Entscheidungsstichwort (Thema)

„Arisierung” eines Unternehmens. Entzug von Anteilen jüdischer Gesellschafter. Anspruch auf Bruchteilseigentum an weggeschwommenen Gegenständen des Unternehmensvermögens. „zurückgegebenes Unternehmen” i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG. Gesellschafter als Berechtigter im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG. Leistungen nach Rückerstattungsrecht. Zweck des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG. Herausgabe des Veräußerungserlöses nach § 7 a Abs. 2 VermG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG erfaßt auch Unternehmen, die nicht nach vermögensrechtlichen, sondern nach anderen nach dem Zweiten Weltkrieg erlassenen Wiedergutmachungsvorschriften zurückgegeben worden sind.

2. Der Anspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG besteht auch, wenn ausschließlich die Beteiligung an einem Unternehmen Gegenstand der Schädigung nach § 1 Abs. 6 VermG war.

3. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG setzt nicht voraus, daß der Vermögensgegenstand, an dem die Einräumung von Bruchteilseigentum verlangt wird, infolge einer Schädigungsmaßnahme gemäß § 1 VermG aus dem Unternehmensvermögen ausgeschieden ist.

4. Bruchteilseigentum nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG muß auch im Fall der auf Gesellschaftsanteile beschränkten Schädigung in entsprechender Anwendung des § 7 a Abs. 2 VermG nur gegen anteilige Herausgabe der Gegenleistung eingeräumt werden.

 

Normenkette

VermG § 1 Abs. 6, § 3 Abs. 1 Sätze 4-5, §§ 6, 7a Abs. 2; REAO Art. 1 Abs. 3, Art. 18 ff.; USREG Art. 1 Abs. 2, Art. 21 ff.; BrREG Art. 1 Abs. 3, Art. 17 ff.

 

Verfahrensgang

VG Chemnitz (Urteil vom 15.11.1995; Aktenzeichen 5 K 4108/93)

 

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 15. November 1995 wird, soweit es das Grundstück A. Straße 4 (Flurstück 3341 c) betrifft, und hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin beansprucht die Einräumung von Bruchteilseigentum an zwei Grundstücken in Höhe der früheren Beteiligung jüdischer Anteilseigner an der L. T. AG, der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1.

Die umstrittenen Grundstücke sind aus dem Flurstück 3341 hervorgegangen, das der L. T. AG gehörte. Nach der „Arisierung” und Umbenennung dieser Gesellschaft wurde im Jahre 1939 ein Teil dieses Flurstücks abgetrennt (Flurstück 3341 c – A. Straße 4) und an das Deutsche Reich veräußert; es wurde 1962 Eigentum des Volkes und mit Bescheid der Präsidentin der Treuhandanstalt vom 20. Dezember 1993 der Beigeladenen zu 2 zugeordnet. Das Restgrundstück verblieb bei der Handelsgesellschaft und wurde 1962 unter vorläufige staatliche Verwaltung gestellt, die gemäß § 11 a des VermögensgesetzesVermG – am 31. Dezember 1992 endete.

Im November 1991 meldete die Klägerin Rückübertragungsansprüche hinsichtlich der Grundstücke an. Diese lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ab: Eine isolierte Rückgabe der zu einem Unternehmen gehörenden Grundstücke sei nicht möglich. Die Klägerin sei auch nicht Berechtigte einer Unternehmensrestitution nach § 6 Abs. 1 a VermG, weil sie als Rechtsnachfolgerin für nicht angemeldete jüdische Vermögenswerte lediglich einen Kapitalanteil von 23,4 % an dem ehemaligen Unternehmen repräsentiere und damit nicht das notwendige Quorum erreiche. Eine Restitution nach § 6 Abs. 6 a VermG scheide ebenfalls aus, weil kein Restitutionsausschluß nach § 4 Abs. 1 Satz 2 oder § 5 VermG vorliege.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin nur noch die Einräumung von Bruchteilseigentum an den umstrittenen Grundstücken in Höhe der jüdischen Unternehmensbeteiligung beansprucht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt: Ein Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG setze voraus, daß die Grundstücke einem Unternehmen gehörten, das nach § 1 Abs. 6 in Verbindung mit § 6 VermG zurückzugeben oder bereits zurückgegeben worden sei. Ein solches Unternehmen sei die L. T. AG, unter welcher Firma auch immer, nicht gewesen, weil sie ihren Sitz in Köln und damit außerhalb des Anwendungsbereichs der genannten Vorschriften gehabt habe. Insoweit weise das Gesetz auch keine unbeabsichtigte Lücke auf. Die Regelung beziehe sich nach ihrer Entstehungsgeschichte nur auf Fälle, in denen das Unternehmen Gegenstand eines Rückübertragungsanspruchs nach dem Vermögensgesetz sein könne; die derart Berechtigten sollten so gestellt werden, wie sie bei Anwendung der alliierten Rückerstattungsgesetze gestellt worden wären. Hinsichtlich der Anteilsrechte NS-Verfolgter an Unternehmen in den westdeutschen Besatzungszonen seien „in weitgehendem Gegensatz zur Wirklichkeit in der sowjetischen Besatzungszone” Wiedergutmachungsregelungen getroffen worden.

