Entscheidungsstichwort (Thema)

Benutzungsgebühr für Musikschule. Auswärtigenzuschlag. Einheimischenabschlag. Zuschuß für Gemeindebürger. Selbsverwaltungsgarantie. Finanzhoheit

 

Leitsatz (amtlich)

Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn in einer kommunalen Satzung für den Besuch einer – nicht kostendeckend betriebenen – Musikschule von Einheimischen eine um einen Zuschuß der Gemeinde abgesenkte Gebühr erhoben wird, während auswärtige Benutzer die nichtbezuschußte Gebühr bezahlen müssen.

Art. 28 Abs. 2 GG gestattet jedenfalls bei Einrichtungen ohne Benutzungszwang die Gewährung eines auf die Einwohner der Gemeinde beschränkten Zuschusses zu den – einheitlich festgesetzten und kalkulierten – Benutzungsgebühren, wenn dadurch das (landesrechtliche) Kostenüberschreitungsverbot und der Äquivalenzgrundsatz nicht verletzt und keine indirekte Subventionierung der einheimischen Benutzer durch die Auswärtigen bewirkt wird.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 28 Abs. 2; KAG BW § 9 Abs. 2; VwGO § 47 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 a.F., Abs. 7 S. 6 a.F.

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 04.01.1996; Aktenzeichen 2 S 2499/93)

 

Tenor

Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn in einer kommunalen Satzung für den Besuch einer – nicht kostendeckend betriebenen – Musikschule von Einheimischen eine um einen Zuschuß der Gemeinde abgesenkte Gebühr erhoben wird, während auswärtige Benutzer die nichtbezuschußte Gebühr bezahlen müssen.

Die Normenkontrollsache, in der der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg dem Antrag mit Beschluß vom 4. Januar 1996 stattgegeben hat, wird zur erneuten Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen Vorschriften der Satzung und Gebührensatzung für die Musik- und Kunstschule B…, die im Ergebnis dazu führen, daß Auswärtige für deren Benutzung ein höheres Entgelt bezahlen müssen als Einheimische.

Die Antragsgegnerin betreibt die Musik- und Kunstschule als “öffentliche Einrichtung … für ihre Einwohner” (§ 1 der Satzung für die Musik- und Kunstschule B… vom 1. Februar 1995). Gemäß § 3 Abs. 3 dieser Satzung können, “soweit es die Kapazität zuläßt, … auch Personen, die ihren Wohnsitz nicht in B… haben, unterrichtet werden”. Der Anteil der auswärtigen Benutzer betrug in den Jahren 1992/93 zwischen 36 % und 30 %. Für die Teilnahme am Unterricht werden Gebühren erhoben. In Nr. 2.1 der im Laufe des Normenkontrollverfahrens geänderten Gebührensatzung vom 1. Februar 1995 wird die “Schulgebühr” – differenziert nach den jeweiligen Unterrichtsformen – in Höhe von 40 bis 172 DM je Monat ausgewiesen, sodann ein – ebenfalls nach den jeweiligen Unterrichtsarten unterschiedlich hoher – “Zuschuß der Stadt” in Höhe von 8 bis 40 DM festgelegt und schließlich – wiederum nach den jeweiligen Unterrichtsformen gestaffelt – der daraus folgende “bezuschußte Differenzbetrag” in Höhe von 32 bis 132 DM angegeben. Gemäß Nr. 2.2 Satz 1 der Gebührensatzung gewährt die Antragsgegnerin Personen mit Erstwohnung in B… den “Zuschuß zu den geltenden Unterrichtsgebühren”. Nach Ziff. 2.2 Satz 2 wird “aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung … dieser Zuschuß direkt mit den Unterrichtsgebühren verrechnet; zu zahlen ist der ‘bezuschußte Differenzbetrag’.” Nr. 2.3 der Gebührensatzung schließlich sieht vor, daß “Personen aus einer Gemeinde, die ihren Einwohnern ebenfalls einen Zuschuß in der o.g. Höhe für den Unterricht an der Musik- und Kunstschule B… gewährt, … die gleiche Gebühr wie die B… Einwohner (zahlen). Voraussetzung hierfür ist der Abschluß einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen der Stadt B… und der jeweiligen Gemeinde, in der diese sich verpflichtet, den Zuschußbetrag direkt an die Stadt B… zu zahlen.” Gemäß Nr. 3.3 der Gebührensatzung erhalten “Inhaber eines Familienpasses der Stadt B… … eine Ermäßigung auf die Unterrichtsgebühren nach Maßgabe der städtischen Richtlinien für den Familienpaß”.

