Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungsrecht des Personalrats. Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten. Hören von Rundfunksendungen

 

Normenkette

LPVG NW a.F. § 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 15; LPVG NW F. 1984 § 72 Abs. 4 S. 1 Nr. 9; BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 15

 

Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Beschluss vom 01.04.1982; Aktenzeichen CL 36/81)

VG Münster (Beschluss vom 13.03.1981; Aktenzeichen PVL 8/80)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom vom 1. April 1982 insoweit aufgehoben, als der Feststellungsantrag abgelehnt wurde. Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Münster – Fachkammer für Personalvertretungssachen – vom 13. März 1981 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Regierungspräsident Münster – der Beteiligte – erließ ohne Beteiligung des Antragstellers – des bei ihm gebildeten Personalrats – unter dem 31. Januar 1980 eine „An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hause” gerichtete Hausverfügung, in der ausgeführt wurde, daß Angehörige des Hauses in ihren Dienstzimmern Rundfunkgeräte aufgestellt hätten und diese während der Dienstzeit benutzten. Das Abhören von Rundfunksendungen führe aber zu Störungen des Arbeitsablaufs und sei mit einem geordneten Dienstbetrieb nicht zu vereinbaren. Er – der Beteiligte – bitte daher, alle privat aufgestellten Rundfunkgeräte ab sofort aus den Dienstzimmern zu entfernen. Bei dieser Gelegenheit weise er auch darauf hin, daß nach der geltenden Hausordnung die Benutzung privater elektrischer Geräte nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Dezernats 12 zulässig sei.

Auf den Hinweis des Antragstellers, die in der Hausverfügung getroffene Regelung bedürfe seiner Zustimmung, erwiderte der Beteiligte, das Verbot des Abhörens von Rundfunksendungen während der Dienstzeit ergebe sich unmittelbar aus den allgemeinen Dienstpflichten der Bediensteten seiner Behörde und unterliege daher nicht der Mitbestimmung der Personalvertretung.

Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,

festzustellen, daß ihm bei der Hausverfügung des Beteiligten vom 31. Januar 1980 betreffend die Benutzung von Rundfunkgeräten in den Diensträumen ein Mitbestimmungsrecht, hilfsweise ein Mitwirkungsrecht zustehe.

Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag entsprochen. Auf die Beschwerde des Beteiligten hat das Oberverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Beschluß geändert und unter Ablehnung des Antrages im übrigen festgestellt, daß die Hausverfügung des Beteiligten vom 31. Januar 1980 insoweit der Mitbestimmung des Antragstellers unterliege, als das Hören von Rundfunksendungen auch außerhalb der regelmäßigen Dienstzeit untersagt und angeordnet worden ist, daß die Rundfunkgeräte aus den Diensträumen zu entfernen sind. Die Entscheidung beruht im wesentlichen auf folgenden Gründen:

Nach § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 15 LPVG NW habe der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht bestehe, bei der Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten mitzubestimmen. Eine gesetzliche oder tarifliche Regelung im Sinne dieser Vorschrift liege nur vor, wenn sie den Einzelfall erschöpfend und abschließend regele und die Ausgestaltung der Einzelmaßnahme nicht dem Dienstherrn überlasse. Das Hören von Rundfunksendungen während der Dienstzeit sei aber weder gesetzlich noch tariflich geregelt. Die insoweit in Betracht kommenden Vorschriften enthielten lediglich ausfüllungsbedürftige Grundsätze und keine erschöpfende und abschließende Regelung. Auch enthalte die Hausverfügung nicht nur einen Hinweis auf die bestehende Rechtslage. Die Hausverfügung müsse so ausgelegt werden, wie sie der Empfänger der Erklärung verstehen müsse. Danach könne die Hausverfügung nur als ein an alle Beschäftigten des Regierungspräsidiums Münster gerichtetes Verbot verstanden werden, während der Dienstzeit Rundfunksendungen zu hören, verbunden mit der Aufforderung, alle Rundfunkgeräte aus den Diensträumen zu entfernen.

