Entscheidungsstichwort (Thema)

Beamter im höheren Dienst (Eingangsamt). Leiter des Personalreferats und stellvertretender Verwaltungsleiter. Äußerungen im Rahmen eines Gesprächs in der Mittagspause gegenüber Behördenangehörigen. Äußerung ausländerfeindlichen Inhalts. Äußerungen, die Juden an ihrem Schicksal im Nationalsozialismus Schuld zuweisen und dieses Schicksal verharmlosen. Verstöße gegen § 54 Satz 3 BBG und das Gebot unparteiischen und gerechten Verhaltens (§ 52 Abs. 1 Satz 2 BBG) angenommen. Verstoß gegen die politische Treuepflicht (§ 52 Abs. 2 BBG) verneint, weil keine Umsetzung der Meinung durch äußeres Handeln. Abgrenzung von inner- und außerdienstlichem Verhalten. Disziplinarmaßnahme: Gehaltskürzung auf die Dauer von 48 Monaten in Höhe von 1/20

 

Leitsatz (amtlich)

Ein als Leiter des Personalreferats eingesetzter Beamter verletzt das Gebot unparteiischer und gerechter Aufgabenerfüllung im Sinne von § 52 Abs. 1 Satz 2 BBG, wenn er sich in einem Kantinengespräch mit anderen Bediensteten über Menschen fremder Staatsangehörigkeit oder über Juden in einer Weise äußert, die die Besorgnis rechtfertigt, er werde bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben Personen solcher Herkunft gegenüber anderen Menschen benachteiligen.

Ein Beamter, der Menschen jüdischer Abstammung eigene Schuld an dem ihnen im Nationalsozialismus widerfahrenen Schicksal zuweist, verletzt das Gebot achtungs- und vertrauensgerechten Verhaltens im Sinne von § 54 Satz 3 BBG.

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Art. 33 Abs. 5; BBG § 52 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 54 S. 3, § 77 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

BDIG (Urteil vom 21.07.1999)

 

Tenor

Auf die Berufung des Bundesdisziplinaranwalts wird das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer VI – … –, vom 21. Juli 1999 mit Ausnahme der Kostenentscheidung aufgehoben.

Die jeweiligen Dienstbezüge des Beamten werden um ein Zwanzigstel auf die Dauer von achtundvierzig Monaten gekürzt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beamte zu tragen.

 

Tatbestand

I.

1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat den Beamten angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er

am 28. Januar 1998 in der Kantine des … Instituts im Verlauf eines Gespräches mit zwei Mitarbeiterinnen und einem Praktikanten folgendes geäußert hat:

1. “Ausländer und Verbrecher gehören ausgemerzt”,

2. “die Juden” wären an ihrem Schicksal, an ihrer Vernichtung (im Nationalsozialismus) “selbst schuld” gewesen,

3. “die Juden” seien “gerissen”, hätten “die Deutschen übervorteilt” und “über's Ohr gehauen”,

4. “die Juden” machten es doch (heute) “da unten” (mit den Palästinensern) auch nicht anders (als die Nationalsozialisten mit den Juden).

2. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 21. Juli 1999 dem Beamten einen Verweis erteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Beamte sei von dem Vorwurf des Anschuldigungspunktes 1 freizustellen, weil er glaubhaft gemacht habe, die Äußerung sei auf Verbrecherorganisationen und nicht auf einzelne Ausländer oder Verbrecher bezogen gewesen. Hinsichtlich der Äußerungen, die Gegenstand der übrigen Anschuldigungspunkte seien, gehe das Gericht davon aus, dass der Beamte keine eigene Meinung geäußert habe. Vielmehr habe er provozieren und auf diese Weise die Diskussion anheizen wollen. Dies habe er jedoch nicht in der gebotenen Weise deutlich gemacht. Dadurch habe er zumindest grob fahrlässig die ihm obliegende politische Treuepflicht und die Pflicht zu achtungs- sowie vertrauensgerechtem Verhalten verletzt.

3. Dagegen hat der Bundesdisziplinaranwalt Berufung eingelegt, mit der er eine Verschärfung der Disziplinarmaßnahme erstrebt und zu deren Begründung er im Wesentlichen darlegt: Das Bundesdisziplinargericht habe den Beamten zu Unrecht von dem Vorwurf des Anschuldigungspunktes 1 freigestellt. Darüber hinaus gehe das angefochtene Urteil fehlerhaft davon aus, der Beamte habe mit seinen Äußerungen, die Gegenstand der Anschuldigungspunkte 2 bis 4 seien, lediglich provozieren wollen. Dies sei insbesondere den einschlägigen Zeugenaussagen nicht zu entnehmen. In dem angefochtenen Urteil fehle auch eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass der Beamte die Aussagen nicht nachträglich als Provokation dargestellt habe.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist begründet.

Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Der Bundesdisziplinaranwalt wendet sich zum einen gegen die Freistellung des Beamten von dem Vorwurf des Anschuldigungspunktes 1 durch das Bundesdisziplinargericht. Zum anderen greift er die Feststellung in dem angefochtenen Urteil an, bei den in den Anschuldigungspunkten 2 bis 4 vorgeworfenen Äußerungen habe es sich lediglich um Provokationen gehandelt. Damit wendet er sich gegen eine Feststellung zu dem Tatbestand des vom Bundesdisziplinargericht angenommenen Dienstvergehens. Wegen der Unbeschränktheit der Berufung hat der Senat den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.

