Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Antragstellerin rügt die Verletzung ihrer Beteiligungsrechte hinsichtlich eines Befehls des Kommandeurs des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung.

Rz. 2

Am 19. Februar 2019 zeichnete der Kommandeur des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung den Befehl Nr..../2019 "Befehl für die Wahrnehmung der Aufgaben im Gefahrgutwesen im Kommandobereich Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung".

Rz. 3

Dieser Befehl wurde der Versammlung der Vertrauenspersonen des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung unter dem 20. Februar 2019 auf elektronischem Wege mit der Bitte um weitere Veranlassung bzw. Kenntnisnahme übermittelt.

Rz. 4

Am 21. März 2019 ging bei dem Kompaniechef der... ein undatiertes Schreiben der Antragstellerin ein, mit dem sie beim Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Beschwerde gegen den Befehl Nr..../2019 einlegte. Die Antragstellerin rügte, dass die Versammlung der Vertrauenspersonen des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung nicht beteiligt worden sei, obwohl der Befehl Bereiche des Arbeitsschutzes berühre und der Beteiligungstatbestand des § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SBG erfüllt sei.

Rz. 5

Mit Bescheid vom 14. Mai 2020, der Antragstellerin ausgehändigt am 25. Mai 2020, wies der Inspekteur des Sanitätsdienstes die Beschwerde zurück. Zur Begründung führte er aus, die Beschwerde sei sowohl unzulässig als auch unbegründet. Die Beschwerde sei nach Ablauf der Monatsfrist und damit verfristet erhoben worden. Darüber hinaus sei auch kein Beteiligungstatbestand verletzt worden. Die Festlegung der Beteiligung richte sich im vorliegenden Fall nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz, da nicht ausschließlich Soldaten und Soldatinnen, sondern auch Zivilisten betroffen seien. Sicherlich betreffe das Gefahrgutwesen auch die Arbeitssicherheit. Aber im konkreten Fall würden mit dem Befehl organisatorische Maßnahmen zur Benennung und Ausbildung von Gefahrgutbeauftragten sowie Betriebsabläufe geregelt. Es handele sich daher um eine Anordnung mit regelndem Charakter im innerdienstlichen (organisatorischen) und personellen Bereich im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG, zu der der Bezirkspersonalrat zu beteiligen sei. Dagegen handele es sich nicht um eine Maßnahme nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SBG. Die Beschwerde sei "somit als unzulässig zurückzuweisen."

Rz. 6

Am 15. Mai 2020 zeichnete der Kommandeur des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung den Befehl Nr..../2019 in einer mit dem Zusatz "1. Änderung" versehenen geänderten Fassung. Die Änderungen beschränkten sich dabei im Wesentlichen auf die Angabe der durchgeführten Beteiligungen. Der Hinweis, dass die Versammlung der Vertrauenspersonen des Kommandos nach § 34 Abs. 3, § 33 Abs. 7, § 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG zu informieren sei, findet sich in dem Text des Befehls nicht mehr. Stattdessen wird dargestellt, dass der Bezirkspersonalrat beim Kommando... beteiligt worden sei.

Rz. 7

Gegen den Beschwerdebescheid vom 14. Mai 2020 legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 16. Juni 2020, bei dem Kompaniechef der... am selben Tag eingegangen, weitere Beschwerde ein, die sie an den Generalinspekteur der Bundeswehr adressierte.

Rz. 8

Mit Bescheid vom 15. September 2020, der Antragstellerin zugestellt am 22. September 2020, wies der Generalinspekteur der Bundeswehr die weitere Beschwerde zurück. Die weitere Beschwerde sei zulässig, aber unbegründet. Der Inspekteur des Sanitätsdienstes habe die Beschwerde zutreffend als verfristet beurteilt. Einer Entscheidung der soldatenbeteiligungsrechtlichen Fragestellungen bedürfe es vor diesem Hintergrund nicht.

Rz. 9

Am 21. Oktober 2020 hat die Antragstellerin beim Generalinspekteur der Bundeswehr unter Bezugnahme auf dessen ablehnende Entscheidung einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Diesen Antrag hat der Generalinspekteur mit seiner Stellungnahme vom 15. November 2021 am 10. Dezember 2021 dem Senat vorgelegt.

