Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbengemeinschaft. Schädigung. Rückgabe an die Erbengemeinschaft. Berechtigter. Anspruch auf Übertragung des Grundeigentums. Vermögenswert

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle der Schädigung einer Erbengemeinschaft ist allein diese selbst restitutionsberechtigt. Jeder Miterbe kann verlangen, daß der entzogene Vermögenswert an die gesamte Erbengemeinschaft zurückgegeben wird.

Ein Anspruch auf Übertragung des Grundeigentums zählt nicht zu den nach dem Vermögensgesetz zurückzugebenden Vermögenswerten.

 

Normenkette

VermG § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 2a Abs. 1, 4; BGB §§ 2032, 2039

 

Verfahrensgang

VG Greifswald (Urteil vom 05.03.1996; Aktenzeichen 5(3)A 1104/94)

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 5. März 1996 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger beanspruchen als Erben ihres am 6. August 1953 verstorbenen Vaters, eines peruanischen Staatsangehörigen, die Rückgabe der Güter K. – und G.-K. im Landkreis B. D. (Mecklenburg-Vorpommern) nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermögensgesetzVermG).

Eigentümer der ca. 372 und 478 ha großen Güter war bis zu seinem Tod am 2. Mai 1945 der Großvater der Kläger J. K. Dieser wurde von seinen Kindern N. S. H. D. und A. K., dem Vater der Kläger, beerbt. Nach den im Testament des Erblassers vom 11. Februar 1943 getroffenen Bestimmungen standen die Güter, nachdem die beiden Miterbinnen auf ihre Übernahme verzichtet hatten, dem Vater der Kläger zu. Ende 1945 wurden die Güter im Rahmen der sog. demokratischen Bodenreform enteignet.

Den im Jahre 1990 gestellten Rückübertragungsantrag der Kläger lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 14. Juni 1994 unter Berufung auf § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ab.

