Entscheidungsstichwort (Thema)

Konzeptvorbescheid. Standortvorbescheid. Teilgenehmigung. vorläufiges positives Gesamturteil. Vorsorge gegen Schäden. “dynamischer Grundrechtsschutz”. Gefahrenverdacht. normkonkretisierende Kompetenz der Exekutive. Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen. Kühlturm als Teil der atomaren Anlage. Störfallplanungsdosis. Freistellung von Kernkraftwerken vom bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

  • Will die Genehmigungsbehörde im Zusammenhang mit einer Teilgenehmigung oder mit einem Standortvorbescheid einen Konzeptvorbescheid erlassen, so muß sie dies wegen der damit verbundenen definitiven Konzeptbilligung im verfügenden Teil der Genehmigung zum Ausdruck bringen (so jetzt auch § 19 Abs. 3 Nr. 2 AtVfV); andernfalls wird der effektive Rechtsschutz potentiell betroffener Dritter unzumutbar eingeschränkt.
  • Mit jeder Teilgenehmigung muß ein die gesamte Anlage betreffendes vorläufiges positives Gesamturteil verbunden sein. Es gehört zum feststellenden Teil der Genehmigung und vermittelt, vorbehaltlich der noch ausstehenden Detailprüfung und gleichbleibender Sach- und Rechtslage, Bindungswirkung. Das vorläufige positive Gesamturteil ist insoweit drittschützend, als es die Einhaltung vorhabensbezogener Genehmigungsvoraussetzungen sicherstellen soll, die ihrerseits drittschützend sind.
  • Für die gerichtliche Prüfung atomrechtlicher Teilgenehmigungen im Rahmen einer Drittanfechtungsklage ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlaß des angefochtenen Bescheides maßgebend. Dies gilt auch dann, wenn dessen sofortige Vollziehung angeordnet, hiervon aber kein Gebrauch gemacht worden ist.
  • Vorsorge gegen Schäden im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ist mit Gefahrenabwehr im Sinne des polizeirechtlichen Gefahrenbegriffs nicht identisch; sie umfaßt auch eine gefahrenunabhängige Risikovorsorge. Risikoermittlung und Risikobewertung gehören zur Kompetenz der Exekutive.
  • Die “Allgemeine Berechnungsgrundlage für Strahlenexposition bei radioaktiven Ableitungen mit der Abluft oder im Oberflächengewässer” bindet als normkonkretisierende Richtlinie auch die Verwaltungsgerichte.
  • § 29 BBauG steht einer landesrechtlichen Regelung entgegen, die Kernkraftwerke vom bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren befreit.
  • Der in § 7 Abs. 1 AtG verwendete Begriff der Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen ist sicherheitstechnischer Art; damit ist ein Kühlturm nicht Teil einer derartigen Anlage.
 

Normenkette

AtG § 1 Nr. 2; ATG § 7 Abs. 2; AtG § 7a Abs. 1, §§ 7b, 8 Abs. 2, § 12 Abs. 1; AtAnlV § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; StrlSchV § 48 Abs. 3; BBauG § 29; LBO § 89 Abs. 1 Nr. 19

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 30.03.1982; Aktenzeichen X 583/77)

VG Freiburg i. Br. (Urteil vom 14.03.1977; Aktenzeichen II 53/75)

 

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. März 1982 werden zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger wenden sich gegen die vom beklagten Land der Beigeladenen erteilte Erste Teilgenehmigung vom 22. Januar 1975 für die Errichtung des Kernkraftwerks Süd Block I mit einer thermischen Leistung von 3 762 Megawatt in der Gemarkung Wyhl. Durch diese Genehmigung ist der Beigeladenen die Errichtung des Reaktorgebäudes, des Reaktorhilfsanlagengebäudes, des Maschinenhauses und des Schaltanlagengebäudes sowie verschiedener Rohrleitungen und Kabelkanäle des von ihr geplanten Kraftwerks gestattet worden. Die Genehmigung schließt den Standort des Kernkraftwerks ein; sie weist die gegen das Vorhaben vorgebrachten Einwendungen zurück.

Derartige Einwendungen hatten im Offenlegungsverfahren auch die zwischen 3 und 7 km von dem in Aussicht genommenen Standort entfernt wohnenden Kläger erhoben. Sie machten insbesondere geltend, das beantragte Vorhaben werde sie, sollte es verwirklicht werden, an Leben und Gesundheit schädigen; darüber hinaus werde auch der vorgesehene Einsatz von Naßkühltürmen zu Gesundheitsbeeinträchtigungen sowie zu nachteiligen Auswirkungen auf den Tabak-, Reben- und Obstanbau führen. In dem angefochtenen Bescheid wurden diese Einwendungen als unbegründet zurückgewiesen; die geplante Anlage sei hinreichend sicher; körperliche Schäden durch ionisierende Strahlen seien nicht zu befürchten. Die Abgabe radioaktiver Stoffe beim Betrieb des Kernkraftwerks werde erheblich unter den von der Ersten Strahlenschutzverordnung aufgestellten Grenzen liegen, für die Stelle des Belastungsmaximums sei ein Höchstwert von 30 mrem pro Jahr festgelegt. Die möglichen Auswirkungen des Kühlturms würden von den Klägern erheblich überschätzt; sie könnten weder zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Umgebungsbevölkerung noch zu Qualitäts- oder Ertragseinbußen bei den von den Klägern angebauten landwirtschaftlichen Sonderkulturen führen.

Die daraufhin von den Klägern erhobenen Klagen hatten in erster Instanz Erfolg. Das Verwaltungsgericht hob nach eingehender Beweisaufnahme den angefochtenen Bescheid durch drei im wesentlichen gleichlautende Urteile auf, weil die erforderliche Vorsorge gegen mögliche, durch den Betrieb der Anlage verursachte Schäden nicht getroffen sei; das Konzept der Anlage sehe nämlich eine Berstsicherung nicht vor. Damit könne der – freilich äußerst unwahrscheinliche – Fall eintreten, daß ein Bersten des Reaktordruckgefäßes den Sicherheitsbehälter mit der Folge zerstöre, daß es zu einer Spontanfreisetzung des radioaktiven Reaktorinventars komme. Eine derartige Freisetzung müsse jedoch wegen der mit ihr verbundenen katastrophalen Folgen absolut vermieden werden.

Gegen diese Urteile haben das beklagte Land und die Beigeladene Berufung eingelegt; während des Berufungsverfahrens hat das beklagte Land zwei weder von den Klägerin noch von der Beigeladenen angefochtene Auflagenbescheide erlassen. Die erste Verfügung vom 2. Mai 1980 betrifft Vorsorgemaßnahmen gegen Turbinenzerknall, die zweite Verfügung vom 16. Dezember 1980 erhöht den einzuhaltenden Grundwert für die horizontale Bodenbeschleunigung bei Sicherheitsbeben.

Mit Urteil vom 30. März 1982 hat das Berufungsgericht – wiederum nach vorangegangener umfangreicher Beweisaufnahme – die Urteile des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Das Berufungsgericht war der Auffassung, der angefochtene Bescheid habe neben einer Teilerrichtungsgenehmigung auch einen den Standort und das Konzept umfassenden Vorbescheid zum Gegenstand; es hielt sowohl jene wie diesen für rechtmäßig. Bei der rechtlichen Prüfung sei jedenfalls im Grundsatz auf die bei Erlaß des Bescheides maßgebliche Rechtslage abzustellen. Die von der Beigeladenen geplante atomare Anlage, zu der gemäß § 7 Abs. 1 des Atomgesetzes (AtG) auch der vorgesehene Naßkühlturm gehöre, sei hinreichend sicher; ihr Betrieb werde nicht zu Schäden führen, die als Grundrechtsverletzungen anzusehen seien. Der vom Verwaltungsgericht für notwendig erachteten Berstsicherung bedürfe es nicht. Der für das Kernkraftwerk vorgesehene Reaktordruckbehälter habe eine solche Basissicherheit, daß gegen sein Versagen Vorsorge nicht getroffen werden müsse; das verbleibende Restrisiko hätten die Kläger hinzunehmen. Die Anlage sei auch ansonsten in ausreichender Weise gegen Störfälle, insbesondere Kühlmittelverluststörfälle, ausgelegt; ferner gewährleiste das dem Vorbescheid zugrundeliegende und einhaltbare 30 mrem-Konzept eine ausreichende Risikovorsorge gegen die mit dem Betrieb des Kernkraftwerks verbundene ionisierende Strahlung weit unterhalb der rechtserheblichen Gefahrenschwelle. Die Genehmigungsbehörde habe das ihr bei der Standortwahl zustehende, auch im Interesse der Kläger auszuübende Planungsermessen rechtsfehlerfrei betätigt. Standortspezifische Bedenken im Hinblick auf die Beschaffenheit des geologischen Untergrundes, den Flugverkehr, die Umgebungsbesiedlung, eine mögliche Beeinträchtigung des Grundwassers sowie den Kühlturmbetrieb bestünden nicht. Insbesondere würden vom Kühlturm der Anlage keine für die Kläger schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, die im Sinne der §§ 22 ff. des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) bedenklich seien und zu einem Einschreiten Veranlassung geben könnten.

Gegen dieses Urteil haben die Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie ihr Klageziel weiterverfolgen. Sie rügen die Verletzung formellen und materiellen Bundesrechts. Die Kläger zu 1 bis 3 sind insbesondere der Auffassung, die angefochtene Teilgenehmigung enthalte weder einen Standort- noch einen Konzeptvorbescheid. Hinsichtlich der gesamten Anlage lasse sich ein vorläufiges positives Gesamturteil nicht bilden. Da dieses zudem keine Bindungswirkung entfalte, komme es insoweit nicht allein auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung an; vielmehr müßten auch neue, erst nach diesem Zeitpunkt gewonnene Erkenntnisse berücksichtigt werden. Die nachgeschobenen Auflagen des Beklagten zeigten, daß die Anlage nicht in der gehörigen Weise gegen Erdbeben und Turbinenzerknall ausgelegt sei. Außerdem sei die erforderliche Sicherheit des Reaktordruckbehälters im Hinblick auf das in Aussicht genommene Fertigungsmaterial nicht erreicht; systematische Fehler würden nicht beherrscht. Hinsichtlich der Einhaltung des zugrundegelegten Dosisgrenzwertkonzeptes fehle es an konkreten Berechnungen der Genehmigungsbehörde. Das Berufungsgericht habe schließlich verkannt, daß die Auswirkungen des Kühlturmbetriebes nicht nach Maßgabe der §§ 22 ff. BImSchG, sondern anhand des in § 5 BImSchG aufgestellten rechtlichen Maßstabes zu prüfen gewesen wären.

Die Kläger zu 4 bis 9 sind der Auffassung, der dem § 7 Abs. 2 AtG inhärente “dynamische Grundrechtsschutz” verlange, daß ein Kernkraftwerk stets nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik gebaut werden müsse. Ein nicht mehr aktuelles Sicherheitskonzept beeinträchtige sie daher jedenfalls dann in ihren Rechten, wenn – wie im vorliegenden Falle – von der Teilerrichtungsgenehmigung trotz Anordnung der sofortigen Vollziehung kein Gebrauch gemacht und zwischen dem Erlaß der Genehmigung und der letzten tatrichterlichen Entscheidung ein verhältnismäßig langer Zeitraum – er betrage hier 7 Jahre und 2 Monate – liege.

Das beklagte Land und die Beigeladene treten dem Vorbringen der Revisionen mit Rechtsausführungen entgegen; sie verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revisionen haben keinen Erfolg; das angefochtene Urteil verletzt zwar Bundesrecht, erweist sich aber aus anderen Gründen als zutreffend (§ 144 Abs. 4 VwGO).

Dem Berufungsurteil liegt die Auffassung zugrunde, die angefochtene Teilgenehmigung enthalte auch einen Konzeptvorbescheid; dies ist – wie insbesondere die Revision der Kläger zu 1 bis 3 zutreffend rügt – mit Bundesrecht nicht zu vereinbaren (A). Ungeachtet dessen werden die Kläger weder durch die der Beigeladenen erteilte Teilgenehmigung (B) noch durch den der Teilgenehmigung beigefügten Standortvorbescheid (C) in ihren Rechten verletzt. Die von der Revision der Kläger zu 1 bis 3 erhobene Besetzungsrüge greift nicht durch (D).