Rz. 10

Die Antragstellerin macht geltend, dass die Beschwerde entgegen dem Beschwerdebescheid vom 14. Mai 2020 nicht verfristet erhoben worden sei. Der Bescheidverfasser versuche rechtswidrig, § 187 Abs. 2 BGB anzuwenden, obwohl § 187 Abs. 1 BGB für den Fristbeginn einschlägig sei. Damit führe ein Fristbeginn am 21. Februar zwangsläufig dazu, dass die Frist frühestens am 21. März habe auslaufen können (§ 188 Abs. 2 Halbs. 1 BGB).

Rz. 11

Die Antragstellerin beantragt der Sache nach,

unter Abänderung der Beschwerdebescheide des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr vom 14. Mai 2020 und des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 15. September 2020 ihrer Beschwerde stattzugeben und festzustellen, dass sie vor Erlass des Befehls Nr..../2019 "Befehl für die Wahrnehmung der Aufgaben im Gefahrgutwesen im Kommandobereich Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung" des Kommandeurs des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung vom 19. Februar 2019 in der Fassung der 1. Änderung dieses Befehls vom 15. Mai 2020 hätte beteiligt werden müssen.

Rz. 12

Der Generalinspekteur der Bundeswehr beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Rz. 13

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung dürfte sich als zulässig, aber unbegründet erweisen. Die Ausgangsbeschwerde sei mit Blick auf ihre Verfristung bereits unzulässig gewesen. Dieser Zulässigkeitsmangel sei auch im Verfahren über die weitere Beschwerde beachtlich gewesen, so dass diese als zulässig, aber unbegründet zurückzuweisen gewesen sei. Entsprechendes dürfte für den vorliegenden Antrag gelten.

Rz. 14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen, die dem Senat bei der Beratung vorgelegen haben.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 15

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt erfolglos, weil ihm kein ordnungsgemäßes vorgerichtliches Beschwerdeverfahren vorangegangen ist. Die Beschwerde der Antragstellerin vom 21. März 2019 wurde verspätet eingelegt.

Rz. 16

1. Gemäß § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer Nacht und muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 1 WB 5.12 - juris Rn. 27 m. w. N.). Anders als § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO, der den Beginn der gerichtlichen Antragsfrist an die Zustellung des zurückweisenden Beschwerdebescheids knüpft, setzt § 6 Abs. 1 WBO für den Beginn der Beschwerdefrist nur die tatsächliche, positive Kenntnis vom Beschwerdeanlass voraus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn - was hier nicht der Fall ist - für eine truppendienstliche Maßnahme eine bestimmte Art der Bekanntgabe durch eine gesetzliche Regelung oder eine Verwaltungsvorschrift vorgeschrieben ist oder in ständiger Verwaltungspraxis durchgeführt wird; dann beginnt die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs erst mit dieser förmlichen Bekanntgabe zu laufen (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2013 - 1 WB 43.12 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 87 Rn. 30).

Rz. 17

2. a) Hiernach begann gemäß § 6 Abs. 1 WBO unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Kenntnisnahme durch die Antragstellerin am 20. Februar 2019 die Monatsfrist für die Einlegung der Beschwerde am 21. Februar 2019. Die Beschwerdefrist endete gemäß § 31 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB (ebenso über § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB) mit Ablauf des 20. März 2019 und nicht - wie die Antragstellerin meint - am 21. März 2019. Nach § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB endigt eine Frist, die - wie hier - nach Monaten bestimmt ist, im Falle des § 187 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis fällt. Hierbei kommt es auf den Tag der Kenntniserlangung als Ereignis an (vgl. etwa zuletzt BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2022 - 1 WB 48.21 - juris Rn. 29).

Rz. 18

Bis zum Ablauf der Frist am 20. März 2019 ist eine Beschwerde des Sprechers der Antragstellerin weder gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 WBO bei dessen nächstem Disziplinarvorgesetzten noch beim Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr als der für die Entscheidung über die Beschwerde zuständigen Stelle eingegangen. Die undatierte Beschwerde des Sprechers der Antragstellerin, eingegangen beim Disziplinarvorgesetzten am 21. März 2019, ist verspätet.

Rz. 19

b) Der Fristablauf wurde auch nicht durch Umstände gehemmt, die im Sinne von § 7 Abs. 1 WBO als unabwendbarer Zufall zu werten sind. Die Antragstellerin hat hierzu keine entsprechenden Umstände vorgetragen.

