Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung. Insolvenzsicherung. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Beitragsrechnung. Verwaltungsakt. Verjährung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine vom Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung erstellte „Beitragsrechnung und -abrechnung” der bisher gebräuchlichen Art ist kein Verwaltungsakt.

2. Erstattungsansprüche nach Entrichtung nicht geschuldeter Beiträge zur Insolvenzsicherung unterliegen der Verjährung in entsprechender Anwendung der §§ 228 ff. AO. Der Einrede der Verjährung bedarf es nicht.

 

Normenkette

AO §§ 37, 47, 228-229, 232; BetrAVG § 10 Abs. 2-4; VwVfG § 35

 

Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Urteil vom 22.03.1994; Aktenzeichen 13 A 195/93)

VG Köln (Entscheidung vom 30.07.1992; Aktenzeichen 5 K 2873/91)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. März 1994 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist Trägerin des rechtlich unselbständigen Evangelischen Krankenhauses „Bethanien”. Nachdem die Evangelische Kirche von Westfalen die Ansicht vertreten hatte, die Klägerin müsse Beiträge zur Insolvenzsicherung der von ihr durchgeführten betrieblichen Altersversorgung leisten, trat sie im Mai 1977 mit der Bitte um Anmeldeformulare an den Beklagten heran. In der Folgezeit machte das Krankenhaus auf den Erhebungsbögen des Beklagten die erforderlichen Mitteilungen. Der Beklagte übersandte für die Zeit ab 1975 Beitragsrechnungen, in denen es mit wechselnden Jahresangaben heißt:

„Sehr geehrtes Mitglied, aufgrund der uns gemeldeten Werte … erhalten Sie hiermit gemäß § 6 AIB in Verbindung mit § 10 Abs. 3 BetrAVG die Beitragsrechnung und -abrechnung für (folgt Jahresangabe).”

Daran schließt sich jeweils ein Abschnitt mit der Adresse sowie einer Betriebsnummer des Arbeitgebers an. Es folgt mit der drucktechnisch hervorgehobenen Überschrift „Beitragsrechnung und -abrechnung” die jeweilige Ermittlung des Beitrags und des nach dem Kontostand zu überweisenden Betrags. Eine Rechtsmittelbelehrung fehlt.

Insgesamt zahlte die Klägerin für den Zeitraum 1975 bis 1983 27 302,70 DM sowie für nachfolgende Jahre weitere Beträge an den Beklagten.

Im Jahre 1983 entschied das Bundesverfassungsgericht, daß Kirchen und ihre Organisationen, soweit sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, konkursunfähig sind (BVerfGE 66, 1 ≪18 ff.≫).

Mit Schreiben vom 13. November 1990 teilte der Geschäftsführer des Krankenhauses dem Beklagten mit, er gehe nunmehr davon aus, daß dieses als rechtlich unselbständige Einrichtung der Evangelischen Kirche von der Insolvenzsicherungspflicht befreit sei, und beantragte Erstattung der entrichteten Beiträge. Der Beklagte erstattete die für die Jahre ab 1984 gezahlten Beträge, lehnte aber für die weiter zurückliegenden Jahre eine Rückzahlung ab. Dabei berief er sich auf seine grundsätzliche Entscheidung, Erstattungen nur für sechs zurückliegende Kalenderjahre vorzunehmen, die er in Anlehnung an die Frist des § 11 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG getroffen habe und in entsprechender Weise auch bei Beitragsnachforderungen berücksichtige.

Die daraufhin erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Die Klägerin hat Berufung eingelegt mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 27 302,70 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 14. Februar 1991 zu erstatten, erforderlichenfalls unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 23. November 1990, 31. Januar 1991 und 11. März 1991 und der Beitragsrechnungen für die Jahre 1975 bis 1983,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag auf Rücknahme der Beitragsbescheide für die Jahre 1975 bis 1983 unter Aufhebung der entgegenstehenden Ablehnungsbescheide unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen, weil der Klägerin der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nicht zustehe. Rechtsgrund für die geleisteten Beiträge seien die für die Jahre 1975 bis 1983 ergangenen Beitragsrechnungen. Diese seien als Verwaltungsakte zu qualifizieren, die nicht nichtig seien. Es bestehe auch kein Anspruch auf ihre Aufhebung. Der Beklagte habe das ihm insoweit eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, ihr stehe ein Erstattungsanspruch zu, weil sie ohne Rechtsgrund gezahlt habe. Sie sei nicht beitragspflichtig gewesen und die Beitragsrechnungen des Beklagten stellten keine Verwaltungsakte dar. Der Erstattungsanspruch sei auch nicht verjährt. Insoweit dürfe nicht auf die Vorschriften der Abgabenordnung zurückgegriffen werden. Es gelte die 30jährige Verjährungsfrist entsprechend § 195 BGB.