A) Das Berufungsgericht geht davon aus, die angefochtene Teilgenehmigung enthalte neben einem Standortvorbescheid auch einen Konzeptvorbescheid gemäß § 7a des Atomgesetzes (AtG) – hier anzuwenden in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Atomgesetzes vom 28. August 1969 (BGBl. I S. 1429) unter Berücksichtigung der durch § 69 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) erfolgten Änderungen und Ergänzungen. Der Konzeptvorbescheid sei zwar – im Gegensatz zum Standortvorbescheid – im Entscheidungsteil der Teilgenehmigung nicht erwähnt; gleichwohl lasse aber der Gesamtzusammenhang von verfügendem Teil, Auflagen und Begründung deutlich erkennen, “daß Sicherheitsfragen und Umweltverträglichkeit des Gesamtprojekts im Grundsatz geprüft und die grundlegenden Auslegungsmerkmale eines Druckwasserreaktors der 1 300 MW-KWU-Baureihe in rechtlich verbindlicher Weise gebilligt” worden seien. Dies zeigten insbesondere die Auflagen 1.3 und 6.17 in Teil III der Teilgenehmigung. Die Auflage 1.3 verpflichte den Antragsteller, “auf Verlangen Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, inwieweit geänderte oder neu in die Leitlinien für Druckwasserreaktoren … oder deren Entwürfe aufgenommene Forderungen unter Berücksichtigung des Konzepts und des Baufortschritts noch erfüllbar sind”; nach der Auflage 6.17 seien auch die – durch die angefochtene Teilgenehmigung noch nicht genehmigten – Einbauten innerhalb der Sicherheitshülle u.a. so auszulegen, daß sie bei den in Betracht zu ziehenden Störfällen bestimmten Anforderungen genügten. Daraus folge, daß die Genehmigungsbehörde eine Grundentscheidung über die Sicherheit und die Umweltverträglichkeit des gesamten Projekts habe fallen wollen und gefällt habe. Des weiteren seien im gegenwärtigen Zeitpunkt Kernkraftwerke “keineswegs so unproblematisch, daß nur noch die Standortfrage, gleichsam ihre bauplanungsrechtliche Vereinbarkeit mit dem Gebietscharakter, zu entscheiden wäre”.

1. Diese Ausführungen halten der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand. Ein Konzeptvorbescheid enthält, wie der Senat bereits entschieden hat (BVerwGE 70, 365 ≪372≫), eine endgültige Billigung der als konzeptrelevant angesehenen Anlageteile und -systeme; er steht also nicht unter dem Vorbehalt späterer Detailprüfung. Darin unterscheidet er sich von dem vorläufigen positiven Gesamturteil, das – auch nach Ansicht des Berufungsgerichts – die Genehmigungsbehörde vor Erlaß einer Teilgenehmigung fällen muß; es bezieht sich auf die Sicherheit der gesamten Anlage und besagt, daß – bezogen auf die Genehmigungsvoraussetzungen – dem Vorhaben “keine von vornherein unüberwindlichen rechtlichen Hindernisse” entgegenstehen (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 9. Juli 1982 – BVerwG 7 C 54.79 – DVBl. 1982, 960 (≪962≫). Nur eine solche vorläufige Beurteilung der atomrechtlichen Genehmigungsfähigkeit der gesamten Anlage – und nicht mehr – ist dem Hinweis der Genehmigungsbehörde zu entnehmen, das geplante Kernkraftwerk werde “nach seiner sicherheitstechnischen Grundkonzeption … weder beim Normalbetrieb noch bei einem Störfall eine Gefahr für die Umgebung darstellen”. Bestätigt wird dies durch die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides, die dem Genehmigungsantrag zugrundeliegenden Unterlagen seien hinreichend aussagekräftig, um die Bildung eines vorläufigen positiven Gesamturteils über die Errichtung und den Betrieb der gesamten Anlage zu ermöglichen. Damit läßt der Umstand, daß die Genehmigungsbehörde vor Erteilung der ersten Teilgenehmigung die Sicherheit der gesamten Anlage in den Blick genommen und geprüft hat, nicht den Schluß zu, daß sie auch einen Konzeptvorbescheid erlassen wollte oder gar erlassen hat. Es fehlt insoweit an der für einen Vorbescheid gemäß § 7a AtG wesentlichen Aussage, daß eine endgültige Entscheidung über das Anlagekonzept getroffen werden sollte. Eine solche Aussage läßt sich auch nicht aus den dem angefochtenen Bescheid beigefügten “Auflagen” herlieiten. Die Revision der Kläger zu 1 bis 3 weist zutreffend darauf hin, daß diese nur als Hinweise auf das weitere Vorgehen der Genehmigungsbehörde zu verstehen sind, soweit sie sich auf noch nicht genehmigte Anlageteile beziehen.

Die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, daß derzeit Standortfragen nicht unabhängig von Konzeptfragen entschieden werden könnten, geht ebenfalls fehl. Sie soll offenbar besagen, daß ein Standortvorbescheid immer nur bezogen auf ein bestimmtes Konzept ergehen könne und deshalb auch stets eine Konzeptbilligung enthalte. Dem kann der Senat nicht folgen. Es mag sein, ja es wird sogar in aller Regel zutreffen, daß ein atomrechtlicher Standortvorbescheid auf eine bestimmte Anlagenkonzeption abgestellt ist. Das bedeutet aber nur, daß diese Konzeption aus standortspezifischen Gründen nicht mehr in Frage gestellt werden kann; es bedeutet dagegen nicht, daß das zugrundegelegte Konzept auch in bezug auf andere, nicht standortbezogene Gründe gebilligt worden ist. Führen derartige Gründe später zu einer Konzeptänderung oder sogar zu einem gänzlichen Verzicht auf das Konzept, so mag diese Entwicklung den Standortvorbescheid in der Sache entwerten, weil er (nur) für ein Konzept gilt, das sich nicht (mehr) realisieren läßt. Das alles kann aber kein Anlaß sein, in den Standortvorbescheid auch einen Konzeptvorbescheid hineinzulesen, zumal § 7a AtG die “Wahl des Standorts” als möglichen alleinigen Gegenstand eines Vorbescheides ausdrücklich erwähnt. Aus alledem folgt: Will die Genehmigungsbehörde im Zusammenhang mit einer Teilgenehmigung oder mit einem Standortvorbescheid einen Konzeptvorbescheid erlassen, so muß sie dies wegen der damit verbundenen definitiven Konzeptbilligung im verfügenden Teil der Genehmigung zum Ausdruck bringen (so jetzt auch § 19 Abs. 3 Nr. 2 der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung ≪AtVfV≫ in der Fassung vom 31. März 1982 – BGBl. I S. 412 –).

2. Damit kommt dem Umstand, daß die Genehmigungsbehörde im verfügenden Teil ihres Bescheides nur den Standort, nicht aber das Anlagenkonzept ausdrücklich gebilligt hat, entscheidende Bedeutung zu. Dieses Vorgehen zwingt zu der Annahme, daß sie sich nur hinsichtlich des Standortes, nicht aber hinsichtlich des Anlagenkonzepts endgültig binden wollte und gebunden hat.

Die abweichende Auffassung des Berufungsgerichts ist darüber hinaus auch nicht mit den die Gestaltung des Verfahrens beeinflussenden Grundrechten der durch den Bescheid potentiell betroffenen Dritten zu vereinbaren. Diese müssen – auch und gerade im Hinblick auf die in § 7b AtG angeordnete Präklusion – hinreichend deutlich erkennen können, welche Anfechtungslast ihnen durch einen atomrechtlichen Vorbescheid aufgebürdet wird; anderenfalls wird für sie ein effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) in nicht mehr zumutbarer Weise erschwert. Das Berufungsgericht will freilich die Präklusion des § 7b AtG nur dann eingreifen lassen, wenn und soweit eine erneute Auslegung erforderlich wird, indem es den Einwendungsbegriff der genannten Vorschrift auf den Einwendungsbegriff des § 3 der Atomanlagen-Verordnung (AtAnlV) in der Fassung vom 29. Oktober 1970 (BGBl. I S. 1518) reduziert. Diese Auffassung widerspricht nicht nur der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BVerwGE 61, 256 ≪271/272≫), sondern nimmt der Vorschrift auch einen eigenständigen Anwendungsbereich. In einem Änderungsverfahren mit erneuter Offenlegung steht nicht das Vorhaben insgesamt, sondern nur der zu ändernde Teil zur (erneuten) Diskussion, so daß der Einwendungsausschluß des § 3 Abs. 1 AtAnlV hinsichtlich des (nicht zu ändernden) Restes bestehen bleibt.

B) Da die Genehmigungsbehörde einen Konzeptvorbescheid nicht erlassen hat, ist das Revisionsvorbringen, das sich gegen die Rechtmäßigkeit eines solchen Konzeptvorbescheides richtet, im Rahmen der Frage zu würdigen, ob das mit der ersten Teilgenehmigung verbundene vorläufige positive Gesamturteil die Kläger in ihren Rechten verletzt; eine solche Rechtsverletzung liegt nicht vor.

1. Das Berufungsgericht ist von der Erwägung ausgegangen, das vorläufige positive Gesamturteil sei lediglich eine Drittschutz nicht vermittelnde bloße Verfahrensvoraussetzung. Es sieht in ihm lediglich ein Instrument des Investitionsschutzes für den Unternehmer nach Art eines “Vorprüfverfahrens”; einer Verletzung der Prüfpflicht könne der Unternehmer mit einer Amtshaftungsklage begegnen. Auch diese Auffassung des Berufungsgerichts ist mit Bundesrecht nicht zu vereinbaren. Das bei Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung zu bildende vorläufige positive Gesamturteil ist nicht bloß Verfahrens-, sondern auch materiellrechtliche Genehmigungsvoraussetzung (a). Es gehört zum Regelungsgehalt einer Teilgenehmigung und entfaltet damit eine nach Maßgabe seiner Vorläufigkeit eingeschränkte Bindungswirkung für weitere Teilgenehmigungsverfahren (b). Schließlich vermittelt es Drittschutz insoweit, als im Rahmen dieses Urteils die Einhaltung drittschützender Vorschriften in bezug auf die Gesamtanlage zu prüfen ist (c).

a) Das vor Erteilung einer Teilgenehmigung erforderliche vorläufige positive Gesamturteil über die Errichtung und den Betrieb der gesamten Anlage ist nicht eine bloße, dem Antragserfordernis oder dem berechtigten Interesse an der Erteilung gerade einer Teilgenehmigung vergleichbare Verfahrensvoraussetzung. Das Berufungsgericht ist zu diesem Schluß offenbar deshalb gekommen, weil dieses Erfordernis nicht in § 7 AtG, sondern nur in § 1 Abs. 2 Satz 2 AtAnlV, also einer Rechtsverordnung genannt wird, die aufgrund der nur die Regelung des Verfahrens betreffenden Ermächtigung in § 7 Abs. 3 AtG in der ursprünglichen Fassung (BGBl. I 1959 S. 814) ergangen ist. Eine solche Ansicht verkennt die Funktion der Teilgenehmigung als Mittel der abschnittsweisen Bewältigung eines bestimmten atomrechtlichen Vorhabens im Sinne von § 7 Abs. 1 AtG. Eine atomrechtliche Teilgenehmigung gestattet dem Antragsteller, mit einem bestimmten Teil der Anlage zu beginnen; sie steht insoweit – also hinsichtlich ihrer gestattenden Wirkung – der Vollgenehmigung gleich (vgl. BVerwGE 61, 256 ≪274≫). Das setzt eine abschließende Prüfung voraus, ob im Hinblick auf den genehmigten Anlageteil die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 AtG vorliegen. Diese Prüfung läßt sich jedoch sinnvoll nicht bewältigen, ohne daß die gesamte Anlage in den Blick genommen wird. Deren einzelne Teile stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern sind einander zugeordnet und in ihrer jeweiligen Funktion nur aus dieser Zuordnung begreifbar. Sollen etwa mit der ersten Teilgenehmigung die Fundamente der Anlage genehmigt werden, so kann dies nicht geschehen ohne Bezug auf die Stellung der darauf zu errichtenden Gebäude, ihre Lasten und die vorgesehene Raumaufteilung; dies wiederum bedingt eine ausreichende Kenntnis der maschinellen und apparativen Einrichtungen oder Systeme, die das Gebäude aufnehmen soll. Ein Anlageteil kann daher nur abschließend genehmigt werden, wenn sich die Genehmigungsbehörde zuvor hinreichende Klarheit darüber verschafft hat, daß eine solche Teilgenehmigung nicht den Anforderungen zuwiderläuft, die an das Gesamtprojekt im Hinblick auf die Genehmigungsvoraussetzungen gestellt werden müssen (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, 1978, S. 569 ≪575 ff.≫). Das setzt – jedenfalls im Grundsatz – ein Urteil über die Genehmigungsfähigkeit der Anlage als solcher voraus, denn ein Anlageteil wird nicht um seiner selbst willen, sondern (nur) im Hinblick auf die gesamte Anlage zur Genehmigung gestellt und ist auch nur aus diesem Grunde genehmigungsfähig. Das vorläufige positive Gesamturteil stellt diese zwischen Anlageteil und Gesamtanlage von der Struktur des Genehmigungsgegenstandes her bestehende Verklammerung sicher und ist damit notwendige Regelungsvoraussetzung für den Erlaß einer Teilgenehmigung. Es ist “vorläufig”, weil es nur auf vorläufigen, wenn auch hinreichend aussagekräftigen Aussagen zu beruhen braucht, nicht aber durch eine mindere Intensität der Prüfung – etwa im Sinne einer bloßen Evidenzkontrolle – bedingt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1982 – BVerwG 7 C 54.79 – DVBl. 1982, 960 ≪962≫). Auch das folgt aus der Struktur des Teilgenehmigungsverfahrens. Eine abschnittsweise Bewältigung des Vorhabens setzt voraus, daß endgültige Angaben nur in bezug auf den jeweils zu genehmigenden Anlageteil gemacht werden müssen; anderenfalls würde die Erteilung einer Teilgenehmigung den gleichen Prüfungsaufwand wie eine Vollgenehmigung erfordern.