1. Der Senat geht von nachstehendem Sachverhalt aus:

a) Anschuldigungspunkt 1

Am 28. Januar 1998 fand in der Mittagszeit in der Kantine des … Instituts ein Gespräch statt, an dem neben dem Beamten die Zeuginnen L.… und S.… sowie der Zeuge Dr. K.… teilnahmen. Die Zeuginnen waren in der Pressestelle des Instituts beschäftigt, der Zeuge war dort Praktikant. Nachdem einige andere Themen erörtert worden waren, war Gegenstand der kontrovers, engagiert und emotional geführten Diskussion das Für und Wider des Abhörens von Aufzeichnungen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes zum Zwecke der Strafverfolgung, also des so genannten “Großen Lauschangriffs”. Während sich die Zeugen insoweit kritisch äußerten, vertrat der Beamte eine zustimmende Meinung. Im Laufe des Gesprächs äußerte der Beamte, Ausländer und Verbrecher bzw. Gangster gehörten ausgemerzt. Das steht zur Überzeugung des Senats insbesondere mit Blick auf die Aussagen der Zeuginnen L.… und S.… fest. Die Zeuginnen haben in ihrem Vermerk vom 2. Februar 1998 dargelegt, der Beamte habe in dem Gespräch erklärt, Deutschland sei ein “Tummelplatz für Ausländer und Gangster” und “diese müssten ausgemerzt werden”. Diese Wiedergabe des Gesprächs lässt noch offen, ob sich die Forderung des “Ausmerzens” auch auf Ausländer bezogen hat oder nur auf “Gangster” beschränkt war. Klarheit verschaffen insoweit die Aussagen der Zeuginnen im Vorermittlungsverfahren am 18. Februar 1998 und im Untersuchungsverfahren am 2. September 1998 bzw. am 3. September 1998. Nach diesen Bekundungen hat der Beamte die Auffassung vertreten, “Ausländer und Verbrecher bzw. Gangster” müssten “ausgemerzt” werden. Damit hat er die Forderung des “Ausmerzens” sowohl auf Ausländer als auch auf Straftäter erstreckt.

Der Senat ist von der Richtigkeit der Zeugenaussagen überzeugt. Die Aussagen sind sowohl hinsichtlich der hier in Rede stehenden Äußerung als auch im Übrigen sehr detailliert und überzeugend. Sie stimmen überein. Es ist nicht ersichtlich, dass die Aussagen von unlauteren Beweggründen getragen sind. Dies hat der Beamte in der Hauptverhandlung vor dem Senat auch ausgeschlossen. Die Zeuginnen haben glaubhaft bekundet, sie seien über die Äußerungen des Beamten aus moralischen und politischen Gründen entrüstet gewesen.

Die Einlassungen des Beamten sind nicht geeignet, die Zeugenaussagen zu entkräften. Im Rahmen seiner Vernehmung im Vorermittlungsverfahren hat er am 20. Februar 1998 erklärt, er habe von “Ausländern und Verbrechern” gesprochen und in diesem Zusammenhang auch den Begriff “ausmerzen” benutzt. Auch anlässlich seiner Anhörung zu dem “Wesentlichen Ergebnis der Vorermittlungen” hat er nicht bestritten, “Ausländer” und “Verbrecher” nebeneinander erwähnt und von “ausmerzen” gesprochen zu haben. Er hat insoweit allein bekundet, sich nicht genau erinnern zu können, ob er sich in dieser Weise geäußert habe. Soweit er dargelegt hat, der Begriff des “Ausmerzens” sei nicht Bestandteil seines Sprachgebrauchs, ist dieser Versuch einer Abschwächung nicht geeignet, die Zeugenaussagen zu entkräften. Vielmehr werden sie im Wesentlichen bestätigt durch die Einlassung des Beamten im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Bundesdisziplinargericht. Dort hat er in Bezug auf die in der Anschuldigungsschrift zum Teil wörtlich wiedergegebenen und dem Beamten vorgeworfenen Äußerungen unter anderem erklärt, die “vorgehaltenen Ausdrücke” seien gefallen. Aus dem Zusammenhang, in dem diese Erklärung abgegeben worden ist, ergibt sich, dass der Beamte damit eingeräumt hat, sich in der ihm in dem Anschuldigungspunkt 1 vorgeworfenen Weise geäußert zu haben.

Dem Senat obliegt im Rahmen der Feststellung des Sachverhalts wegen der verfassungsrechtlichen Verbürgung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) auch die Deutung des Sinns der von dem Beamten getätigten und ihm vorgeworfenen Äußerungen. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergeben sich Anforderungen an die Bewertung umstrittener Äußerungen insoweit, als diese mit dem Ziel gedeutet werden müssen, ihren objektiven Sinn zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei weder die subjektive Absicht des Äußernden, noch das subjektive Verständnis der Adressaten der Äußerung. Entscheidend ist der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist – soweit gesichert feststellbar – von dem Wortlaut auszugehen, der aber den Sinn nicht abschließend festlegt. Dieser wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese Umstände für die Rezipienten erkennbar sind (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 – 1 BvR 1476, 1980/91 und 102, 221/92 – BVerfGE 93, 266 ≪295≫). Daran gemessen versteht der Senat die hier in Rede stehende Erklärung des Beamten dahin, dass er die Auffassung vertreten hat, in der Bundesrepublik Deutschland sich aufhaltende Ausländer seien genauso zu missbilligen wie Verbrecher bzw. verbrecherische Organisationen und müssten in gleicher Weise bekämpft werden. Damit folgt der Senat derjenigen Einlassung des Beamten, mit der er zum Ausdruck gebracht hat, den Begriff des “Ausmerzens” habe er jedenfalls nicht im Sinne einer physischen Vernichtung gebraucht. Mit dem Begriff “ausmerzen” wird zum Ausdruck gebracht, dass etwas Missbilligtes auszusondern, auszuschalten, auszurotten oder zu beseitigen ist (vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 1, 1984, Stichwort “ausmerzen”; Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 1, 1976, Stichwort “ausmerzen”). Auch wenn der Bedeutungsgehalt des Wortes in der Regel auf eine physische Vernichtung hinausläuft, ist dieser Bedeutungsgehalt nicht zwingend. Mit “ausmerzen” kann auch die Beseitigung eines fehlerhaften oder missbilligten Zustandes gemeint sein.