Der Beklagte tritt der Revision unter Darlegung seiner mit dem angefochtenen Urteil übereinstimmenden Rechtsauffassung und unter vorsorglicher Erhebung der Verjährungseinrede entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der erkennende Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Parteien hiermit einverstanden sind (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO.)

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils ergeben zwar eine Verletzung des revisiblen Rechts, die Entscheidung selbst stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Deshalb ist die Revision zurückzuweisen (§ 144 Abs. 4 VwGO).

1. Die Klägerin begehrt die Erstattung von Beiträgen zur Insolvenzsicherung, die sie erbracht hat, obwohl sie mangels Konkursfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen AltersversorgungBetriebsrentengesetz, BetrAVG – vom 19. Dezember 1974 (BGBl I S. 3610), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juli 1994 (BGBl I S. 1630), nicht beitragspflichtig war. Sie macht damit einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend. Ein solcher Anspruch dient der Rückgängigmachung ohne Rechtsgrund erbrachter Leistungen oder sonstiger rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen. Dieser sich aus der Forderung nach wiederherstellender Gerechtigkeit ergebende Rechtsgedanke hat sich im öffentlichen Recht in vielen Vorschriften niedergeschlagen, z.B. im Anwendungsbereich der Abgabenordnung in deren § 37. Wo eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt, greift der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ein (vgl. BVerwGE 71, 85 ≪88≫). Er setzt in der hier gegebenen Fallkonstellation voraus, daß im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht worden sind. Dies entspricht den anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 37 AO. In Ermangelung einer Beitragspflicht nach § 10 BetrAVG hätte die Klägerin nur dann mit rechtlichem Grund geleistet, wenn sie auf der Grundlage wirksamer Verwaltungsakte zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre (Urteil vom 12. Dezember 1967 – BVerwG 1 C 30.67 – DVBl 1968, 918; Beschluß vom 5. Dezember 1986 – BVerwG 7 B 143.86 – Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 61). Darin ist dem Berufungsgericht zuzustimmen. Die Beitragsrechnungen des Beklagten sind aber keine Verwaltungsakte. Die gegenteilige Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