Aus dem Gesagten ergibt sich zugleich, daß das vorläufige positive Gesamturteil sich nicht auf weitere, für das Vorhaben erforderliche Parallelgenehmigungen – etwa eine bau- oder wasserrechtliche Genehmigung – bezieht. Ob deren Erteilungsvoraussetzungen vorliegen, ist im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren allein mit Blick auf das Bescheidungsinteresse des Antragstellers zu prüfen; in diesem Sinne ist auch die Vorschrift des § 14 AtVfV zu verstehen. Allerdings überschneiden sich jene Voraussetzungen mit dem in § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG (= § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG in der Bekanntmachung der Fassung des Gesetzes vom 31. Oktober 1976 – BGBl. I S. 3053 –; im folgenden wird diese Fassung zitiert) genannten, Drittschutz nicht vermittelnden Genehmigungserfordernis, wonach dem Standort einer atomaren Anlage keine überwiegenden öffentlichen Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Reinhaltung des Wassers, der Luft und des Bodens, entgegenstehen dürfen. Das ändert jedoch nichts daran, daß nach § 7 Abs. 2 AtG die Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung – entgegen den in § 6 Nr. 2 BImSchG oder § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AbfG getroffenen Regelungen – nicht davon abhängt, ob andere öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Vorhaben entgegenstehen und andere noch erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigungen erteilt werden können. Was insoweit bei Erteilung einer Vollgenehmigung nicht geprüft zu werden braucht, ist auch nicht Prüfungsgegenstand einer Teilgenehmigung.

b) Das vorläufige positive Gesamturteil ist nicht nur Genehmigungsvoraussetzung, sondern gehört zum feststellenden Teil einer Teilgenehmigung und damit zu deren Regelungsgehalt. Von ihm geht eine – allerdings nach Maßgabe seiner Vorläufigkeit eingeschränkte – Bindungswirkung aus. Das ergibt sich freilich nicht schon aus dem – seinerseits begründungsbedürftigen – Satz, daß Sachprüfung und Regelungsgehalt im gestuften Genehmigungsverfahren kongruent sein müßten (vgl. dazu Ossenbühl, NJW 1980, 1353 ≪1354≫), sondern aus folgenden Erwägungen:

Wenn die einzelnen Teilgenehmigungen nur das an Regelungsgehalt aufweisen, worüber sie abschließend befinden, dann ist zwar nach Erteilung der letzten Teilgenehmigung die Errichtung aller Anlageteile je für sich gestattet, die Anlage als ganzes jedoch zu keinem Zeitpunkt Genehmigungsgegenstand gewesen. Eine Vollgenehmigung könnte unter diesen Umständen niemals durch ein Bündel von Teilgenehmigungen ersetzt werden (vgl. dazu Sellner, NJW 1975, 801 ≪802≫, insoweit zur Rechtslage nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz). Das widerspricht jedoch dem Sinn des Teilgenehmigungsverfahrens. Der Bezug auf das Gesamtprojekt wird beim Teilgenehmigungsverfahren, beginnend mit der ersten Teilgenehmigung, durch das vorläufige positive Gesamturteil hergestellt; dieses verfestigt sich mit dem Fortschreiten der Teilgenehmigungen und erstarkt mit der letzten Teilgenehmigung zum abschließenden positiven Gesamturteil (vgl. Schmidt-Aßmann, a.a.O. S. 576). Damit geht der feststellende Teil einer Teilgenehmigung über die in ihr enthaltene Gestattung hinaus; dies ist der Grund, weshalb die Summe aller Teilgenehmigungen einer Vollgenehmigung gleichsteht. Als notwendiger Inhalt jeder Teilgenehmigung braucht das vorläufige positive Gesamturteil nicht eigens im verfügenden Teil des Bescheides aufgeführt zu werden. Es kommt übrigens im Tenor der angefochtenen Teilgenehmigung mit dem Hinweis zum Ausdruck, daß diese die Errichtung bestimmter Gebäude gestattende Genehmigung “für die Errichtung eines Kernkraftwerks mit Druckwasserreaktor von 3 765 MW Wärmeleistung auf der Gemarkung Wyhl” erteilt werde.

Die an das vorläufige positive Gesamturteil anknüpfende Bindungswirkung steht unter zwei Einschränkungen, die sich aus der Vorläufigkeit der dem Urteil zugrundeliegenden Prüfung ergeben. Sie entfällt einmal, wenn die spätere Detailprüfung eines noch zu genehmigenden Anlageteils ergibt, daß dieser so, wie ursprünglich geplant, nicht ausgeführt werden kann. Sie entfällt weiter, wenn infolge einer Änderung der Sach- oder Rechtslage an die noch nicht genehmigten Anlageteile nunmehr neue Anforderungen gestellt werden müssen (vgl. Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, 1983, S. 403 und Jarass, UPR 1983, 241 ≪243 ff.≫). Wegen dieser beiden Vorbehalte ist die Bindungswirkung des vorläufigen positiven Gesamturteils notwendigerweise erheblich eingeschränkter als die eines auf endgültiger Prüfung beruhenden Vorbescheides.

c) Das vorläufige positive Gesamturteil ist insoweit drittschützend, als es die Einhaltung vorhabensbezogener Genehmigungsvoraussetzungen sicherstellen soll, die ihrerseits Drittschutz vermitteln. Es soll verhindern, daß über Teilgenehmigungen Teile einer Anlage errichtet werden, die sich als Ganzes von vornherein als genehmigungsunfähig erweist. Diese “Vorprüfung” dient gewiß zunächst dem Investitionsschutz des Antragstellers; in seinem Interesse sollen die Risiken, die mit der abschnittsweisen Aufteilung eines einheitlichen Vorhabens verbunden sind, auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Sie dient aber auch dem Schutz der von den Auswirkungen der Anlage potentiell betroffenen Dritten. Das Atomgesetz ist vom Gesetzeszweck her vor allem ein Schutzgesetz (§ 1 Nr. 2 AtG). Deshalb unterwirft es schon die Errichtung einer atomaren Anlage nach § 7 Abs. 1 AtG der Genehmigung. Diese normative Regelung “hat ihren Sinn darin, daß ein effektiver Schutz gegen Gefährdungen nur dann zuverlässig gewährleistet ist, wenn die gebotenen Schutzvorkehrungen bereits bei Planung und Errichtung der Anlage berücksichtigt werden” (BVerfGE 53, 30 ≪50/51≫); dem dient das vorläufige positive Gesamturteil. Ebensowenig wie eine Drittanfechtungsklage gegen eine Errichtungsgenehmigung mit der Begründung abgewiesen werden darf, daß von der bloßen Errichtung von Baulichkeiten keinerlei atomare Gefahren ausgehen könnten, darf im Rahmen einer gegen eine atomrechtliche Teilgenehmigung gerichteten Anfechtungsklage der Angriff des Dritten auf das vorläufige positive Gesamturteil unberücksichtigt bleiben, soweit drittschützende vorhabensbezogene Genehmigungsvoraussetzungen in Rede stehen. Das allein entspricht auch der Verklammerungsfunktion des vorläufigen positiven Gesamturteils im Rahmen des gestuften Genehmigungsverfahrens. Mit ihr ist unvereinbar, daß der Dritte den Bau einer Anlage hinnehmen muß, obschon vor Baubeginn feststeht, daß sie ihm gegenüber nicht betrieben werden darf, und daß aus eben diesem Grund der Unternehmer bis zur letzten Teilgenehmigung einer Drittanfechtungsklage wegen eines von Anfang an erkennbaren Sicherheitsdefizits ausgesetzt bleibt. So wird auch der Präklusionsvorschrift des § 7b AtG ein Anwendungsbereich eröffnet, weil sie anderenfalls etwas regeln würde, was sich ohnehin schon aus dem Institut der Bestandskraft ergibt.

2. Aus dem vorstehend Gesagten folgt, daß die Kläger die angefochtene Teilgenehmigung zu Fall bringen können, wenn entweder ihr gestattender Teil oder das mit ihr verbundene vorläufige positive Gesamturteil gegen die Genehmigungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 2 AtG in einer Weise verstößt, die die Kläger in ihren Rechten verletzt. Die insoweit vorzunehmende Prüfung hat dabei grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Behördenentscheidung auszugehen; daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Beigeladene bislang von der ihr erteilten Teilgenehmigung trotz Anordnung der sofortigen Vollziehung keinen Gebrauch gemacht hat (a). Diese Prüfung ergibt, daß die Genehmigung den Klägern gegenüber die erforderliche Vorsorge einhält, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage zu treffen ist, und zwar sowohl hinsichtlich ihres gestattenden Teils (b) als auch hinsichtlich des ihr zugrundeliegenden vorläufigen positiven Gesamturteils (c). Die in diesem Zusammenhang von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Die Revision der Kläger zu 4 bis 9 rügt vor allem, daß im vorliegenden Fall – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – angesichts der seit Erlaß der angefochtenen Teilgenehmigung verstrichenen Zeit und der hier gegebenen besonderen Umstände (insbesondere jahrelanges Nichtgebrauchmachen von einer für sofort vollziehbar erklärten ersten Teilgenehmigung und zwischenzeitliche Entwicklung eines fortgeschrittenen Sicherheitskonzepts nach Maßgabe der “Baulinie 80”) ausnahmsweise die Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zugrunde zu legen gewesen sei. Dies folge aus dem der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AtG (jetzt – so auch im folgenden zitiert – § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG) zugrundeliegenden “dynamischen Grundrechtsschutz”. Dieses Vorbringen verkennt, daß die Formel vom “dynamischen Grundrechtsschutz” die relative Weite der genannten Vorschrift vor dem parlamentarischen Gesetzesvorbehalt rechtfertigen soll (BVerfGE 49, 89 ≪136 ff.≫); daraus läßt sich nicht herleiten, daß im Hinblick auf diesen Grundrechtsschutz gewissermaßen auch das atomrechtliche Genehmigungsverfahren “dynamisiert” werden müsse. Demgemäß ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats für die gerichtliche Prüfung atomrechtlicher Genehmigungen die Sachlage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgebend (vgl. Urteil vom 9. Juli 1982 – BVerwG 7 C 54.79 – DVBl. 1982, 960 ≪962≫). Entsprechendes gilt für atomrechtliche Vorbescheide (BVerwGE 70, 365 ≪374≫). Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes ist nur gerechtfertigt, wenn ein zwischenzeitlich fortgeschrittener Stand von Wissenschaft und Technik ein vordem mögliches Risiko nachträglich entfallen läßt, da dann bei erneuter Genehmigungserteilung insoweit wiederum keine Vorsorge getroffen zu werden braucht.