Die Antragsteller, deren minderjährige Kinder an der Musik- und Kunstschule der Antragsgegnerin Musikunterricht erhalten, haben ihren Wohnsitz außerhalb des Gebiets der Antragsgegnerin. Sie wehren sich gegen ihre gebührenmäßige Benachteiligung gegenüber einheimischen Schülern. In ihren Normenkontrollantrag wendet sich gegen die genannten Vorschriften der Satzung und der Gebührensatzung in der im Laufe des Normenkontrollverfahrens mit Wirkung vom 1. April 1995 neu beschlossenen Fassung. Zur Begründung haben sie zunächst gegenüber der Musikschulsatzung formelle Gültigkeitsmängel geltend gemacht; außerdem sei die Beschränkung des Zugangs auf Einwohner der Antragsgegnerin auch materiell rechtswidrig. Die Vorschriften der Gebührensatzung seien ferner wegen Fehlern bei der Gebührenkalkulation rechtswidrig. In Wahrheit verfolge die Antragsgegnerin mit der Zugangsbeschränkung ermessensmißbräuchlich die Absicht, auf die Umlandgemeinden dahin gehend Druck auszuüben, sich an den Kosten ihrer Musik- und Kunstschule zu beteiligen. Für auswärtige Schüler müßten grundsätzlich die gleichen Gebühren gelten wie für einheimische, da dieser Unterschied keinen sachlichen Grund für eine Gebührenerhöhung bzw. einen Gebührenabschlag darstelle. Gleichheitswidrig sei dementsprechend auch die Beschränkung der Gebührenermäßigung auf einheimische Inhaber eines vom Sozialamt der Antragsgegnerin ausgestellten Familienpasses.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat die Zugangsbeschränkung unter Hinweis auf § 10 Abs. 2 GemO verteidigt und darauf verwiesen, die festgesetzten Gebühren überschritten nicht die Höhe eines kostendeckend kalkulierten Gebührensatzes. Sie erhebe auch keinen “Auswärtigenzuschlag”, sondern gewähre lediglich ihren Bürgern einen Zuschuß, der aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung direkt mit den Unterrichtsgebühren verrechnet werde. Dementsprechend komme die bezuschußte Gebühr auch solchen auswärtigen Benutzern zugute, deren Heimatgemeinde einen solchen Zuschuß finanziere. Zu dieser Differenzierung bei der Gewährung sozialer Leistungen sei sie berechtigt. Im übrigen beteiligten sich Personen, die ihren ersten Wohnsitz in einer anderen Gemeinde hätten, nicht am Steueraufkommen der Stadt, so daß das Defizit der Musik- und Kunstschule letztlich allein von den Bürgern der Antragsgegnerin getragen werden müsse.

Mit NK-Beschluß vom 4. Januar 1996 (VBlBW 1996, 180) hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg § 1 und § 3 Abs. 3 der Satzung für die Musik- und Kunstschule B… vom 1. Februar 1995 sowie Nr. 2.1, 2.2, 2.3 und 3.3 der Gebührensatzung für die Musik- und Kunstschule B… vom 1. Februar 1995 für nichtig erklärt. Zur Begründung hat das Normenkontrollgericht ausgeführt:

§ 1 und § 3 Abs. 1 (– gemeint ist § 3 Abs. 3 –) der Satzung seien aus formell-rechtlichen Gründen nichtig, weil die Satzung noch nicht wirksam bekanntgemacht worden sei. Es sei nämlich entgegen § 4 Abs. 3 Satz 1 GemO i.V.m. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 DVOGemO nur eine – in dieser Form nicht beschlossene – “Änderungssatzung” veröffentlicht worden. Im übrigen teile der Senat jedoch die Bedenken der Antragsteller gegen die materiellrechtliche Gültigkeit der §§ 1 und 3 Abs. 1 (– gemeint ist: § 3 Abs. 3 –) der Satzung nicht, weil die Einrichtung einer Musikschule nach geltendem Landesrecht keine Pflichtaufgabe der Gemeinde, sondern dem Selbstverwaltungsbereich zuzurechnen sei. Die angegriffenen Regelungen der Gebührensatzung seien aus materiellrechtlichen Gründen ungültig. Allerdings verstoße die Gebührenregelung nicht gegen den Kostendeckungsgrundsatz des § 9 Abs. 2 KAG. Denn der Gebührensatz der (normalen) Schulgebühren liege nicht über der sich aus der Gebührenkalkulation ergebenden sog. Gebührensatzobergrenze, so daß das zu erwartende Gebührenaufkommen die in demselben Zeitraum zu erwartenden gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung in ihrer Gesamtheit nicht übersteige. Die angefochtene Gebührenbemessungsregelung verletze auch nicht das Äquivalenzprinzip, weil die monatlichen Schulgebühren (Nr. 2.1 der Gebührensatzung) nicht über dem Entgelt für eine vergleichbare private Unterrichtserteilung lägen und deshalb kein Mißverhältnis zwischen der Gebühr und der von der Gemeinde erbrachten Leistung festzustellen sei. Die Gebührenregelungen seien aber gleichheitswidrig, soweit sie für Einheimische und für bestimmte Auswärtige eine um einen “Zuschuß” abgesenkte Schulgebühr vorsähen. Sachliche, im Benutzungsverhältnis angesiedelte Gründe für diese Ungleichbehandlung gebe es nicht. Benutzungsgebühren stellten die Gegenleistung für eine von dem Betreiber der öffentlichen Einrichtung erbrachte und von deren Benutzern in Anspruch genommene Leistung dar. Ihre Höhe richte sich grundsätzlich nach Art und Umfang der Leistung bzw. der Benutzung. Insoweit seien keine Unterschiede zwischen auswärtigen und einheimischen Schülern erkennbar. Daß für die Zurechnung des Einkommensteueranteils gemäß Art. 106 Abs. 5 GG auswärtige Schüler “ausfielen”, rechtfertige deren gebührenmäßige Benachteiligung mangels Sachnähe zur Gebührengestaltung nicht. Diese sei auch unter dem Gesichtspunkt sachfremd, daß die Musik- und Kunstschule tatsächlich für auswärtige Schüler eingerichtet und in ihrem personellen und sächlichen Bestand auf diese angewiesen sei. Daraus ergebe sich ein wirtschaftliches Interesse an der Aufnahme auswärtiger Schüler zur Aufrechterhaltung einer wirtschaftlich vertretbaren Auslastung. Die Sachwidrigkeit der Gebührendifferenzierung ergebe sich schließlich auch aus den Zielvorstellungen des Landesentwicklungsplans 1983 und den Förderungsbestimmungen des Jugendbildungsgesetzes über die Förderung außerschulischer Jugendarbeit über die Gemeindegrenzen hinweg.

