens, das die Beteiligung gehalten hat (vgl. § 6 Abs. 5 b Satz 2 VermG); dieses Unternehmen kann jedoch im vorliegenden Fall nach dem zuvor Gesagten nicht zurückgegeben werden. Angesichts dessen kommt es nicht mehr auf den Umstand an, daß die K., S. & Co. GmbH ebenso wie die Aktiengesellschaft T.-Glasinstrumentenfabrik A., E. und J. aufgrund besatzungshoheitlicher Enteignung untergegangen und daher gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG als Unternehmen ebenfalls von der Restitution nach dem Vermögensgesetz ausgenommen ist.

Eine auf Rückgabe von Anteilsrechten gerichtete Restitutionslage läßt sich auch nicht aus der direkten oder analogen Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG herleiten; dies gilt unabhängig davon, ob die Vorschrift in ihrer bisherigen oder in der durch das Gesetz zur Absicherung der Wohnraummodernisierung und einiger Fälle der Restitution (Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz – WoModSiG – vom 17. Juli 1997 ≪BGBl I S. 1823≫) anzuwenden ist. Unter beiden Voraussetzungen kann der Berechtigte nicht die Rückübertragung von Anteilsrechten, sondern allein die Einräumung von (anteiligem) Bruchteilseigentum an einzelnen Vermögensgegenständen eines Unternehmens verlangen.

Nach alledem steht den Beigeladenen wegen der Veräußerung der Anteile an der G'er Thermometerwerk GmbH durch die Klägerin ein Anspruch auf Erlösauskehr nicht zu; der Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 1994, der in seiner Nr. 2 den Beigeladenen einen solchen Anspruch zuerkennt, kann daher in diesem Punkte keinen Bestand haben.

2. Infolge der Aufhebung des Teilbescheids vom 2. Juni 1994 durch das Urteil des Senats muß der Beklagte erneut über die von den Beigeladenen angemeldeten Ansprüche wegen der Entziehung der mittelbaren Beteiligung an der K., S. & Co. GmbH entscheiden. Der Beklagte wird deshalb zu prüfen haben, ob die Beigeladenen Ansprüche nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG besitzen, die auf die Einräumung von Bruchteilseigentum an einzelnen Vermögensgegenständen der G'er Thermometerwerk GmbH gerichtet sind. Der Senat bemerkt hierzu folgendes:

Der Prüfung ist § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG in der Fassung des Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes zugrunde zu legen. Denn die Neuregelung ist ohne ausdrückliche Übergangsregelung in Kraft getreten (vgl. Art. 7 Abs. 1 WoModSiG) und beansprucht damit Geltung für Verfahren, in denen – wie hier – die Restitutionsbehörde noch eine Entscheidung über angemeldete Ansprüche zu treffen hat.

a) Von der ursprünglichen Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG waren Sachverhalte der vorliegenden Art freilich nicht erfaßt. Denn nach ihrem Wortlaut regelte die Vorschrift nur den Fall der Einzelrestitution, die eine Unternehmensrestitution nach § 6 VermG ergänzt. Sie gewährte also einen Anspruch auf die Einräumung von Bruchteilseigentum an Vermögensgegenständen nur, wenn auch ein Unternehmen oder Unternehmensanteil zurückzugeben oder bereits zurückgegeben war (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 53.96 – ≪UA S. 10≫ zu dem Fall einer bereits nach dem alliierten Rückerstattungsrecht durchgeführten Anteilsrückgabe). Wie dargelegt, haben die Beigeladenen einen solchen Anspruch nicht. Außerdem betraf § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG a.F. nur Vermögensgegenstände, die nach der Unternehmens- oder Anteilsschädigung aus dem Unternehmensvermögen ausgeschieden waren. Dies war auch folgerichtig, weil die im Unternehmensvermögen noch vorhandenen Gegenstände bereits durch die von § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG vorausgesetzte Unternehmens- oder Anteilsrestitution erfaßt werden, was bei „weggeschwommenen” Vermögensgegenständen gerade nicht der Fall ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 54.96 – VIZ 1997, 287 = ZOV 1997, 197).

b) Mit der Neufassung hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG auf Sachverhalte erweitert, in denen die nach § 1 Abs. 6 VermG Berechtigten keinen Anspruch auf Unternehmens- oder Anteilsrestitution haben.