Der Senat sieht sich hingegen nicht in der Lage, dem Beamten darin zu folgen, er habe mit der hier in Rede stehenden Äußerung lediglich der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die vielfach von Ausländern begangen werde, das Wort reden wollen, und er habe deshalb die Forderung des Ausmerzens nur auf kriminelle Organisationen bezogen. Diese Deutung ist schon mit dem Wortlaut der Äußerung nicht in Einklang zu bringen. Wird die Forderung des “Ausmerzens” von “Verbrechern” im Sinne der Bekämpfung von “verbrecherischen Organisationen” verstanden und darüber hinaus auf die gleichfalls in diesem Zusammenhang erwähnte Gruppe der “Ausländer” erstreckt, kann unter “Ausländer” nicht abermals “verbrecherische Organisationen” verstanden werden. Wäre die Äußerung im Sinne der Deutung des Beamten zu verstehen, enthielte sie eine nicht nachvollziehbare Wiederholung derselben Aussage in einem Satz. Gemessen an dem Wortlaut der Äußerung kann der Begriff “Ausländer” auch nicht in dem Sinn “von Ausländern gebildete verbrecherische Organisationen” verstanden werden. Solche Organisationen sind bereits von dem Begriff “Verbrecher” bzw. “verbrecherische Organisationen” umfasst.

Der Gesprächskontext, in dem die hier in Rede stehende Äußerung gefallen ist, spricht nicht für die Darstellung des Beamten. Dass sich der Beamte im Rahmen einer Diskussion über den so genannten “Großen Lauschangriff” geäußert hat, rechtfertigt nicht die Annahme, der Beamte habe entgegen dem Wortlaut seiner Erklärung nur die Bekämpfung von Straftätern bzw. einschlägiger Organisationen gefordert. Das Gegenteil ist der Fall:

Dafür, dass der objektive Sinn der Äußerung hier maßgeblich an ihrem Wortlaut zu messen ist, spricht vor allem, dass die Zeuginnen L.… und S.… die Äußerung übereinstimmend in dieser Weise verstanden haben. Sie sahen diese Äußerung in einem nachvollziehbaren Kontext mit der vorausgegangenen Bemerkung des Beamten, Deutschland sei sowieso viel zu liberal und deshalb ein Tummelplatz für Ausländer und Gangster. Dies ergibt sich aus den Aussagen der Zeugin L.… im Vorermittlungsverfahren am 18. Februar 1998 und im Untersuchungsverfahren am 2. September 1998 sowie aus den Bekundungen der Zeugin S.… im Untersuchungsverfahren am 1. und 3. September 1998. Mit ihnen bestätigten beide Zeuginnen den Inhalt ihres Vermerks vom 2. Februar 1998, mit dem sie den Verlauf des Gesprächs zeitnah festgehalten hatten. Auch wenn es für die verfassungsrechtlich gebotene Deutung einer Äußerung nicht in erster Linie darauf ankommt, wie die Adressaten die Erklärung subjektiv verstanden haben, kann dies bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswerts nicht unberücksichtigt bleiben. Es handelt sich um einen Begleitumstand, der in Rechnung zu stellen ist.

Der Senat hat die Begleitumstände auch insoweit zu berücksichtigen, als die Äußerung im Rahmen einer engagiert geführten, kontroversen und emotional aufgeladenen Diskussion gefallen ist. Die Deutung des Sinns von Aussagen, die in einem solchen Zusammenhang gefallen sind, kann allerdings nicht an den Maßstäben ausgerichtet werden, wie sie etwa bei der Auslegung von Äußerungen, die in einem fachlichen Diskurs getätigt werden, anzulegen sind. Angesichts der Eindeutigkeit des von den Zeuginnen erinnerten Wortlauts der Äußerung und des Umstandes, dass die Zeuginnen die Erklärung auch im Sinne des Wortlauts wie auch aus dem Kontext heraus so verstanden haben, führt dieser Gesichtspunkt indes nicht zu einer anderen Beurteilung.

Nicht entscheidend ist, wie der Beamte die Äußerung nachträglich verstanden wissen will.

b) Anschuldigungspunkte 2 bis 4

Im weiteren Verlauf des Gesprächs diskutierten die Teilnehmer über die Notwendigkeit, Berechtigung und Zweckmäßigkeit von Mahnmalen zum Andenken an die Opfer des Nationalsozialismus. In diesem Zusammenhang äußerte der Beamte, “die Juden” seien an dem ihnen im Nationalsozialismus widerfahrenen Schicksal, an ihrer Verfolgung und Vernichtung, “selbst schuld”. Sie seien “gerissen” und hätten “die Deutschen übervorteilt”, “benachteiligt” und “über's Ohr gehauen”. Dies steht fest aufgrund der Aussagen der Zeuginnen L.… und S.… sowie des Zeugen Dr. K.… Der Beamte hat nicht bestritten, die Äußerung getätigt zu haben. Der Senat geht daher von der Richtigkeit der Vorwürfe aus, die Gegenstand des Anschuldigungspunktes 2 und 3 sind.

Der Beamte hat im weiteren Verlauf des Gesprächs auch erklärt, “die Juden” machten es heute “da unten”, also mit den Angehörigen des palästinensischen Volkes, auch nicht anders als die Nationalsozialisten mit Menschen jüdischer Abstammung. Dass der Beamte sich in dieser Weise geäußert hat, steht ebenfalls fest aufgrund der Einlassungen der Zeuginnen S.… und L.… und des Zeugen Dr. K.…, die von dem Beamten ebenfalls nicht bestritten werden. Mithin ist auch der Vorwurf des Anschuldigungspunktes 4 erwiesen.

Der Senat ist aufgrund der ihm auch verfassungsrechtlich aufgetragenen Deutung der dem Beamten in den Anschuldigungspunkten 2 und 3 vorgeworfenen Äußerungen davon überzeugt, dass der Beamte mit ihnen seine eigene Meinung hat zum Ausdruck bringen wollen. Dies entspricht dem objektiven Sinn seiner Wortwahl. Hingegen folgt der Senat nicht der Einlassung des Beamten, er habe keine eigenen Anschauungen geäußert, sondern lediglich die vermutete Rechtfertigung des nationalsozialistischen Regimes für dessen Vorgehen gegen Juden zitiert. Diese Schutzbehauptung ist zur Überzeugung des Senats widerlegt.