Mit der Beschwerde nach § 47 Abs. 7 VwGO a.F. trägt die Antragsgegnerin zunächst vor, sie habe unter dem Datum des 24. Januar 1996 die vollständige Satzung für die Musik- und Kunstschule i.d.F. vom 1. Februar 1995 öffentlich bekanntgemacht und so den gerügten formellen Fehler behoben. Sie macht unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens und unter Hinweis auf die ihrer Ansicht nach nicht zu beanstandende Beschränkung der Subventionierung auf die eigenen Gemeindebürger geltend, der Verwaltungsgerichtshof hätte die Sache gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO a.F. dem Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung der Frage nach der Vereinbarkeit einer um einen – auf die eigenen Gemeindebürger beschränkten – Zuschuß abgesenkten Benutzungsgebühr mit Art. 3 Abs. 1 GG und nach der Zulässigkeit der vom Normenkontrollgericht ausgesprochenen bloßen Teilnichtigkeit der beiden Satzungen vorlegen müssen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist – weiterhin – zulässig. Gemäß Art. 10 Abs. 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626) richtet sich ungeachtet der ab 1. Januar 1997 wirksamen Änderung des § 47 VwGO die Zulässigkeit von Rechtsmitteln nach den bisherigen Vorschriften, wenn – wie hier – die angefochtene gerichtliche Entscheidung vor dem 1. Januar 1997 verkündet oder zugestellt worden ist.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist auch begründet. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung in der mit der Beschwerde in erster Linie bezeichneten Richtung zu (§ 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO a.F.). Zu Recht sieht die Beschwerde Klärungsbedarf hinsichtlich der für den Normenkontrollbeschluß erheblichen, höchstrichterlich noch nicht entschiedenen sinngemäß aufgeworfenen Frage,

ob es gegen allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, wenn in einer kommunalen Satzung für den Besuch einer – nicht kostendeckend betriebenen – Musikschule von Einheimischen eine um einen Zuschuß der Gemeinde abgesenkte Gebühr erhoben wird, während auswärtige Benutzer die nichtbezuschußte Gebühr bezahlten müssen.

Hingegen ist die zweite, von der Beschwerde zur Entscheidung gestellte Frage nach der Zulässigkeit der bloßen Teilnichtigkeitserklärung – wie sie dem angefochtenen Normenkontrollbeschluß zugrunde liegt – einer grundsätzlichen, allgemeingültigen Klärung weder bedürftig noch zugänglich, weil die abstrakt-generellen, von der Regel des § 139 BGB ausgehenden Fragen der Gesamt- oder bloßen Teilnichtigkeit von Satzungen bereits geklärt sind. Danach steht fest, daß die Entscheidung, ob ein Rechtsmangel zur Gesamtnichtigkeit der Satzung oder nur zur Nichtigkeit einzelner Vorschriften führt, davon abhängt, ob – erstens – die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-)Regelung des Lebenssachverhalts beläßt und – zweitens – ob hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann (vgl. u.a. Beschluß vom 20. August 1991 – BVerwG 4 NB 3.91 – Buchhlz 310 § 47 VwGO Nr. 59 S. 81 ff.). Im übrigen hängt die Beantwortung der aufgeworfenen zweiten Frage maßgeblich von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.

III.

Bei einer begründeten Nichtvorlagebeschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 47 Abs. 7 Satz 5 VwGO a.F. über die Rechtsfrage zu entscheiden, zu deren Beantwortung das Normenkontrollgericht die Sache gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO a.F. hätte vorlegen müssen (dazu 1.). Da der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsfrage abweichend beantwortet hat und seine Entscheidung auf der Abweichung beruht, ist die Sache gemäß § 47 Abs. 7 Satz 6 VwGO a.F. zur erneuten Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (dazu 2.).

1. Der Senat bejaht – anders als das Normenkontrollgericht – die zur Prüfung unterbreitete Frage nach der Vereinbarkeit der in den angefochtenen Satzungen vorgesehenen Differenzierungen mit dem Gleichheitssatz. Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn in einer kommunalen Satzung für den Besuch einer – nicht kostendeckend betriebenen – Musik- und Kunstschule von Einheimischen eine um einen Zuschuß der Gemeinde abgesenkte Gebühr erhoben wird, während auswärtige Benutzer die nichtbezuschußte Gebühr bezahlen müssen.

a) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Gesetz- und Satzungsgeber die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dabei ist dem Normgeber in den Grenzen des Willkürverbots weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzugestehen. Dies gilt auch für die das Abgabenrecht beherrschende Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG als Grundsatz der Abgabengerechtigkeit (Beschluß vom 28. März 1995 – BVerwG 8 N 3.93 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75 S. 31 ≪36≫). Auch im Abgabenrecht verletzt eine Ungleichbehandlung den Gleichheitssatz nur dann, wenn sie nicht auf sachgerechte Erwägungen zurückzuführen ist (vgl. u.a. BVerfG, Beschluß vom 26. März 1980 – 1 BvR 121, 122/76 – BVerfGE 54, 11 ≪25 f.≫; BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1988 – BVerwG 4 C 24.85 – Buchholz 401.64 § 4 AbwAG Nr. 1 S. 1 ≪6≫). Namentlich können bereits Erwägungen der Praktikabilität eine ungleiche Inanspruchnahme der Abgabenpflichtigen rechtfertigen (Urteil vom 12. Februar 1988, a.a.O.; Beschluß vom 28. März 1995, a.a.O.). Allerdings steht im Gebührenrecht – dem Wesen der Gebühr als eines Entgelts für die Leistung der Verwaltung oder die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung entsprechend – aus der Sicht des Art. 3 Abs. 1 GG der Grundsatz im Vordergrund, daß die nach Art und Umfang gleiche Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung regelmäßig ohne Berücksichtigung persönlicher Eigenschaften des Benutzers in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit gleich hohe Gebühren auslösen wird (vgl. Beschluß vom 13. April 1994 – BVerwG 8 NB 4.93 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 69 S. 8 ≪10≫; BVerfG, Beschluß vom 6. Februar 1979 – 2 BvL 5/76 – BVerfGE 50, 217 ≪226≫).

b) Gleichwohl gilt dieser Grundsatz auch im Benutzungsgebührenrecht – wie das Bundesverwaltungsgericht u.a. für die einkommensabhängige Staffelung von Kindertagesstättengebühren bestätigt hat (Beschluß vom 13. April 1994, a.a.O.) – nicht uneingeschränkt. Bundesverfassungsrecht – das selbst keinen bestimmten Begriff der Gebühr vorgibt (BVerfG, Beschluß vom 6. Februar 1979, a.a.O., S. 225) – läßt vielmehr dem jeweiligen Bundes- oder Landesgesetzgeber Raum, die Höhe von Benutzungsgebühren aus sachlichen Gründen auch bei gleichartiger Inanspruchnahme unterschiedlich zu bemessen, solange der Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung sowie die Beziehung zu den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung nicht verlorengeht (vgl. BVerfG, Beschluß vom 6. Februar 1979, a.a.O.). Ohne Verstoß gegen Bundesrecht bemißt beispielsweise Art. 8 Abs. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes die Gebührenhöhe im Ausgangspunkt nach dem Ausmaß der jeweiligen Inanspruchnahme, gestattet aber daneben die Berücksichtigung “sonstiger Merkmale” – etwa des Werts der Benutzung für den Abgabepflichtigen (vgl. zur Zulässigkeit dieses Kriteriums Beschluß vom 15. März 1995 – BVerwG 8 NB 1.95 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 74 S. 28 ≪31≫), der Höhe der aufgewendeten Kosten, der Abnahmemenge (vgl. zur Zulässigkeit dieser Maßstäbe Urteil vom 21. Oktober 1994 – BVerwG 8 C 21.92 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 71 S. 19 ≪21 f.≫) oder auch in besonderen Fällen sozialer Gesichtspunkte (vgl. BayVGH, Normenkontroll-Urteil vom 3. Februar 1984 – Nr. 23 N 81 A. 734 – BayVBl 1984, 340) –, “wenn öffentliche Belange das rechtfertigen”. Dementsprechend ist auch anerkannt, daß die Berücksichtigung lenkender Nebenzwecke nicht nur die Gebührenerhebung als solche, sondern auch die Modifizierung der Gebührenhöhe rechtfertigen kann (vgl. Beschluß vom 3. Mai 1994 – BVerwG 8 NB 1.94 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 70 S. 13 ≪17 f.≫; BVerfG, Beschluß vom 6. Februar 1979, a.a.O.).