Die Kläger haben daraufhin Klage erhoben, mit der sie die Verpflichtung des Beklagten beantragt haben, die enteigneten Güter an sie zurückzuübertragen; hilfsweise haben sie eine erneute Entscheidung des Beklagten über ihren Restitutionsantrag erstrebt. Zur Begründung haben sie vorgetragen: Die Vorschrift des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG über den Restitutionsausschluß bei Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage sei nicht zu ihren Lasten anwendbar, weil die Einbeziehung der enteigneten Güter in die Bodenreform gegen das von der sowjetischen Besatzungsmacht ausgesprochene Verbot der Enteignung ausländischer Vermögenswerte verstoßen habe.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. März 1996 abgewiesen und seine Entscheidung wie folgt begründet: Die umstrittenen Güter seien auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden und daher gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG von der Restitution ausgeschlossen. Die Enteignung beruhe auf Art. II Nr. 3 der Verordnung über die Bodenreform im Lande Mecklenburg-Vorpommern vom 5. September 1945, die durch den Befehl Nr. 110 der Sowjetischen Militär-Administration in Deutschland (SMAD) vom 22. Oktober 1945 für gesetzkräftig erklärt worden sei. Der Umstand, daß es sich bei den enteigneten Gütern (zumindest auch) um ausländisches Vermögen gehandelt habe, stelle den besatzungshoheitlichen Charakter der Enteignung nicht in Frage. Denn bei Erlaß des SMAD-Befehls Nr. 110 sei solches Vermögen allein durch die Proklamation Nr. 2 des Alliierten Kontrollrats vom 20. September 1945 geschützt gewesen. Diese Proklamation habe lediglich eine allgemeine Formulierung für die Behandlung von Ausländern und ausländischem Vermögen durch deutsche Behörden enthalten, nicht aber ein Gebot, ausländisches Vermögen von gesetzlich allgemein zulässigen Enteignungen auszunehmen. Die sowjetische Besatzungsmacht habe die Enteignung ausländischen Vermögens im Rahmen der Bodenreform auch nachträglich weder ausdrücklich mißbilligt oder verboten. Im Gegenteil ließen die dem Gericht vorliegenden Archivmaterialien den Schluß zu, daß die Besatzungsmacht die Enteignung ausländischen Vermögens in zahlreichen Einzelfällen – und so auch im vorliegenden Fall – gekannt und darüber hinaus gebilligt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits zugelassene Revision der Kläger, mit der sie ihr Restitutionsbegehren weiterverfolgen. Sie tragen vor: Die Enteignung der umstrittenen Güter unterfalle nicht der Vorschrift des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG, weil sie dem generellen Willen der sowjetischen Besatzungsmacht widersprochen habe, das Vermögen ausländischer Staatsangehöriger zu schützen. Bereits mit der Proklamation Nr. 2 des Alliierten Kontrollrats vom 20. September 1945, die den Charakter von geltendem Recht gehabt habe, sei die Enteignung von ausländischem Vermögen verboten worden. Dieses Verbot sei von den deutschen Behörden auch bei der Durchführung der Bodenreform zu beachten gewesen, weil die Bodenreformverordnungen der Länder der sowjetischen Besatzungszone mit dem SMAD-Befehl Nr. 110 vom 22. Oktober 1945 nur insoweit für gesetzeskräftig erklärt worden seien, als sie nicht den Gesetzen und Befehlen des Kontrollrats und den Befehlen der sowjetischen Militärverwaltung widersprochen hätten. Für die Zeit nach Durchführung der Bodenreform seien keine Äußerungen und Handlungen der sowjetischen Besatzungsmacht feststellbar, aus denen auf eine aktive Billigung der Enteignungsmaßnahmen gegen Ausländer und damit auf eine Durchbrechung des bestehenden Enteignungsverbots geschlossen werden könnte. Allein der Umstand, daß die Besatzungsmacht auf die Proteste der ausländischen Staatsbürger untätig geblieben sei, reiche zur Annahme einer solchen Billigung nicht aus. Die umstrittenen Güter seien zum Zeitpunkt der Enteignung allein ihrem Vater zuzuordnen gewesen. Dieser sei nicht nur Mitglied der Erbengemeinschaft gewesen, in deren Eigentum die Güter am 2. Mai 1945 übergegangen seien, sondern darüber hinaus – nach der Verzichtserklärung der beiden Miterbinnen – auch Begünstigter eines Vorausvermächtnisses zur Übernahme der Güter. Aufgrund dieses Vermächtnisses habe ihm ein Anwartschaftsrecht zugestanden, das nur deswegen nicht mehr zum Vollrecht erstarkt sei, weil die Güter vorher enteignet worden seien. Infolgedessen seien sie, die Kläger, als die Rechtsnachfolger ihres Vaters berechtigt, die Rückübertragung der Güter zu verlangen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält ebenso wie die Beigeladene das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Kläger ist unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich unabhängig von der darin entscheidungstragend erörterten Frage, ob die umstrittenen Güter K.- und G.-K. auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden und daher gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG von der Restitution ausgenommen sind, jedenfalls im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Kläger sind hinsichtlich der von ihnen beanspruchten Güter nicht Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 VermG und können daher nicht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG verlangen, daß die Güter an sie zurückübertragen werden.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG ist Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes derjenige, dessen Vermögenswert von einer Schädigungsmaßnahme nach § 1 VermG betroffen ist, oder sein Rechtsnachfolger. Mit dieser Regelung knüpft das Gesetz an die im Schädigungszeitpunkt bestehende zivilrechtliche Zuordnung des beanspruchten Vermögenswerts an (vgl. Urteil vom 19. März 1996 – BVerwG 7 C 30.94 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 16). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts befanden sich die zurückverlangten Güter K, – und G.-K. zum Zeitpunkt ihrer Enteignung im Eigentum einer Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB), die aus dem Vater der Kläger A. K. und dessen Schwestern N. S. und H. D. bestand. Durch die Enteignung wurde mithin nicht allein der Vater der Kläger, sondern die gesamte Erbengemeinschaft geschädigt.