Gegen die Richtigkeit der Behauptung des Beamten spricht bereits der nicht bestrittene Wortlaut der Aussagen. Es ist nicht nachvollziehbar, wenn der Beamte im Rahmen seiner Vernehmung im Vorermittlungsverfahren die Auffassung vertreten hat, hinsichtlich des sachlichen Gehalts der Aussagen bestehe kein Unterschied zwischen der Formulierung “Die waren doch selbst schuld” und dem Satz “Die Nationalsozialisten dachten, die sind selbst schuld”. Der mit dieser Schutzbehauptung aufgestellte zweite Satz macht mit der unbestritten gefallenen Aussage “selbst schuld” auch keinen Sinn.

Der Darstellung des Beamten steht auch entgegen, dass die bei dem Gespräch anwesenden Zeugen glaubhaft bekundet haben, der Beamte habe den angeblichen Zitatcharakter seiner Äußerungen nicht zum Ausdruck gebracht. So hat die Zeugin S.… erklärt, der Beamte habe weder darauf hingewiesen noch auf andere Weise deutlich gemacht, dass er lediglich zitiere. Die Äußerung sei deutlich als eigene Meinung des Beamten, von der er überzeugt sei, zu erkennen gewesen. Dies wird von der Zeugin L.… bestätigt. Sie hat ebenfalls ausgesagt, der Beamte habe den von ihm behaupteten Zitatcharakter nicht erkennen lassen, er habe vielmehr seine eigene Meinung bekundet. Das gesamte Gespräch sei von dem Austausch eigener Meinungen geprägt gewesen. Dies entspricht wiederum der Aussage des Zeugen Dr. K.…, der dargelegt hat, er sei angesichts der Art und Weise, wie der Beamte gesprochen und sich verhalten habe, davon überzeugt, dass dieser seiner eigenen Meinung Ausdruck verliehen habe. Die Zeugen sind auch insoweit glaubwürdig. Sie haben sich sowohl hinsichtlich ihrer Vernehmung im Vorermittlungsverfahren als auch sieben Monate später im Untersuchungsverfahren übereinstimmend und widerspruchsfrei geäußert. Es ist insbesondere in diesem Zusammenhang nicht erkennbar und wird von dem Beamten auch nicht behauptet, dass die Zeugenaussagen von unlauteren Beweggründen getragen sind. Vor dem Senat hat er dies ausdrücklich nochmals verneint.

Für die Richtigkeit der Beurteilung der Zeugen spricht weiterhin, dass der Beamte im Rahmen des hier in Rede stehenden Gesprächs mehrfach besonderen Anlass gehabt hätte, auf den angeblichen Zitatcharakter seiner Äußerung hinzuweisen, er eine solche Klarstellung hingegen unterlassen hat. So hätte es für den Beamten nahe gelegen, einen solchen Hinweis zu geben, als er in der kontrovers geführten Diskussion auf heftigen Widerspruch gestoßen ist. Eine Klarstellung wäre insbesondere dringlich angebracht gewesen, als der Beamte – wie die Zeugin S.… bekundet hat – in dem Gespräch um Erläuterung der in dem Anschuldigungspunkt 2 vorgeworfenen Äußerung gebeten worden war.

Für die Richtigkeit der Bewertung der Äußerung durch die Zeugen spricht ferner das Verhalten des Beamten gegenüber dem stellvertretenden Institutsleiter, dem Zeugen Prof. Dr. B.… Der Zeuge hat den Beamten am 30. Januar 1998 auf die ihm mitgeteilten Äußerungen angesprochen sie – wie der Beamte vor dem Senat bestätigt hat – als ausländerfeindlich und antisemitisch umschrieben und eine Missbilligung ausgesprochen. Derartige Äußerungen seien unvertretbar. Daraufhin hat der Beamte nach den Bekundungen des Zeugen nur geäußert “ja, … ja, … ist schon klar”. Der Beamte hat also der Missbilligung nicht widersprochen. Hätte der Beamte in Wirklichkeit lediglich Rechtfertigungsversuche der nationalsozialistischen Machthaber zitiert, hätte es spätestens jetzt unübersehbar und höchst dringlich nahe gelegen, darauf hinzuweisen, dass seine Äußerung fehlgedeutet worden sei. Der Beamte hat hingegen erstmals in seiner Aussage vom 20. Februar 1998 behauptet, er habe lediglich zitiert.

Der Beamte vermag sich nicht mit Erfolg darauf zu berufen, der Zitatcharakter sei von ihm dadurch deutlich geworden, dass die Äußerung im Rahmen einer allgemeinen Diskussion über Methoden von Diktaturen zur Rechtfertigung der Verfolgung von Minderheiten und unter Hinweis auf die Verfolgung von Christen im Römischen Reich gefallen sei, wie er im Rahmen des Vorermittlungsverfahrens behauptet hat. Die Zeugen S.… und L.… haben ausdrücklich verneint, dass eine solche allgemeine Diskussion d.h. eine Diskussion abstrakten Inhalts, stattgefunden habe. Der Zeuge Dr. K.… kann sich daran nicht erinnern. Bei seinem Bildungsstand ist jedenfalls auszuschließen, dass er eine Äußerung in einem derart anderen Kontext, wie er mit der Schutzbehauptung aufgestellt wird, in dem von ihm dargestellten Sinne missverstanden hätte.

Schließlich spricht gegen die Richtigkeit der Darstellung des Beamten, dass er in seiner Berufungserwiderung im Widerspruch zu vorhergehenden Einlassungen behauptet hat, die Äußerung sei als bewusste Provokation zum Anheizen der Diskussion getätigt worden. Bereits der Umstand, dass er damit von der ursprünglichen Behauptung, er habe zitiert, abgerückt ist, begründet Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit.