c) Unter Anlegung dieser Maßstäbe mag zwar zweifelhaft sein, ob eine gebührenmäßige Benachteiligung ortsfremder Benutzer kommunaler Einrichtungen gegenüber Einheimischen unter dem Gesichtspunkt der unterschiedlichen Ortsverbundenheit (vgl. hierzu Bauernfeind, in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 1 Rn. 54; VG Trier, Urteil vom 20. Juni 1978 – 2 K 482/78 – KStZ 1979, 50 f.), der gerechten Lastenverteilung zwischen Einheimischen und Auswärtigen (vgl. hierzu Dahmen, KStZ 1978, 228 ≪229≫; Rüttgers, KStZ 1979, 125 ≪128≫), des milderen Mittels gegenüber dem nach Kommunalrecht (vgl. § 10 GemO BW) zulässigen vollständigen Ausschluß Auswärtiger von der Zulassung zu gemeindlichen Einrichtungen (vgl. hierzu Hempel/Hempel, KAG SH, § 4 Ziff. 9.2.1.4, S. 145) oder der – auch – beabsichtigten Verhaltenssteuerung mit dem Ziel, die Umlandgemeinden zum Abschluß von Kostenbeteiligungsvereinbarungen zu veranlassen (vgl. zur Verhaltenssteuerung durch Gebühren: OVG Bremen, Urteil vom 13. Dezember 1994 – 1 BA 7/94 – NVwZ 1995, 804 ≪806≫), schlechthin und ohne weiteres gerechtfertigt werden könnte (anderer Ansicht: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Oktober 1978 – II A 448/78 – NJW 1979, 565; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 27. Oktober 1992 – 8 L 4451/91 – NVwZ-RR 1994, 49 ff.; Thiem, KAG SH, § 6 Rn. 118, 120; Schieder/Happ, BayKAG, Art. 8, Erl. 8.2 (1); Scholz in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 612). Diese allgemeine Frage kann hier dahinstehen. Das Beschwerdeverfahren nötigt nicht zu einer umfassenden Stellungnahme, weil der festgestellte Sachverhalt durch Besonderheiten gekennzeichnet ist, die – entgegen der Annahme des Normenkontrollgerichts – unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes die Zulässigkeit der satzungsrechtlichen Differenzierung ergeben.

d) Die Antragsgegnerin hat nämlich nach dem feststehenden Sachverhalt die Gebühren für die Benutzung ihrer – nur den Gemeindebürgern gewidmeten – Musik- und Kunstschule zunächst einheitlich für Auswärtige und Einheimische kalkuliert, von der Festsetzung kostendeckender Gebühren abgesehen – wozu das Landesrecht nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs berechtigt – und dann im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgabe unter Beachtung des Kostenüberschreitungsverbotes und des Äquivalenzgrundsatzes den einheimischen Benutzern einen Zuschuß zu der einheitlich festgesetzten “Normalgebühr” gewährt (vgl. Beschlußabdruck S. 9 f.); der Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit ist im Baden-Württembergischen Landesabgabenrecht nicht enthalten, vielmehr läßt dieses die Berücksichtigung auch persönlicher/wirtschaftlicher Verhältnisse bei der Gebührengestaltung zu (Beschlußabdruck S. 10).

