Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OVG (Beschluss vom 26.06.1998; Aktenzeichen 2 L 172/97)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht vom 26. Juni 1998 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die im Jahre 1984 geborene Klägerin ist iranische Staatsangehörige. Sie reiste im Dezember 1995 gemeinsam mit ihrer Mutter nach Deutschland ein.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte die Asylanträge der Klägerin und ihrer Mutter ab (Nr. 1 des Bescheids), stellte fest, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (Nr. 2) und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (Nr. 3) nicht vorliegen und drohte ihnen die Abschiebung in den Iran an (Nr. 4).

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Abschiebungsandrohungen in den Iran aufgehoben und die Beklagte verpflichtet festzustellen, daß hinsichtlich der Klägerin Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG und hinsichtlich ihrer Mutter die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Auf Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragten) hat das Berufungsgericht die Berufung zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht der Klage der Klägerin stattgegeben hat. Die Klägerin hat geltend gemacht, im Iran drohten ihr Eingriffe in ihr Privat- und Familienleben durch die iranischen Behörden, die vom Bundesamt als zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu berücksichtigen seien. So hätte sie die Entziehung des Sorgerechts ihrer Mutter, den Ausschluß der Kommunikationsmöglichkeiten mit ihr, die Vereitelung von Besuchskontakten und die Ersetzung der Familienerziehung durch eine Heimerziehung im „fundamentalistisch-islamischen Sinne” zu befürchten.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, soweit es um eine in der Bundesrepublik Deutschland bewirkte abschiebungsbedingte Trennung der Klägerin von ihrer Mutter gehe, sei die Beklagte für eine entsprechende Feststellung nicht zuständig, da es sich insoweit um inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse handele. Soweit sich die Klägerin auf eine drohende Verletzung ihres Privat- und Familienlebens infolge einer abschiebungsbedingten Trennung von ihrer Mutter im Iran berufe, müsse ihr Aufenthalt dort in Gemeinschaft mit ihrer Mutter unterstellt werden. Unter dieser Voraussetzung aber fehle es an jeglichem Anhaltspunkt für die von der Klägerin befürchteten Eingriffe in die Familie.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das Berufungsgericht verstoße gegen die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze, indem es seiner Gefährdungsprognose die Hypothese einer gemeinsamen Rückkehr mit ihrer Mutter in den Iran zugrunde lege, obwohl dieser Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zuerkannt worden sei. Jedenfalls stehe die Erwägung des Berufungsgerichts, daß Art. 6 Abs. 1 GG eine Trennung der Klägerin von ihrer Mutter verhindere und deshalb entweder ihre Rückkehr in Gemeinschaft mit der Mutter oder ihr gemeinsamer Verbleib im Bundesgebiet zu unterstellen sei, in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge Art. 6 Abs. 1 GG ein allein von der Ausländerbehörde zu beachtendes Vollstreckungshindernis begründe. Schließlich verletze der Beschluß des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör der Klägerin, weil es die beantragten Beweise zur geltend gemachten Beeinträchtigung des Familienlebens durch die iranischen Behörden nicht erhoben habe. Zumindest hätte das Berufungsgericht bei unterstellter Rückkehr der Klägerin mit ihrer Mutter von deren Verfolgung durch den Heimatstaat ausgehen müssen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Gegenstand der Revision sind der Streit um die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG hinsichtlich der Klägerin und die gegen sie gerichtete Abschiebungsandrohung in den Iran. Der angefochtene Beschluß des Berufungsgerichts steht zwar mit seiner Begründung nicht in vollem Umfang in Einklang mit Bundesrecht. Die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), ohne daß es auf die geltend gemachten Verfahrensrügen ankommt.

Zwar hätte das Berufungsgericht bei der Prognose, ob der Klägerin im Falle ihrer Abschiebung in den Iran Gefahren drohen, nicht die Rückkehr in Gemeinschaft mit ihrer Mutter unterstellen dürfen. Dem steht entgegen, daß der Mutter der Klägerin rechtskräftig Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zuerkannt worden ist. Einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG hat die Klägerin gleichwohl nicht. Denn es ist ausschließlich Aufgabe der Ausländerbehörde, falls sie den Aufenthalt der minderjährigen Klägerin in Deutschland beenden will, im Vollstreckungsverfahren darüber zu entscheiden, ob eine Trennung der Klägerin von ihrer in Deutschland bleibeberechtigten Mutter durch ihre alleinige Abschiebung mit dem Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1, 2 GG vereinbar ist, wobei auf der Hand liegt, daß eine solche Trennung nur ausnahmsweise in Betracht kommen kann. Hierbei hat die Ausländerbehörde auch etwaige mittelbare trennungsbedingte Gefährdungen der Klägerin im Heimatstaat zu berücksichtigen. Sonstige nicht trennungsbedingte, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse werden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Danach bleibt auch die Anfechtung der Abschiebungsandrohung hinsichtlich des Iran ohne Erfolg.

Die rechtliche Begründung hierfür hat der Senat in dem gleichzeitig ergangenen Urteil im Verfahren BVerwG 9 C 12.99 im einzelnen dargelegt; hierauf wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

 

Unterschriften

Seebass, Hund, Richter Beck, Dr. Eichberger

 

Fundstellen

FamRZ 2000, 482

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