Die von den Klägern zu 4 bis 9 weiterhin für gerechtfertigt erachtete Ausnahme für den – hier gegebenen – Fall, daß eine Teilgenehmigung für sofort vollziehbar erklärt, aber von ihr nicht Gebrauch gemacht worden ist, ist mit dem geltenden Verfahrensrecht nicht zu vereinbaren. Die sofortige Vollziehung kann die materielle Rechtsposition des Unternehmers zwar nicht verbessern, ihr Unterbleiben kann sie aber auch nicht verschlechtern. Der Unternehmer darf keinen Nachteil davon haben, daß er das mit einer noch anhängigen Anfechtungsklage verbundene Risiko scheut; ebensowenig darf dem Dritten ein Vorteil daraus erwachsen, daß die Schaffung vollendeter Tatsachen unterbleibt, weil der Erfolg oder Mißerfolg eines von ihm eingelegten Rechtsmittels abgewartet werden soll. Daher kann auch in einem Fall wie dem vorliegenden ein sicherheitstechnischer Fortschritt, der nach Erlaß einer Teilgenehmigung aufgrund eines vorangetriebenen Standes von Wissenschaft und Technik eingetreten ist, von einem Dritten nicht im Wege der Anfechtungsklage gegen diese Teilgenehmigung als ihm gegenüber einzuhalten eingefordert werden. Betrifft dieser Fortschritt allein solche Anlageteile, deren Errichtung bereits gestattet ist, so kann, wenn nachträgliche Auflagen nach § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG nicht ausreichen, die Genehmigung gemäß § 17 Abs. 3 AtG widerrufen werden. Läßt sich aufgrund eines neuen Standes von Wissenschaft und Technik das der schon erlassenen Teilgenehmigung zugrundeliegende vorläufige positive Gesamturteil nicht mehr aufrechterhalten, dann dürfen weitere Teilgenehmigungen – ohne daß es eines vorherigen Widerrufs bereits erteilter Teilgenehmigungen bedarf – nicht mehr ergehen. Damit zeigt sich, daß die von der Revision für ihre Auffassung geltend gemachten Gesichtspunkte nicht unberücksichtigt bleiben; sie finden vielmehr, soweit sie überhaupt berechtigt sind, in den nachfolgenden Teilgenehmigungsverfahren Beachtung.

b) Hinsichtlich des gestattenden Teils der angefochtenen Genehmigung rügen die Kläger vor allem, daß durch die Anordnung des Reaktorgebäudes im rechten Winkel zur Längsseite des Maschinenhauses die erforderliche Vorsorge gegen Turbinenzerknall nicht getroffen sei. Diese Rüge greift nicht durch. Gegenstand der Anfechtungsklage ist – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – die erste Teilgenehmigung in der Gestalt, die sie durch die beiden während des Berufungsverfahrens erlassenen nachträglichen “Auflagenbescheide” erhalten hat; beide Bescheide sind weder von den Klägern noch von der Beigeladenen angefochten worden. Daraus folgt, daß die in ihnen enthaltenen “Auflagen” bei Erörterung der einzelnen materiellrechtlichen Revisionsrügen jedenfalls in dem Umfang mit zu berücksichtigen sind, wie sie den Inhalt der angefochtenen Teilgenehmigung verändert haben.

Von einer solchen Veränderung ist in der Tat auszugehen; sie wird freilich verdeckt durch die fehlerhafte Verwendung des Begriffs “Auflage”. So ist dem verfügenden Teil des Bescheides vom 2. Mai 1980 zu entnehmen, daß die Gestattungswirkung der angefochtenen Teilgenehmigung nur für den Fall Gültigkeit erhalten soll, daß eine noch vorzunehmende Prüfung von Vorschlägen des Antragstellers eine hinreichende Gefahrenvorsorge gegen die mit einem Turbinenzerknall verbundenen Risiken ergibt. Ob es hierzu – wie die Revision der Kläger zu 1 bis 3 vorbringt eines Änderungsgenehmigungsverfahrens bedarf, spielt für die Frage, ob die durch die “Auflage” eingeschränkte Genehmigung die Kläger (noch) in ihren Rechten verletzt, keine Rolle. Die Revision geht insoweit fälschlicherweise davon aus, daß die “Auflage” die Genehmigung bereits ändere; statt dessen versetzt, sie das Verfahren wieder in den früheren Stand zurück, so daß von einer Änderungsgenehmigung nicht die Rede sein kann und sogar zweifelhaft sein mag, ob die Errichtung von Reaktorgebäude und Maschinenhaus überhaupt noch gestattet ist. Unter diesen Umständen könnten die Kläger zu 1 bis 3 allenfalls vorbringen, es gebe überhaupt keine Möglichkeit, die ihnen gegenüber erforderliche Vorsorge gegen Turbinenzerknall zu gewährleisten. Derartiges behaupten sie jedoch nicht und könnten es auch nicht behaupten.

Die im Bescheid vom 16. Dezember 1980 enthaltene Regelung betrifft den einzuhaltenden Grundwert für die Bodenbeschleunigung bei Sicherheitsbeben und kennzeichnet damit den Genehmigungsgegenstand als solchen. Sie verändert unmittelbar den Inhalt der Teilgenehmigung und ist folglich ebenfalls keine nachträglich beigefügte “Auflage”. Ein Revisionsangriff könnte unter diesen Umständen nur Erfolg haben, wenn trotz der vorgenommenen Änderung eine ausreichende Erdbebensicherbeit nach wie vor nicht gewährleistet ist. Das behaupten die Kläger aber ebenfalls nicht.

Die Kläger zu 1 bis 3 erheben in diesem Zusammenhang des weiteren eine Verfahrensrüge. Sie werfen dem Berufungsgericht vor, es habe zu Fragen der Erbebensicherheit den Sachverständigen Wutschig gehört, obwohl dieser für derartige Fragen nicht sachkundig gewesen sei. Dieses Vorbringen ergibt schon deshalb keinen dem Berufungsurteil anhaftenden Aufklärungsmangel, weil das Berufungsgericht seine Ausführungen zur Erdbebensicherheit allein auf die Bekundungen des Sachverständigen Schneider gestützt hat.

Ebenfalls fehl geht die Rüge der Kläger zu 1 bis 3, der baden-württembergische Wirtschaftsminister Dr. Eberle hätte die angefochtene Teilgenehmigung nicht unterschreiben dürfen, da er Mitglied in den Aufsichtsräten der beiden Muttergesellschaften der Beigeladenen gewesen sei und daher im Verfahren nicht hätte tätig werden dürfen. Diese Rüge wäre allenfalls dann beachtlich, wenn es bei Erlaß der Teilgenehmigung einen entsprechenden ungeschriebenen bundesrechtlichen Rechtssatz mit dem Verbot einer Mitwirkung bei einer solchen Fallgestaltung gegeben hätte. Das ist nicht der Fall.

Dagegen spricht schon, daß der damals noch nicht anwendbare § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwVfG auf die Tätigkeit “bei einem Beteiligten” abstellt; die Muttergesellschaften der Beigeladenen waren jedoch am vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht beteiligt. Bedeutsamer ist, daß der Minister die Aufsichtsratsmandate in amtlicher Eigenschaft und nicht als Privatperson wahrzunehmen hatte. Für eine solche Situation sah noch § 16 Abs. 1 Nr. 5 des Entwurfs der Bundesregierung für ein Verwaltungsverfahrensgesetz (BR-Drucks. 227/73 S. 11) eine Ausnahme vor; die hierfür gegebene Begründung lautete, die Vorschrift schließe sich “bewährten Vorbildern in den Gemeindeordnungen der Länder” (a.a.O. S. 46) an. Das ist in der Tat richtig (vgl. etwa § 23 Abs. 2 Nr. 2 der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung oder § 18 Abs. 2 Nr. 3 der baden-württembergischen Gemeindeordnung). Unter diesen Umständen kann von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz der erwähnten Art nicht ausgegangen werden; dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwVfG in der Gesetz gewordenen Fassung die Mitwirkung eines in amtlicher Eigenschaft in den Aufsichtsrat entsandten Ministers verbiete, nicht anhand eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, sondern in Auslegung des konkret gefaßten Gesetzesbeschlusses beantwortet (vgl. BVerwGE 69, 256 ≪263 ff.≫).

c) Die angefochtene Teilgenehmigung beruht auch hinsichtlich des ihr zugrundeliegenden vorläufigen positiven Gesamturteils nicht auf einer den Klägern gegenüber unzureichenden Schadensvorsorge im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Den Revisionen der Kläger ist freilich zuzugeben, daß die in diesem Zusammenhang vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen zur Normstruktur der genannten Vorschrift in mehrfacher Hinsicht gegen Bundesrecht verstoßen; gleichwohl erweist sich das angefochtene Urteil auch hier im Ergebnis als richtig.

Das Berufungsgericht geht davon aus, die nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG zu treffende “Vorsorge gegen Schäden” bedeute der Sache nach Gefahrenabwehr im Sinne des klassischen Polizeirechts; bei der Bestimmung dessen, was insoweit als Gefahr anzusehen sei, stehe der Genehmigungsbehörde ein Beurteilungsspielraum nicht zu. Im Atomrecht seien allerdings Vorsorgemaßnahmen auf dem Gebiet des Strahlenschutzes auch unterhalb der “Gefahrenschwelle” möglich, und zwar in erster Linie dann, wenn eine Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 1 AtG dies fordere. Der Schutzzweck des § 1 Nr. 2 AtG, der nach der genannten Ermächtigungsvorschrift durch eine solche Rechtsverordnung verwirklicht werden solle, gehe nämlich auf dem Gebiet des Strahlenschutzes über die “schlichte Gefahrenabwehr” hinaus. Dies zeige auch die Praxis des Strahlenschutzes; dort sei es “unerwünscht, exakt bis an die Gefahrengrenze” zu gehen. Maßnahmen der gefahrenunabhängigen Risikovorsorge könne die Genehmigungsbehörde ferner in Ausübung des ihr in § 7 Abs. 2 AtG eingeräumten Ermessens fordern; dieses sei, soweit es um die bestmögliche Verwirklichung des Schutzzwecks nach Maßgabe von § 1 Nr. 2 AtG gehe, drittschützend.

Dem kann der erkennende Senat schon im Ansatz nicht folgen. Der in § 12 Abs. 1 Nr. 1 AtG verwendete Vorsorgebegriff korrespondiert dem des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG; beide sind in gleicher Weise vom Schutzzweck des § 1 Nr. 2 AtG her zu interpretieren. Die Struktur des in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG verwendeten Vorsorgebegriffs läßt es nicht zu, ihn im herkömmlichen Sinne als unbestimmten Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum zu bezeichnen; ebensowenig läßt sich das der Genehmigungsbehörde in § 7 Abs. 2 AtG eingeräumte Ermessen als drittschützend ansehen. aa) In § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ist nicht die Rede von Gefahrenabwehr, sondern von Vorsorge gegen Schäden. Gemeint sind – wie in § 12 Abs. 1 Nr. 1 AtG – die schädlichen Wirkungen ionisierender Strahlen (§ 1 Nr. 2 AtG); diese Vorschrift ist nicht anhand eines vorgeformten polizeirechtlichen Gefahrenbegriffs, sondern mit Blick auf den in § 1 Nr. 2 AtG genannten Schutzzweck des Gesetzes auszulegen. Vorsorge im Sinne der in Rede stehenden Vorschrift bedeutet daher nicht, daß Schutzmaßnahmen erst dort zu beginnen brauchen, wo “aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden” (so der klassische Gefahrenbegriff nach dem Urteil des PrOVG vom 15. Oktober 1894, PrVBl. 16, 125 ≪126≫). Vielmehr müssen auch solche Schadensmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, die sich nur deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können und daher insoweit noch keine Gefahr, sondern nur ein Gefahrenverdacht oder ein “Besorgnispotential” besteht. Vorsorge bedeutet des weiteren, daß bei der Beurteilung von Schadenswahrscheinlichkeiten nicht allein auf das vorhandene ingenieurmäßige Erfahrungswissen zurückgegriffen werden darf, sondern Schutzmaßnahmen auch anhand “bloß theoretischer” Überlegungen und Berechnungen in Betracht gezogen werden müssen, um Risiken aufgrund noch bestehender Unsicherheiten oder Wissenslücken hinreichend zuverlässig auszuschließen. Daher ist es im Atom- und Strahlenschutzrecht nicht nur – wie das Berufungsgericht meint – “unerwünscht”, sondern im Hinblick auf die in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG getroffene Regelung auch unerlaubt, “exakt bis an die Gefahrengrenze zu gehen”; dies gilt sowohl für den Kollektiv- als auch für den Individualschutz. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die in Rede stehende Vorschrift vom Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge gesprochen (vgl. BVerfGE 49, 89 ≪143≫ und 53, 30 ≪58/59≫). Gefahren und Risiken müssen, wenn die erforderliche Vorsorge im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG getroffen sein soll, praktisch ausgeschlossen sein; das insoweit erforderliche Urteil hat sich am “Stand von Wissenschaft und Technik” zu orientieren. Unsicherheiten bei der Risikoermittlung und Risikobewertung ist nach Maßgabe des sich daraus ergebenden Besorgnispotentials durch hinreichend konservative Annahmen Rechnung zu tragen; dabei darf die Genehmigungsbehörde sich nicht auf eine “herrschende Meinung” verlassen, sondern muß alle vertretbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse in Erwägung ziehen. Der erkennende Senat hält daher den Hinweis des Berufungsgerichts für zumindest mißverständlich, daß “die wertende Auswahl der Vorgänge, die bei der Risikoermittlung berücksichtigt werden müssen, … Aufgabe der Naturwissenschaft” sei. Die Verantwortung für die Risikoermittlung und -bewertung trägt nach der Normstruktur des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG die Exekutive; sie hat hierbei die Wissenschaft zu Rate zu ziehen. In diesem Sinne hat die Genehmigungsbehörde auch ihre Aufgabe verstanden. So heißt es in dem angefochtenen Bescheid, daß “bei etwa bestehenden Unsicherheiten stets die sicherere Annahme zugrunde gelegt” worden sei, was allerdings nicht bedeute, daß jeder “vereinzelt geäußerten” wissenschaftlichen Meinung entsprochen werden müsse; es sei vielmehr das Gewicht der Meinungsäußerungen gegeneinander abzuwägen. Dies hält der erkennende Senat für zutreffend.

