Entscheidungsstichwort (Thema)

Bundesbahnoberinspektor. stellvertretender Kassenverwalter. Zugriff auf Kassengelder. Beschränkung des Verhandlungsstoffes. Milderungsgründe verneint. wirtschaftliche Notlage nicht unverschuldet. keine psychische Ausnahmesituation aufgrund Kündigung und drohender Zwangsräumung der Wohnung. keine besondere Versuchungssituation, weil gewohnte dienstliche Tätigkeit und weil das entnommene Geld nicht zur Gläubigerbefriedigung und damit zur Abwendung der Zwangsräumung der Wohnung eingesetzt wurde. Disziplinarmaß: Entfernung aus dem Dienst

 

Normenkette

BBG § 54 Sätze 2-3, § 77 Abs. 1 S. 1; BDO § 11

 

Verfahrensgang

BDIG (Urteil vom 29.01.1998; Aktenzeichen X VL 24/97)

 

Tenor

Die Berufung des Bundesbahnoberinspektors … gegen das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer X – … –, vom 29. Januar 1998 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat den Beamten angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er

  1. am 12. März 1995 130 DM aus einer Getränkekasse seiner Kollegen entnahm, für sich verbrauchte und erst am 9. März 1996 auf massiven Druck seines Vorgesetzten hin zurückzahlte und
  2. zwischen dem 9. und 13. Februar 1996 aus der ihm als stellvertretendem Kassenverwalter anvertrauten Kasse einen Betrag von 1 300 DM entwendete und für sich verbrauchte.

2. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 29. Januar 1998 entschieden, dass der Beamte aus dem Dienst entfernt und ihm ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 55 v.H. seines erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von sechs Monaten bewilligt wird. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen dargelegt: Die Anschuldigungen seien erwiesen. Der Beamte habe die ihm obliegenden Pflichten zu uneigennütziger Amtsführung, zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten sowie zur Beachtung allgemeiner Richtlinien verletzt. Das innerdienstliche Dienstvergehen erfor-dere mangels anerkannter Milderungsgründe die Entfernung des Beamten aus dem Dienst.

3. Gegen dieses Urteil hat der Beamte Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der von dem Bundesdisziplinargericht festgestellte Sachverhalt treffe ganz überwiegend zu. Unrichtig sei lediglich, dass er das Geld der Getränkekasse am 12. März 1995 entnommen habe. Es sei wohl der 3. Dezember 1995 gewesen. Das Bundesdisziplinargericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen von Milderungsgründen verneint. Die fristlose Kündigung seines Mietverhältnisses und die drohende Zwangsräumung seiner Wohnung hätten bei ihm einen schockartigen Gemütszustand ausgelöst, und die sich daraus ergebene Notlage sei ihm ausweglos erschienen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt, weil der Beamte die tatsächlichen Feststellungen des Bundesdisziplinargerichts zu dem angenommenen Dienstvergehen insoweit bestreitet, als das Gericht angenommen hat, der Beamte habe am 12. März 1995 der Getränkekasse Geld entnommen. Der Senat hat daher grundsätzlich den Sachverhalt hinsichtlich aller Anschuldigungspunkte selbst zu ermitteln und disziplinarrechtlich zu würdigen. Gleichwohl beschränkt sich der Senat hier auf die in dem Anschuldigungspunkt 2 vorgeworfene Entnahme des Geldes aus der von dem Beamten geführten Kasse.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Beschränkung des Verhandlungsstoffes im Falle einer unbeschränkten Berufung ohne Zustimmung der Verfahrensbeteiligten dann zulässig, wenn bereits einzelne festgestellte Pflichtverletzungen die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme rechtfertigen und auch die gerichtlichen Nebenentscheidungen eine vollständige Prüfung des angeschuldigten Sachverhalts nicht erforderlich machen (vgl. z.B. Urteil vom 27. November 1996 – BVerwG 1 D 28.95 – ≪BVerwGE 113, 32≫; Urteil vom 10. Juni 1998 – BVerwG 1 D 39.96 – ≪Buchholz 235 § 80 BDO Nr. 1≫ m.w.N.). So liegt es hier. Das in dem Anschuldigungspunkt 2 vorgeworfene Verhalten gebietet für sich bereits die Entfernung des Beamten aus dem Dienst, sodass Feststellungen zu dem Anschuldigungspunkt 1 für die Disziplinarmaßnahme nicht mehr erforderlich sind. Der Senat hat deshalb nach Anhörung der Beteiligten den Verhandlungsstoff entsprechend beschränkt.