Mit ihrer in diesem Umfang durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren hinsichtlich des Grundstücks A. Straße 4 weiter. Dazu macht sie geltend: Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze Bundesrecht. Wie die doppelte Verwendung des Wortes „einem” in § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG zeige, erfasse diese Norm auch Unternehmen, die nach einem anderen Gesetz als dem Vermögensgesetz zurückgegeben worden seien. Nur so könne verhindert werden, daß es bei geschädigten Westunternehmen mit Ostgrundstücken bei einer bloßen Teilwiedergutmachung bleibe. Da das Verwaltungsgericht bisher keine Ermittlungen über die Höhe der Beteiligung jüdischer Personen angestellt habe, komme nur eine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz in Betracht.

Der Beklagte verteidigt die Ausführungen des angegriffenen Urteils und verweist darauf, daß mit den Regelungen der Sätze 4 und 5 des § 3 Abs. 1 VermG ausschließlich eine Wiedergutmachung bei den vermögensrechtlich Berechtigten erreicht werden solle; denn das Vermögensgesetz habe mit seinem § 1 Abs. 6 die Aufgabe der Rückerstattung im Beitrittsgebiet übernommen und gehe daher von einer dort geschehenen Schädigung aus.

Auch die Beigeladene zu 2 hält das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis für richtig.

Der Oberbundesanwalt teilt die Auffassung der Klägerin über den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG: Der Gesetzgeber habe in Erfüllung entsprechender gegenüber den Drei Mächten eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen die NS-Opfer so stellen wollen, als hätten die alliierten Rückerstattungsgesetze ebenfalls auf dem Gebiet der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone gegolten. Erfaßt werden sollten daher gerade auch geschädigte Unternehmen mit Sitz in Westdeutschland, bei denen Vermögensverluste in Ostdeutschland seinerzeit nicht hätten rückgängig gemacht werden können.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt – soweit es von der Klägerin angegriffen wird – Bundesrecht; denn es beruht auf einer fehlerhaften Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG (1). Da es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (2), die tatrichterlichen Feststellungen aber für eine Entscheidung über das Begehren der Klägerin nicht ausreichen (3), muß der Rechtsstreit in diesem Umfang nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden. Dabei ist der auf Einräumung von Bruchteilseigentum „in Höhe der Beteiligung jüdischer Berechtigter” zielende Verpflichtungsantrag der Klägerin mangels hinreichender Bestimmtheit des Umfangs der beanspruchten Leistung als zulässiges Verpflichtungsbegehren auf Feststellung einer dahin gehenden Berechtigung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG zu verstehen. Bedenken gegen eine solche Umdeutung der von der Klägerin gewählten Formulierung bestehen nicht, weil dieses Begehren vom Klageantrag inhaltlich erfaßt wird und dem darin zum Ausdruck kommenden Interesse entspricht.

1. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klägerin könne sich für ihren Anspruch nicht auf § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG berufen, weil diese Vorschrift ausschließlich auf Unternehmen mit Sitz in der sowjetischen Besatzungszone oder in der DDR anwendbar sei, verkennt den Zweck dieser Norm.

Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG gibt dem Berechtigten in Höhe seiner früheren Unternehmensbeteiligung einen Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum an solchen Vermögensgegenständen, die mit einem nach § 1 Abs. 6 in Verbindung mit § 6 VermG zurückzugebenden oder einem bereits zurückgegebenen Unternehmen entzogen oder von ihm später angeschafft worden sind und nicht mehr zum Vermögen dieses Unternehmens gehören. Mit dieser durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz in das Vermögensgesetz eingefügten Vorschrift beabsichtigte der Gesetzgeber – wie schon mit § 1 Abs. 6 VermG –, die Restitutionslücke zu schließen, die dadurch entstehen kann, daß es in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR keine Wiedergutmachungsgesetze gab, die den im Westen Deutschlands geltenden gleichwertig waren. Deshalb sollen nicht nur die zwischen dem 30. Januar 1933 und 8. Mai 1945 geschädigten Unternehmen selbst nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes zurückverlangt werden können, sondern – unter Durchbrechung des das Vermögensrecht beherrschenden Konnexitätsgrundsatzes (vgl. Urteil des Senats vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 54.96 – VIZ 1997, 287) – im Wege der Einzelrestitution auch die Vermögensgegenstände, die nach der Schädigung des Unternehmens aus dessen Vermögen ausgeschieden sind. Die Wiedergutmachungslücke, die das Gesetz schließen will, ist aber nicht auf die Unternehmen mit Sitz im späteren Beitrittsgebiet beschränkt, sie kann vielmehr auch dann auftreten, wenn ein „Westunternehmen” betroffen war, dem Vermögensgegenstände im Beitrittsgebiet gehörten; denn auch bei diesen Unternehmen ist es denkbar und wahrscheinlich, daß sich seinerzeit gewährte Rückerstattungsleistungen nicht auf das im Osten gelegene Betriebsvermögen bezogen. Der gegenüber den Drei Mächten eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtung der Beigeladenen zu 2, das Rückerstattungsrecht auf das Beitrittsgebiet zu erstrecken (Ziff. 4 Buchst. c der Vereinbarung vom 27./28. September 1990 zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten sowie zu dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen – BGBl. II S. 1386 ≪1388 f.≫), wird daher nur eine Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG gerecht, die auch solche Fälle erfaßt. Diese Auslegung wird durch den Wortlaut der Norm gestützt. Wenn es dort heißt: „… mit einem nach § 1 Abs. 6 in Verbindung mit § 6 zurückzugebenden oder einem bereits zurückgegebenen Unternehmen …”, so läßt sich aus der doppelten Verwendung des unbestimmten Artikels – zumindest vor dem Hintergrund des Regelungsziels – zwanglos schließen, mit den zurückgegebenen unternehmen seien auch solche gemeint, die nicht nach vermögensrechtlichen Vorschriften, sondern bereits früher nach anderen Bestimmungen rückerstattet worden sind. Eine entsprechende klarstellende Formulierung ist nunmehr in Art. 3 Nr. 3 Buchst. a des Entwurfs eines Gesetzes zur Absicherung der Wohnraummodernisierung und einiger Fälle der Restitution (Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz – WoModSiG – BTDrucks 13/7275, S. 11) vorgesehen.

2. a) Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts stellt sich auch nicht deswegen im Ergebnis als richtig dar, weil seinerzeit kein Unternehmen geschädigt wurde, sondern die Rechtsvorgänger der Klägerin lediglich ihre Unternehmensbeteiligungen aufgeben mußten.