Der Beamte vermag sich für die Richtigkeit des von ihm behaupteten Zitatcharakters nicht auf die im Untersuchungsverfahren überreichte Erklärung seines ehemaligen Vorgesetzten Wichmann vom 28. August 1998 zu berufen. In der Erklärung wird dargelegt, aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit mit dem Beamten sei es für den Verfasser unvorstellbar, dass der Beamte sich in einer Weise geäußert habe, die auf eine rassistische oder antisemitische Haltung schließen lasse. Diese auf Erfahrung aus der Vergangenheit beruhende Einschätzung hat kein solches Gewicht, dass sie die aufgezeigten Indizien, die für die Äußerung einer eigenen Meinung durch den Beamten sprechen, entkräften kann.

Mit der Äußerung, die Gegenstand des Anschuldigungspunktes 2 ist, hat der Beamte Juden an ihrer eigenen Verfolgung und Vernichtung im Nationalsozialismus Schuld zugewiesen. Damit hat er bei der gebotenen objektiven Betrachtung zum Ausdruck gebracht, die Juden hätten in vorwerfbarer Weise eine Ursache für das von ihnen erlittene Schicksal gesetzt. Wenn er damit das ihnen widerfahrene Schicksal vielleicht auch nicht als gerechtfertigt hat darstellen wollen, so hat er doch die Schuld der nationalsozialistischen Täter in einem vollkommen unangemessen gemilderten Licht erscheinen lassen. Die in dem Anschuldigungspunkt 3 vorgeworfene Äußerung steht mit der vorangegangenen Aussage in untrennbarem Zusammenhang. Nach ihrem objektiven Sinn handelt es sich um eine Begründung für die allgemein gehaltene Behauptung, die Juden seien an ihrer Verfolgung und Vernichtung im Nationalsozialismus aufgrund ihres eigenen Verhaltens selbst schuld.

Die Äußerung, auf die sich der Anschuldigungspunkt 4 bezieht, ist nicht zu trennen von den vorangegangenen Aussagen. Gemessen an ihrem objektiven Sinn handelt es sich um eine Bagatellisierung der Verfolgung und Vernichtung von Menschen jüdischer Abstammung im Nationalsozialismus. Der Beamte hat zum Ausdruck gebracht, die im Staat Israel ansässigen Juden verhielten sich in dem Konflikt mit den Angehörigen des palästinensischen Volkes genauso, wie die nationalsozialistischen Machthaber ihnen gegenüber. Darin liegt nicht nur eine Verharmlosung nationalsozialistischen Unrechts. Den Juden wird darüber hinaus die Legitimation abgesprochen, sich auf das im Nationalsozialismus ihrer Volksgruppe widerfahrene ungeheuerliche Unrecht zu berufen.

2. Durch die festgestellten und in der aufgezeigten Weise gedeuteten Äußerungen hat der Beamte in mehrfacher Hinsicht gegen ihm obliegende beamtenrechtliche Pflichten verstoßen.

a) Anschuldigungspunkt 1

aa) Der Beamte hat die Pflicht des § 54 Satz 3 BBG zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten verletzt.

§ 54 Satz 3 BBG normiert als einfachrechtliche Umsetzung eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG bestimmte Anforderungen an das Verhalten von Beamten. Eine Herabwürdigung von Personengruppen kann eine Verletzung des § 54 Satz 3 BBG darstellen (vgl. Urteil vom 25. Februar 1997 – BVerwG 1 D 37.96 –). So liegt es hier. In der Gleichsetzung von Ausländern mit Verbrechern bzw. verbrecherischen Organisationen und der auch auf Ausländer bezogenen Forderung des “Ausmerzens” liegt eine gravierende Herabsetzung von Personen fremder Staatsangehörigkeit.

Der Beamte vermag sich gegenüber der Annahme einer Pflichtverletzung nicht mit Erfolg auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Meinungsfreiheit zu berufen. Die Meinungsfreiheit ist nicht ohne Einschränkungen gewährleistet. Sie findet ihre Schranken unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG). Die von Art. 33 Abs. 5 GG gedeckten Regelungen des Beamten- und Disziplinarrechts sind allgemeine Gesetze im Sinne des Schrankenvorbehalts (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 ≪367≫).

Das Gebot des verhältnismäßigen Ausgleichs zwischen dem Grundrecht und dessen Einschränkungen ist ebenfalls gewahrt. Die insoweit gebotene Abwägung fällt hier zu Lasten des Grundrechts aus, weil bei der Äußerung nicht die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund steht. Es handelt sich nicht mehr um eine polemische und überspitzte Kritik im öffentlichen politischen Meinungskampf, sondern um eine diffamierende Herabsetzung von Personen und Personengruppen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 1990 – 1 BvR 1165/89 – BVerfGE 82, 272 ≪283 f.≫; Beschluss vom 13. April 1994 – 1 BvR 23/94 – BVerfGE 90, 241 ≪248≫ m.w.N.). Der Beamte hat die ihm beamtenrechtlich gezogenen Grenzen seiner Meinungsäußerung deutlich überschritten. Es sind keine besonderen Umstände des Einzelfalls ersichtlich, die es angesichts des Gewichts der Pflichtverletzung zuließen, der Meinungsfreiheit hier, d.h. im Rahmen des zeitlich, räumlich und personell in einem Kontext zum Dienstbetrieb stehenden Mittagspausengesprächs in der Institutskantine mit Bediensteten der Dienststelle, einen Vorrang einzuräumen.

bb) Der Beamte hat mit diesen Äußerungen gleichzeitig auch gegen seine Pflicht zu unparteiischer und gerechter Amtsführung (§ 52 Abs. 1 Satz 2 BBG) verstoßen.

Die Pflicht zu unparteiischer und gerechter Amtsführung ist die einfachrechtliche Konkretisierung eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 – 2 BvF 2/58 – BVerfGE 9, 268 ≪286 f.≫). Aus ihr folgt das an den Beamten gerichtete Gebot, sich nicht in einer die Besorgnis der Parteilichkeit begründenden Weise zu verhalten (vgl. Urteil vom 11. Juni 1968 – BVerwG 2 C 101.64 – ZBR 1968, 279 ≪280≫; Urteil vom 20. Januar 2000 – BVerwG 2 C 19.99 –). Es dürfen keine Zweifel an der unparteiischen Amtsführung durch den Beamten entstehen. Eine Besorgnis der Parteilichkeit ist dann angezeigt, wenn objektive Gründe vorliegen, die aus Sicht eines vernünftigen Betrachters Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Beamten erregen (vgl. Urteil vom 11. Juni 1968, a.a.O.).