2. Insbesondere aufgrund der geständigen Einlassung des Beamten stellt der Senat folgenden Sachverhalt fest: In der Zeit vom 3. Januar bis 14. Februar 1996 hatte er den Kassenverwalter zu vertreten. Am 9. Februar 1996 ging bei der Kasse ein Bargeldbetrag in Höhe von 3 020,80 DM ein. Zwischen dem 9. und 13. Februar 1996 entnahm der Beamte der von ihm verwalteten Kasse einen Betrag in Höhe von 1 300 DM und verbrauchte das Geld für sich.

3. Durch das festgestellte Verhalten hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflichten zu uneigennütziger Verwaltung seines Amtes (§ 54 Satz 2 BBG) und zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 54 Satz 3 BBG) verstoßen. Das damit von ihm begangene innerdienstliche Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) erfordert seine Entfernung aus dem Dienst.

a) Ein Beamter, der unberechtigt ihm dienstlich anvertraute Gelder – sei es auch nur vorübergehend – zum Zweck privater Nutzung an sich nimmt und damit seinem Dienstherrn vorenthält, versagt im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten. Eine solche Pflichtverletzung zerstört regelmäßig das für die Fortdauer des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit des Beamten, auf das der Dienstherr beim Umgang seiner Beamten mit anvertrauten Geldern angewiesen ist. Eine lückenlose Kontrolle aller Beamten ist nicht möglich und muss weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Wer diese für den geordneten Ablauf des Dienstbetriebes unverzichtbare Vertrauensgrundlage zerstört, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senats regelmäßig nicht Beamter bleiben (vgl. z.B. Urteil vom 21. September 1993 – BVerwG 1 D 39.92 – ≪BVerwGE 103, 1≫).

b) Bei einem Zugriff auf amtlich anvertraute Gelder kann von der Entfernung des Beamten aus dem Dienst nur abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines in der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgrundes vorliegen. Das ist hier nicht der Fall.

aa) Dies gilt zunächst für den Milderungsgrund des Handelns in einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage (vgl. Urteil vom 5. Oktober 1994 – BVerwG 1 D 31.94 – ≪BVerwGE 103, 177≫; Urteil vom 26. März 1996 – BVerwG 1 D 58.95 – ≪Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 7≫). Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beamte sich zum Zeitpunkt des Zugriffs auf die Kassengelder in einer wirtschaftlichen Notlage befand, was nach ständiger Rechtsprechung des Senats am Maßstab der einschlägigen Regelsätze der Sozialhilfe festzustellen wäre (vgl. z.B. Urteil vom 24. Februar 1999 – BVerwG 1 D 14.98 – m.w.N.). Die Voraussetzungen des Milderungsgrundes liegen jedenfalls deshalb nicht vor, weil der Beamte in die – unterstellte – Notlage nicht unverschuldet geraten ist. Ein solches Verschulden ist dann anzunehmen, wenn ein Beamter die Notlage durch vorwerfbare Lebensweise oder Wirtschaftsführung, z.B. unverhältnismäßig aufwendige Lebensführung, verursacht oder zumindest mitverursacht hat (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 23. März 1999 – BVerwG 1 D 8.98 – m.w.N.). Das ist hier der Fall. Der Beamte hat gegenüber dem Sachverständigen Dr. med. T. im Untersuchungsverfahren angegeben, sein Einkommen über längere Zeit hinweg für Reisen, Hobbys, Schallplatten und Bücher ausgegeben zu haben, ohne dabei die notwendigen Mietzahlungen zu berücksichtigen. Er war nicht in der Lage, den für diese Lebensweise notwendigen finanziellen Bedarf durch sein Gehalt abzudecken. Deshalb nahm er Kredite auf, die ihrerseits zu neuen finanziellen Belastungen führten. Diese vorwerfbare Verhaltensweise war jedenfalls mitursächlich für die wirtschaftliche Lage des Beamten zum Zeitpunkt des Zugriffs auf die von ihm verwaltete Kasse. Dies schließt den Milderungsgrund aus.

bb) Die Voraussetzungen des Milderungsgrundes eines Handelns in einer psychischen Ausnahmesituation liegen ebenfalls nicht vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Ausnahme von der regelmäßig gebotenen Entfernung aus dem Dienst möglich, wenn die Tat als Folge einer schockartig ausgelösten psychischen Ausnahmesituation zu werten ist. Eine solche Situation setzt den plötzlichen, unvorhergesehenen Eintritt eines Ereignisses voraus, das gemäß seiner Bedeutung für die besonderen Lebensverhältnisse des Betroffenen bei diesem einen seelischen Schock auslöst, der seinerseits zu einem für einen derartigen Schockzustand typischen Fehlverhalten des Betroffenen führt (vgl. z.B. Urteil vom 15. August 2000 – BVerwG 1 D 44.98 – m.w.N.). Das kann hier nicht angenommen werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Zugriff des Beamten Ausdruck eines schockartigen Erlebnisses war.

