Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonntagsschutz. Feiertagsschutz. Zweckbestimmung. Sonn- und Feiertage. Freizeitgestaltung. werktägliche Geschäftigkeit. gewerbliche Tätigkeit. sonntägliches Bedürfnis. Indizien. vergleichbare Einrichtung. Bräunungsstudio. Sauna. Sonnenbad. Sonnenstudio. Kosmetiksalon. Haarpflegesalon. KörperpflegehErscheinungsbild. Revisibilität. Landesrecht. Vertreter des öffentlichen Interesses. VöI. Beteiligung. Anschlußrevision. Beteiligungserklärung. Revision. Verwerfung. Urteil

 

Leitsatz (amtlich)

Mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung (Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG) stehen solche Veranstaltungen nicht im Einklang, die sich nach ihrem Zweck, ihrer Ausgestaltung und ihrem Erscheinungsbild im öffentlichen Leben als typisch werktägliche Lebensvorgänge darstellen (wie BVerwGE 79, 118 ≪127≫).

Der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage nach Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG laufen naturgemäß solche Betätigungen nicht zuwider, die die Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung verwirklichen. Aufgrund der Freiheit zur persönlichen Lebensgestaltung sind Betätigungen unterschiedlichster Art mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage vereinbar, sofern und soweit sie frei von werktäglicher Geschäftigkeit sind. Geboten ist eine gegenseitige Rücksichtnahme. Gewerbliche Tätigkeiten sind mit der Zweckbestimmung dieser Tage vereinbar, sofern sie der Befriedigung sonn- oder feiertäglicher Bedürfnisse dienen (BVerwGE 79, 118 ≪126≫; 79, 236 ≪241≫). Das ist auch beim gewerblichen Betrieb eines Bräunungsstudios der Fall.

 

Normenkette

GG Art. 140; WRV Art. 139; BawüFTG §§ 5, 6 Abs. 1; VwGO § 36 Abs. 1, § 60 Abs. 1-2, § 63 Nr. 4, §§ 127, 141, 144 Abs. 1

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 17.07.1990; Aktenzeichen 9 S 639/90)

VG Karlsruhe (Entscheidung vom 09.01.1990; Aktenzeichen 8 K 178/89)

 

Tenor

Die Revision des Vertreters des öffentlichen Interesses gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Juli 1990 wird verworfen.

Die Revision der Beklagten gegen dieses Urteil wird zurückgewiesen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses und die Beklagte tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger betreiben in Karlsruhe vier Bräunungsstudios mit Münzautomaten. Gestützt auf das baden-württembergische Polizeigesetz und das baden-württembergische Gesetz über die Sonntage und Feiertage – BaWüFTG – untersagte die Beklagte durch Verfügung vom 21. März 1989 den Klägern die Offenhaltung ihrer Bräunungsstudios an Sonn- und Feiertagen. Der gegen diese Verfügung eingelegte Widerspruch blieb erfolglos.