Orientiert man sich ausschließlich am Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG, ist es zweifelhaft, ob die Norm diesen Fall erfaßt; denn ihr Tatbestand setzt die Rückgabe eines Unternehmens und damit dessen Schädigung voraus. Dies steht allerdings in Widerspruch zu der angeordneten Rechtsfolge, wonach der „Berechtigte” Bruchteilseigentum „in Höhe der ihm entzogenen Beteiligung” verlangen kann. Nimmt man hinzu, daß im 2. Halbsatz der Vorschrift als maßgeblicher Schädigungszeitpunkt neben der Entziehung des Unternehmens die der Mitgliedschaft an diesem Unternehmen aufgeführt wird, liegt der Gedanke nahe, daß als Berechtigter im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG auch der einzelne Gesellschafter gemeint ist, dem seine Unternehmensbeteiligung entzogen worden ist. In diesem Punkt bietet ebenfalls der Gesetzeszweck die entscheidende Hilfe zur Auslegung der mißglückten Vorschrift. Dieser spricht für ein großzügiges Normverständnis. Da die Bestimmung dazu dient, die NS-Verfolgten nicht schlechterzustellen, als sie bei Anwendung der alliierten Rückerstattungsgesetze, insbesondere der Berliner Rückerstattungsanordnung, gestellt wären (vgl. Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes – BTDrucks 12/2944, S. 50), muß der Entzug von Unternehmensbeteiligungen in ihren Anwendungsbereich einbezogen werden; denn nur so können die sog. Arisierungen großer Kapitalgesellschaften, bei denen die unternehmen selbst regelmäßig unversehrt blieben, restitutionsrechtlich voll erfaßt werden. Zwar trennte auch das Rückerstattungsrecht (Art. 18 ff. REAO, Art. 21 ff. USREG und Art. 17 ff. BrREG) grundsätzlich zwischen der Schädigung eines Unternehmens und dem Entzug einer Beteiligung, und die seinerzeitige Rechtsprechung ließ im Falle der Entziehung einer Beteiligung im Grundsatz kein Durchgriffsrecht auf Vermögenswerte des Unternehmens zu (OLG Frankfurt, Urteil vom 15. Juli 1955 – 2 W 113/54 – RzW 1956, 3; OLG Hamm, Urteil vom 25. Mai 1955 – 13 RW 270/54 – RzW 1956, 10). Sofern sich nach dem Entzug der Anteile die Rechts- oder Kapitalstruktur des Unternehmens geändert hatte oder das Betriebsvermögen ganz oder teilweise auf ein anderes Unternehmen übertragen worden war, war den Wiedergutmachungskammern aber eine weitgehende gesetzliche Ermächtigung zu schöpferischer Rechtsgestaltung eingeräumt (vgl. Godin, Rückerstattungsgesetze, Art. 23 USREG, Rn. 4; Art. 20 REAO; Art. 19 BrREG). Ziel dieser Bestimmungen war es, den früheren Gesellschaftern neben den aus ihren Beteiligungen fließenden Rechten ihre „wirtschaftliche” Eigentümerstellung möglichst in ursprünglichem Umfang zurückzugeben. Da das Vermögensgesetz keine derartige Handhabe für einen ergänzenden Lückenschluß im Falle der Restitution wirtschaftlich entwerteter Geschäftsanteile bietet, wird die vom Gesetzgeber angestrebte Gleichstellung mit den rückerstattungsrechtlichen Vorschriften durch den in § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG zugelassenen Durchgriff des einzelnen geschädigten Gesellschafters auf „abgeschwommene” Gegenstände des Unternehmensvermögens erreicht.

Ein solches Normverständnis wird auch der Systematik des Vermögensgesetzes gerecht; denn dieses Gesetz begreift die Rückgabe einer entzogenen Beteiligung auch sonst als einen Fall der Unternehmensrückgabe, wie § 6 Abs. 5 b VermG zeigt. Daß der Gesetzgeber selbst § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG in dieser Weise verstanden wissen will, belegt auch hier der erwähnte, vom Bundestag bereits verabschiedete Entwurf des Wohnraummodernisierungsicherungsgesetzes, der diesen Anspruch nunmehr ausdrücklich auf den Fall der Entziehung von Beteiligungen erstreckt und dieser beabsichtigten Gesetzesänderung in der Entwurfsbegründung ausschließlich klarstellende Funktion beimißt (BTDrucks 13/7275, S. 44).