Die Regelung des Hörens von Rundfunksendungen während der Dienstzeit unterliege jedoch nicht uneingeschränkt der Mitbestimmung der Personalvertretung. Soweit sie das Hören von Rundfunksendungen während der regelmäßigen Dienstzeit betreffe, beziehe sie sich nicht nur auf das allgemeine Verhalten der Beschäftigten innerhalb der Dienststelle oder ihr Verhalten bei ihrer Tätigkeit, sondern auf ihre Dienstleistung selbst. Denn zur Dienstleistung gehöre auch die Pflicht, dem Dienst mit voller Konzentration nachzugehen und der Öffentlichkeit durch das Verhalten bei der Dienstausübung keinen Anstoß zu geben. Hiermit sei jedoch das Hören von Rundfunksendungen während der regelmäßigen Dienstzeit, jedenfalls in einer Behörde wie der Bezirksregierung, regelmäßig nicht zu vereinbaren. Das Verbot des Hörens von Rundfunksendungen auch außerhalb der regelmäßigen Dienstzeit und die Anordnung an die Beschäftigten, alle privat aufgestellten Rundfunkgeräte umgehend aus den Diensträumen zu entfernen, habe demgegenüber der Zustimmung des Personalrats bedurft, weil diese Regelung lediglich das Verhalten der Beschäftigten bei ihrer Tätigkeit betreffe.

Soweit dem Antragsteller kein Mitbestimmungsrecht zustehe, habe er auch kein Mitwirkungsrecht gemäß § 73 Nr. 1 LPVG NW. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes könnten Inhalt von Verwaltungsvorschriften nach dieser Vorschrift nur diejenigen innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Angelegenheiten sein, bei denen der Personalvertretung ein Mitbestimmungsrecht zustehe. Verwaltungsanordnungen, die lediglich allgemeine Weisungen zur Erledigung der Dienstgeschäfte enthielten, würden durch das Mitwirkungsrecht nicht erfaßt.

Gegen diesen Beschluß haben der Antragsteller und der Beteiligte jeweils die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, wobei der Antragsteller die Wiederherstellung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, der Beteiligte die Zurückweisung des Feststellungsantrages in vollem Umfang erstrebt.

Der Antragsteller macht geltend, die Hausverfügung des Beteiligten beziehe sich nicht nur auf die Dienstleistung der Beschäftigten. In der Bezirksregierung gebe es eine Reihe von Arbeitsbereichen und Nebenstellen, in denen kein Publikumsverkehr bestehe und in denen das Hören von Rundfunksendungen die Arbeitsleistung der Beschäftigten nicht beeinträchtige. Die Hausverfügung lasse insoweit keine Ausnahme zu. Bei Beteiligung der Personalvertretung hätten möglicherweise schon bestimmte Ausnahmetatbestände in die Regelung eingearbeitet werden können.

Der Beteiligte führt aus, daß auch das Verbot, Rundfunksendungen außerhalb der regelmäßigen Dienstzeit zu hören, und das Gebot die privat aufgestellten Rundfunkgeräte zu entfernen, der störungsfreien Erfüllung der Dienstleistungspflicht dienten. Die Öffentlichkeit nehme auch dann an in den Diensträumen aufgestellten Rundfunkgeräten Anstoß, wenn sie nicht in Betrieb seien. Denn sie gehe davon aus, daß das Gerät jederzeit, insbesondere nachdem etwaige Besucher das Dienstzimmer verlassen hätten, wieder in Betrieb genommen werde. Auch ließe sich ein Gebot, erlaubtermaßen aufgestellte Rundfunkgeräte während der Dienstzeit nicht zu benutzen, nur mit aufwendigen und allseits unzumutbaren Überwachungsmethoden kontrollieren. Einem etwaigem Gebot, die Rundfunkgeräte vor den Besuchern zu verstecken, damit sie außerhalb der Dienstzeit betrieben werden könnten, komme nur theoretische Bedeutung zu, da die Beschäftigten ihre Freizeit selten in den Diensträumen verbrächten. Überdies seien in der Bezirksregierung weder die Besuchszeiten für das Publikum noch die Zeiten festgelegt, in denen die Beschäftigten ihre Mittagspause zu nehmen hätten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Die Hausverfügung des Beteiligten unterlag entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht nur insoweit der Mitbestimmung der Personalvertretung, als in ihr das Hören von Rundfunksendungen auch außerhalb der regelmäßigen Dienstzeit untersagt und angeordnet worden ist, daß die Rundfunkgeräte aus den Diensträumen zu entfernen sind. Sie bedurfte vielmehr gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 15 LPVG NW a.F. (= § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 LPVG NW in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 18. Dezember 1984, GV.NW. 1985, S. 29 = § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG) in vollem Umfang der Zustimmung der Personalvertretung. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten kann demgegenüber keinen Erfolg haben.

Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß in der Hausverfügung nicht nur auf die bestehende Rechtslage hingewiesen wird. Die Anordnung mußte nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt von den Beschäftigten der Bezirksregierung dahin verstanden werden, daß das Hören von Rundfunksendungen in allen Abteilungen der Behörde und für alle Arbeitsbereiche ausnahmslos untersagt wurde und daß den Beschäftigten aufgegeben wurde, sämtliche privat betriebenen Rundfunkgeräte aus den Diensträumen zu entfernen. Auch trifft es zu, daß das Hören von Rundfunksendungen während der Dienstzeit bisher weder gesetzlich noch tariflich geregelt worden ist. Das in § 57 des Landesbeamtengesetzes sowie in den entsprechenden Vorschriften in § 8 BAT und § 9 MTL II enthaltene Gebot, sich mit voller Hingabe dem Beruf zu widmen, enthält lediglich einen ausfüllungsbedürftigen Grundsatz, der die Mitbestimmung der Personalvertretung bei konkreten Regelungen des Dienststellenleiters nicht ausschließt. Die von dem Beteiligten vorgelegte Hausordnung regelt zwar in § 10 die Bedienung elektrischer Geräte und macht die Benutzung privater elektrischer Geräte von einer ausdrücklichen Genehmigung abhängig; sie untersagt aber nicht generell das Hören von Rundfunksendungen in der Dienstzeit.

Nach § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 15 LPVG NW a.F. hat die Personalvertretung mitzubestimmen über eine Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten. Wie der Senat in dem Beschluß vom 11. März 1983 – BVerwG 6 P 25.80 – (BVerwGE 67, 61 ≪63≫) ausgeführt hat, handelt es sich bei dieser Mitbestimmungsvorschrift um einen einheitlichen Tatbestand, der die Gesamtheit der Regelungen umfaßt, die einen störungsfreien, reibungslosen Ablauf des Lebens in der Dienststelle gewährleisten sollen. Denn das Zusammenwirken und -leben in einer Dienststelle erfordert Verhaltensregeln, die das Miteinander der Beschäftigten und den Gebrauch der zur Verfügung stehenden Gegenstände ordnen. Deshalb schafft jede Regelung des Verhaltens der Beschäftigten auch eine bestimmte Ordnung in der Dienststelle, wie umgekehrt jede Regelung der Ordnung ein bestimmtes Verhalten der Beschäftigten verlangt.

Die Mitbestimmungsvorschrift bezieht sich somit insbesondere auf solche Maßnahmen, die das Verhalten der Beschäftigten bei ihrer Tätigkeit oder ihr allgemeines Verhalten innerhalb der Dienststelle betreffen. Anordnungen, die die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben der Beschäftigten regeln, also mit ihrer Arbeitsleistung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, oder diensttechnische Regelungen, die den Ablauf des Dienstes gestalten, unterliegen dagegen nach dem Sinn und Zweck der personalvertretungsrechtlichen Beteiligung nicht der Mitbestimmung der Personalvertretung.