Die von den Klägern gegen die Untersagungsverfügung erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf ihre Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg durch Urteil vom 17. Juli 1990 (GewArch 1990, 335 f.) die Untersagungsverfügung, den Widerspruchsbescheid und die vorinstanzliche Entscheidung aufgehoben und dazu ausgeführt: Der Betrieb der Bräunungsstudios an Sonn- und Feiertagen sei nicht bereits aufgrund des § 7 Abs. 1 des Gesetzes über den Ladenschluß vom 28. November 1956 (BGBl. I S. 875), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Juli 1989 (BGBl. I S. 1382), erlaubt, weil diese Vorschrift nur Warenautomaten betreffe, im vorliegenden Fall aber der Zugang zu maschinellen Dienstleistungen eröffnet werde. Andererseits greife das Arbeitsverbot nach § 6 Abs. 1 BaWüFTG nicht ein. Zwar werde das Element öffentlich bemerkbarer Arbeiten durch die Automatisierung und die Selbstbedienung der Kunden nicht ausgeschlossen. Jedoch tangiere der Betrieb eines Bräunungsstudios trotz seines gewerblichen Charakters den Schutz der Sonn- und Feiertage nicht, weil er vorrangig der Freizeitgestaltung der Kunden, ihrer Erholung und Entspannung diene. Der mit dem Besuch eines Bräunungsstudios erwünschte und erzielte Nebeneffekt der Körperpflege im weitesten Sinne präge in der Regel diese Form der Freizeitgestaltung ebensowenig wie beim Schwimmen, Bodybuilding, Dampfbad (Sauna) und Sonnenbaden, die als körperbezogene Freizeitgestaltungen anerkannt seien. Die Bräunung unter Bestrahlungsgeräten sei nicht anders zu beurteilen als natürliches Sonnenbaden in Schwimmbädern, die vielfach nur oder in erster Linie für ein Sonnenbad aufgesucht würden. Die Bräunungsstudios verschafften lediglich die technische Möglichkeit, ohne Abhängigkeit von Tageszeit und Witterung in zeitlich gedrängter Weise den Effekt eines mehr oder weniger ausgedehnten Sonnenbades zu erreichen. Häufig seien Saunabetrieb und Bräunungsstudio miteinander kombiniert. Bräunungsstudios ließen sich nicht mit Haar- und Körperpflegesalons vergleichen, die personalintensiv Dienstleistungen der Körperpflege erbrächten, damit der Arbeitssphäre angehörten und nicht der Deckung eines an Sonn- und Feiertagen bestehenden Publikumsbedarfs an Ort und Stelle dienten. Beim Sonnen-, Dampf- oder Freibad und allen Sportarten gestalte demgegenüber der Betroffene, sei es in Muße oder Aktivität, seine Freizeit, ohne sich passiv als Kunde einem personalintensiven Dienstleistungsunternehmen zu überlassen.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagte Revision und nach Ablauf der Revisionsfrist der Vertreter des öffentlichen Interesses unter erstmaliger Erklärung seiner Beteiligung am Verfahren Anschlußrevision eingelegt. Sie erstreben jeweils die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Beklagte hat ihre Revision im wesentlichen wie folgt begründet: Das Berufungsurteil sei mit dem Sinngehalt von Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG nicht vereinbar. Durch diese Bestimmungen sei zwar nicht im einzelnen vorgegeben, welche Tätigkeiten mit dem Sonn- und Feiertagsschutz vereinbar seien. Jedoch müsse die besondere Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage hinreichend dadurch gewährleistet sein, daß an diesen Tagen die werktägliche Geschäftigkeit ruhe, sofern sie nicht gerade zur Befriedigung sonntäglicher (nichtwerktäglicher) Bedürfnisse erforderlich oder in Wahrnehmung gesetzgeberischer Regelungsmacht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes besonders zugelassen sei. Das Landesrecht habe an Sonn- und Feiertagen den Betrieb von Bräunungsstudios nicht ausdrücklich zugelassen. Der Freizeitcharakter des Bräunungsstudios überwiege auch nicht derart das gewerbliche Element, daß aus diesem Grunde die gebotene Ruhe von werktäglicher Geschäftigkeit noch gewährleistet sei. Die Leistungen eines Bräunungsstudios könnten ebenso an Wochentagen in Anspruch genommen werden und würden es auch. Nach allgemeiner Verkehrsanschauung werde ein Bräunungsstudio nicht wie ein Schwimmbad oder eine Sauna als Ort von außerwerktäglicher Freizeitaktivität angesehen: Ein Schwimmbad sei durch die sportliche Komponente körperlicher Ertüchtigung geprägt. Eine Sauna erfordere eine längere Aufenthaltsdauer und eine erheblich größere körperliche Beanspruchung des Benutzers sowie einen erhöhten räumlichen, personellen und finanziellen Erstattungsaufwand des Betreibers. Demgegenüber ließen sich Bräunungsstudios ohne vergleichbaren Aufwand betreiben und dienten dem schlichten Bräunungserfolg, den sich der Benutzer unter Umgehung der für eine natürliche Bräunung aufzuwendenden Muße- und Ruhezeit erkaufe. Daß der Besuch von Bräunungsstudios als Nebeneffekt auch der Erholung und Entspannung zugute komme, könne nicht entscheidend sein. Viele andere gewerbliche Dienstleistungen müßten dann ebenfalls als freizeitbezogene Angebote angesehen werden, was zu einer weitgehenden Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes führen würde.

Die Kläger verteidigen das Berufungsurteil: Ihre als Münz-Selbstbedienungsanlage betriebenen Bräunungsstudios erforderten nicht den Einsatz von Arbeitnehmern und berührten weder religiöse noch sonstige Gesichtspunkte des Sonn- und Feiertagsschutzes. Prägend für diese Studios sei die individuelle Freizeitgestaltung.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich schriftsätzlich zur Zulässigkeit seiner Beteiligung und Anschlußrevision geäußert und das Berufungsurteil mit Sachrügen angegriffen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Senat konnte trotz Ausbleibens des ordnungsgemäß geladenen Vertreters des öffentlichen Interesses – VÖI – verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).

1. Die Revision des VöI ist unzulässig und daher zu verwerfen.

a) Nach §§ 141 Satz 1, 127 Satz 1 VwGO können sich der Revisionsbeklagte und die anderen am Verfahren Beteiligten einer eingelegten Revision anschließen. Wie sich aus § 127 Satz 2 VwGO ergibt, kann die Anschlußrevision noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingelegt werden. Der VöI ist gemäß § 63 Nr. 4 VwGO am Verfahren beteiligt, wenn er von seiner Beteiligungsbefugnis Gebrauch macht. Unter dieser Voraussetzung kann er nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts alle Rechtsmittel, insbesondere auch Anschlußrevision einlegen (BVerwGE 2, 321≪324≫; 25, 170 ≪172≫).