Rz. 20

c) Die verspätete Einlegung der Beschwerde ist hier auch nicht ausnahmsweise unbeachtlich.

Rz. 21

aa) Sie betrifft keine von Amts wegen zu beachtende Zulässigkeitsvoraussetzung und steht einer gerichtlichen Entscheidung in der Sache nicht generell entgegen (BVerwG, Beschluss vom 31. August 2017 - 1 WRB 1.16 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 96 Rn. 18). Nach der Rechtsprechung des Senats gilt in Fällen, in denen eine Beschwerdestelle eine verfristete Beschwerde nicht wegen Verspätung nach § 12 Abs. 3 Satz 1 WBO zurückgewiesen hat, nichts anderes als im allgemeinen Verwaltungsprozessrecht, wenn eine Widerspruchsbehörde im Vorverfahren nach den §§ 68 ff. VwGO trotz Fristablaufs in der Sache entschieden hat. Nach der Rechtsprechung der Revisionssenate des Bundesverwaltungsgerichts zum allgemeinen Verwaltungsprozessrecht kann die Widerspruchsbehörde auch über einen verspäteten Widerspruch sachlich entscheiden und damit den Weg zur verwaltungsgerichtlichen Sachprüfung eröffnen (vgl., auch zum Folgenden, insb. BVerwG, Urteil vom 4. August 1982 - 4 C 42.79 - NVwZ 1983, 285 m. w. N.; kritisch hierzu Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 70 Rn. 11). Die Widerspruchsfrist dient in derartigen Fällen vornehmlich dem Schutz der Behörde selbst. Ihr steht es deswegen frei, sich entweder mit dem Ergebnis der Unzulässigkeit des Widerspruchs auf die Fristversäumnis zu berufen oder aber unter Außerachtlassung der Fristversäumnis zur Sache selbst zu entscheiden.

Rz. 22

bb) Überträgt man diese Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. November 2014 - 1 WB 61.13 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 91 Rn. 38 ff. und vom 31. August 2017 - 1 WRB 1.16 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 96 Rn. 18), auf das Beschwerdeverfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung, so fehlt es vorliegend bereits an einer (sich über die Fristversäumnis hinwegsetzenden) Sachentscheidung des für die Entscheidung über die Beschwerde zuständigen Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Denn dieser hat die Beschwerde der Antragstellerin mit dem Bescheid vom 14. Mai 2020 ausdrücklich - sowohl im Tenor als auch am Ende der Begründung seines Bescheides - als unzulässig zurückgewiesen, wobei dies von dem Generalinspekteur der Bundeswehr in dessen Bescheid vom 15. September 2020 bekräftigt worden ist. Der Inspekteur des Sanitätsdienstes hat sich auch nicht auf eine (die gerichtliche Überprüfung wiedereröffnende) Sachprüfung eingelassen. Sie folgt nicht daraus, dass sich der Inspekteur des Sanitätsdienstes - ungeachtet der Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig - auch inhaltlich mit der Frage der Beteiligung der Versammlung der Vertrauenspersonen des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung im vorliegenden Zusammenhang befasst hat. Hierbei handelt es sich lediglich um nicht entscheidungstragende Erwägungen, die die Antragstellerin auch über die Auffassung der Beschwerdestelle zur Frage des gerügten Beteiligungsmangels informieren sollen, ohne die Berufung auf die Unzulässigkeit als maßgeblichen Zurückweisungsgrund zu relativieren. Die Beschwerdeentscheidung vom 14. Mai 2020 heilt deshalb nicht die Fristversäumnis der Antragstellerin.

Rz. 23

3. Soweit die Antragstellerin in den vom Inspekteur des Sanitätsdienstes angestellten Erwägungen zur unterbliebenen Beteiligung der Versammlung der Vertrauenspersonen des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung im Vorfeld des hier in Rede stehenden Befehls eine erstmalige Beschwer im Sinne des § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zu erblicken meint, führt dies nicht zur Zulässigkeit des Antrages auf gerichtliche Entscheidung im Hinblick auf die angefochtenen Beschwerdebescheide. Wie bereits erörtert handelt es sich dabei um nicht tragende Erwägungen, von denen keine die Antragstellerin beschwerenden Wirkungen ausgehen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15826249

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