Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehen der Beitagspflicht. öffentliche Straße. Widmung. Verjährung. Beginn der Verjährungsfrist. Verwirkung. revisibles Recht. allgemeine Rechtsgrundsätze

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verjährungsfrist beginnt bei Erschließungsbeiträgen frühestens mit der Widmung der Anbaustraße zum öffentlichen Verkehr, ohne daß dabei die Dauer des Zeitraums zwischen der endgültigen Herstellung der Straße und der (nachträglichen) Widmung von Bedeutung ist.

Die Frage einer möglichen Verwirkung des gemeindlichen Anspruchs auf Zahlung von Erschießungsbeiträgen richtet sich nach nichtrevisiblen Landesrecht.

 

Normenkette

BauGB § 127 Abs. 2 Nr. 1, § 133 Abs. 2 S. 1; VwGO § 137 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.05.1997; Aktenzeichen 6 A 13153/96)

VG Koblenz (Entscheidung vom 30.09.1996; Aktenzeichen 8 K 3708/95.KO)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Mai 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 548 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht, ist sie jedenfalls unbegründet. Der Rechtssache kommt die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es.

1. Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, wann die Festsetzungsverjährung beginnt. Dabei verkennt sie, daß sich die Beantwortung der Frage, ob eine Erschließungsbeitragsforderung verjährt ist, nach Landesrecht richtet (stRspr, vgl. Urteil vom 22. April 1994 – BVerwG 8 C 18.92 – Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 91 S. 1 ≪3≫ m.w.N.). Bundesrechtlich kann diese Frage nur insoweit überprüft werden, als Voraussetzung für den Beginn des Laufs einer landesrechtlich bestimmten Verjährungsfrist das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflichten gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist (vgl. Urteile vom 1. Oktober 1986 – BVerwG 8 C 68.85 – Buchholz 406.11 § 133 Nr. 98 S. 66 und vom 22. April 1994 a.a.O.). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist darüberhinaus bereits geklärt, daß in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Straße erst nach ihrer endgültigen Herstellung für den öffentlichen Verkehr gewidmet wird, die Beitragspflicht frühestens mit der nachfolgenden Widmung entsteht, weil Erschließungsbeiträge nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nur für öffentliche zum Anbau bestimmte Straßen usw. verlangt werden können (vgl. Urteil vom 14. Juni 1968 – BVerwG IV C 65.66 – Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 3 S. 5 ≪6 ff.≫ und vom 12. Dezember 1969 – BVerwG IV C 100.68 – Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 34 S. 7 ≪10≫).

Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, wurde die Widmung der Straße erstmals am 21. Mai 1994 öffentlich bekanntgemacht, so daß die Erschließungsanlage frühestens zu diesem Zeitpunkt die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhielt. Dies schließt es nach der angeführten Rechtsprechung von Bundesrechts wegen aus, daß die Verjährung zu einem früheren Zeitpunkt beginnen konnte, ohne daß sich insoweit noch klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen würden. Insbesondere vermag die Dauer des Zeitraums zwischen der technischen Fertigstellung der Anlage und ihrer nachträglichen Widmung an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

2. Auch die weitere von der Beschwerde für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit ein Anspruch auf Zahlung eines Beitrages als verwirkt anzusehen ist, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Die erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften des Bundesrechts behandeln nur den Inhalt der Beitragsforderung, deren Schuldner, das Entstehen und die Fälligkeit des Beitrags sowie Billigkeitsmaßnahmen des § 135 Abs. 2 bis 5 BauGB. Im übrigen aber bestimmt sich die Abwicklung der durch das Bundesrecht begründeten Ansprüche nach landesrechtlichen Vorschriften (vgl. u.a. Urteile vom 28. Oktober 1981 – BVerwG 8 C 8.81 – Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 78 S. 10 ≪15≫ und vom 14. August 1987 – BVerwG 8 C 60.86 – Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 42 S. 1 ≪3 f.≫). Der Rechtsgedanke der Verwirkung ist Ausfluß des Grundsatzes von Treu und Glauben. Das Gebot, sich so zu verhalten, wie Treu und Glauben es verlangen, gehört zu den allgemeinen Grundsätzen sowohl des Verwaltungsrechts des Bundes als auch des Verwaltungsrechts der Länder. Welchem Rechtskreis dieser Grundsatz im Einzelfall zuzurechnen ist, hängt von der Qualität des Rechts ab, zu dessen Ergänzung er jeweils herangezogen wird: Bundesrecht wird durch bundesrechtliche allgemeine Grundsätze, Landesrecht wird, sofern nicht zugleich Bundesverfassungsrecht berührt wird, durch landesrechtliche allgemeine Grundsätze ergänzt (Urteile vom 14. April 1978 – BVerwG 4 C 6.76 – BVerwGE 55, 337 ≪339≫ und vom 14. August 1987, a.a.O. S. 4). Da es hier um die Auswirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben auf die sich nach Landesrecht richtende Abwicklung von erschließungsbeitragsrechtlichen Ansprüchen, also um die Ergänzung von Landesrecht geht, handelt es sich um die Anwendung eines dem Landesrecht angehörenden allgemeinen Grundsatzes.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13, 14 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Silberkuhl, Sailer, Golze

 

Fundstellen

Haufe-Index 1460794

ZKF 1998, 60

ZMR 1998, 120

UPR 1998, 118

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