Der VöI kann von seiner Beteiligungsbefugnis nur bis zum Abschluß des Verfahrens vor dem Gericht Gebrauch machen, bei dem er bestellt ist. Aus der in § 36 Abs. 1 Satz 1 VwGO enthaltenen Ermächtigung, durch Rechtsverordnung der Landesregierung einen VöI „bei dem Oberverwaltungsgericht” und „bei dem Verwaltungsgericht” zu bestimmen, ergibt sich, daß die Länder einen VöI institutionell nur bei diesen Gerichten und funktionell nur beschränkt auf die Verfahren dieser Gerichte bestellen können, so wie der Oberbundesanwalt nach § 35 Abs. 1 Satz 1 VwGO beim Bundesverwaltungsgericht bestellt ist und ihm funktionell allein die Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zugewiesen sind (BVerwGE 25, 170 ≪173≫).

b) Der bei den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg bestellte VöI mußte daher seine Beteiligung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe oder vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erklären. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.

Der VöI hat bis zum Erlaß des Berufungsurteils keine Erklärung über seine Beteiligung am Verfahren abgegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine solche Erklärung noch nach der Verkündung oder Zustellung des Berufungsurteils und zum alleinigen Zweck der Einlegung des Rechtsmittels abgegeben werden, solange für die anderen Beteiligten die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen ist (BVerwGE 16, 265 ≪268≫; Beschluß vom 11. März 1983 – BVerwG 9 B 2597.82 – Buchholz 402.25 § 5 AsylVfG Nr. 1; Beschluß vom 28. November 1986 – BVerwG 1 C 20.85 – Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 83). Die bisher in der Rechtsprechung nicht entschiedene Frage, ob die erstmalige Beteiligung des VöI nach Ablauf der Revisionsfrist durch Einlegung einer Anschlußrevision erklärt werden kann (ausdrücklich offengelassen in BVerwGE 16, 265 ≪268≫), ist zu verneinen, da jedenfalls nach Ablauf der Revisionsfrist das Berufungsverfahren seinen Abschluß gefunden hat. Ein von der Beteiligung in der Vorinstanz unabhängiges Beteiligungsrecht des VöI im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht besteht nicht (Kopp, VwGO, 9. Aufl. 1992, Vorb. § 124 VwGO Rdnr. 38). Die jedem Verfahrensbeteiligten grundsätzlich eröffnete Möglichkeit, ohne Bindung an die Revisionsfrist Anschlußrevision einzulegen, enthebt den VöI, wenn er sich an einem Verfahren beteiligen will, nicht der Verpflichtung, seine Beteiligung spätestens bis zum Ablauf der Revisionsfrist für die am Verfahren Beteiligten zu erklären, weil danach seine Beteiligungsbefugnis nach § 36 Abs. 1 Satz 1 VwGO infolge seiner funktionell auf Verfahren vor den Verwaitungs- und Oberverwaltungsgerichten beschränkten Bestellung entfallen ist (Kopp a.a.O. § 36 Rdnr. 3).

c) Ob einem VöI im Falle einer nicht rechtzeitigen Erklärung seiner Beteiligung am Verfahren auf Antrag oder von Amts wegen nach § 60 Abs. 1 und 2 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, bedarf keiner Entscheidung, da ein Wiedereinsetzungsantrag nicht gestellt worden ist und Wiedereinsetzungsgründe weder vom VöI vorgetragen werden noch sonst ersichtlich sind. Dafür genügt insbesondere nicht das pauschale und unsubstantiierte Vorbringen des VöI, er sei zu spät über das Berufungsurteil informiert worden.

d) § 144 Abs. 1 VwGO sieht die Verwerfung einer unzulässigen Revision durch Beschluß vor. Gleichwohl begegnet die Verwerfung der Revision in einem Urteil keinen Bedenken, wenn – wie hier – in derselben Rechtssache aufgrund einheitlicher mündlicher Verhandlung zugleich über eine weitere Revision zu befinden ist (Kopp a.a.O., § 144 VwGO Rdnr. 2; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 10. Aufl. 1991, § 144 Rdnr. 2; ebenso zu der § 144 Abs. 1 VwGO entsprechenden Bestimmung des § 63 Abs. 3 BVerwGG BVerwGE 15, 239 ≪240≫ mit weiteren Nachweisen). Einer gesonderten Beschlußfassung über die Zulässigkeit der Revision des VöI vor Eintritt in die Verhandlung zur Sache bedurfte es auch nicht etwa zu dem Zweck, die Befugnis des VöI zur Teilnahme an dieser Verhandlung als Verfahrensbeteiligten vorab zu klären; denn der VöI ist trotz Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

2. Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht entschieden, daß es an einer Rechtsgrundlage für die Untersagung der von den Klägern betriebenen Bräunungsstudios an Sonn- und Feiertagen fehlt.

