Verfahrensgang

VG Düsseldorf (Aktenzeichen 11 K 5514/00)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 6. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Das Bundesamt für den Zivildienst lehnte mit Bescheid vom 28. März 2000 den Antrag des Klägers auf Befreiung vom Zivildienst ab. Den dagegen am 3. April 2000 erhobenen Widerspuch wies die Beklagte mit Bescheid vom 25. April 2000 zurück. Die dagegen am 31. Mai 2000 erhobene Klage (VG 11 K 3361/00) hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. Oktober 2000 abgewiesen, gegen das sich der Kläger ebenfalls mit der Nichtzulassungsbeschwerde wendet (BVerwG 6 B 62.00).

Der vorliegende Rechtsstreit betrifft den von der Beklagten erlassenen Einberufungsbescheid für den Zivildienst vom 26. April 2000 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 10. August 2000. Diese Klage hat das Verwaltungsgericht ebenfalls mit Urteil vom 6. Oktober 2000 abgewiesen.

Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO lassen sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.

1. Die Beschwerde sieht in der allgemeinen Wehrpflicht, der nur Männer unterliegen, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG). Sie verweist auf gewandelte gesellschaftliche Verhältnisse, die eine Verpflichtung nur der Männer und nicht auch der Frauen zum Wehr- und Ersatzdienst als nicht mehr sachlich gerechtfertigt erscheinen ließen. Auch macht sie geltend, dass es an Wehrgerechtigkeit fehle, da nicht alle Wehrpflichtigen eines Geburtsjahrgangs herangezogen würden; die Einberufungspraxis sei überdies willkürlich, was sich an der Debatte zeige, wie auf den geringer werdenden Bedarf an Wehrpflichtigen zu reagieren sei.

a) Mit den Ausführungen der Beschwerde zu Art. 3 Abs. 2 GG wird die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt. Es fehlt die Formulierung einer bestimmten, höchtrichterlich ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage (vgl. BVerwGE 13, 90, 91 f.). Der Senat hat zu der Frage der Beschränkung der Wehr- und Ersatzdienstpflicht auf Männer zuletzt in seinem Urteil vom 10. November 1999 – BVerwG 6 C 30.98 – (BVerwGE 110, 40, 52 f.) wie folgt Stellung genommen: Dass Frauen – anders als Männer – in Friedenszeiten nicht zu einem Pflichtdienst herangezogen werden, beruht auf der Entscheidung des Verfassungsgebers in Art. 12 a GG. Diese Vorschrift hat gleichen verfassungsrechtlichen Rang wie Art. 3 Abs. 2 und 3 GG; sie wäre somit – selbst als Ausnahmeregelung – gerechtfertigt, wenn man in der Dienstpflicht für Männer eine „Benachteiligung” im Sinne des Art. 3 Abs. 3 GG zu sehen hätte (BVerfGE 12, 45, 52 f.).

An dieser rechtlichen Beurteilung hat sich durch das von der Beschwerde erwähnte Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Januar 2000 – C-285/98 – (NJW 2000, 497) nichts geändert. Darin war die Frage zu beantworten, ob die Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen der Anwendung nationaler Bestimmungen entgegenstehe, die wie die des deutschen Rechts Frauen allgemein vom Dienst mit der Waffe ausschließen und ihnen nur den Zugang zum Sanitäts- und Militärmusikdienst erlauben. Diese Frage hat der Europäische Gerichtshof bejaht. Er hat aber nicht die Frage behandelt, ob die allein Männer treffende Verpflichtung zum Wehr- oder Ersatzdienst gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter verstößt. Insoweit bleibt die eingangs erläuterte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts unangetastet.

Der Verfassungsgeber hat der durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Recht der Frauen, auch militärische Berufe zu ergreifen, geschaffenen Lage inzwischen dadurch Rechnung getragen, dass er eine Änderung des Art. 12 a Abs. 4 Satz 2 GG beschlossen hat, nach der Frauen „auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden” dürfen (vgl. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 19. Dezember 2000 ≪Art. 12 a≫, BGBl I, 1755). Damit hat der Verfassungsgeber die in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit geführte Debatte zur Wehrpflicht von Frauen (vgl. dazu den Bericht der von der Bundesregierung berufenen Wehrstrukturkommission vom 23. Mai 2000, S. 76 f. mit Hinweis auf die Änderung des Art. 3 Abs. 2 GG im Jahre 1994 und auf die fortbestehenden Benachteiligungssituationen für Frauen) abschließend und für die Gerichte bindend entschieden.

b) Die zusätzlich erhobene Behauptung fehlender Wehrgerechtigkeit begründet die Beschwerde im Wesentlichen durch Verweise auf Zeitungsberichte und auf anstehende politische Entscheidungen. Auch dies genügt den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ebenfalls seit langem geklärt, dass die Nichtheranziehung einzelner Wehrpflichtiger oder Gruppen von ihnen zum Wehrdienst nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen von Wehrdienstausnahmen zulässig ist und dass der Wehrpflichtige eine etwaige mit dieser Rechtslage nicht in Einklang stehende Einberufungspraxis seiner Einberufung nicht entgegenhalten kann (BVerwGE 92, 153 ff.). Die Beschwerde legt nicht dar, dass das bestehende gesetzliche System der Wehrdienstausnahmen in Anbetracht des derzeitigen Personalbedarfs der Bundeswehr ungeeignet ist, die Wehrgerechtigkeit zu gewährleisten, und infolgedessen höherrangigem Recht widerspricht. Die öffentliche Erörterung der Frage, wie in der Zukunft nach einem geplanten erheblichen Abbau von Dienstplätzen für Wehrpflichtige die Wehrgerechtigkeit gesichert werden könne, ist hierfür kein Beleg.

2. Ein Verfahrensfehler, der zur Zulassung der Revision führen könnte (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wird mit der Beschwerde nicht geltend gemacht.

Diese rügt, dass das Verwaltungsgericht die in zeitlichem Abstand voneinander anhängig gemachten Klageanträge zum einen auf Aufhebung der Ablehnung der Befreiung vom Zivildienst und zum anderen auf Aufhebung des Einberufungsbescheids nicht in demselben Verfahren behandelt und beschieden, sondern gemäß § 93 VwGO als getrennte Klagen geführt habe. Mit diesem Vorbringen kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden. Denn die Verfahrenstrennung unterliegt nach § 146 Abs. 2 VwGO nicht der Beschwerde; hieraus folgt nach § 173 VwGO i.V.m. § 548 ZPO, dass diese Frage der revisionsgerichtlichen Beurteilung entzogen ist (vgl. Beschluss vom 19. November 1982 – BVerwG 9 CB 674.82 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 217). Durch § 548 ZPO wird allerdings nicht die Rüge solcher Verfahrensfehler ausgeschlossen, die als Folge der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend der angefochtenen Sachentscheidung anhaften (vgl. BVerwGE 39, 319, 323 f.; 110, 40, 44). Eine derartige Verfahrenslage macht die Beschwerde jedoch nicht geltend. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, wie sich die von der Beschwerde beanstandete Verfahrenstrennung auf die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts ausgewirkt haben könnte.

Dass das Verwaltungsgericht die Sache nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat, kann ihm schon deswegen nicht als Verfahrensfehler vorgehalten werden, weil es – entgegen der Annahme der Beschwerde – die entscheidungserheblichen Rechtsnormen nicht für verfassungswidrig gehalten hat.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

Unterschriften

Eckertz-Höfer, Büge, Graulich

 

Fundstellen

Dokument-Index HI642541

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