Entscheidungsstichwort (Thema)

Enteignung. Entschädigung. unlautere Machenschaften. staatlicher Verwalter. Mißbrauch Verwalterbefugnis. faktische Überschuldung. Enteignungszweck Investitionssicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Die durch Enteignungsvorschriften nicht gedeckte Inanspruchnahme eines Grundstücks zu dem Zweck, aus staatlichen Mitteln finanzierte Investitionen in das Grundstück nachträglich zu sichern, beruhte auf unlauteren Machenschaften, wenn durch die Enteignung ein vorangegangener Mißbrauch der Befugnisse des staatlichen Verwalters fortgesetzt und vertieft wurde.

 

Normenkette

VermG § 1 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3

 

Verfahrensgang

VG Berlin (Urteil vom 11.12.1995; Aktenzeichen 25 A 564.92)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Dezember 1995 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin war Eigentümerin eines mit einer Villa und Nebengebäuden bebauten Grundstücks sowie des angrenzenden unbebauten Grundstücks in Berlin-Karlshorst. Nach 1945 wurden die beiden Grundstücke zunächst von den sowjetischen Streitkräften genutzt. Seit 1952 standen sie in vorläufiger staatlicher Verwaltung der KWV Berlin-Lichtenberg. Im Jahre 1967 wurde auf Ersuchen des Rats des Stadtbezirks Lichtenberg im Grundbuch der Verwaltervermerk eingetragen: „In Schutz und vorläufiger Verwaltung gemäß § 2 der VO ≪Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten≫ vom 4.9.1952 (VOBl I S. 445) des Büro des Ministerrates, Bereich Betriebe u. Einrichtungen, Grundstücksverwaltung Niederschönhausen”. Zugleich wurde das Büro des Ministerrats zum treuhänderischen Verwalter der Grundstücke bestellt; dem erteilten Verwaltungsauftrag zufolge war der Treuhänder „berechtigt und verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung und planmäßigen Nutzung des Treuhandvermögens erforderlich sind. Dazu gehören auch die Vermietung und Verpachtung des Treuhandvermögens, nicht jedoch die Veräußerung oder Belastung des Grundstücks”. Seitdem wurden die Grundstücke für Zwecke des Ministerrats, u.a. als Dienstwohnung für politische Funktionsträger, genutzt.

Im Juni 1974 beantragte der – nunmehr als „Versorgungseinrichtung Niederschönhausen zur Gästebetreuung und Verwaltung von Wohnobjekten, Einrichtung des Ministerrats der DDR” bezeichnete – staatliche Verwalter die Enteignung der Grundstücke mit der Begründung, in den Jahren 1967 bis 1972 seien für die Instandhaltung des Gebäudes rund 260.000 M sowie zur repräsentativen Gestaltung des Gebäudes und des Gartens „im Interesse des Nutzers” über 90.000 M aus staatlichen Haushaltsmitteln aufgewendet worden; auch in Zukunft würden die Ausgaben die Einnahmen weit übersteigen. Nach Eintragung der beiden Grundstücke in das Register der Aufbaugebiete wurden diese durch Inanspruchnahmebescheid vom 6. März 1975 gemäß § 9 der Verordnung über den Aufbau Berlins (Aufbauverordnung) vom 18. Dezember 1950 (VOBl für Groß-Berlin Teil I S. 379) enteignet und in Volkseigentum überführt; als Rechtsträger wurde die Versorgungseinrichtung Niederschönhausen bestimmt. Als Entschädigung der Klägerin wurde mit Feststellungsbescheid vom 6. November 1980 der Betrag von 55.850 M festgesetzt, der einer Wertermittlung des Magistrats von Groß-Berlin aus dem Jahre 1974 entsprach. Nach einer „Abrechnung über die staatlich verwaltete Geldentschädigung für Berechtigte mit Wohn- bzw. Geschäftssitz in der BRD und Westberlin” vom 27. Oktober 1981 wurden dem Entschädigungsbetrag Zinsen seit der Inanspruchnahme in Höhe von 15.265,60 M hinzugerechnet und der nach Abzug von grundstücksbezogenen Forderungen der Sparkasse der Stadt Berlin sowie des Verwalters verbleibende Betrag von 35.937,16 M auf ein Konto des Amtes für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR bei der Staatsbank überwiesen. Eine Auszahlung an die Klägerin unterblieb.