Daraus folgt, daß es nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein kann, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen. Diese erstmals vom Verwaltungsgericht Schleswig eingehend dargelegte Position (vgl. NJW 1980, 1296 ff.) entspricht nicht nur der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 2 AtG, sondern auch der verfassungsrechtlichen Lage. Obwohl Genehmigung und Nichtgenehmigung von Anlagen der in § 7 Abs. 1 AtG genannten Art “den Grundrechtsbereich von Bürgern einschneidend betreffen können” (vgl. BVerfGE 49, 89 ≪127≫), hat das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift des § 7 Abs. 2 AtG “angesichts der Besonderheit des Regelungsgegenstandes” (a.a.O. S. 138) auch im Hinblick auf die dort vorgenommene Abgrenzung der Handlungsbereiche von Gesetzgeber und Exekutive verfassungsrechtlich gebilligt. Diese Abgrenzung kann entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung nicht ohne Einfluß auf den Umfang der rechtlichen Kontrolle gegenüber Entscheidungen der Genehmigungsbehörde bleiben. Die Exekutive verfügt nicht nur gegenüber der Legislative, sondern auch im Verhältnis zu den Verwaltungsgerichten über rechtliche Handlungsformen, die sie für die Verwirklichung des Grundsatzes bestmöglicher Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sehr viel besser ausrüsten (a.a.O. S. 140). Dies ist der eigentliche Grund für die relativ geringe Regelungsdichte, die § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG aufweist; er rechtfertigt diese Regelung zugleich vor den Erfordernissen des grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts. Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht unter ausdrücklichem Hinweis auf den Grundsatz der Gewaltenteilung ausgeführt, die Verwaltungsgerichte hätten die von den Genehmigungsbehörden aufgrund willkürfreier Ermittlungen vorgenommenen Bewertungen nur auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht aber ihre eigenen Bewertungen an deren Stelle zu setzen (BVerfGE 61, 82 ≪114/115≫). Die Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG steht dem nicht entgegen. Sie ist, da die Verfassung ein Sinngefüge darstellt, stets in einer Weise auszulegen, daß “anderen Verfassungsnormen und -grundsätzen nicht Abbruch getan wird” (BVerfGE 60, 253 ≪267≫), und verlangt nicht mehr als die Kontrolle des Verwaltungshandelns (a.a.O. S. 290). Wo daher ein der Exekutive zugewiesener Vorbehalt vor der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung Bestand hat, kann er nicht durch eine mit ihm unvereinbare Ausweitung der gerichtlichen Kontrollbefugnisse wieder in Frage gestellt werden (vgl. dazu auch Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 92 ff. und Karl-Heinz Weber, Regelungs- und Kontrolldichte im Atomrecht, 1984, S. 207 ff.).

Aus dem Gesagten folgt weiter, daß die Auffassung der Kläger zu 1 bis 3 nicht zutrifft, das Gericht müsse, da es den Stand einer wissenschaftlichen Kontroverse nicht selbst entscheiden könne, auf jeden objektiven Zweifel Rücksicht nehmen; ein solcher liege immer dann vor, “wenn zur herrschenden Meinung eine theoretisch falsifizierbare Gegenauffassung existiert und die herrschende Meinung aufgrund des historisch gegebenen experimentellen oder theoretischen Erkenntnisstandes nicht in der Lage ist, diese Gegenauffassung zu falsifizieren.” Diese Erwägung verkennt nicht nur den Umfang der der Exekutive zugewiesenen Kompetenz, sondern ist auch deshalb nicht zu billigen, weil sie die Beantwortung der Frage, ob die erforderliche Vorsorge im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG getroffen worden ist oder nicht, auf die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines wissenschaftlichen Streits reduziert; das läuft letztlich darauf hinaus, aus dem ständigen Dialog, auf dem der wissenschaftliche Prozeß beruht, die Unzulässigkeit der friedlichen Nutzung der Kernenergie herzuleiten.

bb) Soweit die Genehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Entscheidung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik dem einzelnen gegenüber erforderliche Vorsorge gegen Schäden als getroffen ansehen darf, hat es auch mit dem Drittschutz sein Bewenden. Mehr als die in diesem Sinne erforderliche Vorsorge, die auf den praktischen Ausschluß eines sich als Grundrechtsverletzung darstellenden Schadens hinausläuft, kann ein Dritter nicht verlangen. Das der Genehmigungsbehörde in § 7 Abs. 2 AtG eingeräumte Ermessen ist damit nicht drittschützend; der vorliegende Fall nötigt folglich nicht dazu, die Grenzen dieses Ermessens näher zu bestimmen. Soweit daher die Revision der Kläger zu 1 bis 3 Fragen der energiewirtschaftlichen Erforderlichkeit geprüft wissen will und hinsichtlich des hinnehmbaren Risikos maßgeblich auf einen Vergleich mit in Frage kommenden Substitutionsmöglichkeiten, also mit konventionell befeuerten Kraftwerken vergleichbarer Größe, abstellt, ist dem nicht weiter nachzugehen. Derartige Gesichtspunkte könnten – wenn überhaupt – von der Genehmigungsehörde nur im Rahmen des ihr zustehenden, nach dem Gesagten nicht drittschützenden Ermessens berücksichtigt werden.

Das Berufungsgericht bejaht vor allem deshalb einen Anspruch der Kläger auf fehlerfreie Ermessensausübung, weil diese – was vom rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts her konsequent ist – sonst nicht rügen könnten, daß das der angefochtenen Teilgenehmigung zugrundeliegende, eine Risikovorsorge “weit unterhalb der Gefahrenschwelle” gewährleistende Dosisgrenzwertkonzept von 30 mrem/a beim Betrieb der Anlage überschritten werde. Das Berufungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang, daß das in Rede stehende Dosisgrenzwertkonzept der angefochtenen Teilgenehmigung von der Genehmigungsbehörde nicht aufgrund des ihr zustehenden Ermessens, sondern in Ausübung ihrer Kompetenz zur Normkonkretisierung zugrunde gelegt worden ist. Die Behörde hat damit im Rahmen dieser Kompetenz festgesetzt, was im Interesse des einzelnen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG an Vorsorge beim bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage zu fordern ist. Da die bei Erlaß der angefochtenen Teilgenehmigung noch geltende Erste Strahlenschutzverordnung (1. SSVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 1965 (BGBl. I S. 1653) ein dem jetzigen § 45 der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (StrlSchV) vom 13. Oktober 1976 (BGBl. I S. 2905) vergleichbares Dosisgrenzwertkonzept noch nicht kannte, andererseits aber das in § 21 1. SSVO geregelte Strahlenminimierungsgebot auch dem “Schutze einzelner” diente, ergab sich für die Genehmigungsbehörde die Aufgabe, im Rahmen dieser normativen Vorgabe die im Interesse des Individualschutzes erforderliche Vorsorge im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG selbst zu konkretisieren; sie hat sich hierbei unter Berücksichtigung der Empfehlungen, die die Reaktor-Sicherheitskommission in Nr. 2.3.1 ihrer am 24. April 1974 beschlossenen “Leitlinien für Druckwasserreaktoren” (BAnz. 1974 Nr. 144 S. 2) gegeben hatte, auf das erwähnte 30 mrem-Konzept festgelegt.

cc) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß ein Dosisgrenzwert von 30 mrem/a die für den Schutz des einzelnen erforderliche Vorsorge gegen Schäden beim Betrieb einer atomaren Anlage sicherstellt (BVerwGE 61, 256 ≪263 ff.≫). Die Revisionen greifen diesen Grenzwert als solchen auch nicht an. Die Kläger zu 1 bis 3 sind jedoch der Ansicht, die Genehmigungsbehörde habe ihr vorläufiges positives Gesamturteil, daß das der angefochtenen Teilgenehmigung zugrundeliegende Grenzwertkonzept auch einhaltbar sei, “im Wege der schlichten Dezision” getroffen; sie rügen des weiteren, daß das Berufungsgericht fehlerhaft die “Allgemeine Berechnungsgrundlage für Strahlenexposition bei radioaktiven Ableitungen mit der Abluft oder in Oberflächengewässer” (Richtlinie zu § 45 StrlSchV vom 15. August 1979) – GMBl. S. 371 – als antizipiertes Sachverständigengutachten gewertet und damit den Stand von Wissenschaft und Technik im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG unzutreffend ermittelt habe. Hierzu ist zu bemerken:

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die der angefochtenen Teilgenehmigung zugrundeliegenden behördlichen Abschätzungen ausreichend gewesen seien; die Genehmigungsbehörde habe insoweit nicht nur auf einen “Vergleich … mit in Betrieb befindlichen Kernkraftwerken” abgestellt, sondern auch auf den von der Beigeladenen vorgelegten Sicherheitsbericht und das Erste Teilerrichtungsgutachten des TÜV Stuttgart vom Februar 1974; dieses komme zu dem Ergebnis, “daß die Strahlenbelastung unter den empfohlenen Maximalwerten bleiben werde”. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, daß die Genehmigungsbehörde “dezisionistisch” entschieden hat. Überdies durfte sie, um sich ein vorläufiges Urteil über die gesamte Anlage zu bilden, auf Erfahrungen zurückgreifen, die mit schon in Betrieb befindlichen Anlagen gemacht worden waren.

Das Berufungsgericht hat darüber hinaus unter Berücksichtigung der bei Erlaß des angefochtenen Genehmigungsbescheides noch nicht erlassenen Allgemeinen Berechnungsgrundlage im einzelnen nachgeprüft, ob die Anlage nach ihrem Konzept am vorgesehenen Standort das 30 mrem-Konzept auch tatsächlich einhalten kann; es hat hierbei die Allgemeine Berechnungsgrundlage als “antizipiertes” Sachverständigengutachten gewürdigt. Dem kann der erkennende Senat nicht folgen. Die Allgemeine Berechnungsgrundlage ist nach abschließender Beratung im Länderausschuß für Atomkernenergie vom Bundesinnenminister als eine künftig bei Genehmigungsverfahren anzuwendende Richtlinie erlassen worden. Sie soll – solange eine nach § 45 Satz 2 StrlSchV noch zu erlassende Rechtsverordnung nicht ergangen ist – sicherstellen, daß die Einhaltung der Dosisgrenzwerte nach Maßgabe des § 45 Satz 1 StrlSchV auf der Basis hinreichend konservativer Rechenmodelle und Datenansätze geprüft wird, damit es beim späteren Betrieb der Anlage zu keiner – mit Maßnahmen der Umgebungsüberwachung ohnehin nicht nachzuweisenden – Überschreitung dieser Grenzwerte gegenüber einem einzelnen kommt. Damit hat die Richtlinie eine normkonkretisierende Funktion und ist im Gegensatz zu lediglich norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften für die Verwaltungsgerichte innerhalb der von der Norm gesetzten Grenzen verbindlich. Wie weit diese Bindung im Einzelfall, etwa im Hinblick auf die Besonderheiten des jeweils zu beurteilenden Sachverhalts, geht, braucht aus Anlaß des vorliegenden Falles nicht entschieden zu werden; insoweit ist von Bedeutung, daß die Allgemeine Berechnungsgrundlage der Genehmigungsbehörde für die Berücksichtigung der “besonderen örtlichen Verhältnisse” einen ausreichenden Spielraum läßt. Für den vorliegenden Fall genügt die Bemerkung, daß die Allgemeine Berechnungsgrundlage von den Verwaltungsgerichten nur daraufhin zu überprüfen ist, ob sie auf willkürfreien Ermittlungen beruht und die Genehmigungsbehörden in Anwendung dieser Berechnungsgrundlage davon ausgehen dürfen, daß die auf eine solche Weise berechnete Strahlenexposition unbeschadet bestehender Unsicherheiten bei einzelnen Parametern zu hinreichend konservativen Abschätzungen führt. Das Berufungsgericht hat diese Frage bejaht; mehr ist nicht erforderlich.

