Entscheidungsstichwort (Thema)

Abordnung. Mitbestimmung an einer –, die auf einen 3 Monate überschreitenden Zeitraum angelegt ist und der Vorbereitung der Versetzung dient

 

Normenkette

Nds.PersVG § 78 Abs. 1 Nrn. 4-5

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 19.01.1983; Aktenzeichen 18 OVG L 9/81)

VG Oldenburg (Entscheidung vom 06.10.1981; Aktenzeichen PL 14/81)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein – Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen – vom 19. Januar 1983 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Bezirksregierung W. ordnete die beamtete Jugendleiterin G. ohne deren Zustimmung insgesamt von August 1981 bis Ende Januar 1982 von der Grund- und Hauptschule Bad Z. an die Grundschule V. ab und versetzte sie mit Wirkung vom 1. Februar 1982 dorthin. Die Abordnung wurde für zwei aufeinanderfolgende Zeitabschnitte verfügt. Die erste Abordnungsverfügung vom 11. August 1981 erfaßte den Zeitraum vom 13. August bis 12. November 1981.

Unter dem 11. August 1981 beantragte die Bezirksregierung die Zustimmung des bei ihr gebildeten Lehrerbezirkspersonalrats, des Antragstellers, zu der Abordnung mit dem Hinweis, diese geschehe „mit dem Ziel der Versetzung zum 1.2.82”. Die Fachgruppe Grundschulen des Antragstellers verweigerte ihre Zustimmung. Nunmehr traf der Präsident der Bezirksregierung W., der Beteiligte, eine vorläufige Regelung gemäß § 96 b Abs. 6 Nds.PersVG des Inhalts, daß die Jugendleiterin G. für die Zeit vom 13. August bis 12. November 1981 an die Grundschule V. abgeordnet wurde.

Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,

festzustellen, daß

  1. die Abordnung der Jugendleiterin G. an die Grundschule V. seiner Mitbestimmung bedurfte

    und

  2. die Voraussetzungen für eine vorläufige Regelung nach § 96 b Abs. 6 Nds.PersVG nicht vorlagen.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag zu 1. entsprochen und den Antrag zu 2. abgelehnt. Die gegen das antragsgemäße Erkenntnis gerichtete Beschwerde des Beteiligten blieb erfolglos, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

Die Abordnung der Jugendleiterin G. an die Grundschule V. mit dem Ziel der Versetzung dorthin habe nach § 78 Abs. 1 Nr. 4 und 5 Nds.PersVG der Zustimmung des Antragstellers bedurft. Zwar eröffneten diese Vorschriften nach ihrem Wortlaut ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nur bei Versetzungen und Abordnungen von mehr als drei Monaten Dauer. Trotz des insoweit klaren und eindeutigen Wortlauts des Gesetzes sei jedoch eine ausdehnende Auslegung des § 78 Abs. 1 Nr. 4 Nds.PersVG geboten, weil der Zusammenhang der gesetzlichen Regelungen sie gebiete. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts habe die Personalvertretung im Falle der Aufspaltung personalvertretungsrechtlich relevanter Vorgänge in einen nicht mitbestimmungspflichtigen und einen mitbestimmungspflichtigen Teil nämlich schon bei der ersten Maßnahme mitzubestimmen, sofern diese bereits als maßgebliche Vorentscheidung für die endgültige Maßnahme anzusehen sei. Die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung, daß die Befugnisse der Personalvertretung nicht durch Vorentscheidungen unterlaufen werden dürften, welche die endgültige Entscheidung weitgehend vorwegnähmen, gelte für alle Arten von Maßnahmen. Sie besage im vorliegenden Fall, daß der Antragsteller bereits an der am 11. August 1981 verfügten ersten Abordnung der Jugendleiterin G. habe mitbestimmen müssen. Diese Abordnung sei mit dem erklärten Ziel der späteren Versetzung erfolgt und habe die in der Versetzungsverfügung zu treffende Entscheidung bereits weitgehend vorweggenommen, weil die Jugendleiterin G. schon als Folge der Abordnung in die neue Schule eingegliedert worden sei. Dem Umstand, daß sie zu dem Zeitpunkt, in dem über ihre Versetzung an die Grundschule V. zu entscheiden war, bereits längere Zeit an dieser Schule tätig gewesen sei, sei für die Versetzungsentscheidung erhebliche Bedeutung zugekommen, weil den maßgeblichen Stellen im Interesse eines kontinuierlichen Schulbetriebes habe daran gelegen sein müssen, die Jugendleiterin an der Schule zu halten. Dies belege im übrigen der weitere Verlauf der Dinge.