Dadurch, dass der Beamte Ausländer mit Verbrechern bzw. kriminellen Organisationen gleichgesetzt und die Forderung des Ausmerzens auch auf Ausländer erstreckt hat, hat er bei der gebotenen objektiven Betrachtung Zweifel daran begründet, dass er im Rahmen seiner Amtsführung Ausländern unparteiisch und gerecht gegenübertritt. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der Beamte tatsächlich parteiisch ist und dem Gerechtigkeitsgebot zuwider handelt. Es genügt insoweit der “böse Schein”. Bereits dieser ist nämlich geeignet, das Vertrauen der ihm unterstellten Bediensteten in eine sachgerechte Personalführung durch die Leitung der Dienststelle schwerwiegend und nachhaltig zu erschüttern. Das ist hier insbesondere deshalb anzunehmen, weil der Beamte als damaliger Leiter des Personalreferats und stellvertretender Verwaltungsleiter dienstlich auch mit Belangen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fremder Staatsangehörigkeit befasst war. Diesen Zusammenhang hat die Zeugin S.… durchaus zutreffend hergestellt. Sie hat anlässlich ihrer Vernehmung im Vorermittlungsverfahren am 18. Februar 1998 bekundet, sie habe angesichts der Äußerungen des Beamten die Befürchtung gehegt, dieser werde auch ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben benachteiligen.

Die Annahme eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 Satz 2 BBG verstösst ebenfalls nicht gegen die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Meinungsfreiheit. Auch § 52 Abs. 1 Satz 2 BBG ist ein mit Art. 33 Abs. 5 GG im Einklang stehendes allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG und schränkt das Grundrecht in verhältnismäßiger Weise ein. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Verletzung der Pflicht des § 54 Satz 3 BBG.

cc) Die politische Treuepflicht hat der Beamte hingegen nicht verletzt.

Gemäß § 52 Abs. 2 BBG muss sich ein Beamter durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Inhalt und Grenzen dieser politischen Treuepflicht entsprechen der verfassungsrechtlichen Treuepflicht, die von Art. 33 Abs. 5 GG verlangt wird. Art. 33 Abs. 5 GG enthält als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums auch eine allgemeine politische Treuepflicht (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975, a.a.O., 347). Zwischen dem sachlichen Gehalt der verfassungsrechtlichen politischen Treuepflicht und demjenigen des § 52 Abs. 2 BBG besteht kein Unterschied (vgl. Urteil vom 1. Februar 1989 – BVerwG 1 D 2.86 – BVerwGE 86, 99 ≪115 f.≫).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 33 Abs. 5 GG ist das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, niemals eine Verletzung der politischen Treuepflicht. Anders liegt es, wenn der Beamte Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugungen zieht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975, a.a.O., 350 f.). Aufgrund der Übereinstimmung von verfassungs- und einfachrechtlicher politischer Treuepflicht gelten diese mit Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG versehenen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts auch für die Auslegung und Anwendung des § 52 Abs. 2 BBG. Da sich die hier in Rede stehende Äußerung in dem bloßen Mitteilen einer Überzeugung erschöpft hat, hat der Beamte nicht der politischen Treuepflicht zuwider gehandelt. Er hat nicht etwa versucht, seiner Meinung durch planmäßige Agitation oder aggressives Werben Nachdruck zu verschaffen. Sein Verhalten war nicht auf eine wirksame Verbreitung seines Standpunktes und auch nicht auf eine Teilnahme am politischen Meinungskampf angelegt. Mithin fehlt es an einem äußeren Handeln als Voraussetzung eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 2 BBG.

b) Anschuldigungspunkte 2 bis 4

aa) Der Beamte hat gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen.

Mit den hier in Rede stehenden Äußerungen hat der Beamte die Juden herabgewürdigt und ihren besonderen Achtungsanspruch vernachlässigt. Indem er den Juden mit den Äußerungen, die Gegenstand der Anschuldigungspunkte 2 und 3 sind, Schuld an dem ihnen im Nationalsozialismus widerfahrenen unmenschlichen Schicksal zugewiesen und damit zugleich die Schuld der nationalsozialistischen Täter gemindert hat, hat der Beamte nicht nur einem bestimmten historischen Verständnis Ausdruck verliehen. Die Äußerungen – so weitergetragen – berühren auch das Selbstverständnis von Juden und insbesondere ihren darauf bezogenen Achtungsanspruch. Das Selbstverständnis dieser Menschen wird auch heute noch in besonderer Weise geprägt von der Zugehörigkeit zu einer Personengruppe, die im Nationalsozialismus wegen ihrer Abstammung ohne eigene Schuld mit dem Ziel ihrer Verfolgung und Vernichtung ihrer Individualität und damit ihrer Menschenwürde beraubt wurde. Die Juden haben einen uneingeschränkten Anspruch auf Achtung dieses Selbstverständnisses, der Teil ihrer Würde ist. Dieses Selbstverständnis wird in Frage gestellt, wenn jüdischen Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nachgesagt wird, sie seien selbst Schuld an ihrem Schicksal, ihnen also jedenfalls ein ganz erhebliches Maß an Eigenverschulden zugewiesen wird und die Täter in dem Umfang der Schuldzuweisung von ihrer ungeheuerlichen Schuld freigestellt werden. Darin liegt nicht nur eine Vernachlässigung des aufgezeigten Achtungsanspruchs, sondern auch eine Herabwürdigung der Juden (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1979 – VI ZR 140/78 – BGHZ 75, 160 ≪162 ff.≫; BVerfG, Beschluss vom 13. April 1994, a.a.O., 251 ff.). Entsprechende Äußerungen eines Beamten verletzten das Gebot achtungs- und vertrauensgerechten Verhaltens in erheblichem Maße.