Der Antrag der Klägerin, ihr die beiden Grundstücke nach dem Vermögensgesetz (VermG) zurückzuübertragen, blieb im Verwaltungsverfahren und im Widerspruchsverfahren ohne Erfolg. In den Gründen des Widerspruchsbescheids heißt es, daß die Enteignung gegen eine Entschädigung erfolgt sei, bei deren Festsetzung die Klägerin gegenüber DDR-Bürgern in gleicher Lage nicht benachteiligt worden sei; unlautere Machenschaften lägen nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 11. Dezember 1995 (ZOV 1996, 442) stattgegeben und den Beklagten zur Rückübertragung der Grundstücke an die Klägerin verpflichtet. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Die Enteignung erfülle den Schädigungstatbestand unlauterer Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG). Der zur Inanspruchnahme angegebene Grund der Instandsetzung habe nur dazu gedient, den äußeren Schein eines gesetzmäßigen Eigentumsentzugs aufrechtzuerhalten. In Wahrheit habe der Enteignungszweck darin bestanden, die in der Vergangenheit aus staatlichen Mitteln getätigten Investitionen durch Zugriff auf das Eigentum zugunsten des Staates zu sichern. Damit habe sich die Enteignungsbehörde bewußt und unter Ausnutzung ihrer staatlichen Machtstellung über die damals geltende Rechtsordnung hinweggesetzt, um der Versorgungseinrichtung einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen. Wenn eine Enteignung vor Durchführung der Bau- und Sanierungsmaßnahmen rechtlich zulässig gewesen sein sollte, ändere sich an der Willkürlichkeit der Maßnahme nichts; das manipulative Element sei gerade darin zu sehen, daß die Enteignung mit einem nicht mehr gegebenen Instandsetzungsbedarf begründet, der Enteignungsgrund also nachgeschoben worden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt. Der Beklagte rügt einen Aufklärungsmangel in bezug auf die Verwalterstellung und Funktion der Versorgungseinrichtung. In der Sache vertritt er die Ansicht, die Inanspruchnahme der für Zwecke des DDR-Ministerrats genutzten Grundstücke sei durch die weitgefaßte gesetzliche Grundlage gedeckt gewesen. Grundstücke, die entsprechend der Ordnung über die Stellung und Aufgaben der Versorgungseinrichtung Niederschönhausen als Gästehaus oder Dienstwohnung für politische Funktionsträger genutzt worden seien, hätten in Volkseigentum überführt werden müssen. Selbst wenn die Enteignung im Streitfall nur deswegen erfolgt sei, um bereits getätigte Investitionen aus staatlichen Haushaltsmitteln zu sichern, sei die Maßnahme allenfalls rechtswidrig, aber nicht willkürlich, wie dies der Schädigungstatbestand voraussetze. Bei der Festsetzung der Entschädigung seien die von der Versorgungseinrichtung geltend gemachten Aufwendungen für Instandsetzung und Modernisierung zugunsten der Klägerin unberücksichtigt geblieben. Daß die als Enteignungsgrund genannte künftige Instandsetzung nicht erforderlich gewesen sei, rechtfertige nicht den Schluß auf ein manipulatives Vorgehen der Behörden. Es fehlten Anhaltspunkte für die Annahme, daß die grundstücksbezogenen Aufwendungen nur vorgespiegelt seien.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Die Beigeladene hat sich nicht geäußert. Der Oberbundesanwalt beteiligt sich nicht an dem Verfahren.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten ohne Verletzung von Bundesrecht verpflichtet, der Klägerin die enteigneten Grundstücke zurückzuübertragen. Die verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergeben, daß die Enteignung auf unlauteren Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) beruhte.