Im übrigen können die Kläger nur rügen, die Dosisgrenzwerte würden an einem für sie bedeutsamen Standort überschritten (vgl. BVerwGE 61, 256 ≪268≫); das ist insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers zu 1 von Wichtigkeit, daß ihm gegenüber wegen fehlender Nierenfunktion der Dosisgrenzwert für die Schilddrüsenbelastung von 90 mrem/a nicht eingehalten werden könne. Diesem Vorbringen ist allerdings im vorliegenden Verfahren nicht weiter nachzugehen, da es sich auf nach Erlaß der angefochtenen Teilgenehmigung eingetretene medizinische Erkenntnisfortschritte stützt; es kann damit allenfalls im anschließenden Teilgenehmigungsverfahren gewürdigt werden.

dd) Das mit der angefochtenen Teilgenehmigung verbundene vorläufige positive Gesamturteil ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil nach dem zugrundeliegenden Anlagekonzept für den Reaktorbehälter ein Berstschutz nicht vorgesehen ist. Das Verwaltungsgericht hat einen solchen Berstschutz deshalb für erforderlich gehalten, weil ein Bersten des Reaktordruckbehälters wegen der damit verbundenen katastrophalen Folgen mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden müsse. Dem ist das Berufungsgericht mit der zutreffenden Erwägung entgegengetreten, eine solche Forderung sei unerfüllbar, weil jede Schutzvorkehrung ihrerseits wieder versagen könne. Absolute Sicherheit ist ein Schutzziel, das jenseits der Grenzen liegt, die menschlicher Erkenntnis gesetzt sind; es bedeutet daher Verzicht auf die friedliche Nutzung der Kernenergie überhaupt. In diesem Sinne kann jedoch § 7 Abs. 2 AtG nicht ausgelegt werden (BVerfGE 49, 89 ≪142/143≫). Daher läßt sich nur die Frage stellen, ob angesichts der sonst getroffenen Vorsorgemaßnahmen das Berstrisiko als derart gering einzuschätzen war, daß die Genehmigungsbehörde es nicht mehr in Rechnung zu stellen brauchte.

Das Berufungsgericht hat – von seinem rechtlichen Ausgangspunkt her folgerichtig – diese Frage nicht aufgeworfen, sondern nach eingehender Beweisaufnahme selbst eine Risikobewertung vorgenommen. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß jedenfalls aufgrund des Standes von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt seiner Entscheidung ein katastrophales Versagen des Reaktordruckbehälters praktisch ausgeschlossen werden könne. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen rechtfertigen den Schluß, daß die Genehmigungsbehörde im Rahmen des ihr obliegenden vorläufigen positiven Gesamturteils eine der gerichtlichen Nachprüfung standhaltende Risikobewertung getroffen hat.

Die Genehmigungsbehörde hat in dem angefochtenen Bescheid eingehend dargelegt, warum sie die Befürchtung nicht teile, daß der Reaktordruckbehälter bersten könne, ohne daß sich dies vorher ankündige. Sie hat auf die große Sorgfalt bei Konstruktion und Fertigung des Behälters, die intensive Qualitätskontrolle während der Fertigung und die laufenden Prüfungen beim Betrieb verwiesen und sich mit Äußerungen von Sir A. Cottrell auseinandergesetzt, wonach “die sichere Fertigung von großen Druckbehältern zu sehr von der menschlichen Perfektion abhänge”. Sie hat des weiteren auf das Votum der Reaktor-Sicherheitskommission verwiesen, die in ihrer Sitzung vom 12. Dezember 1973 zu dem Schluß gekommen sei, “daß nach dem derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik eine generelle Ausstattung der Reaktordruckbehälter bei einer Leistungsgröße von ca. 1300 MWe mit einer Berstsicherung keine sicherheitstechnische Verbesserung” darstelle; das Restrisiko eines Druckbehälterversagens könne durch eine lückenlose Fertigungskontrolle, durch die konsequente Anwendung der Methoden für die zerstörungsfreien Prüfungen wie die wiederkehrende Druckprobe und die Wiederholungsprüfungen mit Ultraschall in unbedenklichen Grenzen gehalten werden. Auch die von der Reaktor-Sicherheitskommission in ihrer Sitzung vom 24. April 1974 verabschiedeten “Leitlinien für Druckwasserreaktoren”, deren Einhaltung in dem angefochtenen Bescheid der Beigeladenen grundsätzlich vorgeschrieben wird, sahen eine Berstsicherung nicht vor; auf dieser Sitzung hat die Reaktor-Sicherheitskommission zu dem Cottrell-Gutachten in der Weise Stellung genommen, daß die dort “global angeschnittenen Probleme in der Bundesrepublik Deutschland weitgehend konkret berücksichtigt” würden; dies habe einerseits zu einer schnellen Verbesserung der Technologie bei Herstellung und Prüfung geführt und andererseits den Anstoß zu Forschungsvorhaben im Rahmen des Reaktorsicherheitsforschungsprogramms gegeben, “die eine noch weitere Verminderung des vergleichsweise geringen Restrisikos erbringen sollen” (vgl. BAnz. vom 7. August 1974 Nr. 144 S. 2). Das Berufungsgericht bemerkt des weiteren, die Reaktor-Sicherheitskommission habe hervorgehoben, daß ihr Votum zu der von der Beigeladenen geplanten Anlage im Einklang mit der Auffassung der Fachleute des In- und Auslandes stehe; tatsächlich sei “bisher nirgends auf der Welt ein integraler Berstschutz gebaut worden”.

Die beim Berufungsgericht gleichwohl verbliebenen Zweifel beruhen ersichtlich auf der Empfehlung der Reaktor-Sicherheitskommission vom 20. März 1974, für das damals geplante Kernkraftwerk der BASF in Ludwigshafen einen Berstschutz vorzusehen. Ziel dieser Empfehlung war nach den Ausführungen des Berufungsgerichts jedoch nicht, “evtl. erkannte Schwachstellen der Druckbehältertechnologie abzudecken”. Vielmehr sollte damit dem aus dem gewählten stadtnahen Industriestandort sich ergebenden Risiko von “möglicherweise vorhandenen Erschwerungen bei der Durchführung von Notfallschutzmaßnahmen” begegnet werden. Es handelte sich also um eine in Erwägung gezogene Vorsorge gegen ein Kollektivrisiko jenseits des Bereichs, für den technische Vorsorgemaßnahmen getroffen werden mußten; das Maß der den Klägern gegenüber gebotenen Vorsorge wurde durch derartige Erwägungen nicht berührt.

Unter diesen Umständen kommt es auf die von der Revision der Kläger zu 1 bis 3 vorgebrachten Verfahrensrügen nicht mehr an, soweit diese darauf abstellen, das Berufungsgericht habe seine Annahme, der Reaktordruckbehälter sei hinreichend sicher, allein auf widersprüchliche und unzureichende Aussagen des Sachverständigen Kußmaul gestützt und damit den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Diese Rügen hätten übrigens auch deshalb ohne Erfolg bleiben müssen, weil sie sich entweder nur gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts richten oder nicht erkennen lassen, warum sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit aufdrängen mußte, weitere Gutachten einzuholen.

3. Die Kläger zu 1 bis 3 rügen weiter, das Berufungsgericht habe in vorgreiflicher Anwendung der Vorschrift des § 28 Abs. 3 StrSchV verkannt, daß die nach dieser Vorschrift einzuhaltende Störfallplanungsdosis für “die Summe der möglichen Störfälle je nach ihrer Wahrscheinlichkeit und ihrem Schadensausmaß zu bilden (ist), um dann im Vergleich mit den sonstigen Gefahren Risiken eine Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit des Kernkraftwerks Süd zu finden”. Dieses Vorbringen kann die Rechtmäßigkeit des von der Genehmigungsbehörde gebildeten vorläufigen positiven Gesamturteils ebenfalls nicht in Frage stellen. Unbeschadet des Umstandes, daß § 28 Abs. 3 StrlSchV bei Erlaß der angefochtenen Teilgenehmigung noch nicht galt, ist diese Vorschrift nicht in dem Sinne auszulegen, wie es die Revision für zutreffend erachtet. Die Störfallplanungsdosis des § 28 Abs. 3 StrlSchV gilt für den ungünstigsten Störfall; ist sie für diesen eingehalten, so ist im Sinne von Satz 1 der in Rede stehenden Vorschrift Vorsorge “gegen Störfälle” getroffen. Damit schließt bereits der Wortlaut der Vorschrift die von der Revision für richtig gehaltene Addition von Störfällen und ihren Gefährdungspotentialen aus. Dies ist im Hinblick darauf, daß die bei der Auslegung von atomaren Anlagen zugrundeliegenden sicherheitstechnischen Anforderungen einen als Störfall zu bezeichnenden Ereignisablauf als wenig wahrscheinlich erscheinen lassen, nicht zu beanstanden.

4. Die Revision der Kläger zu 1 bis 3 rügt schließlich, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend genau aufgeklärt, ob die erforderliche Vorsorge gegen systematische Fehler getroffen sei. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, einen Aufklärungsmangel des Berufungsgerichts darzutun. Die Revision trägt insoweit vor, das Berufungsgericht sei der durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellten Behauptung nicht nachgegangen, beim Betrieb des Kernkraftwerks Wyhl würden systematische Fehler mit schwerwiegenden Folgen auftreten; statt dessen habe es zum Beweis des Gegenteils auf das Buch “Reaktorsicherheitstechnik” von Prof. Smidt verwiesen. Dieses Vorbringen verkennt, daß der gestellte Beweisantrag sich nicht auf einen konkreten systematischen Fehler bezog und damit mangels hinreichender Substantiierung nicht einmal eine Pflicht des Berufungsgerichts zur Bescheidung, geschweige denn zur Beweiserhebung auslösen konnte (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 21. April 1981 – BVerwG 6 CB 174.79 – Buchholz 448.0 § 25 WPflG Nr. 121).