Bei dem an alle Beschäftigten der Bezirksregierung gerichteten Verbot des Beteiligten, während der Dienstzeit in den Diensträumen Rundfunksendungen zu hören, handelte es sich um eine nach § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 15 LPVG NW a.F. mitbestimmungspflichtige Maßnahme. Diese Anordnung regelt – anders als in dem in BVerwGE 67, 61 entschiedenen Fall, der eine Anordnung an die waffentragenden Beamten des Zollfahndungsdienstes betraf, sich während einer angemessenen Zeit vor Dienstbeginn sowie während des Dienstes jeglichen Alkoholgenusses zu enthalten – lediglich das allgemeine Verhalten der Beschäftigten innerhalb der Dienststelle und ihr Verhalten bei ihrer Tätigkeit. Die Dienstausübung selbst ist dadurch regelmäßig nicht berührt, weil der Beschäftigte bereits aus seinem Dienst- oder Arbeitsverhältnis verpflichtet ist, die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben konzentriert und sorgfältig zu erledigen und sich während der Arbeit nicht durch das Hören von Rundfunksendungen ablenken zu lassen (vgl. BAG, Beschluß vom 14. Januar 1986 – 1 ABR 75/83 – ≪NJW 1986, 1952 = NZA 1986, 435≫). Falls er dieser Verpflichtung nicht ordnungsgemäß nachkommt, verstößt er gegen seine Dienstleistungspflicht, unabhängig davon, ob diese Pflichtverletzung auf das Hören der Rundfunksendungen zurückzuführen ist oder nicht. Es liegt demnach im Verantwortungsbereich des Beschäftigten, zu entscheiden, ob er es mit seiner Dienstleistungspflicht vereinbaren kann, in der Dienstzeit Radio zu hören. Soweit durch den Betrieb des Rundfunkgeräts andere Beschäftigte an der ordnungsgemäßen Erfüllung der dienstlichen Aufgaben gehindert werden, ist offensichtlich das Zusammenwirken der Beschäftigten in der Dienststelle und damit die Ordnung der Dienststelle beeinträchtigt, so daß insoweit eine Regelung des Dienststellenleiters im Einvernehmen mit der Personalvertretung geboten ist.

Dem Beteiligten ist allerdings darin beizupflichten, daß die Frage, ob der Beschäftigte während der Dienstzeit Rundfunksendungen hört, unter bestimmten Voraussetzungen auch die Art und Weise der Erfüllung seiner Dienstaufgaben betreffen kann. Ein solcher Bezug zur Dienstleistung ist insbesondere bei den Beschäftigten gegeben, die in den Abteilungen der Behörde mit erheblichem Publikumsverkehr tätig sind. Denn es muß damit gerechnet werden, daß Besucher der Dienststelle an in den Diensträumen aufgestellten Rundfunkgeräten Anstoß nehmen, und zwar auch dann, wenn diese Geräte in dieser Zeit nicht in Betrieb sind. In diesen Fällen kann die ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstleistungspflicht nicht nur dadurch beeinträchtigt werden, daß während des Aufenthalts des Besuchers im Dienstzimmer Radio gehört wird, sondern schon dadurch, daß der Besucher davon ausgeht, daß ein – auf dem Schreibtisch des Beschäftigten stehendes – Rundfunkgerät alsbald nach Beendigung des Besuches wieder in Betrieb genommen wird. Dies rechtfertigt jedoch keine Anordnung des Dienststellenleiters, das Hören von Rundfunksendungen allen Beschäftigten und für alle Bereiche der Dienststelle ausnahmslos zu untersagen. Es ist vielmehr Aufgabe eines Mitbestimmungsverfahrens, gegebenenfalls durch Abschluß einer Dienstvereinbarung je nach den spezifischen Verhältnissen und Anforderungen am einzelnen Arbeitsplatz die Modalitäten der Zulässigkeit des Hörens von Rundfunksendungen zu regeln und dort, wo ein Verbot angezeigt erscheint, bestimmte Ausnahmefälle von einem derartigen Verbot festzulegen und zu bestimmen, daß die Rundfunkgeräte, die außerhalb der Dienstzeit benutzt werden, in den Dienstzimmern verschlossen in Schränken zu verwahren sind.

 

Unterschriften

Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert

 

Fundstellen

Haufe-Index 1212421

DVBl. 1988, 689

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