Nach § 1 Abs. 3 VermG ist eine vermögensrechtliche Schädigung gegeben, wenn Vermögenswerte sowie Nutzungsrechte aufgrund unlauterer Machenschaften, z.B. durch Machtmißbrauch, Korruption, Nötigung oder Täuschung von seiten des Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter erworben wurden. Die Bestimmung betrifft solche Vorgänge, bei denen im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR auf bestimmte Vermögenswerte zugegriffen wurde. Ein derartiges qualifiziertes Einzelfallunrecht liegt deshalb nicht vor, wenn bei dem Erwerbsvorgang – gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorschriften und den sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen – „alles mit rechten Dingen zugegangen” ist (vgl. Urteil vom 29. Februar 1996 – BVerwG 7 C 59.94 – BVerwGE 100, 310; Urteil vom 20. März 1997 – BVerwG 7 C 23.96 – VIZ 1997, 348, zur Veröffentlichung in BVerwGE bestimmt). Die zum Vermögensverlust führende unlautere Machenschaft setzt keine bestimmten Handlungsformen und Erwerbsvorgänge voraus. Erfaßt wird grundsätzlich jede Art des Rechtserwerbs, neben rechtsgeschäftlichen Erwerbsvorgängen z.B. auch hoheitliche Erwerbsakte in Form willkürlicher oder sonst manipulativer Enteignungen. Eine solche manipulative Enteignung ist anzunehmen, wenn die staatlichen Organe ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben als Enteignungszweck nur vorgeschoben haben, um in Wahrheit zu gänzlich anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen; sie liegt auch dann vor, wenn die Manipulation darin besteht, daß der wahrheitsgemäß angegebene Zweck der Inanspruchnahme offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte, der Enteignungsbeschluß also nur den äußeren Schein einer gesetzmäßigen Vermögensentziehung begründen sollte. Die einfache Rechtswidrigkeit des Enteignungsakts unterhalb der Schwelle der Willkürlichkeit reicht demgemäß für die Annahme eines solchen Tatbestands nicht aus; denn die Vorschrift des § 1 Abs. 3 VermG will keinen Anspruch auf Rückübertragung von Vermögenswerten allein deswegen gewähren, weil bei einer vermögensentziehenden Maßnahme Regelungen des DDR-Rechts nicht beachtet worden sind (Urteil vom 31. August 1995 – BVerwG 7 C 39.94 – Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 53).

Das Verwaltungsgericht hat in Anwendung dieser Grundsätze und Maßstäbe die Inanspruchnahme der Grundstücke der Klägerin zu Recht als mangels Rechtsgrundlage manipulative Enteignung gewertet. Nach seinen tatsächlichen Feststellungen diente die Enteignung dem Zweck, die Investitionen, die in der Vergangenheit aus staatlichen Haushaltsmitteln auf privatem Grund getätigt worden waren und den Grundstückswert überstiegen, nachträglich dem Staatsvermögen gutzubringen; daß zur Überschuldung führende Instandsetzungsaufwendungen auch in Zukunft anfallen würden, sei zwar in der Begründung des ersten Antrags auf Inanspruchnahme angegeben, aber erkennbar nur vorgeschoben gewesen, da weitere Baumaßnahmen weder angestanden hätten noch in der Folgezeit durchgeführt worden seien. Für die damit anzunehmende Enteignung allein zum Zweck der nachträglichen Sicherung bereits verausgabter Haushaltsmittel gab es offenkundig keine rechtliche Grundlage.