Danach hat die Frage des Gleichheitsverstoßes hier in Wahrheit die Zulässigkeit eines “Einheimischenabschlags” in Form der Subventionierung – nur – der eigenen Gemeindebürger zum Gegenstand. Sie richtet sich nicht in erster Linie auf abgabenrechtliche Gebührenbemessungsgrundsätze. Ob eine Gemeinde ihren Einwohnern einen Zuschuß zu einheitlich festgesetzten Benutzungsgebühren gewähren darf, ist vielmehr bei diesem Ausgangspunkt zunächst keine Frage der – im Ansatz einheitlich vorgenommenen – Gebührenbemessung, sondern der Rechtmäßigkeit einer auf einen Teil der Benutzer beschränkten Subventionsgewährung (Püttner/Lingemann, JA 1984, 121 ≪125≫; Gern VBlBW 1996, 201 ≪202≫). Gemäß Art. 28 Abs. 2 GG ist den Gemeinden “im Rahmen der Gesetze” die Selbstverwaltung, d.h. die freie Regelung der örtlichen Angelegenheiten, garantiert (vgl. Beschluß vom 3. Mai 1994 – BVerwG 8 NB 1.94 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 70, S. 13, ≪18≫). Hierzu zählt u.a. die Finanzhoheit, d.h. die Entscheidungsfreiheit darüber, für welche (zulässigen) Ziele welche Mittel in welcher Höhe verwendet werden sollen. Da der Betrieb der Musik- und Kunstschule – wie festgestellt – dem Selbstverwaltungsbereich der Antragsgegnerin zuzurechnen ist, steht es der Antragsgegnerin frei, im Rahmen ihrer kommunalen Kultur- und Bildungspolitik Förderungsmaßnahmen vorzusehen und auf ihre eigenen Bürger zu beschränken (Gern, a.a.O.; Rüttgers KStZ 1979, 125 ≪128≫). Der Höhe der Gebührensätze kann im kommunalen Bereich eine erhebliche kommunalpolitische Bedeutung zukommen. Die betroffenen kulturpolitischen, sozialstaatlichen und sonstigen öffentlichen Interessen können – soweit nicht Landesrecht zwingend entgegensteht – eine bewußte Kostenunterschreitung und damit Subventionierung aus allgemeinen Haushaltsmitteln der Gemeinde rechtfertigen. Die Entscheidung darüber steht – wie auch diejenige über die Gewährung von Subventionen – im Rahmen etwaiger landesrechtlicher Eingrenzungen gemäß Art. 28 Abs. 2 GG der jeweiligen Gemeinde zu (Dahmen KStZ 1978, 228 ≪229≫). Die Festsetzung nicht kostendeckender Gebühren ist gleichbedeutend mit der indirekten Subventionierung aller – auch auswärtiger – Benutzer. Dazu ist eine Gemeinde mit Blick auf Art. 28 Abs. 2 GG nicht verpflichtet. Sie kann daher unter diesen Umständen durch die Gewährung eines “Zuschusses” an ihre Einwohner den Subventionsvorteil nichtkostendeckender Gebühren auf ihre Gemeindebürger beschränken. Der dagegen erhobene Einwand, die ungewollte Subventionierung auswärtiger Benutzer könne durch die kostendeckende Gebührenbemessung für alle vermieden werden (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Januar 1979 – 8 OVG A 2/78 – OVGE 35, 321 ≪322≫; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Oktober 1978 – II A 484/78 – NJW 1979, 565 f.), verkennt die insoweit bestehende Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit der Gemeinde (Rüttgers, a.a.O. S. 126).

Daß die Beschränkung der Förderung auf die eigenen Gemeindebürger mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, steht außer Frage. Insoweit ist das Kriterium der Ortsverbundenheit und der Beteiligung an den Gemeinlasten der Gemeinde ein hinreichender sachlicher Differenzierungsgrund (Ossenbühl, DVBl 1973, 289 ≪295≫; Dahmen KStZ 1978, 228 ≪229≫; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Bd. I, § 9 KAG Rn. 31). Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die kommunalen Finanzmittel – aus denen Subventionen gezahlt und Defizite beglichen würden – stammten zu einem großen Teil aus dem kommunalen Finanzausgleich, dessen Zuwendungsmasse aus den staatlichen Steuern unabhängig davon erbracht werde, ob die Steuerpflichtigen ortsansässig oder ortsfremd seien (so Thiem, KAG SH, § 6 Rn. 120). Denn es darf nicht übersehen werden, daß die Höhe der Ausgleichszuwendungen auf die Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde abstellt und die Last von Defiziten die Gemeindebürger in Form von verschiedenartigen Einschränkungen jedenfalls unmittelbarer trifft als Auswärtige. In diesem Zusammenhang kommt auch dem für die Gebührenbemessung nicht unmittelbar einschlägigen Argument e maiore ad minus Bedeutung zu, die Gemeinde könne statt des nach Landesrecht möglichen völligen Ausschlusses der Zulassung Auswärtiger zu öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde auch deren Zulassung unter bloßem Ausschluß gewährter Zuschüsse gestatten.