Richtschnur für die Beantwortung der Frage, ob die ab 1977 ergangenen Beitragsrechnungen Verwaltungsakte sind, ist § 35 VwVfG. Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Danach muß es sich um eine für den Betroffenen verbindliche, zur Rechtsbeständigkeit führende Regelung handeln. Ob eine Maßnahme einer Behörde oder wie hier eines beliehenen Unternehmers diese Merkmale erfüllt, ist nach ihrem objektiven Erklärungswert zu beurteilen. Maßgebend ist, wie der Empfänger sie unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung verstehen muß; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (Urteil vom 20. November 1990 – BVerwG 1 C 8.89 – Buchholz 402.24 § 9 AuslG Nr. 7 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben können die Beitragsrechnungen des Beklagten nicht als Verwaltungsakte angesehen werden. Sie enthalten zwar Zahlungsaufforderungen, lassen aber nicht hinreichend erkennen, daß damit öffentlich-rechtliche Forderungen eines beliehenen Unternehmers hoheitlich durch Leistungsbescheid, also mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit, geltend gemacht werden sollen. Nach Form und Inhalt stellen sie sich als schlichte Zahlungsaufforderungen dar und konnten von dem Empfänger als solche verstanden werden. Bereits die Bezeichnung als „Beitragsrechnung und -abrechnung” deutet darauf hin, daß kein Leistungsbescheid vorliegt, sondern schlicht zur Zahlung aufgefordert wird. Dieser Eindruck wird verdeutlicht durch die Anrede des Empfängers als „Mitglied”, womit die privatrechtliche Rechtsbeziehung zu dem als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit verfaßten Träger der Insolvenzsicherung aufgegriffen wird, die für die Erhebung eines Beitrags nach § 10 Abs. 4 BetrAVG ohne Bedeutung ist. Hinzu kommt, daß eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlt. Zwar muß das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung die Annahme eines Verwaltungsakts nicht ausschließen. Wenn aber ein mit Verwaltungsaufgaben beliehener Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit „Beitragsrechnungen” ohne Rechtsmittelbelehrungen erstellt, verstärkt dies den Eindruck, daß Leistungsbescheide nicht vorliegen. Der Hinweis der Formularschreiben auf § 6 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung (AIB) und § 10 Abs. 3 BetrAVG hebt durch die Inbezugnahme Allgemeiner Versicherungsbedingungen das Vorliegen einer schlichten Beitragsrechnung hervor. Wenn § 6 Abs. 4 AIB bestimmt, daß Rechnungen über Beiträge oder Vorschüsse Beitragsbescheide im Sinne von § 10 Abs. 4 BetrAVG sind, ändert dies an der vorstehenden Beurteilung nichts. Denn der Beklagte ist nicht befugt, seine Maßnahmen in Allgemeinen Versicherungsbedingungen verbindlich als Verwaltungsakte zu definieren; vielmehr richtet es sich allein nach den dargestellten öffentlich-rechtlichen Maßstäben, ob Verwaltungsakte vorliegen. Der Hinweis auf § 10 Abs. 3 BetrAVG, der die Beitragsbemessungsgrundlage regelt, mag zwar die Einbeziehung der Beitragserhebung in das betriebsrentenrechtliche Finanzierungssystem erkennen lassen, besagt aber nichts darüber, wie im gegebenen Fall der Beitrag erhoben wird. Hinzu kommt, daß der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts selbst seine Beitragsrechnungen nicht als Grundlage der Vollstreckung ansieht, sondern bei Erforderlichkeit als solche bezeichnete Beitragsbescheide mit Rechtsbehelfsbelehrung erläßt. Diese Übung bestätigt, daß die Beitragsrechnungen als schlichte Zahlungsaufforderungen anzusehen sind.

Fehlt es an wirksamen Beitragsbescheiden und an einer materiellrechtlichen Beitragspflicht, ist mit Zahlung der deshalb nicht geschuldeten Beiträge zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch entstanden. Andererseits scheidet deshalb ein Anspruch auf ihre Aufhebung oder Rücknahme sowie auf Neubescheidung im Sinne des Hilfsantrags der Klägerin von vornherein aus.

2. Erstattungsansprüche gegen den Träger der Insolvenzsicherung können verjähren. In der vorliegenden Fallgestaltung sind sie auf den Ausgleich einer ungerechtfertigten Bereicherung des Trägers der Insolvenzsicherung gerichtet, die dadurch entstanden ist, daß Beiträge zur Insolvenzsicherung erbracht wurden, obwohl eine Beitragspflicht nicht bestand. In dieser Fallgestaltung stellt sich der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch als Kehrseite des vermeintlichen Leistungsanspruchs dar (BVerwGE 84, 274 ≪276≫; Urteil vom 30. April 1992 – BVerwG 5 C 29.88 – Buchholz 435.12 § 50 SGB X Nr. 5). Die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung werden gemäß § 10 Abs. 1 BetrAVG aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung aufgebracht. Der erkennende Senat hat entschieden, daß Ansprüche auf Zahlung von Beiträgen zur Insolvenzsicherung der Verjährung unterliegen und daß die regelmäßige Verjährungsfrist nicht durch Beitragsbescheide festgesetzter Ansprüche in entsprechender Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre beträgt (BVerwGE 97, 1 ≪7 ff.≫). Auch Erstattungsansprüche wegen grundlos erbrachter Beiträge zur Insolvenzsicherung unterliegen in entsprechender Anwendung der §§ 228 ff. AO der Verjährung.

Die entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften scheitert nicht an den Grenzen der zeitlichen Geltung dieses Gesetzes. Gemäß Art. 97 § 14 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 (BGBl I S. 3341) gelten die Vorschriften über die Zahlungsverjährung für solche Ansprüche, deren Verjährung – wie hier hinsichtlich der erst von 1977 an geleisteten Beiträge – nach dem 31. Dezember 1976 beginnt.