Die dem Antragsteller nach alledem zuzubilligende Befugnis, schon an der drei Monate nicht überschreitenden Abordnung der Jugendleiterin G. mit dem Ziel der späteren Versetzung mitzubestimmen, müsse nicht zu Schwierigkeiten bei der Unterrichtsversorgung führen. Drohten solche Schwierigkeiten, so seien die Schulbehörden gemäß § 96 b Abs. 6 Nds.PersVG berechtigt, durch vorläufige Regelungen eine gleichmäßige Unterrichtsversorgung sicherzustellen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten, mit der er der Auslegung des § 78 Abs. 1 Nr. 5 Nds.PersVG entgegentritt, auf der der angefochtene Beschluß beruht.

Der Beteiligte beantragt sinngemäß,

den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein – Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen – vom 19. Januar 1983 insgesamt und den Beschluß des Verwaltungsgericht Oldenburg – Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen – vom 6. Oktober 1981, soweit darin dem Antrag entsprochen worden ist, aufzuheben und den Antrag insgesamt abzulehnen.

Der Antragsteller tritt der Rechtsbeschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluß.

Nach der Auffassung des Oberbundesanwalts bedurfte die erstmalige Abordnung der Jugendleiterin G. bereits deswegen der Zustimmung des Antragstellers, weil sie nicht nur für den in der Abordnungsverfügung genannten Zeitraum, sondern für die gesamte Zeit bis zu der vorgesehenen Versetzung der Beamtin beabsichtigt gewesen sei. Zudem unterliege eine Abordnung mit dem Ziel der Versetzung unabhängig von ihrer Dauer stets der Mitbestimmung der Personalvertretung, weil sie das Ergebnis der späteren Versetzung insoweit vorwegnehme, als der Betroffene bereits endgültig aus seinem bisherigen Arbeitsgebiet herausgenommen werde und sich nicht nur vorübergehend an einem neuen Arbeitsplatz einzuarbeiten habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits mehrfach entschieden, daß Vorentscheidungen in Fragen, die der Mitbestimmung der Personalvertretung unterlägen, ebenfalls mitbestimmungspflichtig seien. Zwar seien diese Entscheidungen sämtlich in Verfahren ergangen, deren Gegenstand die Beteiligung der Personalvertretung an Maßnahmen gewesen sei, die eine Beförderung oder die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens vorbereiteten. Die Überlegung, eine möglichst frühzeitige Beteiligung der Personalvertretung solle die Dienststelle daran hindern, Vorentscheidungen zu treffen, die später kaum noch zu ändern seien und die Personalvertretung daher in der wirksamen Ausübung ihrer Rechte beschränkten, gelte aber hinsichtlich aller Beteiligungsbefugnisse.