5. Das Berufungsgericht hat die angefochtene Teilgenehmigung nicht am Maßstab der §§ 30 ff. des Bundesbaugesetzes (BBauG) überprüft. Es rechtfertigt dieses Vorgehen mit der Erwägung, daß nach § 89 Abs. 1 Nr. 19 der Landesbauordnung (LBO) in der bei Erlaß des angefochtenen Bescheides anzuwendenden Fassung vom 20. Juni 1972 (GesBl. S. 351) Energieanlagen “genehmigungsfrei” seien; zu den Energieanlagen im Sinne dieser Vorschrift gehörten auch Kernkraftwerke. Daraus folge, daß die geplante Anlage der Beigeladenen “der Regelung der §§ 30 ff. BBauG nicht unterworfen” sei. Diese Auffassung ist mit Bundesrecht ebenfalls nicht zu vereinbaren.

a) Nach § 29 Satz 1 BBauG gelten die §§ 30 bis 37 u.a. für Vorhaben, die die Errichtung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben und die einer bauaufsichtlichen Genehmigung oder Zustimmung bedürfen. Der Senat kann offenlassen, ob diese Anknüpfung an ein landesrechtliches Genehmigungsverfahren überhaupt im Sinne einer Anwendungsvoraussetzung für die §§ 30 bis 37 BBauG (so BVerwGE 20, 12 ≪13≫) aufzufassen ist. Selbst wenn das der Fall sein sollte, dürfte eine derartige Verknüpfung von Bundesmit Landesrecht nicht so verstanden werden, als ob die Länder gleichsam beliebig die Anwendung der §§ 30 ff. BBauG dadurch ausschalten könnten, daß sie bauliche Vorhaben vom bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren freistellen. Könnten die Länder die aufgrund der Befugnis des Bundes zur konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Nr. 18 GG) erlassenen §§ 30 ff. BBauG ohne jede Beschränkung für bestimmte Arten von baulichen Vorhaben außer Anwendung setzen, so wäre in bezug auf die in den §§ 30 ff. BBauG geregelte Materie die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Art. 72 Abs. 2 GG, nämlich das Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung, schwerlich gegeben. Daher ist schon aus kompetenzrechtlichen Gründen mit der in § 29 Satz 1 BBauG enthaltenen Anknüpfung an ein landesrechtlich vorgesehenes bauaufsichtliches Genehmigungsverfahren eine nur begrenzte Dispositionsbefugnis der Länder verbunden – begrenzt insofern, als dem Bundesgesetzgeber bei Erlaß des Bundesbaugesetzes bekannt war, daß die Länder auf ein Baugenehmigungsverfahren für bestimmte untergeordnete Vorhaben verzichteten (vgl. in diesem Zusammenhang § 86 der Musterbauordnung für die Länder des Bundesgebiets einschließlich des Landes Berlin vom Januar 1960). Für solche und ähnliche wenig bedeutsamen Fälle, die bodenrechtlich von nur geringem Gewicht sind, dürfen daher die Länder die §§ 30 ff. BBauG dadurch außer Anwendung lassen, daß sie auf eine bauaufsichtliche Genehmigung oder Zustimmung oder auf eine Anzeigepflicht verzichten; ein derart eingeschränkter Vorbehalt für landesrechtliche Regelungen ist – unbeschadet des Umstandes, daß der Begriff des Vorhabens in § 29 BBauG bundesrechtlicher Art ist und keine Verweisung auf das Landesrecht enthält (vgl. dazu BVerwGE 39, 154 ≪156 f.≫ und 44, 59 ≪60 f.≫) –, verfassungsrechtlich zulässig, weil er die prinzipiell einheitliche bundesgesetzliche Regelung nicht in Frage stellt. Daß der Bundesgesetzgeber alle bodenrechtlich relevanten Fälle von einigem Gewicht erfassen wollte und erfaßt hat, bestätigt § 29 Satz 3 BBauG: Er bezieht sich auf Fälle von bodenrechtlicher Relevanz über den in Satz 1 geregelten Bereich hinaus und schließt aus, daß dieser den Ländern zur beliebigen Disposition freigegeben worden ist. Demgemäß kann der Landesgesetzgeber nicht “frei” darüber befinden, ob er für bestimmte bauliche Anlagen ein präventives bauaufsichtliches Genehmigungsverfahren vorsehen und diese damit den §§ 30 ff. BBauG entziehen oder unterwerfen will; er muß vielmehr bei Genehmigungsfreistellungen stets die bundesrechtlichen Konsequenzen im Hinblick auf die §§ 30 ff. BBauG mitbedenken (so zutreffend Löhr in: Battis/Krautzberger/Löhr, BBauG, 1985, § 29 RdNr. 21). Glaubt er daher, größere und damit regelmäßig bodenrechtlich relevante bauliche Anlagen z.B. aus Gründen der “Entbürokratisierung” von einem bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren freistellen zu sollen, so kann er dies nur in bezug auf das anzuwendende Landesrecht tun; er kann in derartigen Fällen also nur vorsehen, daß sich das Baugenehmigungsverfahren auf die Prüfung beschränkt, ob die bundesrechtlichen Vorschriften der §§ 30 ff. BBauG eingehalten sind.

Die Beigeladene meint, dem Landesgesetzgeber sei – über das Gesagte hinausgehend – die Möglichkeit eröffnet, durch Verzicht auf ein bauaufsichtliches Genehmigungsverfahren die Geltung der §§ 30 bis 37 BBauG auch dort auszuschließen, wo der Bundesgesetzgeber selbst, wie etwa in § 7 AtG, ein Genehmigungsverfahren bereitstelle, das nach den in diesem Verfahren zu prüfenden Genehmigungsvoraussetzungen auch auf bodenrechtlich bedeutsame Gesichtspunkte abstelle, wie dies in § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG geschehen sei. Dem kann der erkennende Senat nicht folgen. Der Bundesgesetzgeber hat in § 38 BBauG abschließend geregelt, auf welche baulichen Maßnahmen die §§ 30 ff. BBauG deshalb keine Anwendung finden sollen, weil diese Maßnahmen allein nach den für sie erlassenen Vorschriften – sei es des Bundes, sei es des Landes – zu beurteilen sind. Das Atomgesetz wird in § 38 BBauG nicht erwähnt; damit läuft die von der Beigeladenen vertretene Meinung im Ergebnis auf eine unzulässige landesrechtliche Ergänzung des § 38 BBauG hinaus.

Aus alledem folgt, daß die Vorschrift des § 89 Abs. 1 Nr. 19 LBO mit der vom Berufungsgericht gegebenen Auslegung gegen Bundesrecht, nämlich gegen § 29 BBauG, verstößt, denn Kernkraftwerke sind keine bodenrechtlich unbedeutenden baulichen Anlagen. Unter diesen Umständen kann der Senat das in Rede stehende Landesrecht selbst auslegen. Es erfaßt, wenn es auf Energieanlagen abstellt, nicht die Kraftwerksbauten als solche, sondern nur die in sie einzubauenden apparativen Einrichtungen. Das ergibt sich insbesondere aus der in § 89 Abs. 1 Nr. 19 LBO enthaltenen, später allerdings beseitigten Ausnahme, wonach “Masten und Unterstützungen für Freileitungen von mehr als 30 000 Volt Nennspannung” genehmigungspflichtig bleiben, und folgt überdies entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts daraus, daß gemäß § 92 Abs. 4 Satz 1 LBO die atomrechtliche Genehmigung nach § 7 AtG eine Genehmigung oder Zustimmung nach der Landesbauordnung einschließt, die Notwendigkeit einer solchen Genehmigung vom Gesetz also vorausgesetzt wird; die angefochtene Teilerrichtungsgenehmigung betont denn auch, daß die Genehmigung die nach der Landesbauordnung erforderliche Genehmigung einschließt.

b) Die Kläger werden jedoch durch den dem Berufungsgericht unterlaufenen Rechtsfehler nicht in ihren Rechten verletzt. Sie könnten insoweit allenfalls vorbringen, die erteilte Baugenehmigung verstoße gegen § 35 BBauG, weil die genehmigten Gebäude als Teile eines Kernkraftwerks einer vorangehenden Bauleitplanung bedürften. Ob ein solches Planungserfordernis Drittschütz vermittelt, das Unterlassen einer an sich gebotenen Planung also subjektive Rechte des Nachbarn verletzen kann, braucht der Senat aus Anlaß des vorliegenden Falles nicht zu entscheiden (verneinend: BVerwG, Beschluß vom 3. August 1982 – BVerwG 4 B 145.82 – ZfBR 1982, 226), denn ein derartiges Erfordernis bestand hier nicht. Kernkraftwerke sind privilegierte Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 BBauG. Ob sich dies schon aus § 35 Abs. 1 Nr. 4 BBauG ergibt, mag zweifelhaft sein (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 – BVerwG 4 C 28.75 – Buchholz 406.11 § 19 Nr. 38 ≪S. 42/43≫ einerseits und Dolde, NJW 1983, 792 andererseits); es folgt jedenfalls aus § 35 Abs. 1 Nr. 5 BBauG. Kernkraftwerke sind Vorhaben, die wegen des ihnen eigenen Gefahrenpotentials und im Hinblick auf die mit ihrem Betrieb verbundenen Emissionen radioaktiver Stoffe grundsätzlich im Außenbereich ausgeführt werden sollen; hierfür spricht auch das schon bei der Standortprüfung nach § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG zu beachtende Strahlenminimierungsgebot. Privilegierte Vorhaben sind jedoch vom Gesetzgeber in gleichsam genereller Weise dem Außenbereich zugewiesen; dann aber kann einem privilegierten Vorhaben als solchem ein Planungsbedürfnis als öffentlicher Belang nicht mehr entgegengehalten werden (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 27. Juni 1983 – BVerwG 4 B 206.82 – ZfBR 1983, 284 ≪285≫).

C) Der mit der Teilgenehmigung verbundene Standortvorbescheid verletzt die Kläger ebenfalls nicht in ihren Rechten.

1. Die von der Revision der Kläger zu 1 bis 3 vertretene Auffassung, ein Standortvorbescheid sei nicht erlassen worden, geht fehl. Die Revision bringt insoweit vor, es fehle an einem entsprechenden Antrag der Beigeladenen; außerdem sei im Genehmigungsverfahren den Standortbesonderheiten nicht nachgegangen worden, die für die radiologischen Auswirkungen des Betriebes der geplanten Anlage erheblich seien. Diese Überlegungen können nicht den Erlaß eines Standortvorbescheides als solchen, sondern allenfalls seine Rechtmäßigkeit in Frage stellen, tun dies jedoch nicht. Erstens hat die Beigeladene nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die durch die Verwaltungsvorgänge bestätigt werden, den Erlaß eines Standortvorbescheides ausdrücklich beantragt. Zweitens enthält dieser in bezug auf die Frage, ob standortbezogene Gründe der Einhaltung des 30 mrem-Konzepts entgegenstehen, noch keine abschließende Feststellung, sondern nur ein vorläufiges positives Gesamturteil. Eine abschließende Feststellung zu diesem Punkt kann – entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Meinung – auch nicht der Begründung des angefochtenen Bescheides entnommen werden. Dort wird gesagt, die Abgabe radioaktiver Stoffe an die Umwelt dürfe den “festgesetzten Höchstwert der Strahlenbelastung von 30 mrem pro Jahr” nicht überschreiten; mit diesem Hinweis wird die in verschiedenen Einwendungen zum Ausdruck gebrachte Befürchtung zurückgewiesen, die mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb der geplanten Anlage verbundenen radiologischen Auswirkungen könnten zu gesundheitlichen und genetischen Schäden führen. Darin liegt zwar – insoweit ist dem Berufungsgericht beizupflichten – kein bloßer Vorbehalt. Die Genehmigungsbehörde hat sich im Rahmen des Standortvorbescheides hinsichtlich der radiologischen Auswirkungen des künftigen Anlagebetriebs in der Tat gebunden, freilich nur eingeschränkt, nämlich nach Maßgabe dessen, was das vorläufige positive Gesamturteil an Bindungswirkung vermittelt (vgl. dazu vorstehend unter B 1 b)). Sie hätte sich, wie sie das durch die “Auflage” 1.3 in Teil III des Genehmigungsbescheides getan hat, nicht auf das 30 mrem-Konzept festlegen dürfen, wenn sie damit im Hinblick auf den gewählten Standort etwas von vornherein Unerfüllbares verlangt hätte. Folglich mußte sich die Genehmigungsbehörde hinsichtlich der Einhaltung des in Rede stehenden Konzepts zumindest ein vorläufiges positives Gesamturteil bilden; dies ist angesichts der eingehenden Standortprüfung und im Hinblick auf die Angaben im Sicherheitsbericht der Beigeladenen sowie im TÜV-Gutachten vom Februar 1974 in rechtlich zutreffender Weise geschehen. Das Berufungsgericht weist überdies zutreffend darauf hin, daß das Gebiet um den gewählten Standort im Umkreis von 1 km mit Auwald bestanden ist und damit – vom Fischverzehr abgesehen – “relevante Belastungspfade über Ernährungsketten” nicht eröffnet.

2. Das Berufungsgericht hat – ausgehend von der Erwägung, daß auch der Kühlturm zur Anlage im Sinne von § 7 Abs. 1 AtG gehöre – insbesondere geprüft, ob der vorgesehene Kühlturmbetrieb im Hinblick auf die §§ 22 ff. BImSchG zu Bedenken Anlaß geben wird. Diesem rechtlichen Ansatz kann der Senat schon im Ausgangspunkt nicht folgen.