Stellen sich die Erstattungsansprüche als Kehrseite der vermeintlichen Leistungsansprüche des Trägers der Insolvenzsicherung dar, ist es folgerichtig, ihre Verjährung nach den Maßstäben zu bemessen, die die Abgabenordnung für entsprechende Erstattungsansprüche zur Verfügung stellt. Hinsichtlich der Aufbringung der Mittel für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung hat sich das Betriebsrentengesetz von der zivilrechtlichen Einbindung des Betriebsrentenrechts gelöst. Die Unvollständigkeit der Regelung des öffentlich-rechtlichen Beitragsverhältnisses erfordert es, vorhandene Gesetzeslücken sachgerecht zu schließen. Dies ist hinsichtlich der Verjährung von nicht durch Bescheide festgesetzten Beitragsansprüchen durch Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO geschehen. Auch hinsichtlich der Verjährung der Erstattungsansprüche weist das Betriebsrentengesetz eine Regelungslücke auf. Nichts spricht dafür, daß Erstattungsansprüche gegen den Träger der Insolvenzsicherung, die dem Ausgleich ungerechtfertigter Beitragszahlungen dienen, anders als Beitragsansprüche selbst der Verjährung nicht unterliegen sollten. Mit Rücksicht auf die öffentlich-rechtliche Natur der Beiträge nach § 10 BetrAVG, deren Kehrseite die hier verfolgten Erstattungsansprüche sind, und die Interessenlage der Beteiligten ist die entsprechende Anwendung der einschlägigen Vorschriften der Abgabenordnung über die Zahlungsverjährung angemessen. Diese können zwar nicht als allgemeine Rechtsgrundsätze herangezogen werden (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 4. Aufl., § 53 Rn. 2). Wenn sie aber angesichts der Struktur eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs in der Regel zu interessengerechten Ergebnissen führen, spricht dies für ihre entsprechende Anwendbarkeit in dem bestimmten Rechtsgebiet. So liegt es hier.

Nach § 10 Abs. 1 BetrAVG werden die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung durch Beiträge aufgebracht. Die Beiträge müssen nach § 10 Abs. 2 BetrAVG den Barwert der im laufenden Kalenderjahr entstehenden Ansprüche auf Leistungen der Insolvenzsicherung, die im gleichen Zeitraum entstehenden Verwaltungskosten und sonstigen Kosten, die mit der Gewährung der Leistungen zusammenhängen, und die Zuführung zu einem Ausgleichsfonds decken. Die nach § 10 Abs. 2 BetrAVG erforderlichen Beiträge werden gemäß § 10 Abs. 3 BetrAVG nach dessen näherer Bestimmung auf die Arbeitgeber umgelegt. Das Gesamtbeitragsaufkommen und die Beiträge sind auf Kalenderjahre bezogen. Verschiebungen, die sich durch Erstattungen ergeben könnten, greifen in diesen Mechanismus ein und können dazu führen, daß das Ziel der Deckung der in § 10 Abs. 2 BetrAVG genannten Faktoren nachträglich in Frage gestellt wird. Solche Auswirkungen können nur für begrenzte Zeiträume hingenommen werden, soll das Finanzierungssystem der Insolvenzsicherung insgesamt stimmig bleiben. Dieser Gesichtspunkt erfordert es, Erstattungsansprüche einer möglichst kurzfristigen Verjährung zu unterwerfen. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, daß die Erstattung ungerechtfertigt erhaltener Leistungen durch Hoheitsträger ihre innere Rechtfertigung in dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung hat (BVerwGE 71, 85 ≪89≫). Das Verbleiben materiell zu unrecht erhaltener Mittel bei dem Hoheitsträger steht in Widerspruch zu diesem Grundsatz. Dieser verliert aber mit zunehmendem zeitlichen Abstand von der Leistung an Gewicht. Dann greift der grundsätzlich für die Verjährung sprechende Gesichtspunkt ein, daß nach Ablauf einer gewissen Zeit Rechtssicherheit und Rechtsfrieden eintreten sollen. Die entsprechende Anwendung der §§ 228 ff. AO führt zu einem angemessenen Ausgleich zwischen dem Postulat, den materiell rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen, und den für die Verjährung von Forderungen streitenden Gesichtspunkten sowie den sich aus dem Finanzierungssystem der Insolvenzsicherung ergebenden Anforderungen möglichst zeitnaher Abwicklung.