a) Die Untersagungsverfügung ist auf die Vorschriften über die allgemeinen Aufgaben und Befugnisse der Polizei in §§ 1 Abs. 1, 3 des baden-württembergischen Polizeigesetzes in der Fassung vom 16. Januar 1968 (GBl. S. 61) sowie § 6 Abs. 1 des baden-württembergischen Gesetzes über die Sonntage und Feiertage in der Fassung vom 28. November 1970 (GBl. 1971 S. 1) – BaWüFTG – gestützt. Nach § 6 Abs. 1 BaWüFTG sind an den Sonntagen und den gesetzlichen Feiertagen öffentlich bemerkbare Arbeiten, die geeignet sind, die Ruhe des Tages zu beeinträchtigen, verboten, soweit in gesetzlichen Vorschriften nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Berufungsgericht hält das in § 6 Abs. 1 BaWüFTG enthaltene Arbeitsverbot für unanwendbar auf den Betrieb von Bräunungsstudios. An die Auslegung und Anwendung des Landesrechts durch das Berufungsgericht ist das Bundesverwaltungsgericht gebunden (§§ 137 Abs. 1, 173 VwGO i.V.m. § 562 ZPO). Die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts, daß das Tatbestandsmerkmal „öffentlich bemerkbare Arbeiten” durch die Automatisierung der Bräunungsstudios der Kläger nicht ausgeschlossen werde, unterliegt daher nicht revisionsgerichtlicher Nachprüfung. Nach Landesrecht beurteilt sich weiterhin, ob an Sonn- und Feiertagen betriebene Bräunungsstudios „geeignet sind, die Ruhe des Tages zu beeinträchtigen” und aus diesem Grunde verboten sind. Ein Verstoß gegen Bundesrecht käme insoweit nur in Betracht, wenn der Gesetzgeber die ihm durch Bundes(verfassungs)recht, insbesondere durch Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG, gesetzten Grenzen seines Gestaltungsspielraums überschritten hätte. Die Grenzen gesetzgeberischen Ermessens zum Sonn- und Feiertagsschutz hat der Senat dahin umschrieben, daß einerseits die durch das Grundgesetz festgelegte besondere Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage hinreichend gewährleistet und insoweit diese Tage als Institution geschützt sein müssen, andererseits die zum Schutz der Sonn- und Feiertage getroffenen Regelungen nicht unverhältnismäßig sein dürfen (BVerwGE 79, 118 ≪123≫; 79, 236 ≪238≫; Urteil vom 29. Mai 1990 – BVerwG 1 C 21.88 – Buchholz 451.20 §§ 105 a–i GewO Nr. 10).

(2) Das Berufungsgericht stellt im vorliegenden Fall nicht auf die Grenzen gesetzgeberischen Ermessens bei der Gestaltung des Sonn- und Feiertagsschutzes, sondern auf den Inhalt der zur Gewährleistung von Schutz und Ruhe dieser Tage getroffenen gesetzlichen Regelung ab. Es nimmt an, daß der Betrieb eines Bräunungsstudios trotz seines gewerblichen Charakters den „Schutz der Sonn- und Feiertage” nicht tangiert und damit die Ruhe dieser Tage nicht beeinträchtigt, was in § 5 BaWüFTG dahingehend konkretisiert wird, daß die Sonntage und die gesetzlichen Feiertage „als Tage der Arbeitsruhe und der Erhebung nach Maßgabe der gewerbe- und arbeitsrechtlichen Vorschriften sowie der Bestimmungen dieses Abschnitts geschützt” sind. Den Schutz der Sonn- und Feiertage versteht das Berufungsgericht ersichtlich im Sinne der bundesverfassungsrechtlichen Gewährleistung in Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG. Das Berufungsgericht verweist an anderer Stelle ausdrücklich auf „das Schutzgebot des Art. 140 GG”, womit nur der Schutz der Sonn- und Feiertage im Grundgesetz gemeint sein kann. Es hat weiterhin die Revision „im Interesse ländereinheitlicher Handhabung des Sonn- und Feiertagsrechts” zu der durch Art. 140 GG möglichen Klärung der Vereinbarkeit des Betriebs von Bräunungsstudios mit dem Sonn- und Feiertagsschutz zugelassen. Das setzt voraus, daß es den für seine Entscheidung erheblichen Begriff des Sonn- und Feiertagsschutzes aus Bundesverfassungsrecht herleitet. Damit legt das Berufungsgericht das Landesfeiertagsrecht in dem Sinne aus, daß die in § 6 Abs. 1 BaWüFTG grundsätzlich gebotene Ruhe durch den in Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG umschriebenen Zweck der Sonn- und Feiertage bestimmt wird. Diese Auslegung des § 6 Abs. 1 BaWüFTG ist für das Revisionsgericht bindend. Die daran anschließende Inhaltsbestimmung des Sonn- und Feiertagsschutzes ist demgegenüber revisionsgerichtlicher Nachprüfung unterworfen, weil sie auf Bundes(verfassungs)recht beruht (BVerwGE 79, 118 ≪121≫).