Das Berufungsgericht meint, der Kühlturm gehöre deshalb zur Anlage gemäß § 7 Abs. 1 AtG, weil er in einem sicherheits- und emissionstechnischen Zusammenhang mit der Kernspaltung stehe und damit Teil der “Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen” im Sinne dieser Vorschrift sei. Ohne eine solche Einbeziehung laufe § 8 Abs. 2 AtG für Kernkraftwerke leer. Nach dieser Vorschrift schließe eine atomrechtliche Genehmigung eine zusätzlich erforderliche Genehmigung gemäß den §§ 4 ff. BImSchG ein. Außerdem könnten die Auswirkungen des Kühlturms bei einem engen Anlagebegriff nicht Gegenstand einer Überprüfung im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren sein. Von diesen Argumenten ist das zuletzt genannte nicht zutreffend; der Hinweis auf § 8 Abs. 2 AtG geht fehl; der behauptete sicherheitstechnische Zusammenhang ist nicht gegeben, und der emissionstechnische Zusammenhang ist ohne Bedeutung. Im einzelnen bemerkt der erkennende Senat dazu folgendes:

a) Das Berufungsgericht will mit seinem “weiten” Anlagenbegriff vor allem der “Gefahr einer Mehrfachbearbeitung sowie mangelhaft aufeinander abgestimmter Entscheidungen begegnen” und deshalb die in § 8 Abs. 2 AtG angeordnete verfahrensrechtliche Konzentration möglichst weit reichen lassen. § 8 Abs. 2 AtG ist jedoch erst durch § 69 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG in das Atomgesetz eingefügt worden; diese Einfügung kann folglich allenfalls als zusätzliche Bestätigung eines schon in Auslegung von § 7 Abs. 1 AtG gewonnenen Anlagebegriffs herangezogen werden, nicht aber – wie das Berufungsgericht zu meinen scheint – den Anlagebegriff formen. Ausgangspunkt hat vielmehr die Erwägung zu sein, daß das Genehmigungserfordernis nach § 7 Abs. 1 AtG in erster Linie dem nuklearspezifischen Gefahrenschutz dient und daher der dem Atomgesetz zugrundeliegende Schutzzweck (§ 1 Nr. 2 AtG) den Anlagebegriff des § 7 Abs. 1 AtG entscheidend prägt. Bezeichnenderweise ist in dieser Vorschrift nicht die Rede von Kernkraftwerken, sondern von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen; die darin liegende Einschränkung kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichs nicht mit dem Hinweis überspielt werden, im Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen gebe es eine Tendenz zu einem weiten Anlagenbegriff. Spaltanlagen im eigentlichen Sinn sind nur die Reaktoren; sie bilden den Anlagekern (vgl. dazu BVerwGE 69, 351 ≪354/355≫) und werden in der Gesetzesbegründung zu den §§ 7 und 8 AtG (BT-Drucks. III/759 S. 22 ff.) allein als solche Anlagen aufgeführt. Zur Anlage im Sinne von § 7 Abs. 1 AtG gehören neben dem Reaktor aber auch alle mit diesem in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehenden Einrichtungen, die seinen gefahrlosen Betrieb überhaupt erst ermöglichen; hierzu zählen alle diejenigen Vorrichtungen, welche erforderlich sind, um eine unzulässige radioaktive Strahlung – sei es beim bestimmungsgemäßen Betrieb, sei es beim Störfall – auszuschließen (vgl. dazu Ronellenfitsch, a.a.O. S. 177 ff.). Hierzu gehört der Kühlturm nicht. Er ist zwar Teil des Kühlwassersystems, steht aber in keinem sicherheitstechnischen Zusammenhang mit der Kernspaltanlage. Fällt der Kühlturm aus, hat das lediglich zur Folge, daß der Reaktor aus Gründen des Gewässerschutzes abgeschaltet werden muß. Für die dann erforderliche Nachwärmeabfuhr ist der Kühlturm bedeutungslos. Demgemäß heißt es in dem von der Genehmigungsbehörde eingeholten TÜV-Gutachten vom Februar 1974 (S. 7.2-1), der Kühlturm habe keine sicherheitstechnische Bedeutung. Entsprechendes gilt für die von ihm ausgehenden Emissionen; diese bestehen aus Wassertröpfchen und Nebelschwaden.

b) Damit könnte der Kühlturm nur dann der “Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen” zugerechnet werden, wenn der Anlagebegriff des § 7 Abs. 1 AtG auch mit Blick auf die nicht nuklearspezifische Gesichtspunkte erfassende Genehmigungsvoraussetzung des § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG auszulegen wäre; danach dürfen überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Reinhaltung des Wassers, der Luft und des Bodens, der Wahl des Standorts der Anlage nicht entgegenstehen. Die Bezugnahme auf die öffentlichen Interessen in dieser Vorschrift trägt jedoch wegen ihres annexhaften Charakters nichts dazu bei, den Genehmigungsgegenstand und damit den Anlagenbegriff zu konturieren; dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß in ihr keine Anforderungen an die Anlage, sondern allein an deren Standort gestellt werden, und zwar ausschließlich im Hinblick auf die mit ihr verbundenen nicht nuklearspezifischen Auswirkungen.

c) Daraus folgt nicht, daß die Auswirkungen des Kühlturms im Rahmen des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens unberücksichtigt zu bleiben hätten. Genehmigungsgegenstand und Genehmigungsvoraussetzungen dürfen nicht miteinander verwechselt werden (vgl. dazu Ziegler, et 1978, 664 ≪665 ff.≫). Stellt sich im Rahmen der atomrechtlichen Prüfung heraus, daß zum Betrieb des Kernkraftwerks Kühltürme erforderlich sind, diese aber aus bau- oder immissionsschutzrechtlichen Gründen nicht errichtet werden dürfen, so ist dieser Umstand auch dann im Rahmen der Genehmigungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG zu würdigen, wenn der Kühlturm nicht zur Anlage nach § 7 Abs. 1 AtG gehört. Eine Atomspaltanlage, die wegen fehlenden Kühlwassers entweder nicht betrieben werden kann oder häufig abgeschaltet werden muß, hat einen falschen Standort und ist damit nach der genannten Vorschrift nicht genehmigungsfähig.

Entsprechendes gilt für den Hinweis der Beigeladenen, der Kühlturm beeinflusse die Abgasfahne des Kamins. Das mag für die Frage, ob die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen, von Bedeutung sein, hat aber – ebenso wie sonstige Umgebungseinflüsse – nichts mit dem Genehmigungsgegenstand als solchem zu tun.

d) Schließlich läuft § 8 Abs. 2 AtG entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht leer, wenn der Kühlturm vom Anlagebegriff des § 7 Abs. 1 AtG nicht mitumfaßt wird. Bei Erlaß der Vorschrift war keineswegs an Kühltürme gedacht, die damals noch gar nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig waren, sondern an konventionelle Feuerungsanlagen, die für das Anfahren bestimmter Reaktortypen notwendig sein konnten (vgl. Hansmann, NVwZ 1983, 16 ≪17≫). Abgesehen davon erschließt sich der Sinn der in § 8 Abs. 2 AtG getroffenen Regelung nicht so sehr mit Blick auf die ohnehin erst später erlassene Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BImSchV) vom 14. Februar 1975 (BGBl. I S. 499). § 8 Abs. 2 AtG ist vielmehr nur die Konsequenz des Umstandes, daß das Bundes-Immissionsschutzgesetz die bis dahin gegebene Exklusivität des Atomgesetzes im Verhältnis zur Gewerbeordnung (vgl. § 8 Abs. 1 AtG in der ursprünglichen Fassung) nicht voll übernommen, sondern auf den nuklearen Gefahrenschutz eingeschränkt hat (vgl. § 2 Abs 2 BImSchG einerseits und § 8 Abs. 1 AtG andererseits); daraus ergab sich das Bedürfnis für eine verfahrensrechtliche Regelung, falls künftig eine Anlage sowohl nach Atomrecht als auch nach Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftig werden sollte.

Angesichts dessen ist der angefochtene atomrechtliche Standortvorbescheid nicht an den § 22 ff. BImSchG zu messen; die möglichen Auswirkungen des Kühlturmbetriebs sind vielmehr allein im Rahmen der nicht drittschützenden Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG zu würdigen.

3. An der drittschützenden Vorschrift des § 22 BImSchG hatte allerdings die Genehmigungsbehörde den gemäß § 4 Abs. 1 AtAnlV mit dem atomrechtlichen Standortvorbescheid verbundenen baurechtlichen Standortvorbescheid zu messen (a); die verwaltungsgerichtliche Kontrolle braucht diesen Gesichtspunkt jedoch nicht mehr in Bedacht zu nehmen. Den Klägern fehlt nämlich insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, nachdem durch § 2 Nr. 1 4. BImSchV nunmehr Kühltürme mit einem Kühlwasserdurchsatz von 10 000 cbm je Stunde und mehr zu genehmigungspflichtigen Anlagen im Sinne der §§ 4 ff. BImSchG geworden sind (b).

a) § 4 Abs. 1 AtAnlV beruhte auf der Ermächtigung des § 7 Abs. 3 AtG a.F. zur Regelung des Genehmigungsverfahrens. Diese Vorschrift nahm u.a. Bezug auf § 18 der Gewerbeordnung und schrieb damit die dort angeordnete generelle verfahrensrechtliche Konzentration (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29. November 1955 – BVerwG 1 C 79.54 – DVBl. 1956, 164 und BGH, Urteil vom 4. Mai 1959 – III ZR 35/58 – VRspr. 12, 213 ≪214≫) auch für das atomrechtliche Genehmigungsverfahren mit der Folge vor, daß neben der Genehmigung nach § 7 Abs. 1 AtG eine gesonderte Baugenehmigung nicht mehr zu erteilen war. Dem hat § 4 Abs. 1 AtAnlV Rechnung getragen. Daraus folgt, daß der atomrechtliche Standortvorbescheid auch einen baurechtlichen Standortvorbescheid enthielt. Vor dessen Erlaß mußte die Genehmigungsbehörde gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 LBO prüfen, ob öffentlich-rechtliche Vorschriften – hierzu gehörte auch § 22 BImSchG – verletzt sein könnten.

b) Damit im Zusammenhang stehende Fragen stellen sich jedoch nicht mehr, nachdem durch § 2 Nr. 14. BImSchV Kühltürme der hier benötigten und vorgesehenen Größe immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen geworden sind. Der mit dem atomrechtlichen Standortvorbescheid verbundene baurechtliche Vorbescheid gilt nicht als immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid fort, weil es insoweit an einer § 67 Abs. 1 BImSchG entsprechenden Übergangsregelung zu § 8 Abs. 2 AtG fehlt. Daher muß hinsichtlich des vorgesehenen Kühlturms noch ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren stattfinden, ohne daß insoweit eine irgendwie geartete Bindung aus der früheren, dem baurechtlichen Standortvorbescheid zugrundeliegenden und am Maßstab des § 22 BImSchG orientierten immissionsschutzrechtlichen Prüfung fortbesteht. Die Kläger können ihre Einwendungen gegen den Kühlturmbetrieb im Rahmen dieses an einem sehr viel strengeren Prüfungsmaßstab (§§ 5 und 6 BImSchG) ausgerichteten Genehmigungsverfahrens geltend machen.

D) Die von den Klägern zu 1 bis 3 erhobene Besetzungsrüge greift im Hinblick auf die in § 548 ZPO in Verbindung mit § 173 VwGO getroffene Regelung nicht durch. Selbst wenn das Berufungsgericht, wie die Revision vorbringt, über die während des Berufungsverfahrens gestellten Ablehnungsgesuche unzutreffend entschieden haben sollte, würde das nicht zur vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts geführt haben. Ob bei willkürlicher Ablehnung etwas anderes gilt, kann offenbleiben. Die Revisionen legen nicht dar, inwiefern das von den Klägern beanstandete Verhalten der von ihnen abgelehnten Richter auf eine solche Voreingenommenheit schließen ließ, daß die Zurückweisung der Ablehnungsgesuche angesichts der in § 42 Abs. 2 ZPO aufgestellten Maßstäbe schlechthin unhaltbar und daher objektiv willkürlich war (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 8. November 1982 – BVerwG 7 CB 98.81 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 38).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 in Verbindung mit § 162 Abs. 3 VwGO.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 180 000 DM festgesetzt.

 

Unterschriften

Prof. Dr. Sendler, Willberg, Kreiling, Dr. Franßen, Seebass

 

Fundstellen

Haufe-Index 1344465

BVerwGE, 300

DVBl. 1986, 190

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