Insbesondere können die Kündigung und die drohende Zwangsräumung der Wohnung die Annahme des Milderungsgrundes nicht begründen. Sowohl die Kündigung als auch die von dem Vermieter angedrohte Zwangsräumung waren für den Beamten nicht unvorhersehbar. Bereits im April 1995 erfolgten Pfändungen wegen nicht bezahlten Mietzinses. Deshalb war es früher oder später zu erwarten, dass der Vermieter das Mietverhältnis kündigen und die zwangsweise Räumung der Wohnung betreiben würde, wenn der Beamte seiner Pflicht zur Zahlung des (vollständigen) Mietzinses weiterhin nicht nachkam. Im Falle einer Pfändung haben sich die Verhältnisse nach längerem Vorlauf noch weiter zugespitzt als in dem Fall, in dem einem Beamten nach vorheriger erfolgloser Mahnung durch seinen Vermieter wegen rückständigen Mietzinses gerichtliche Schritte angedroht werden. Eine solche Drohung ist wegen der vorangegangenen Mahnung jedenfalls dann kein unvorhersehbares Ereignis im Sinne des Milderungsgrundes, wenn die Mahnung – und die Pfändung – schon länger zurückliegt und der Gläubiger vor gerichtlichen Schritten oder aber selbst für den Fall eines Räumungsurteils Bereitschaft zu einer einverständigen Regelung signalisiert hat (vgl. Urteil vom 7. August 1996 – BVerwG 1 D 69.95 –). Genau so hat es sich hier nach den Bekundungen des Beamten vor dem Senat verhalten.

cc) Der Beamte vermag sich auch nicht mit Erfolg auf den Milderungsgrund des Handelns in einer besonderen Versuchungssituation zu berufen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann von der Höchstmaßnahme abgesehen werden, wenn der Beamte in einer für ihn unvermutet entstandenen besonderen Versuchungssituation einmalig und persönlichkeitsfremd gehandelt hat (vgl. z.B. Urteil vom 24. Februar 1999 – BVerwG 1 D 31.98 – m.w.N.; Urteil vom 15. August 2000, a.a.O.). Die die Versuchung auslösende Situation muss geeignet sein, ein gewisses Maß an Kopflosigkeit, Spontaneität und Unüberlegtheit herbeizuführen. Das kann der Fall sein, wenn ein hochverschuldeter Beamter in einer besonderen, d.h. nicht alltäglichen Situation auf den Inhalt der ihm anvertrauten dienstlichen Kasse zugreift (vgl. Urteil vom 24. Februar 1999, a.a.O.). Hier fehlt es an dem Merkmal der Besonderheit der Situation zum Zeitpunkt des Zugriffs. Obwohl der Beamte formal nur Vertreter des Kassenverwalters war, nahm er tatsächlich die Verwaltung der Kasse in einem Umfang wahr, dass von einer durch die Vertretung begründeten Besonderheit der Situation nicht ausgegangen werden kann. Der Beamte hat gegenüber dem Senat angegeben, er sei bereits in den achtziger Jahren als Kassenverwalter herangezogen worden. Er habe monatlich etwa zwei bis drei Wochen den eigentlich zuständigen Kassenverwalter zu vertreten gehabt. Der Umgang mit Kassengeldern gehörte für den Beamten mithin zu den gewohnten dienstlichen Verrichtungen. Darin, dass sich zum Zeitpunkt des Zugriffs ein hoher Bargeldbetrag in der Kasse befand, kann ebenfalls keine außergewöhnliche Situation im Sinne des Milderungsgrundes gesehen werden.

Erfolgte der Zugriff im Rahmen einer alltäglichen, gewohnten dienstlichen Tätigkeit, kommt der Milderungsgrund nur in Betracht, wenn der Beamte unter Einfluss eines von Außen auf seine Willensbildung einwirkenden Ereignisses in Versuchung geraten ist, sich an dem Kassenbestand zu vergreifen. Dies kann etwa der Fall sein bei plötzlich eintretendem Bedarf oder unter dem Einfluss einer Mahnung oder gar Drohung durch Gläubiger (vgl. Urteil vom 23. März 1999 – BVerwG 1 D 45.98 –; Urteil vom 15. März 1994 – BVerwG 1 D 19.93 – ≪BVerwG DokBer B 1994, 287≫). Eine solche Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass sie den Beamten unter Druck setzt, sich schnell Geld besorgen zu müssen, um damit dem plötzlich eintretenden Bedarf oder dem Verlangen von Gläubigern Rechnung zu tragen (vgl. Urteil vom 27. Mai 1997 – BVerwG 1 D 53.96 – ≪Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 11≫). Der Milderungsgrund liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall festgestellt werden kann, dass die Tat auf eine durch äußere Einflüsse begründete Versuchungssituation zurückzuführen ist. Daran fehlt es hier.