b) Art 139 WRV, der nach Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes ist, bestimmt, daß der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt bleiben. Schutzgut des Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG ist angesichts dieser Zweckbestimmung die Institution der Sonntage und der staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung, die als ein Grundelement des sozialen Zusammenlebens und der staatlichen Ordnung verfassungsgesetzlich gewährleistet und dem gesetzlichen Schutz überantwortet wird (BVerwGE 79, 118 ≪122≫; 79, 236 ≪238≫). Durch ihre Zweckbestimmung unterscheiden sich der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage von Grund auf von den Werktagen. Das öffentliche Leben soll an diesen Tagen soweit möglich seiner werktäglichen Elemente entkleidet und dadurch die Begehung dieser Tage „als Nicht-Werktage” ermöglicht werden (BVerwGE 79, 236 ≪239, 241≫). Das erfordert, daß an diesen Tagen grundsätzlich „die werktägliche Geschäftigkeit ruht” (BVerwGE 79, 118 ≪126≫; 79, 236 ≪241≫).

aa) Das Ruhen werktäglicher Geschäftigkeit ist dahin zu verstehen, daß allgemein an Sonn- und Feiertagen „die werktäglichen Bindungen und Zwänge entfallen und es den einzelnen dadurch möglich wird, diese Tage im sozialen Zusammenleben nach ihren vielfältigen und unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen allein oder in der Gemeinschaft mit anderen ungehindert von den werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen zu begehen” (BVerwGE 79, 236 ≪239≫). Das Gefühl des einzelnen, daß es sich um für alle verbindliche Ruhetage handelt, soll nicht durch eine nach außen erkennbare gewerbliche Tätigkeit anderer, die üblicherweise an Werktagen erfolgt, beeinträchtigt werden (BVerfG, Kammerbeschluß vom 24. November 1986 – 1 BvR 317/86 – GewArch 1988, 188; Kammerbeschluß vom 30. August 1988 – 1 BvR 909/88 – BA S. 2). Mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage stehen solche Veranstaltungen nicht im Einklang, die sich nach ihrem Zweck, ihrer Ausgestaltung und ihrem Erscheinungsbild im öffentlichen Leben als typisch werktägliche Lebensvorgänge darstellen (BVerwGE 79, 118 ≪127≫).

Die Reichweite des Sonn- und Feiertagsschutzes beschränkt sich nicht auf bestimmte Tätigkeitsbereiche oder Betriebe einer bestimmten Größenordnung. Erfaßt werden nicht nur die das Bild der Arbeitswelt prägenden Tätigkeiten in Landwirtschaft und Handel. Betroffen sein kann auch das Offenhalten eines Ladengeschäfts durchschnittlichen Umfangs, wenn der Betrieb nach Art und konkreter Ausgestaltung mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage unvereinbar ist (BVerwGE 79, 236 ≪243≫). Die Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage reicht weiterhin über den Arbeitnehmerschutz und die Abwehr von Störungen der Religionsausübung hinaus (BVerwGE 79, 236 ≪239≫). Es kommt infolgedessen für den werktäglichen Charakter einer Veranstaltung nicht darauf an, ob und in welchem Umfang diese personalintensiv betrieben werden muß. Eine Einrichtung, die weitgehend ohne Personaleinsatz mit Automaten oder allein durch den Inhaber betrieben werden kann, verliert dadurch noch nicht ihren werktäglichen Charakter. Schließlich muß nicht einmal die Ausübung eines Gewerbes vorliegen. Mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage sind grundsätzlich alle öffentlich bemerkbaren Tätigkeiten werktäglichen Charakters unvereinbar (BVerwGE 79, 118 ≪127≫).

bb) Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG laufen naturgemäß solche Beschäftigungen nicht zuwider, die die Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage verwirklichen. Das Freihalten dieser Tage von werktäglicher Geschäftigkeit soll jedem einzelnen grundsätzlich eine Gestaltung dieser Tage nach seinen Vorstellungen und Bedürfnissen ermöglichen. Dementsprechend widerstreitet die Befriedigung „sonntäglicher Bedürfnisse” nicht der Zweckbestimmung dieser Tage. Darüber hinaus ist eine an sich werktägliche Geschäftigkeit, einschließlich gewerblicher Tätigkeiten, zulässig, sofern sie als „Arbeit für den Sonntag” gerade der Befriedigung sonn- oder feiertäglicher Bedürfnisse dient oder – was hier nach den Darlegungen des Berufungsgerichts allerdings nicht in Rede steht – zur Wahrung von dem Sonn- und Feiertagsschutz gleichwertigen Rechtsgütern in Wahrnehmung gesetzgeberischer Regelungsmacht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes besonders zugelassen ist (BVerwGE 79, 118 ≪126≫; 79, 236 ≪241≫).

(1) Was unter sonn- oder feiertäglichen Bedürfnissen zu verstehen ist, läßt sich nicht ohne weiteres abstrakt und abschließend umschreiben. Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG zielt nicht auf eine allgemeine Ruhe oder gar auf eine dem religiösen, weltanschaulichen oder staatlichen Sinngehalt des jeweiligen Tages entsprechende „seelische Erhebung”. Eine derartige Auslegung widerspräche nicht nur der weltanschaulichen Neutralität des Staates, sondern auch dem Recht jedes einzelnen, den arbeitsfreien Sonn- und Feiertag nach seinem persönlichen Geschmack zu gestalten.