Der Wortlaut des § 78 Abs. 1 Nr. 5 Nds.PersVG stehe dem nicht entgegen; denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfe eine Vorschrift abweichend von ihrem Wortlaut ausgelegt werden, wenn der Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des Gesetzes ergebe, daß sie nicht nur das aussage, was sie nach ihrem Wortlaut auszusagen scheine. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus einer Gesamtschau der Nrn. 4 und 5 des § 78 Abs. 1 Nds.PersVG, daß eine Abordnung mit dem Ziel der anschließenden Versetzung als wichtige Vorentscheidung für die Versetzung unabhängig von der Dreimonatsfrist der Mitbestimmung unterliege.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere mangelt es nicht an dem für das Begehren des Antragstellers erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Angesichts der fortbestehenden Unterschiede in den Rechtsauffassungen der Verfahrensbeteiligten und deren tatsächlichen Auswirkungen auf Umfang und Ausgestaltung der Beteiligungsbefugnis des Antragstellers bedarf nach wie vor der Klärung, unter welchen Voraussetzungen der Antragsteller bei der Abordnung von Lehrern mitzubestimmen hat.

Die Rechtsbeschwerde bleibt jedoch ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zutreffend entschieden, daß der Beteiligte der Zustimmung des Antragstellers zu der am 11. August 1981 verfügten Abordnung der Jugendleiterin G. bedurft hätte.

Von dieser Rechtsauffassung ist ersichtlich auch der Beteiligte ursprünglich ausgegangen, wie sich aus der Tatsache ergibt, daß er die Zustimmung des Antragstellers zu der Abordnung förmlich – wenn auch erst am Tage des Erlasses der Abordnungsverfügung – beantragt hat und, nachdem der Antragsteller seine Zustimmung versagt hatte, eine vorläufige Regelung nach § 96 b Abs. 6 Nds.PersVG getroffen hat, für die nur im Rahmen eines einzuleitenden oder noch nicht abgeschlossenen Mitbestimmungsverfahrens Raum ist. Daß er seine Auffassung später geändert hat, läßt sich daran erkennen, daß er das Stufenverfahren nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nds.PersVG nicht eingeleitet hat, nachdem eine Einigung mit dem Antragsteller nicht hatte erreicht werden können.

Die rechtliche Beurteilung der Beteiligungsbefugnis des Antragstellers hat im vorliegenden Fall von dem Zweck der gegenüber der Jugendleiterin G. ergriffenen Maßnahme auszugehen. Nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts ist die Beamtin am 11. August 1981 mit dem – auch gegenüber dem Antragsteller erklärten – Ziel abgeordnet worden, sie zum 1. Februar 1982 an die Grundschule V. zu versetzen und sie – so muß dem Zusammenhang der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz in Übereinstimmung mit dem Oberbundesanwalt entnommen werden – zwischenzeitlich nicht wieder an die Grund- und Hauptschule Bad Z. zurückkehren zu lassen. Die Abordnung war also von vornherein auf einen längeren Zeitraum als drei Monate angelegt und diente der organisatorischen – und wohl auch persönlichen – Vorbereitung der Versetzung der Beamtin an die Grundschule V.. Ihre Befristung auf drei Monate ist mithin entweder irrtümlich erfolgt oder sollte das Entstehen eines – bei längerer zeitlicher Ausdehnung der Abordnung nach § 78 Abs. 1 Nr. 5 Nds.PersVG ohne weiteres gegebenen – Mitbestimmungsrechts des Antragstellers vereiteln. Der Beteiligte handelt daher in jedem Fall rechtsmißbräuchlich und verstößt gegen das Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit, wenn er sich zur Abwehr des vom Antragsteller in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrechts auf die Befristung der Abordnungsverfügung vom 11. August 1981 beruft.

Der Beteiligte verkennt damit überdies den Zweck der Fristregelung des § 78 Abs. 1 Nr. 5 Nds.PersVG. Diese soll es dem Dienstherrn ermöglichen, im Interesse der Funktionsfähigkeit der Dienststellen kurzfristig personelle Dispositionen treffen zu können, ohne zuvor die nicht immer unverzüglich zu erreichende Zustimmung der Personalvertretung einholen zu müssen. Daß deren Beteiligungsbefugnis nach dem Willen des Gesetzgebers insoweit hinter die Bedürfnisse des Dienstherrn und seiner Dienststellen zurücktritt, rechtfertigt sich aus der Überlegung, daß eine auf drei Monate befristete Abordnung nicht so entscheidend in die dienstlichen und persönlichen Verhältnisse des abgeordneten Beamten und der sonst von der Maßnahme betroffenen Beschäftigten eingreift, daß diese des kollektivrechtlichen Schutzes des Personalrats bedürften. Das gilt jedoch dann nicht mehr, wenn die Abordnung nur nominell auf drei Monate befristet wird, nach den bereits festliegenden Vorstellungen des Dienstherrn in Wirklichkeit aber länger dauern soll.