Demgemäß hat das Verwaltungsgericht das manipulative Element im Ergebnis zu Recht darin gesehen, daß der staatliche Verwalter durch Herbeiführung einer „faktischen” Überschuldung des Grundstücks willkürlich einen Enteignungsgrund geschaffen hatte, der eine Enteignung auch vor Durchführung der staatlich finanzierten Baumaßnahmen nicht gerechtfertigt hätte. Das mit den Baumaßnahmen auf den Grundstücken der Klägerin verfolgte Ziel, eine Einrichtung für Bedürfnisse des DDR-Ministerrats und zur Wohnungsversorgung politischer Funktionsträger zu schaffen, ließ sich auf der Grundlage der Aufbauverordnung nicht verwirklichen, da ein derartiges Vorhaben durch den Normzweck, einen planmäßigen Aufbau Berlins nach den „Grundsätzen des Städtebaues” sicherzustellen (vgl. §§ 2 und 5 der Aufbauverordnung), selbst bei großzügigem Verständnis nicht mehr gedeckt war. Anders mochte dies allenfalls nach der Anweisung des Stadtbauamts über die Erweiterung der Anwendung der Aufbauverordnung vom 2. Mai 1959 ≪Dienstblatt des Magistrats von Groß-Berlin, Ausgabe vom 6. Juni 1959, S. 5≫ zu beurteilen sein, die in Abschnitt II Abs. 2 Erklärungen zum Aufbaugebiet und Inanspruchnahmen auch dann für zulässig erklärte, wenn ein „Rechtsträger von Volkseigentum” ein Grundstück für die Durchführung von Baumaßnahmen dringend benötigte. Abgesehen davon, daß ein derart dringender Bedarf hinsichtlich der umstrittenen Grundstücke weder geltend gemacht noch ersichtlich war, waren jedoch die formellen Voraussetzungen dieser erweiternden Regelung nicht erfüllt, bevor die staatliche Verwaltung der Versorgungseinrichtung Niederschönhausen übertragen wurde; bei Übernahme der staatlichen Verwaltung durch die Versorgungseinrichtung und deren Eintragung als Rechtsträger waren demgegenüber die baulichen Maßnahmen auf den Grundstücken bereits verwirklicht, und zwar durch einen staatlichen Verwalter, der nur zur Vermietung und Verpachtung des Grundstücks, nicht aber zu dessen Veräußerung oder Belastung befugt war; deswegen greift auch die Aufklärungsrüge der Revision nicht durch. Da bei Durchführung der Baumaßnahmen auch die Zweite Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz vom 29. September 1972 (GBl DDR II S. 641) noch nicht erlassen war, die eine Inanspruchnahme von Grundstücken u.a. zur Sicherung des Um- und Ausbaues ermöglichte, wenn diese Maßnahmen mit der geplanten städtebaulichen Entwicklung übereinstimmten sowie in den Volkswirtschaftsplan aufgenommen waren und der Eigentümer „nicht in der Lage oder nicht bereit ist, diese notwendigen Maßnahmen durchführen zu lassen” (§ 3), fehlte es bis zur Vollendung der Baumaßnahmen an einer Rechtsgrundlage, die eine Enteignung zu diesem Zweck zugelassen hätte. Es lag deshalb nicht nur ein versehentliches Unterbleiben einer an sich nach DDR-Recht möglichen Inanspruchnahme der Grundstücke vor, demzufolge deren formelle Gesetzwidrigkeit durch die nachträgliche Enteignung gleichsam hätte „legalisiert” werden können. Vielmehr war während der Durchführung der Baumaßnahmen zu keiner Zeit eine Rechtsgrundlage vorhanden, auf die eine Enteignung der Klägerin hätte gestützt werden können. Daß es nach 1974 einer Enteignung bedurft hätte, um die künftige Verwendung der Grundstücke für öffentliche Zwecke sicherzustellen, ist schon deshalb auszuschließen, weil diese Zweckbestimmung aufgrund der angeordneten treuhänderischen Verwaltung offenkundig ungefährdet war.