Dies gilt gleichermaßen für die Äußerung, die dem Beamten in dem Anschuldigungspunkt 4 vorgeworfen wird. Die mit dieser Äußerung einhergehende Verharmlosung nationalsozialistischen Unrechts vernachlässigt den dargestellten Achtungsanspruch der Juden in erheblichem Maß und stellt eine Herabwürdigung dar. Genauso liegt es, soweit diesen Menschen mit der Äußerung die Legitimation abgesprochen wird, sich auf das ihrer Volksgruppe in der Vergangenheit widerfahrene Schicksal zu berufen.

Der Beamte vermag sich auch hinsichtlich der hier in Rede stehenden Äußerungen nicht mit Erfolg auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungsfreiheit zu berufen. Zwar unterfallen die Äußerungen dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Dem steht nicht entgegen, dass sie auch Elemente unwahrer Tatsachenbehauptungen aufweisen. Da sie auch von wertenden Beurteilungen geprägt sind, werden sie insgesamt vom Schutzbereich des Grundrechts umfasst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 1994 – 1 BvR 434/87 – BVerfGE 90, 1 ≪15 ff.≫). Die Einschränkung der Meinungsfreiheit ist hier jedoch gerechtfertigt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Äußerungen als Formalbeleidigungen anzusehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1979 a.a.O., 164 f.), so dass bereits deshalb das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zurückzutreten hat (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. April 1990 – 1 BvR 40/86 und 1 BvR 42/86 – BVerfGE 82, 43 ≪51≫; Beschluss vom 26. Juni 1990 – 1 BvR 1165/89 – BVerfGE 82, 272 ≪281≫). Die Vernachlässigung des Achtungsanspruchs der Juden und deren Herabwürdigung überschreitet die von § 54 Satz 3 BBG der Meinungsfreiheit gezogene Grenze bei weitem. Deshalb ist auch insoweit das Gebot des verhältnismäßigen Ausgleichs der Meinungsfreiheit und seiner Einschränkung im vorliegenden Fall gewahrt. Besondere Umstände, die es gebieten könnten, der Meinungsfreiheit gleichwohl den Vorrang einzuräumen, sind auch insoweit nicht ersichtlich.

bb) Der Beamte hat außerdem gegen die Pflicht zu unparteiischer und gerechter Amtsführung verstoßen.

Die hier interessierenden Äußerungen haben bei objektiver Betrachtung die Besorgnis begründet, der Beamte werde im Rahmen seiner Amtsführung Juden nicht mit der gebotenen Unparteilichkeit und gerecht gegenübertreten. Die aufgezeigte Vernachlässigung des Achtungsanspruchs der Juden und deren Herabwürdigung haben über die Verletzung der Pflicht des § 54 Satz 3 BBG hinaus den Eindruck erweckt, dass die Einstellung des Beamten gegenüber jüdischen Menschen von starken Ressentiments geprägt ist. Eine Verletzung des Gebots des § 52 Abs. 1 Satz 2 BBG ist hier insbesondere deshalb anzunehmen, weil der Beamte als damaliger Leiter des Personalreferats und stellvertretender Verwaltungsleiter bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeiten auch mit den Belangen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jüdischer Abstammung befasst war. Zu Recht hat die Zeugin S.… wegen der Äußerungen des Beamten befürchtet, er werde auch diese Personen bei seiner Amtsausübung benachteiligen.

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG steht der Annahme einer Verletzung von § 52 Abs. 1 Satz 2 BBG nicht entgegen. Die Erwägung zu dem Verstoß gegen § 54 Satz 3 BBG gelten entsprechend.

cc) Der Beamte hat hingegen nicht gegen die politische Treuepflicht verstoßen. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, weil er die von ihm geäußerten unreflektierten Auffassungen nicht in ein äußeres Handeln umgesetzt hat, das auf Verbreitung des Standpunkts oder Teilnahme am öffentlichen politischen Meinungskampf ausgelegt gewesen wäre.

3. Durch die Pflichtverletzungen hat der Beamte schuldhaft ein innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen.

a) Das Fehlverhalten ist als innerdienstlich zu qualifizieren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats richtet sich die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlichen Verfehlungen nicht entscheidend nach der formalen Dienstbezogenheit, dass heißt nach der engen räumlichen oder zeitlichen Beziehung zum Dienst. Vielmehr kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an. Abzustellen ist darauf, ob durch das Verhalten inner- oder außerdienstliche Pflichten verletzt sind. Der dienstliche Bereich eines Beamten ist allgemein von demjenigen Lebenskreis abzugrenzen, in dem er von dienstlichen Pflichten frei ist, mag er auch nicht frei von jeglichen beamtenrechtlichen Verpflichtungen sein, wie sich aus § 54 Satz 3 BBG ergibt (vgl. z.B. Urteil vom 24. November 1992 – BVerwG 1 D 52.91 – m.w.N.). Obwohl bei der Abgrenzung von inner- und außerdienstlichem Verhalten in erster Linie eine materielle Betrachtungsweise zugrunde zu legen ist, können auch formale Gesichtspunkte als Indizien herangezogen werden (vgl. Beschluss vom 17. August 2000 – BVerwG 1 DB 2.00 –). Für innerdienstliches Verhalten spricht ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem von dem Beamten bekleideten Amt (vgl. Urteil vom 21. Oktober 1986 – BVerwG 1 D 56.86 – BVerwGE 83, 237 ≪239≫ m.w.N.). Stellt sich das Verhalten des Beamten bei der gebotenen materiellen Betrachtung als das eines Privatmannes dar, ist es als ein außerdienstliches, sonst als innerdienstliches zu würdigen (vgl. Urteil vom 5. November 1968 – BVerwG 1 D 19.68 – BVerwGE 33, 199 ≪201≫).