Nach § 228 Satz 1 AO unterliegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis einer besonderen Zahlungsverjährung. Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehört nach § 37 Abs. 1 AO der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO. Dieser setzt voraus, daß u.a. eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 228 Satz 2 AO fünf Jahre. Sie beginnt nach § 229 Abs. 1 AO grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Nach §§ 232, 47 AO erlischt der Anspruch durch die Verjährung.

Die entsprechende Anwendung dieses Regelungssystems wird dem erörterten Gedanken eines angemessenen Ausgleichs der maßgeblichen Gesichtspunkte gerecht. Der Senat ist der Auffassung, daß die Frage, ob die Verjährung anspruchsvernichtend oder nur auf Einrede hin beachtlich ist, im Sinne der entsprechenden Anwendung der §§ 47 und 232 AO zu beantworten ist. Damit wird eine dem öffentlich-rechtlichen Beitragsverhältnis ohnehin weitgehend fremde voluntative Einflußnahme auf die zur Verfügung stehende Finanzmasse und mittelbar auf die Beitragsentwicklung vermieden. Es entspricht dem „objektiven” Charaker des Beitragsschuldverhältnisses und der Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Insolvenzsicherung und einem vermeintlichen Beitragsschuldner, daß Elemente der Privatautonomie insoweit möglichst ausscheiden.

Die von der Klägerin gegen die entsprechende Anwendbarkeit des Regelungssystems der Zahlungsverjährung der Abgabenordnung auf das hier gegebene Erstattungsverhältnis vorgebrachten Einwände vermögen demgegenüber nicht, zu überzeugen. Es ist zwar zutreffend, daß es an einer öffentlich-rechtlichen Beitragspflicht und insofern an einer „Sonderbeziehung” der Parteien fehlt. Dieser Umstand ist es aber gerade, der zu dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch führt, weil die Klägerin – auf Veranlassung des Beklagten – aufgrund einer vermeintlichen öffentlich-rechtlichen Beitragspflicht geleistet hat. Deswegen handelt es sich bei dem geltend gemachten Erstattungsanspruch im Sinne des entsprechend anzuwendenden § 37 i.v.m. § 228 AO auch um einen Anspruch „aus” einem Beitragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten (vgl. z.B. Tipke/Kruse, AO, 15. Aufl., § 37 Tz. 8). In diesem Zusammenhang tritt, wie dargestellt, die privatrechtliche Organisation des Trägers der Insolvenzsicherung zurück. Die von der Klägerin befürwortete entsprechende Anwendung des § 195 BGB würde demgegenüber zu einer im Hinblick auf das Beitragssystem des Betriebsrentenrechts unangemessen langen Verjährungsfrist führen. Der Hinweis auf Besonderheiten von beamtenrechtlichen Erstattungsansprüchen (vgl. BVerwGE 66, 251 ≪253≫) führt im hier gegebenen Zusammenhang wegen der andersgearteten Rechtsbeziehungen und der abweichenden Interessenlage nicht weiter.

3. Nach diesen Grundsätzen sind die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Erstattungsansprüche der Klägerin erloschen. Die Verjährung begann entsprechend § 229 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsanspruch erstmals fällig wurde. Entstanden und fällig wurden die Erstattungsansprüche mit Zahlung der nicht geschuldeten Beiträge (vgl. § 38 AO; BFH, Urteil vom 25. Februar 1992 – VII R 8/91 – BStBl II 1992, 713 ≪714≫). Die Verjährung begann also für das dem Antrag der Klägerin zeitnächste Jahr, für das die Erstattung gefordert wird, mit Ablauf des Jahres 1983. Somit war bei Anmeldung der Forderung mit Schreiben vom 13. November 1990 die Verjährungsfrist abgelaufen. Dies führte zum Erlöschen des Anspruchs. Auf die Frage, ob eine Verjährungseinrede erstmals im Revisionsverfahren erhoben werden kann (vgl. dazu BGHZ 1, 234 ≪239≫ sowie BGH, Urteil vom 10. Mai 1990 – IX ZR 246/89 – NJW 1990, 2754), kommt es nicht an.

4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Unterschriften

Meyer, Kemper, Mallmann, Hahn, Groepper

 

Fundstellen

NJW 1996, 1073

BVerwGE, 101

ZIP 1996, 90

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