Aufgrund der Freiheit zur persönlichen Lebensgestaltung sind daher Betätigungen unterschiedlichster Art mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage vereinbar, sofern und soweit sie frei von werktäglicher Geschäftigkeit sind. Geboten ist eine gegenseitige Rücksichtnahme. Die Sonn- und Feiertagsgestaltung jedes einzelnen ist in diesem Rahmen hinzunehmen, auch wenn sie nicht den herkömmlichen Vorstellungen und Erwartungen in bezug auf diese Tage entspricht. Andererseits hat sich der einzelne bei seiner Sonn- und Feiertagsgestaltung solcher Beschäftigungen zu enthalten, die als typisch werktäglich wahrgenommen werden und daher geeignet sind, den Charakter der Sonn- und Feiertage als für alle verbindliche Ruhetage zu beeinträchtigen.

(2) Für die Abgrenzung zwischen Beschäftigungen, die die Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage verwirklichen und die dieser Zweckbestimmung zuwiderlaufen, stellt das Berufungsgericht darauf ab, ob es sich um eine „Freizeitgestaltung” handelt. Dies entspricht einem in der Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Verständnis, wonach an Sonn- und Feiertagen jede Freizeitgestaltung oder -betätigung und die ihnen dienenden „Freizeitveranstaltungen” gewerblicher oder nicht-gewerblicher Art zulässig sind (ebenso BVerfG a.a.O.; OVG Münster NJW 1983, 2209; BayVGH GewArch 1987, 71 f.; BayObLG GewArch 1986, 245 ≪246≫; VG Minden GewArch 1987, 142 ≪143≫; VG Düsseldorf GewArch 1984, 302 ≪303≫; BaWüVGH GewArch 1990, 333 ≪334≫; Dirksen, Das Feiertagsrecht, 1961, S. 32, 102 f.; Pahlke, WuV 1988, 69 ≪85≫). Dem ist unter der Einschränkung zuzustimmen, daß „Freizeitgestaltung” nicht etwa jede außerberufliche Betätigung in der Freizeit erfaßt. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG ist auf Sonn- und Feiertage bezogen und schließt nicht die sonstige Freizeit an Werktagen ein (gegen eine Gleichsetzung von „Freizeit” mit der Zeit der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung im Sinne von Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG Baldus, DöV 1971, 338 ≪339≫; Pahlke, Sonn- und Feiertagsschutz als Verfassungsgut in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche ≪24≫, 1990, S. 53 ≪65≫). Es gibt Beschäftigungen, zu denen man erst nach der Berufstätigkeit, möglicherweise nur an Wochenenden kommt, die aber gleichwohl werktäglichen Charakter haben und damit der besonderen Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage zuwiderlaufen, z. B. grundsätzlich alle Erwerbsgeschäfte. Auf der anderen Seite verlieren persönliche Bedürfnisse ihren sonn- und feiertäglichen Charakter nicht schon dadurch, daß sie auch an Werktagen befriedigt werden und werden können (OLG Hamm NJW 1989, 2478). Entscheidend ist, ob die Betätigung nach ihrem Zweck, ihrer Ausgestaltung und ihrem Erscheinungsbild im öffentlichen Leben einen typisch werktäglichen Lebensvorgang darstellt oder nicht.

(3) Bei der Überprüfung des Betriebs von Einrichtungen auf seine Vereinbarkeit mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage ist von der Tätigkeit desjenigen auszugehen, gegen den das Verbot gerichtet ist und der sich im Klagewege gegen das Verbot wendet, im vorliegenden Fall die Betreiber der Bräunungsstudios. Dabei ist von Bedeutung, daß nicht nur dem Betrieb einer derartigen Einrichtung für eine Vielzahl von Personen ein anderer Stellenwert zukommen kann als einer vergleichbaren individuellen Betätigung, sondern auch eine auf Gelderwerb gerichtete gewerbliche Tätigkeit vorliegt, deren werktäglicher Charakter für sich genommen auf der Hand liegt (BVerwGE 79, 236 ≪241≫).