Im vorliegenden Fall ist eine materielle Dienstbezogenheit anzunehmen. Dafür spricht bereits der äußere Rahmen des Gesprächs, in dem die die Pflichtverletzungen begründenden Äußerungen gefallen sind. Das Gespräch fand in der die Arbeitszeit unterbrechenden Mittagspause in dem Dienstgebäude der Beschäftigungsbehörde der Gesprächsteilnehmer statt. Die Teilnehmer des Gesprächs waren sich nicht in persönlicher Weise besonders verbunden, sondern trafen als Bedienstete ihrer Behörde aufeinander. Diese Umstände allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines innerdienstlichen Verhaltens. Entscheidend ist, dass die Gesprächsteilnehmer die Äußerungen des Beamten vor dem Hintergrund der äußeren Gegebenheiten des Gesprächs aufgrund der dem Beamten damals obliegenden dienstlichen Aufgaben nicht als für den Dienst belanglose Äußerungen eines Privatmanns erfahren haben und auch nicht erfahren konnten. Als Leiter des Personalreferats und stellvertretender Verwaltungsleiter hatte sich der Beamte auch mit Angelegenheiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausländischer Herkunft und jüdischen Glaubens zu befassen. Er war daher in besonderem Maße verpflichtet, diesen gegenüber nicht nur die Unparteilichkeit zu wahren, sondern auch zu vermeiden, dass durch sein Verhalten der böse Schein der Parteilichkeit erzeugt wurde. Deshalb waren die hier in Rede stehenden Äußerungen nicht zu trennen von seiner Funktion innerhalb der Behörde. Es besteht mithin ein funktioneller Zusammenhang zwischen den Äußerungen und den dienstlichen Aufgaben des Beamten. Dieser Zusammenhang wurde von den Zeuginnen L.… und S.… auch wahrgenommen. Die Zeuginnen L.… und S.… haben in ihren Vernehmungen im Vorermittlungsverfahren am 18. Februar 1998 bekundet, sie seien gerade deshalb besonders befremdet gewesen, weil es sich um Äußerungen des Leiters des Personalreferats gehandelt habe. Die Zeugin S.… hat – wie bereits dargelegt – darüber hinaus bekundet, sie habe angesichts der Äußerungen des Beamten befürchtet, dieser werde ausländische oder jüdische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benachteiligen.

b) Der Beamte hat die Pflichtverletzung schuldhaft begangen. Er hat zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Angesichts seiner auch in seiner dienstlichen Stellung und seinen dienstlichen Beurteilungen zum Ausdruck kommenden Beurteilungsfähigkeit hat er jedenfalls die Möglichkeit erkannt, durch die Äußerungen gegen beamtenrechtliche Pflichten zu verstoßen, und dies billigend in Kauf genommen.

4. Das Dienstvergehen gebietet eine langfristige Gehaltskürzung.

a) Der Senat ist nicht etwa wegen des auch im Disziplinarrecht geltenden Verbots der Doppelbestrafung gehindert, eine Gehaltskürzung auszusprechen. Gegen den Beamten ist entgegen der von ihm vertretenen Auffassung wegen des hier zu beurteilenden Sachverhalts nicht schon einmal eine Disziplinarmaßnahme verhängt worden. Zwar hat der Vorgesetzte des Beamten, Prof. Dr. B.…, am 30. Januar 1998 diesem gegenüber eine Missbilligung ausgesprochen. Diese Missbilligung ist aber keine Disziplinarmaßnahme. Soweit in der Literatur eine Missbilligung im Sinne von § 6 Abs. 2 BDO unter Hinweis auf § 124 BDO als Disziplinarmaßnahme im weiteren Sinne angesehen wird (vgl. Köhler/Ratz, BDO, 2. Auflage § 6 Rn. 3), bezieht sich dies auf schriftliche Missbilligungen. Hier erfolgte die Missbilligung lediglich mündlich. Davon abgesehen hindert selbst eine schriftliche Missbilligung nicht die disziplinare Verfolgung des missbilligten Sachverhalts (vgl. Urteil vom 29. April 1971 – BVerwG 2 D 8.71 – BVerwGE 43, 211 ≪212 f.≫).

b) Das Dienstvergehen wiegt schwer. Dies ergibt sich bereits aus dem Inhalt der die Pflichtverletzung begründenden Äußerungen. Die Äußerungen überschritten deutlich die Grenzen des beamtenrechtlich Zulässigen. Erschwerend wirkt, dass der Beamte aufgrund seiner damaligen herausgehobenen Stellung besondere Verantwortung trug und deshalb in besonderem Maße eine Vorbildfunktion zu erfüllen hatte. Das Gewicht des Dienstvergehens wird auch dadurch erhöht, dass die Äußerungen in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Raum gefallen sind, so dass die Gefahr bestand, dass sie über den engen Kreis der Gesprächsteilnehmer hinaus bekannt wurden und die gesamte Dienststelle in ein schlechtes Licht rückte.

Demgegenüber kommt den mildernden Umständen weitaus geringeres Gewicht zu. Zugunsten des Beamten ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen in einem kleinen Kreis von Gesprächsteilnehmern im Rahmen einer emotional und kontrovers geführten Diskussion gefallen sind und subjektiv nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Der Senat hat dem Beamten auch zugute gehalten, dass er sich spontan und wohl nicht näher reflektiert geäußert hat. Es ist ferner mildernd in Rechnung zu stellen, dass der Beamte bisher nicht wegen einschlägiger Äußerungen aufgefallen ist. Schließlich wirkt sich mildernd auf die Disziplinarmaßnahme aus, dass der Beamte in absehbarer Zeit in den Ruhestand treten wird, wodurch die Notwendigkeit, durch eine disziplinare Ahndung auf die künftige Einhaltung beamtenrechtlicher Pflichten hinzuwirken, gemindert ist.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 ff. BDO.

 

Unterschriften

Albers, Mayer, Vormeier

 

Fundstellen

BVerwGE, 37

DÖD 2001, 220

RiA 2002, 197

ZfPR 2002, 274

KomVerw 2002, 176

FuBW 2002, 249

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