Hiernach haben die Kläger keinen Anspruch darauf, daß die enteigneten Güter an sie als Rechtsnachfolger ihres geschädigten Vaters zurückübertragen werden. Ist nämlich – wie im vorliegenden Fall – eine Erbengemeinschaft durch eine Maßnahme nach § 1 VermG geschädigt worden, so ist der entzogene Vermögenswert nach § 2 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 VermG der Erbengemeinschaft als solcher zurückzuübertragen, die mithin vom Gesetzgeber als die allein Berechtigte angesehen wird. Bei dieser Fallgestaltung kann der Restitutionsanspruch gemäß § 2039 BGB von jedem einzelnen Mitglied der geschädigten Erbengemeinschaft – hier von den Klägern als Rechtsnachfolger des Miterben A. K., die ihrerseits eine Erbengemeinschaft bilden – mit dem Ziel geltend gemacht werden, daß die geschuldete Leistung an die gesamte Erbengemeinschaft erbracht wird (Beschluß vom 9. Oktober 1995 – BVerwG 7 AV 8.95 – Buchholz 112 § 2 a VermG Nr. 1). Ein solches Begehren wird von den Klägern nicht, auch nicht hilfsweise, verfolgt; vielmehr sind sie mit Blick auf das im Testament ihres Großvaters vom 11. Februar 1943 verfügte Übernahmerecht ihres Vaters der Ansicht, daß die enteigneten Güter allein ihnen zustehen. Auch dem in erster Instanz gestellten und nicht näher begründeten „Hilfsantrag” läßt sich ein anderes Klageziel nicht entnehmen; mit diesem Antrag haben die Kläger lediglich die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung für den Fall verlangt, daß ihr Rückübertragungsanspruch vom Gericht als nicht spruchreif beurteilt werden würde (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Davon abgesehen hätte eine Klage der Kläger mit dem Ziel der Rückgabe der Güter an die geschädigte Erbengemeinschaft auch keine Aussicht auf Erfolg. Denn selbst wenn zugunsten der Kläger anzunehmen wäre, daß das von der sowjetischen Besatzungsmacht ausgesprochene Verbot der Enteignung von Vermögen ausländischer Staatsangehöriger auch Vermögenswerte im Eigentum einer Erbengemeinschaft betraf, an der ein ausländischer Staatsangehöriger beteiligt war (vgl. demgegenüber zu den Verhältnissen bei Personengesellschaften mit ausländischem Anteilseigentum Beschluß vom 16. Oktober 1996 – BVerwG 7 B 232.96 – VIZ 1997, 36), wäre dieses Verbot jedenfalls auf die Eigentumsposition des jeweiligen ausländischen Staatsangehörigen beschränkt gewesen. Infolgedessen käme im vorliegenden Fall nur die Wiederherstellung der Berechtigung in Betracht, die dem Miterben A. K. an den enteigneten Gütern zustand; im übrigen müßten die Enteignungen gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG Bestand haben, weil sie – wie grundsätzlich alle Enteignungen im Zuge der Bodenreform (vgl. BVerfGE 84, 90) – auf besatzungshoheitlicher Grundlage beruhen. Die Berechtigung des Miterben A. K. an den Gütern kann indes für sich allein genommen ebenfalls nicht wiederhergestellt werden, weil – wie schon festgestellt – im Falle der Schädigung einer Erbengemeinschaft nur diese selbst restitutionsberechtigt ist.