Vollends fehlt es an einer Rechtfertigung dafür, das Mitbestimmungsrecht an einer Abordnung auszuschließen, wenn diese eine Versetzung vorbereiten soll, indem die organisatorischen Umstellungen und der Eingriff in die persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen, der mit einem endgültigen Behördenwechsel notwendig verbunden ist, vor den eigentlichen Versetzungsakt vorverlegt werden. Hier bedarf der Betroffene ebenso wie die in der abgebenden und der aufnehmenden Dienststelle von der Maßnahme berührten weiteren Beschäftigten des kollektivrechtlichen Schutzes gerade zu dem Zeitpunkt, in dem die auf Dauer angelegten Veränderungen wirksam werden, mag ihre formelle rechtliche Verfestigung auch noch ausstehen.

Ähnliche Erwägungen haben das Bundesverwaltungsgericht in anderen Zusammenhängen schon wiederholt zu der Feststellung geführt, die Personalvertretung könne ihre Befugnisse nur sachgerecht und wirksam ausüben, wenn sie bereits an der Vorbereitung beteiligungspflichtiger Maßnahmen möglichst frühzeitig beteiligt werde (BVerwGE 37, 169 ≪172≫ m.w.Nachw.; 41, 30 ≪32≫). Daraus ist die rechtliche Folgerung gezogen worden, die Personalvertretung sei an Vorentscheidungen, die die beteiligungspflichtige Maßnahme vorbereiteten und teilweise schon festlegten, in der gleichen Form zu beteiligen wie an der Maßnahme selbst, weil sie anderenfalls in der Ausübung ihrer Rechte mehr oder weniger stark beschränkt sei (BVerwGE a.a.O.). Diese Grundsätze sind zwar in Fällen entwickelt worden, die die Beförderung oder den anders gearteten beruflichen Aufstieg von Beschäftigten zum Gegenstand hatten. Dem Beschwerdegericht ist jedoch darin beizupflichten, daß sie in dem hier zu erörternden Zusammenhang gleichermaßen Geltung beanspruchen, weil im vorliegenden Fall ebenso wie in den bereits entschiedenen Fällen die Sicherung der Funktion der Personalvertretung und die uneingeschränkte Gewährleistung des kollektivrechtlichen Schutzes im Mittelpunkt stehen, denen die Beteiligung des Personalrats dient. Das hat das Beschwerdegericht richtig erkannt und deswegen zu Recht § 78 Abs. 1 Nr. 4 NdsPersVG als die personalvertretungsrechtliche Grundlage des von ihm zutreffend bejahten Mitbestimmungsrechts des Antragstellers bezeichnet.

Die von der Rechtsbeschwerde dagegen vorgetragenen Bedenken greifen nicht durch. Ihnen liegt eine isolierte Betrachtung der Abordnungsverfügung vom 11. August 1981 zugrunde, die nach dem zuvor Gesagten rechtlich nicht statthaft ist, weil diese Verfügung den wahren Sachverhalt nicht vollständig erfaßt.

Mit dem ergänzenden Hinweis, die Rechte des Antragstellers seien im Rahmen seiner förmlichen Beteiligung an der Versetzung der Jugendleiterin G. ausreichend gewahrt worden, beruft sich die Rechtsbeschwerde auf Tatsachen, die von den Vorinstanzen nicht festgestellt worden sind und daher im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden dürfen.

 

Unterschriften

Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1476588

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