Dessenungeachtet ist entgegen der im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung das Verhalten der Besucher und Benutzer der Einrichtungen für deren Vereinbarkeit mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage rechtlich erheblich. Denn wenn eine der Sonn- und Feiertagsgestaltung dienende gewerbliche Tätigkeit mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage vereinbar sein kann, muß auch das Verhalten der Benutzer der Einrichtung in die Würdigung mit einbezogen werden. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß derselbe Vorgang, der für den Betreiber der Einrichtung werktägliche Arbeit darstellt, für den Benutzer Verwirklichung der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage sein kann. Entscheidend ist, ob sich bei objektiver Betrachtung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles der zu beurteilende Lebensvorgang seinem Gesamtcharakter nach als eine typisch werktägliche Veranstaltung darstellt. Davon ist auszugehen, wenn es sich bei der gewerblichen Betätigung um eine Dienstleistung an die Besucher ohne deren eigene Betätigung, eigenes Erleben oder eigenes Vergnügen handelt oder die Besucher zu Tätigkeiten veranlaßt werden sollen, die ihrerseits werktäglichen Charakter tragen, z. B. Erwerbsgeschäften, wie der Senat für den Kauf und Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen von Privat an Privat auf einem sonn- oder feiertags organisierten Automarkt entschieden hat (BVerwGE 79, 118 ≪127≫). Anders ist es zu beurteilen, wenn durch den in Rede stehenden Gewerbebetrieb eigene Sonn- und Feiertagsgestaltung der Besucher in Aktivität oder Muße ermöglicht wird. Dabei ist den unterschiedlichen Vorstellungen und Gewohnheiten zur persönlichen Sonn- und Feiertagsgestaltung Rechnung zu tragen. Das schließt eine Bewertung der Betätigung des einzelnen danach aus, ob sie sinnvoll ist oder der Sonn- und Feiertagsgestaltung der Mehrheit der Bevölkerung entspricht. Andererseits findet die Freiheit des einzelnen zur individuellen Sonn- und Feiertagsgestaltung ihre Grenze dort, wo es sich nach dem üblichen Zweck, der Ausgestaltung und dem Erscheinungsbild der Veranstaltung im öffentlichen Leben um typische Werktagsbeschäftigungen handelt.

(4) Bei der Beurteilung, ob eine Veranstaltung nach diesen Kriterien werk- oder sonn- und feiertäglichen Charakter hat, kommt es auch auf die Einschätzung ihres Gesamtcharakters in wesentlichen Teilen der Bevölkerung an, deren Arbeitsruhe und ggf. seelische Erhebung geschützt werden sollen. Aufgrund dieser umfassenden Zielrichtung des Sonn- und Feiertagsschutzes ist nicht allein darauf abzustellen, in welchem Ausmaß die Bevölkerung das Angebot einer Einrichtung an Sonn- und Feiertagen absolut oder im Vergleich zu Werktagen tatsächlich nutzt (zur Abgrenzung zwischen Nutzung eines Angebotes durch wesentliche Teile der Bevölkerung und einem dahingehenden Bedürfnis vgl. auch Urteil vom 14. November 1989 – BVerwG 1 C 14.88 – Buchholz 451.20 §§ 105 a – i GewO Nr. 8, S. 5); vielmehr ist von Bedeutung, ob ein wesentlicher Teil der Bevölkerung den Betrieb der Einrichtung als Werktagsgeschäft ansieht oder nicht. Dies ist unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabes (v. Mangoldt/Klein/v. Campenhausen, Grundgesetz, 3. Aufl. 1991, Art. 140 GG Rdnr. 32; Mayen, DöV 1988, 409 ≪411≫) festzustellen. Anhaltspunkte für die Bewertung des Erscheinungsbildes einer Veranstaltung im öffentlichen Leben und einer in der Bevölkerung herrschenden Überzeugung können insbesondere die Behördenpraxis, die Rechtsprechung und die von ihnen ausgelösten Reaktionen in der Öffentlichkeit sein. Ein Rückgriff auf das Ergebnis demoskopischer Umfragen ist nicht unbedingt erforderlich.

Von Bedeutung bei der Abgrenzung ist des weiteren der Vergleich mit anderen Veranstaltungen und deren Sonn- und Feiertags- bzw. Werktagscharakter im öffentlichen Leben. Es geht insoweit nicht nur um die Wahrung des Gleichheitssatzes bei der Behandlung vergleichbarer Einrichtungen, sondern auch darum, daß insgesamt die Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage gewährleistet bleibt. Die Beurteilung einer Einrichtung kann Auswirkungen auf vergleichbare Einrichtungen haben und deren Zulassung oder deren Verbot an Sonn- und Feiertagen beeinflussen. Mit der Zulassung einer Veranstaltung an Sonn- und Feiertagen darf nicht eine Kettenreaktion für vergleichbare Betätigungen ausgelöst werden, die die Sonn- und Feiertage ihrer Zweckbestimmung entleeren würde.

c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe läuft der Betrieb von Bräunungsstudios an Sonn- und Feiertagen der Zweckbestimmung dieser Tage nicht zuwider. Nach den Ausführungen im Berufungsurteil dient der Betrieb der Bräunungsstudios vorrangig der Freizeitgestaltung der Kunden, ihrer Erholung und ihrer Entspannung. In bezug auf das Freizeitverhalten der Bevölkerung sei ein Unterschied zwischen den an Sonn- und Feiertagen anerkannten Freizeitbetätigungen durch den Besuch einer Sauna oder ein natürliches Sonnenbad in Freizeitanlagen einerseits und der künstlichen Bestrahlung in einem Bräunungsstudio nicht erkennbar. Der Kunde gestalte hier wie dort in Muße oder Aktivität seine Freizeit. Dadurch unterscheide sich ein Bräunungsstudio von den der werktäglichen Sphäre zuzuordnenden Haar- und Körperpflegesalons, in denen sich der Kunde passiv einem Dienstleistungsunternehmen überlasse. Gegen diese Würdigung des Berufungsgerichts ist rechtlich nichts zu erinnern. Im Gegenteil wird diese an dem Zweck, der Ausgestaltung und dem Erscheinungsbild der Bräunungsstudios im öffentlichen Leben orientierte Wertung aufgrund der oben genannten Indizien bestätigt.