b) Schließlich hätte die Klage in dem hier noch zu behandelnden Umfang auch nicht deswegen abgewiesen werden müssen, weil das Grundstück A. Straße 4 seinerzeit durch die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1 veräußert worden ist, das Ausscheiden des Vermögensgegenstandes aus dem Unternehmensvermögen mithin nicht auf einer Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 VermG beruht. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG setzt schon seinem Wortlaut nach lediglich voraus, daß der Vermögensgegenstand nicht mehr zum Unternehmensvermögen gehört. Demnach kommt es auf die Umstände, aufgrund deren der Gegenstand „weggeschwommen” ist, nicht an. Auch dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, eine dem alliierten Rückerstattungsrecht vergleichbare Wiedergutmachungsregelung zu schaffen. Da dem seinerzeit möglichen Einsammeln abgeschwommener Grundstücke (vgl. dazu Godin, a.a.O., Art. 29 USERG, Rn. 10 a.E.) der Einwand des gutgläubigen Erwerbs nicht entgegengehalten werden konnte (Art. 1 Abs. 3 REAO; Art. 1 Abs. 2 USERG; Art. 1 Abs. 3 BrREG), mußten auch im normalen Geschäftsverkehr veräußerte Gegenstände des Unternehmensvermögens zurückgegeben werden. Darauf verweist auch die Begründung des geplanten Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes (a.a.O.), in dem insoweit ebenfalls eine klarstellende Formulierung vorgesehen ist.

3. Der Senat ist gehindert, über das Begehren der Klägerin abschließend zu entscheiden, weil die dafür notwendigen Feststellungen über die den Rechtsvorgängern der Klägerin seinerzeit gewährte Wiedergutmachung fehlen. Insoweit ist nicht von Belang, welcher Art diese rückerstattungsrechtlichen Leistungen waren; denn auch eine bloße Geldentschädigung würde einem ergänzenden Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG nicht entgegenstehen. Anders als im Vermögensrecht, wo die Wahl einer Entschädigung nach § 6 Abs. 7 VermG zu einer endgültigen Weichenstellung führt, die eine Naturalrestitution und damit auch Ansprüche nach § 3 Abs. 1 Sätze 4 und 5 VermG ausschließt, kannte das Rückerstattungsrecht keine verfahrensrechtliche Trennung zwischen Rückgabe und Entschädigung. Daher sind nach damaligem Recht gewährte Ersatzleistungen in Geld als zurückgegebenes Unternehmen oder rückerstattete Beteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG anzusehen; maßgeblich ist aber allein, daß eine Rückerstattungsleistung erbracht worden ist.

Zu klären bleibt allerdings, ob die seinerzeitigen Leistungen auch für die im Osten gelegenen Vermögenswerte der Gesellschaft erbracht worden sind. In diesem Fall gäbe es keine vermögensrechtlich zu schließende Restitutionslücke; vielmehr wäre bereits in der Vergangenheit das geschehen, was § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG nachzuholen bezweckt. Das Verwaltungsgericht wird daher der Frage nachgehen müssen, ob die den Rechtsvorgängern der Klägerin geleistete Rückerstattung sich der Sache nach auch auf das Grundstück A. Straße 4 bezog.

Es bleibt darauf hinzuweisen, daß der Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum entsprechend § 7 a Abs. 2 VermG nur gegen Herausgabe des gleichen Anteils an der aus Anlaß des Vermögensverlustes zugeflossenen Gegenleistung an den Verfügungsberechtigten erfüllt werden muß. Zwar setzt die unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift voraus, daß die Gegenleistung, also der Veräußerungserlös, direkt dem Berechtigten zugeflossen ist und nicht – wie hier – einem Dritten, an dem der Berechtigte ursprünglich einmal beteiligt war. Läßt man jedoch in erweiternder Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG den „Durchgriff” des Gesellschafters auf einzelne Gegenstände des Gesellschaftsvermögens zu, ist es gleichermaßen geboten, für die Erlösauskehr spiegelbildlich eine anteilige „Durchgriffshaftung” des Gesellschafters anzuordnen, dem seine Beteiligung vermögensrechtlich zurückgegeben oder nach altem Recht rückerstattet worden ist. Eine solche analoge Anwendung des § 7 a Abs. 2 VermG trägt dem mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck Rechnung, eine doppelte Wiedergutmachung zu vermeiden (vgl. BTDrucks 12/4887, S. 58), und bewirkt zudem einen gerechten Interessenausgleich im Verhältnis zum Verfügungsberechtigten, zumal dieser dem Anspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG erst nachträglich ausgesetzt worden ist.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Dr. Bardenhewer, Kley, Herbert, Dr. Brunn

 

Fundstellen

ZIP 1997, 1608

DÖV 1997, 1013

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