Art. 28 Abs. 2 GG läßt danach in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls bei “freiwilligen” öffentlichen Einrichtungen ohne Benutzungszwang (vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht Bremen, Urteil vom 13. Dezember 1994 – 1 BA 7/94 – NVwZ 1995, 804 ≪805 f.≫; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 30. November 1994 – 8 L 166/92 – KStZ 1996, 132 ≪134≫) die Gewährung eines auf die Einwohner der Gemeinde beschränkten Abschlags von einheitlich festgesetzten Benutzungsgebühren zu, wenn – was hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs der Fall ist – die “Normalgebühren” unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz nicht zu beanstanden sind, sie keine Überschreitung der gebührenfähigen Kosten bewirken und damit zu keiner indirekten Subventionierung der einheimischen Benutzer durch die Auswärtigen führen; ferner darf – aus dem gleichen Grundgedanken – die Einrichtung der Gemeinde nicht kostendeckend oder gar gewinnbringend sein.

2. Der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf der abweichenden Beantwortung der im Beschwerdeverfahren als klärungsbedürftig aufgeworfenen Rechtsfrage. Die abschließenden und eher nebenbei erörterten Hinweise auf die Sachwidrigkeit der Gebührendifferenzierung im Hinblick auf die “Zielvorstellungen des Landesentwicklungsprogramms 1983” und die Vorschriften über die Förderungsgrundsätze des Jugendbildungsgesetzes (Beschlußabdruck S. 13) stehen dem nicht entgegen. Denn sie tragen den Normenkontrollbeschluß erkennbar nicht selbständig, sondern gründen auf der fehlerhaften – weil von einem falschen rechtlichen Ansatz ausgehenden – Annahme einer ungleichen und gleichheitswidrigen, gegen Gebührenbemessungsgrundsätze verstoßenden Gebührenbelastung. Das Normenkontrollgericht hat die Nichtigkeit der angegriffenen Satzungsbestimmungen somit insgesamt mit einer vom Bundesverwaltungsgericht nicht geteilten Interpretation einer Maßstabsnorm – hier des Art. 3 Abs. 1 GG unter Vernachlässigung des Art. 28 Abs. 2 GG – begründet; seine Entscheidung beruht deshalb auf der abweichenden Rechtsauffassung (vgl. Ziekow in Sodan/Ziekow, NKVwGO, § 47 Rn. 351). Der Verwaltungsgerichtshof wird nach Aufhebung seines Beschlusses erneut zu entscheiden haben, ob die Nichtigkeit der angegriffenen Satzungsregelungen – die als solche mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar sind – unter Berücksichtigung des dargelegten abweichenden rechtlichen Ansatzes und unter Berücksichtigung von Art. 28 Abs. 2 GG allein aus den landesrechtlichen Vorschriften des Landesentwicklungsprogramms 1983 und des Jugendbildungsgesetzes bzw. – hinsichtlich der Nr. 3.3 der Gebührensatzung – aus der ergänzend beanstandeten Unbestimmtheit dieser Regelung (vgl. Beschlußabdruck S. 13 am Ende) folgt. Dabei kann auch von Bedeutung sein, daß die im Normenkontrollbeschluß angesprochene überörtliche Zweckbestimmung zugewendeter Landesförderungsmittel unter geringerer Beeinträchtigung der Selbstverwaltungsgarantie auch über entsprechende Auflagen bei der Mittelvergabe gesichert werden könnte.

IV.

Da die Beschwerde gegen die Nichtvorlage zulässig und begründet ist, sind Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben (§ 1 Abs. 1 Buchst. b, § 11 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 2502 des Kostenverzeichnisses ≪Anlage 1 zu § 11 GKG≫). Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu treffenden neuen Entscheidung. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Kleinvogel, Prof. Dr. Driehaus, Dr. Silberkuhl, Sailer, Krauß

 

Fundstellen

BVerwGE, 60

DÖV 1997, 954

DVBl. 1997, 1062

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