Entscheidungsstichwort (Thema)

Beamter auf Probe: Entlassung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung. Eignung, Zweifel an der gesundheitlichen Eignung als Entlasssungsgrund für Beamten auf Probe. Rechtliches Gehör, Verletzung des Anspruchs – auf bei Übergehen von Vorbringen

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; BBG § 31 Abs. 1 Nr. 2; VwGO § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3

 

Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Urteil vom 15.05.1986; Aktenzeichen 1 A 180/84)

VG Köln (Entscheidung vom 01.09.1983; Aktenzeichen 15 K 5396/82)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai 1986 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 300 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie grundsätzliche, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen aufwirft, deren im künftigen Revisionsverfahren zu erwartende Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Die in diesem Sinne zu verstehende grundsätzliche Bedeutung muß gemäß § 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO durch Anführung mindestens einer konkreten, sich aus diesem Verwaltungsrechtsstreit ergebenden Rechtsfrage, die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird, und durch die Angabe des Grundes, der die Anerkennung der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll, dargelegt werden (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; u.a. BVerwGE 13, 90 ≪91, 92≫). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht.

Die Frage, “ob die eine Entlassung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung aussprechende Behörde eine gesicherte Kenntnis vom Gesundheitszustand des Beamten haben muß, oder ob es ausreicht, daß das Gesundheitsamt ohne jede Begründung feststellt, der Beamte sei nach einem der Behörde nicht bekannten und auch inhaltlich nicht mitgeteilten fachärztlichen Gutachten nicht gesundheitlich geeignet”, rechtfertigt die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht. Nach der bereits vom Berufungsgericht angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 11, 139 ≪141≫; 19, 344 ≪346 f.≫; Urteile vom 17. Mai 1962 – BVerwG 2 C 87.59 – ≪Buchholz 232 § 31 Nr. 6 = ZBR 1963, 215≫, vom 14. Mai 1970 – BVerwG 6 C 112.65 – ≪DÖD 1970, 194 f.≫ und vom 20. April 1977 – BVerwG 6 C 109.74 – ≪Buchholz 237.0 § 38 Nr. 1≫ sowie Beschlüsse vom 1. März 1984 – BVerwG 2 B 214.82 – und vom 22. Mai 1984 – BVerwG 2 B 17.84 –) sind für eine Entlassung eines Beamten auf Probe wegen mangelnder Bewährung gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG bereits nachhaltige Zweifel an der erforderlichen gesundheitlichen Eignung ausreichend, weil auch sie eine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit ausschließen können. Hierfür genügt eine körperliche und psychische Veranlagung der Art, daß die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Es ist eindeutig, daß sich derartige Zweifel nicht nur aus ärztlichen Gutachten, sondern auch aus anderen Umständen, insbesondere auch aus erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten ergeben können. Es kommt nicht allein und entscheidend auf die Art und das Ausmaß der einzelnen körperlichen Gebrechen usw., den objektiven ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche an (vgl. Beschluß vom 1. März 1984 – BVerwG 2 B 214.82 –; vgl. im übrigen Urteil vom 17. Oktober 1966 – BVerwG 6 C 56.63 – ≪Buchholz 232 § 42 Nr. 7≫ sowie Beschluß vom 30. September 1982 – BVerwG 2 B 167.82 –). Ob hiernach die Zweifel des Dienstherrn an der gesundheitlichen Eignung des Beamten gerechtfertigt sind, läßt sich nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilen, die der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu verleihen vermögen.

Aus den vorangehenden Erwägungen ergibt sich, daß auch die weitere Frage, ob der Gesichtspunkt, daß “der Kläger nach seiner Ernennung zum Beamten auf Probe nur einen Tag Dienst geleistet habe und nach der Auffassung von Prof. … eine sichere Prognose über die Krankheit des Klägers nicht möglich sei …, bei einer Entlassung nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG herangezogen werden kann”, nicht rechtsgrundsätzlich in dem dargelegten Sinne ist.

Die Frage, ob die Entlassung eines Beamten auf Probe erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf länger dauernde Fehlzeiten gestützt und diese Erwägung erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden kann, stellt sich nicht. Nach den im Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) und dem Inhalt der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Akten waren die Fehlzeiten des Klägers Anlaß und Grundlage für die amtsärztlichen Untersuchungen, die zu der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe geführt haben.

Ohne rechtsgrundsätzliche Bedeutung ist auch die Frage, “von welchem Zeitpunkt an der Vertrauensmann für Schwerbehinderte bei einer Entlassung des schwerbehinderten Beamten zu beteiligen ist”. Der beschließende Senat hat in seinem im Berufungsurteil auszugsweise wiedergegebenen Urteil vom 17. September 1981 – BVerwG 2 C 4.79 – (Buchholz 232 § 32 Nr. 29) entschieden, daß das Gebot der vorherigen Anhörung des Vertrauensmannes und der Hauptfürsorgestelle gemäß § 47 Abs. 2 des Schwerbehindertengesetzes – SchwbG – regelmäßig die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach § 3 SchwbG voraussetzt. Die in dem angeführten Urteil offengelassene Frage, ob auch schon der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft genügen kann, den Schutzzweck des § 47 Abs. 2 SchwbG auszulösen, wäre in einem künftigen Revisionsverfahren ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Einen solchen Antrag hat der Kläger nach der Tatsachenwürdigung des Berufungsgerichts während des Verwaltungsverfahrens nicht gestellt. – Im Grunde genommen wendet sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang auch nicht gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, sondern beanstandet vielmehr die Auslegung des vom Kläger unter dem 19. März 1982 an die Beklagte gerichteten Schreibens, das sie anders als im Berufungsurteil geschehen, gewürdigt wissen will. Hiermit wird jedoch eine rechtsgrundsätzliche Frage in dem dargelegten Sinne nicht aufgezeigt.