Bereits mit der Einfügung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz war bezweckt worden, die NS-Verfolgten nicht schlechter zu stellen, als sie bei Anwendung der alliierten Rückerstattungsgesetze, insbesondere der Berliner Rückerstattungsanordnung, gestellt wären (vgl. Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes, BTDrucks 12/2944, S. 50 sowie BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 53.96 –). Dieses Ziel hat das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz wegen des mißglückten Wortlauts des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG nur zum Teil erreicht. Gerade die typischen vermögensrechtlichen Schädigungen jüdischer NS-Verfolgter waren nicht geregelt. Diese waren – wie der vorliegende Fall – dadurch gekennzeichnet, daß lediglich die Unternehmensbeteiligung entzogen wurde, während der auf diese Weise „arisierte” Unternehmensträger in der NS-Zeit unbehelligt blieb und erst in der Zeit nach dem 8. Mai 1945, meist auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, enteignet wurde. Weil in diesen Fällen, wie dargelegt, regelmäßig weder eine Unternehmens- noch eine Anteilsrestitution erfolgen kann und aus diesem Grunde auch die in § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG eingeräumte Restitutionsmöglichkeit nicht zum Zuge kam, blieb für die NS-Verfolgten nur ein Entschädigungsanspruch.

Dieser Mangel ist mit der Einfügung des § 3 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 VermG durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz behoben worden, auch wenn der Gesetzestext weiterhin der wünschenswerten Klarheit entbehrt und damit das vom Gesetzgeber Gewollte nur unzulänglich zum Ausdruck bringt. Der neu eingefügte Halbsatz knüpft nämlich mit der Formulierung „dieser Anspruch besteht auch, wenn eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an einem Unternehmen Gegenstand der Schädigung nach § 1 Abs. 6 ist und das Unternehmen zum Zeitpunkt der Schädigung nicht von Maßnahmen nach § 1 betroffen war” an den vorangehenden Halbsatz 1 an und ist somit auf den ersten Blick in dem Sinne zu verstehen, daß für die in Halbsatz 2 angesprochenen Fälle der Anteilsschädigung nur eine die Restitution nach § 6 VermG ergänzende Bruchteilsrestitution für „weggeschwommene” Vermögensgegenstände zugelassen werden soll. Damit blieben aber bei einer besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Enteignung des früheren Unternehmensträgers die nicht aus dem Unternehmensvermögen ausgeschiedenen Gegenstände von jeder Restitutionsmöglichkeit ausgenommen. Ein solches Ergebnis wäre sinnwidrig und mit dem angestrebten Ziel unvereinbar, die Ansprüche der NS-Verfolgten an das alliierte Rückerstattungsrecht anzupassen. Aus Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Neuregelung ist deshalb zu schließen, daß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG n.F. die Einräumung von (anteiligem) Bruchteilseigentum an sämtlichen Vermögensgegenständen ermöglichen soll, die zum Zeitpunkt der verfolgungsbedingten Anteilsschädigung zu dem Unternehmen gehörten oder von ihm später angeschafft wurden (vgl. dazu die Ausführungen des Rechtsausschusses des Bundestages BTDrucks 13/7275, S. 44). Für den Fall der Restitution von Unternehmensresten (§ 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG) ist die Absicht, eine solche umfassende, nicht auf „weggeschwommene” Vermögensgegenstände beschränkte Bruchteilsrestitution zu gewähren, sogar im Gesetzeswortlaut „auch”) zum Ausdruck gekommen, wie die gleichfalls durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz erfolgte Neufassung des früheren § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG und jetzigen § 3 Abs. 1 Satz 10 VermG deutlich macht.

§ 3 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 VermG n.F. gewährt für den – hier in Rede stehenden – Fall der Schädigung einer gestuften Unternehmensbeteiligung ausdrücklich auch einen Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum an den Vermögensgegenständen desjenigen Unternehmens, an dem der geschädigte Anteilsinhaber nur mittelbar beteiligt war; dieser Anspruch wird freilich in dem gleichfalls neu eingefügten Halbsatz 3 an die weitere Voraussetzung gebunden, daß die Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft mit mehr als 20 v.H. der Gesellschaftsanteile beteiligt war. Auch diese weitere Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, weil die K., S. & Co. GmbH im Alleineigentum der Aktiengesellschaft T.-Glasinstrumentenfabrik A., E. und J. stand. Dem Anspruch steht schließlich auch nicht der Umstand entgegen, daß die Klägerin die Geschäftsanteile an der G'er Thermometerwerk GmbH veräußert hat. Ein auf einzelne Gegenstände des Unternehmens gerichteter Restitutionsanspruch wird durch eine solche durch Anteilsverkauf vorgenommene Veräußerung des Unternehmensvermögens nicht berührt (vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. August 1995 – BVerwG 7 B 214.95 – Buchholz 112 § 6 VermG Nr. 13 = VIZ 1995, 714 = ZOV 1995, 474).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley, Dr. Brunn

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1464899

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