Die von keiner Rechtsgrundlage gedeckte Enteignung der Klägerin stellt sich damit als Fortsetzung und Vertiefung des Unrechts dar, das darin bestand, daß sich der staatliche Verwalter mit der Vornahme der vom Büro des Ministerrats im Jahre 1974 auf rund 350.000 M bezifferten Investitionen in die unter vorläufiger Verwaltung stehenden Grundstücke die Stellung eines Eigentümers angemaßt und damit die ihm eingeräumten Verwalterbefugnisse mißbraucht hatte. Mit ihrem Zweck, die in der Vergangenheit als verlorene Zuschüsse investierten staatlichen Mittel „zu retten”, kommt die Inanspruchnahme der Grundstücke im Ergebnis der Übernahme in Volkseigentum aufgrund einer durch den staatlichen Verwalter herbeigeführten Überschuldung gleich. Da der staatliche Verwalter zur Grundstücksbelastung nicht berechtigt war, durfte er diese Beschränkung seiner Befugnisse nicht dadurch umgehen, daß er durch dem Eigentümerinteresse widersprechende Investitionen in die Grundstücke den Grund für ein anschließendes Enteignungsverfahren bewirkte. Wurde gleichwohl aufgrund vorangegangenen Mißbrauchs der Verwalterbefugnisse die Enteignung verfügt, ist diese ihrerseits wegen Machtmißbrauchs als unlautere Machenschaft zu werten.

Daß der derart motivierte Zugriff auf das Eigentum der Klägerin manipulativ war und mit einer nur scheinbar gesetzmäßigen Vermögensentziehung bemäntelt wurde, wird durch eine Reihe von Merkwürdigkeiten belegt, die das Verwaltungsgericht festgestellt hat. So wurde die Ausweisung der Grundstücke als Aufbaugebiet und ihre Eintragung in das entsprechende Register von den zuständigen Stellen erst in die Wege geleitet, nachdem die Versorgungseinrichtung unter Hinweis auf die aus staatlichen Mitteln getätigten Investitionen bereits im Juni 1974 die Inanspruchnahme nach Aufbaurecht beantragt hatte; die formellrechtlichen Enteignungsvoraussetzungen wurden also erst geschaffen, als der faktische Zugriff auf das Eigentum längst erfolgt war. Ferner wurde der darauf im November 1974 gestellte förmliche Antrag auf Inanspruchnahme der Grundstücke mit der Aufbaumaßnahme „Instandsetzung” begründet und als Träger der Aufbaumaßnahme die Versorgungseinrichtung Niederschönhausen bezeichnet; damit wurde zumindest objektiv der unzutreffende Eindruck erweckt, als beabsichtige die Versorgungseinrichtung, im Einklang mit der Rechtsordnung der DDR die angegebene Aufbaumaßnahme in Zukunft durchzuführen. Schließlich fällt auf, daß die zur Rechtfertigung der Inanspruchnahme von der Versorgungseinrichtung geltend gemachten Aufwendungen von rund 350.000 M bei der Festsetzung des Entschädigungsbetrags überhaupt nicht berücksichtigt wurden; dies ist, selbst wenn dadurch die Klägerin im Entschädigungsverfahren begünstigt wurde, ein zusätzlicher Anhaltspunkt dafür, daß bei der Enteignung nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Ob diese Vorgänge und Umstände jeweils für sich genommen die Annahme unlauterer Machenschaften begründen könnten, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls bestätigt ihre Würdigung im Zusammenhang mit der rechtsgrundlos erfolgten Inanspruchnahme der umstrittenen Grundstücke und der vorangegangenen Überschreitung der Verwalterbefugnisse die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß die Enteignung nicht nur auf einem Rechtsanwendungsfehler beruhte, sondern in manipulativer Absicht unter Mißbrauch staatlicher Gewalt zu dem Zweck erfolgt ist, einen Zugriff auf das Eigentum der Klägerin zu ermöglichen, der bei gesetzmäßiger Anwendung der Enteignungsvorschriften der DDR ausgeschlossen war. Damit ist der Schädigungstatbestand des Eigentumsverlusts aufgrund unlauterer Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Dr. Paetow, Kley, Herbert, Dr. Brunn

 

Fundstellen

Haufe-Index 1471286

ZIP 1997, 1563

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