Entgegen der Annahme der Kläger läßt sich der geltend gemachte Restitutionsanspruch auch nicht damit begründen, daß ihrem Vater nach dem Inhalt des Testaments vom 11. Februar 1943 das Recht zur Übernahme der Güter K. – und G.-K. zustand, nachdem seine Schwestern auf die Übernahme verzichtet hatten. Denn dieses Übernahmerecht des Vaters hat nicht zu einem entsprechenden Eigentumserwerb geführt; vielmehr ist die Erbengemeinschaft bis zur Enteignung der Güter deren Eigentümerin geblieben. Daß der Vater voraussichtlich ohne die Enteignung Eigentümer der Güter geworden wäre, reicht zur Begründung des Anspruchs der Kläger nicht aus. Wie der erkennende Senat wiederholt, zuletzt im Urteil vom 27. Juni 1996 – BVerwG 7 C 11.95 – (VIZ 1996, 640), ausgesprochen hat, steht der Wiedergutmachungszweck des Vermögensgesetzes der Berücksichtigung hypothetischer Geschehensabläufe grundsätzlich entgegen. Denn dieser Zweck wird durch eine Wiedereinsetzung in den vor der Unrechtsmaßnahme bestehenden rechtlichen Stand erfüllt, also durch die Rückgabe als actus contrarius zur Entziehung des Vermögenswerts, nicht aber durch Schadensersatz. Das gilt auch in den von den Klägern in der Revisionsbegründung angesprochenen Fällen der Rückgabe von überschuldeten Mietwohngrundstücken, die aufgrund Erbausschlagung in Volkseigentum übernommen wurden (vgl. § 1 Abs. 2 VermG), weil dem ausschlagenden Erben vom Erbfall bis zur Erbausschlagung das Eigentum am zurückgegebenen Grundstück bereits zustand (vgl. Urteil vom 27. Januar 1994 – BVerwG 7 C 3 u. 8.93 – BVerwGE 95, 106). Da der Vater der Kläger aufgrund seines Übernahmerechts niemals Eigentümer der Güter K. – und G.-K. geworden ist, können die Kläger nicht die Wiederherstellung dieses Eigentums verlangen.

Selbst wenn der Restitutionsanspruch der Kläger statt auf die Einräumung von Eigentum auf die Wiederherstellung des durch die Enteignung vereitelten Übernahmerechts ihres Vaters gerichtet wäre, wäre er nicht begründet. Das folgt aus dem Umstand, daß ein solches Recht nicht in den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes fällt. Die restitutionsfähigen Vermögenswerte sind in § 2 Abs. 2 VermG abschließend genannt; ein schuldrechtlicher Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an einem Grundstück zählt nicht dazu (Beschluß vom 22. Juni 1993 – BVerwG 7 B 76.93 – Buchholz 112 § 2 VermG Nr. 1). Nur ein solcher Anspruch stand dem Vater der Kläger aufgrund der im Testament vom 11. Februar 1943 getroffenen Übernahmeregelung zu. Diese Regelung ist als eine Teilungsanordnung im Sinne von § 2048 BGB oder als ein Vorausvermächtnis im Sinne von § 2150 BGB, möglicherweise auch als eine Verbindung von Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, zu bewerten. Auch wenn es sich, wie die Kläger meinen, um ein Vorausvermächtnis gehandelt haben sollte, hätte der Vater der Kläger lediglich verlangen können, daß ihm die Erbengemeinschaft das Eigentum an den Grundstücken übertrug (§ 2174 BGB). Dieser Anspruch ist von der Erbengemeinschaft – nach dem eigenen Vorbringen der Kläger – nicht einmal ansatzweise erfüllt worden. Weder hat die Erbengemeinschaft die Grundstücke an den Vater der Kläger aufgelassen, noch sind beim Grundbuch entsprechende Eintragungsanträge gestellt worden; ebensowenig ist der Anspruch durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung gesichert oder wenigstens die Eintragung einer Vormerkung bewilligt und beantragt worden. Der Erwerb des Eigentums war daher auch nicht etwa so weit vorangeschritten, daß dem Vater der Kläger eine Eigentumsanwartschaft zugestanden hätte, bei der der erkennende Senat die Anwendung des Vermögensgesetzes – unter dem Gesichtspunkt eines dinglichen Rechts an einem Grundstück im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 VermG – immerhin für denkbar gehalten hat (vgl. Beschluß vom 10. Oktober 1995 – BVerwG 7 B 327.95 – Buchholz 112 § 2 Nr. 12).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Dr. Bardenhewer, Kley, Herbert, Dr. Brunn

 

Fundstellen

ZIP 1997, 940

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