Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarkeit von Baugenehmigung und gaststättenrechtlicher Betriebszeitbeschränkung für eine Diskothek. Gaststättenerlaubnis. Betriebszeit. Beschränkung. Lärmschutz. Baugenehmigung. Bindungswirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Die baurechtliche Genehmigung einer Gaststätte (Diskothek) erstreckt sich zwar auf die entsprechende Nutzung der Räume, schließt aber nicht ohne weiteres die verbindliche Feststellung ein, die Nutzung sei ohne jede zeitliche Begrenzung zulässig.

 

Normenkette

GastG § 3 Abs. 1 S. 2, § 4 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Urteil vom 19.08.1991; Aktenzeichen 22 B 88.3570)

VG Regensburg (Entscheidung vom 28.11.1988; Aktenzeichen RN 5 K 86.511)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. August 1991 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Sie stützt sich auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Eine solche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Beschwerde stellt sinngemäß die Frage, ob das Ende der täglichen Betriebszeit einer „Schank- und Speisewirtschaft mit Diskothek” aus Gründen des Lärmschutzes in der Gaststättenerlaubnis auf 23 Uhr festgesetzt werden darf, auch wenn die Diskothek zuvor ohne zeitliche Einschränkung baurechtlich genehmigt worden ist. Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision; denn sie ist, soweit sie in einem Revisionsverfahren erheblich sein könnte, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt.

Die baurechtliche Genehmigung eines Bauvorhabens erstreckt sich auf die ihm zugedachte Nutzung. Deshalb darf die Gaststättenerlaubnis für eine baurechtlich genehmigte Gaststätte nicht mit der Begründung versagt werden, die vorgesehene Nutzung widerspreche dem öffentlichen Baurecht (vgl. BVerwGE 80, 259 ≪261 f.≫; 84, 11 ≪13 f.≫). Die baurechtliche Genehmigung einer Gaststätte schließt aber nicht ohne weiteres die verbindliche Feststellung ein, die Nutzung sei ohne jede zeitliche Begrenzung zulässig. Einzelheiten der Nutzungsausübung, insbesondere die täglichen Betriebszeiten, können vielmehr im Einzelfall dem gaststättenrechtlichen Verfahren vorbehalten sein (Beschluß vom 20. Oktober 1988 – BVerwG 4 B 195.88 – BRS 48, 357; vgl. auch Michel/Kienzle, GastG, 10. Aufl., § 4 Rdnr. 63 S. 203; ferner BVerwGE 38, 209 ≪219≫). Das Berufungsgericht hat festgestellt, Auswirkungen etwaiger schädlicher Umwelteinwirkungen auf die Betriebszeit seien hier nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens gewesen und es gehöre – jedenfalls in seinem Zuständigkeitsbereich – auch nicht zum Begriff der Diskothek, daß solche Betriebe über 23 Uhr hinaus geöffnet seien. Unter diesen Umständen besteht kein Widerspruch zwischen der bindenden Grundentscheidung der Baugenehmigung einerseits und der gaststättenrechtlichen Betriebszeitbeschränkung auf 23 Uhr andererseits.

Ferner beruft sich die Beschwerde auf den Revisionszulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Es fehlt aber an der schlüssigen Darlegung eines solchen Mangels entsprechend dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO:

Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsgericht sei, was den Zeitpunkt der Sperrung des Wiesenwegs angehe, „von einem falschen Sachverhalt ausgegangen”. Dieses Vorbringen allein ergibt nicht, daß das Gericht eine Verfahrensvorschrift mißachtet hätte.

Weiterhin beanstandet die Beschwerde in diesem Zusammenhang, das Berufungsgericht habe die in der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 1990 (Niederschrift S. 2) von der Klägerin vorgebrachte Behauptung, der Wiesenweg sei erst nach der letzten Schallpegelmessung gesperrt worden, „nicht berücksichtigt”. Damit soll möglicherweise eine Verletzung des Gebots des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht werden. Richtig ist, daß das Berufungsgericht ohne ausdrückliche Erörterung der angeführten Behauptung der Klägerin die umgekehrte zeitliche Abfolge angenommen hat. Daraus folgt aber noch kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, daß die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten, wie Art. 103 Abs. 1 GG es verlangt, zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Nur wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich das Gegenteil ergeben, kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör festgestellt werden (vgl. BVerfGE 65, 293 ≪295 f.≫). Solche besonderen Umstände sind hier nicht dargetan. Sie sind übrigens auch nicht ersichtlich: Aus der Niederschrift über den Augenschein des Berufungsgerichts am 12. Juli 1991 (S. 3) geht hervor, daß der Wiesenweg mit einem Schild „Durchfahrt verboten” und mit dem Zusatzschild „20–3 Uhr, gilt für Ein- und Ausfahrt” gesperrt ist. Der Beigeladene hat mit seinem an das Verwaltungsgericht Regensburg gerichteten Schriftsatz vom 5. September 1988 (S. 2) und nochmals mit einem an das Berufungsgericht gerichteten Schriftsatz vom 2. August 1991 (S. 2) eine Kopie einer ihm im Februar 1983 von der Marktgemeinde Eichendorf zugesandten Ausnahmegenehmigung vorgelegt, die sich auf dieses (von 20–3 Uhr währende) Verkehrsverbot bezieht. Offenbar hat das Berufungsgericht hieraus sowie aus den beigezogenen und im Urteil in Bezug genommenen Behördenakten (z.B. Schreiben der Markgemeinde Eichendorf an Herrn Sailer vom 1. Februar 1983 und Schreiben der Brauerei Aldersbach an das Landratsamt vom 22. März 1983) – trotz der oben erwähnten, aber nicht belegten Behauptung der Klägerin – die Überzeugung gewonnen, daß die im Zeitpunkt seiner Entscheidung gültige Verkehrsbeschränkung schon vor der letzten Schallpegelmessung vom Juli 1983 eingeführt war.

Schließlich rügt die Beschwerde als Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO), das Berufungsgericht habe die von der Klägerin als Kerngebiet eingestufte Umgebung der Gaststätte als Dorf- oder Mischgebiet qualifiziert, ohne den Flächennutzungsplan beizuziehen. Auch damit ist ein Verfahrensmangel nicht entsprechend den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargetan. Die Beschwerde zeigt nämlich nicht auf, inwiefern es zur Feststellung der Art der baulichen Nutzung in der Umgebung der Gaststätte außer dem Augenschein, den das Berufungsgericht eingenommen hat, noch der Beiziehung des Flächennutzungsplans bedurft hätte. Ist somit nicht dargelegt, daß das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft von einem Dorf- oder Mischgebiet ausgegangen ist, so ist auch das weitere Beschwerdevorbringen nicht schlüssig, das Berufungsgericht hätte aufklären müssen, ob für Kerngebiete in Eichendorf höhere Immissionsrichtwerte gelten als für Dorf- und Mischgebiete.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Meyer, Dr. Diefenbach, Dr. Scholz-Hoppe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI543853

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