Der Beamte beruft sich darauf, er habe das Geld an sich genommen, um damit die von seinem Vermieter angedrohte Zwangsräumung der Wohnung abzuwenden. Eine drohende Zwangsräumung der eigenen Wohnung mag grundsätzlich geeignet sein, eine besondere Versuchungssituation zu begründen. Es kann hier dahingestellt bleiben, in welchem Maß sich die zwangsweise Räumung konkretisiert haben muss, um die Voraussetzung des Milderungsgrundes zu erfüllen. Deshalb braucht der Senat auch nicht die Frage zu beantworten, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass dem Beamten zum Zeitpunkt des Zugriffs das die Zwangsräumung ermöglichende Urteil des Amtsgerichts D. vom 2. Februar 1996 noch nicht bekannt war, sondern er damit nur jederzeit rechnen musste, wie er gegenüber dem Senat bekundet hatte. Der Milderungsgrund scheitert hier auf jeden Fall daran, dass nichts dafür zu erkennen ist, dass die Entnahme des Geldes unmittelbar auf die drohende Zwangsräumung zurückzuführen ist. Davon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn der Beamte jedenfalls einen Teil des entnommenen Geldes dem Vermieter zukommen ließ, um diesen zu veranlassen, von der Zwangsräumung abzusehen. Zwar kommt es für das Vorliegen des Milderungsgrundes nicht entscheidend darauf an, für welche Zwecke das in einer bestehenden Versuchungssituation zugeeignete Geld verwendet wird (vgl. Urteil vom 15. März 1994 a.a.O.). Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob ein Zugriff Ausdruck einer besonderen Versuchungssituation war. Das Vorliegen einer besonderen Versuchungssituation aufgrund einer mit Nachdruck geltend gemachten Gläubigerforderung, etwa durch Drohung mit einer Zwangsräumung der Wohnung, setzt regelmäßig voraus, dass das durch den Zugriff erlangte Geld zumindest teilweise zur Abwendung der Drohung, d.h. zur Befriedigung des Gläubigers eingesetzt wird. Das war hier nicht der Fall. Der Beamte hat gegenüber dem Senat nicht erklärt, er habe das entnommene Geld seinem Vermieter übergeben. Er selbst geht vielmehr davon aus, dass er mit dem Geld Kreditverpflichtungen gegenüber seiner Bank erfüllt hat. Dass der Beamte das Geld nicht seinem Vermieter hat zukommen lassen, entspricht der Aussage des Wohnungsverwalters B. im Untersuchungsverfahren. Dieser hat bekundet, der Beamte habe im Januar 1996 3 000 DM an den Vermieter übergeben, weitere Zahlung hingegen nicht geleistet. Da der Zugriff erst im Februar erfolgte, war das entnommene Geld nicht in der im Januar übergebenen Summe enthalten.

4. Die Entfernung aus dem Dienst erweist sich auch im Übrigen als verhältnismäßig.

Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1969 – 2 BvR 545/68 – ≪BVerfGE 27, 180≫; Beschluss vom 4. Oktober 1977 – 2 BvR 80/77 – ≪BVerfGE 46, 17≫). Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von dem Betroffenen hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung den Zweck der Generalprävention. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, nicht Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. So verhält es sich regelmäßig bei den Zugriffsdelikten. Liegt keiner der anerkannten Milderungsgründe vor, ist bei ihnen die Entfernung aus dem Dienst auch angemessen. Dabei kommt es nicht auf das Verhältnis zwischen den von dem Beamten durch das Dienstvergehen erlangten Vorteil und den durch die Disziplinarmaßnahme bewirkten Nachteilen an. Abzuwägen sind vielmehr das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehenden Belastungen andererseits. Liegt einer der Milderungsgründe vor, kann noch ein Rest an Vertrauenswürdigkeit als vorhanden angesehen werden. Ist das Vertrauensverhältnis hingegen gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem daher als für alle öffentlich-rechtlichen und privaten Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 8. Juni 1983 – BVerwG 1 D 112.82 – ≪BVerwGE 76, 87≫; vgl. auch BVerfG – 3. Kammer –, Beschluss vom 21. Dezember 1988 – 2 BvR 1522/88 –).

5. Mit dem bewilligten Unterhaltsbeitrag hat es sein Bewenden. Weist der Beamte nach, dass er sich während des gesamten Bewilligungszeitraumes nachdrücklich, aber letztlich erfolglos um eine andere Einnahmequelle bemüht hat, so kann ihm vom Bundesdisziplinargericht auf seinen Antrag bei fortbestehender Bedürftigkeit ein Unterhaltsbeitrag neu bewilligt werden.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.

 

Unterschriften

Albers, Müller, Vormeier

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1392558

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