Schließlich ist auch die Frage, “ob der Dienstherr einen Beamten auf Probe, der wegen ungeklärter Erkrankung aus gesundheitlichen Gründen entlassen wird, wenigstens im Angestelltenverhältnis weiterbeschäftigen muß”, nicht von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe. Ihre Rechtmäßigkeit hängt nicht davon ab, ob der Kläger aus Fürsorgegründen die Übernahme in ein Angestelltenverhältnis verlangen kann. Ob und mit welchen Maßnahmen den bei einer Entlassung aus dem Probeamtenverhältnis im Einzelfall auftretenden Härten unter Wahrung der berechtigten Interessen des Dienstherrn begegnet werden kann, läßt sich im übrigen nicht rechtsgrundsätzlich klären (Beschluß vom 1. März 1984 – BVerwG 2 B 214.82 –).

Ein Verfahrensmangel, der die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rechtfertigen könnte, ist ebenfalls nicht gegeben.

Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 108 Abs. 2, 138 Nr. 3 VwGO) verletzt, weil es seinen Sachvortrag nicht berücksichtigt habe, nach dem die Wehrbereichsverwaltung III ohne jede nähere Kenntnis seines Gesundheitszustandes insbesondere ohne das Gutachten von Prof. Dr. … zu kennen, seine Entlassung verfügt habe; das Berufungsgericht habe diesen Sachvortrag ignoriert und ohne jede Begründung das Gegenteil angenommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (u.a. BVerfGE 27, 248 ≪251 f.≫; 54, 43 ≪46≫). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann deshalb – in Ausnahmefällen – nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, daß das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BVerfGE 27, 248 ≪252≫; 28, 378 ≪384 f.≫; 47, 182 ≪187 f.≫). Solche die Annahme eines Ausnahmefalles rechtfertigende Umstände sind hier nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat im Gegenteil im Tatbestand des angefochtenen Urteils (UA S. 5) ausdrücklich die Auffassung des Klägers wiedergegeben, die Wehrbereichsverwaltung habe keine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung getroffen, weil sie lediglich das amtsärztliche Gutachten, nicht aber das Gutachten der Universitätsklinik gekannt habe. Den Ausführungen in den Entscheidungsgründen (UA S. 14/15) ist nicht zu entnehmen, daß das Berufungsgericht im Widerspruch zu diesem Sachvortrag davon ausgegangen ist, die Wehrbereichsverwaltung sei im Zeitpunkt des Entlassungsbescheides im Besitz auch dieses Gutachtens gewesen. Es hat vielmehr – unter anderem durch Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts – den in der amtsärztlichen Stellungnahme vom 22. Juli 1982 erwähnten und ihr zugrundeliegenden Befundbericht von Prof. Dr. … zur Bestätigung der sich aus dem amtsärztlichen Zeugnis und den häufigen Fehlzeiten des Klägers ergebenden Annahme der Beklagten herangezogen, daß bei dem Kläger zumindest die Möglichkeit häufiger Erkrankungen, wenn nicht gar die Gefahr einer vorzeitigen Zurruhesetzung, nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. – Die mit der gleichen Begründung erhobenen weiteren Rügen, das Berufungsgericht habe eine Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 104 Abs. 1, 108 Abs. 2 VwGO verletzende Überraschungsentscheidung getroffen und seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, können schon aufgrund der vorangehenden Erwägungen ebenfalls keinen Erfolg haben.

Auch die Rüge, das Berufungsgericht habe den Sachvortrag des Klägers im Schriftsatz vom 9. Mai 1986 auf Seite 3 zu dem seine Schwerbehinderung betreffenden Schreiben vom 19. März 1982 nicht in dem gebotenen Umfang zur Kenntnis genommen und damit dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, greift nicht durch. Das Berufungsgericht ist in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (UA S. 12 f.) im einzelnen auf dieses Schreiben des Klägers eingegangen. Es hat dieses lediglich nicht so gewürdigt wie es der Kläger gewürdigt wissen will. Die Beschwerde berücksichtigt nicht in ausreichendem Maße, daß gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO in dem Urteil nur die Gründe anzugeben sind, die für die richterliche Überzeugung leitend waren. Das Gericht braucht sich nicht mit jeder Einzelheit und jeder Formulierung des Vorbringens der Beteiligten auseinanderzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Senat hat gemäß seiner ständigen Praxis bei Streitsachen um die Begründung oder Beendigung eines Beamtenverhältnisses auf Probe pauschalierend den halben Jahresbetrag des Endgrundgehalts aus dem letztlich angestrebten Amt als Anhaltspunkt für die Bedeutung der Sache zugrunde gelegt.

 

Unterschriften

Fischer, Dr. Franke, Sommer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2936011

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