Die Behördenpraxis ist mehr und mehr dazu übergegangen, den Betrieb von Bräunungsstudios an Sonn- und Feiertagen nicht zu verbieten, was u. a. daraus zu entnehmen ist, daß die Kläger nach ihrem insoweit unbestritten gebliebenen Vortrag in anderen Orten Deutschlands zahlreiche Bräunungsstudios an Sonn- und Feiertagen unbeanstandet betreiben und der Betrieb von Bräunungsstudios zunehmend den der Erholung im Rahmen der Freizeitgestaltung dienenden Arbeiten zugeordnet wird (so ausdrücklich § 4 Nr. 5 des nordhrein-westfälischen Feiertagsgesetzes i.d.F. vom 23. April 1989 (GV NW S. 222). Rechtsprechung und Literatur gehen überwiegend von der Vereinbarkeit des Betriebs von Bräunungsstudios mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage in Art. 139 WRV i.V.m. Art. 140 GG aus (OLG Frankfurt NJW 1988, 2250; OLG Hamm NJW 1989, 2478; OLG Koblenz, Beschluß vom 4. Oktober 1990 – 1 Ss 188/90 –; VG Minden NJW 1987, 2605; Mayen, DöV 1988, 409 ≪415≫; Mattner, NJW 1988, 2207 ≪2212≫; Würkner, GewArch 1987, 262 f; Hoeren/Mattner, Feiertagsgesetze der Bundesländer, 1989, § 3 Rdnr. 47; Scholtissek, WRP 1992, 151 ≪153≫; a.A. OLG Düsseldorf GewArch 1987, 143 f.; BaWüVGH (10. Senat) VBlBW 1990, 436 f.; Pahlke, WuV 1988, 69 ≪92≫).

Die an dieser Einschätzung orientierte Praxis hat keinen Widerspruch in wesentlichen Teilen der Bevölkerung gefunden, sondern gibt das Erscheinungsbild der Bräunungsstudios im öffentlichen Leben wieder und prägt es gleichzeitig. Danach geht es beim Besuch von Bräunungsstudios nicht nur darum, gegen Entgelt durch künstliche Bestrahlung eine erwünschte Körperbräune zu erwerben, sondern insgesamt um ein dem Genuß eines Sonnenbades entsprechendes Erlebnis. Eine derartige als körperliche Erholung und Entspannung empfundene Betätigung ist, selbst wenn sie nicht eine besondere Aktivität zur körperlichen Ertüchtigung erfordert, eine Form der Sonn- und Feiertagsgestaltung. Der Betrieb eines Bräunungsstudios, auch wenn er gewerblich erfolgt, dient demnach der Befriedigung eines im Vordergrund stehenden sonn- und feiertäglichen Bedürfnisses, das an diesen Tagen auf andere Weise nicht befriedigt werden kann. Der Eindruck eines für alle verbindlichen Ruhetages wird infolgedessen durch sonn- und feiertags betriebene Bräunungsstudios nicht beseitigt.

Diese Einschätzung fügt sich auch in die Abgrenzung zwischen den mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage verträglichen und unverträglichen Einrichtungen ein. Bräunungsstudios sind eher den an Sonn- und Feiertagen im allgemeinen geöffneten Saunabetrieben, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts häufig das Angebot von Dampfbädern und künstlichen Bräunungsanlagen kombinieren, als den vornehmlich auf die Erbringung von reinen Dienstleistungen beschränkten und infolgedessen Werktagscharakter tragenden Kosmetik- oder Haarpflegesalons vergleichbar. Sie laufen infolgedessen trotz ihres gewerblichen Charakters der allgemeinen Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage nicht zuwider, sondern dienen der Verwirklichung dieser Zweckbestimmung.

Unter diesen Umständen konnte die gegen die Kläger ergangene Untersagungsverfügung keinen Bestand haben. Ob ein Verbot von Bräunungsstudios auf gesundheits- oder gewerberechtliche Erwägungen gestützt werden kann, ist unerheblich, da die Beklagte mit der allein auf Sonn- und Feiertage bezogenen Untersagungsverfügung ausschließlich eine feiertagsrechtliche Maßnahme erlassen und andere ordnungsrechtliche Erwägungen auch nicht in ihre Ermessensbetätigung einbezogen hat. Ebensowenig kommt es darauf an, ob der Betrieb der Bräunungsstudios nach anderen Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts erlaubt ist. Nach allem muß die Revision der Beklagten erfolglos bleiben.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Meyer, Scholz-Hoppe, Gielen, Kemper, Mallmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 845573

BVerwGE, 337

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