Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 12 A 2849/96)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. August 1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 19 700 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, Rechtsgrundsätzlichkeit, und § 132 Abs. 1 Nr. 3 VwGO, Verletzung des Verfahrensrechts, liegt vor.

Die Frage,

ob auch der nur einmalige Konsum von Haschisch stets eine Verletzung der Pflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG darstellt, und zwar auch dann, wenn der Soldat das Haschisch nicht selbst erworben hat,

ist nicht klärungsbedürftig. Die Frage ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Dienstpflichtwidrigkeit des Konsums von Haschisch durch Soldaten geklärt (vgl. u.a. BVerwGE 103, 148; 93, 3; 91, 62 und 73, 81). Danach entspricht der Haschisch konsumierende Soldat nicht dem Bild des pflichtgetreu handelnden Soldaten und weckt Zweifel an seiner Zuverlässigkeit. Der Soldat verstößt gegen das Gebot des § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (BVerwGE 93, 3 ≪6≫). Es kommt für die Pflichtwidrigkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 SG nicht darauf an, ob der Soldat das Rauschgift nur einmal oder wiederholt konsumiert hat und ob er es sich auf dem Drogenmarkt beschafft hat oder es ihm von einem anderen Soldaten geschenkt worden ist. Das Ansehen der Bundeswehr sowie die Achtung und das Vertrauen, die sein Dienst als Soldat erfordern, gebieten es, daß er sich jeglichen, nicht nur eines regelmäßigen oder wiederholten Rauschgiftkonsums enthält. Eine veränderte Einschätzung der Folgen eines einmaligen Canabisgenusses auf die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit des Konsumenten aufgrund neuer wissenschaftlicher Forschungen, wie sie die Beschwerde behauptet, ändert an der Unvereinbarkeit auch des einmaligen Konsums mit der Verpflichtung des Soldaten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG nichts.

Die Frage,

ob das Verhalten eines Soldaten, der nur einmalig Haschisch konsumiert hat und dieses auch nicht selbst erworben hat, die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet,

ist zum Teil, nämlich soweit sie auf die tatsächlichen Auswirkungen des Rauschgiftkonsums eines Soldaten auf das Verhalten und die innere Einstellung anderer Soldaten gerichtet ist, keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage. Sofern die Frage darauf abzielt, ob auf der Grundlage der zweitinstanzlichen Tatsachenfeststellungen bei dem einmaligen Haschischkonsum eines Soldaten die Tatbestandvoraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG verwirklicht sind, besteht kein Klärungsbedarf. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß auch der einmalige Haschischkonsum eines Soldaten andere Soldaten zur Nachahmung, auch in der Form des regelmäßigen Konsums anreizt und so einer allgemeinen Disziplinlosigkeit Vorschub leistet und daß ferner jede Art von Rauschgiftkonsum in den Streitkräften mit den Erwartungen der Bevölkerung an die Integrität der Bundeswehr als eine Wehrpflichtarmee unvereinbar ist. Daß bei derartigen Folgen das Verbleiben des Soldaten, der Rauschgift genommen hat, in seinem Dienstverhältnis eine erhebliche Gefahr für die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr bedeutet, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Nach ihr ist die militärische Ordnung regelmäßig gefährdet, wenn die Einsatzbereitschaft der Soldaten vermindert ist. Diese Einsatzfähigkeit wird erheblich beeinträchtigt, wenn in der Truppe der Rauschgiftkonsum verbreitet ist. Entscheidend ist die Gefahr, die der Verteidigungsbereitschaft jeder einzelnen Einheit und der Bundeswehr im ganzen droht, wenn vielfach von Soldaten Rauschgift konsumiert wird (BVerwGE 91, 62 ≪64/65≫).

Die Frage,

ob der einmalige Konsum von Haschisch unter deutlichem Alkoholgenuß die dienstliche Ordnung in einer Weise gefährdet, daß stets nur eine Entfernung aus dem Dienst in Betracht kommt,

würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat keinen „deutlichen Alkoholgenuß” bei dem Kläger im Zeitpunkt des Haschischkonsums festgestellt.

Die Frage,

ob das Verhalten sich als Teilstück einer als allgemeine Erscheinung auftretende Neigung zur Diziplinlosigkeit darstellt,

ist keine Rechtsfrage im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, sondern eine Tatsachenfrage und führt schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision.

Nicht rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig ist auch die Frage,

ob § 114 Satz 2 VwGO auch in den Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage anwendbar ist.

Die – bejahende – Antwort ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes. § 114 Satz 2 VwGO läßt es zu, daß die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen „hinsichtlich des Verwaltungsakts” noch im gerichtlichen Verfahren ergänzt. Damit verlangt § 114 Satz 2 VwGO nur, daß in dem Rechtsstreit Ermessenserwägungen, die von der Behörde beim Erlaß eines Verwaltungsakts anzustellen waren, zur gerichtlichen Prüfung stehen. § 114 Satz 2 VwGO knüpft an die Regelung des § 114 Satz 1 VwGO an, nach der die Verwaltungsgerichte die behördliche Ermessensausübung nur unter bestimmten Gesichtspunkten überprüfen dürfen. § 114 Satz 2 VwGO enthält hinsichtlich der Klagearten, für die diese Vorschrift gilt, keine nicht auch in § 114 Satz 1 VwGO vorgesehene Einschränkung.

Geklärt sind ebenfalls die Fragen,

  • ob die Ergänzung von Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO der Schriftform bedarf oder die Aufnahme in das Protokoll der mündlichen Verhandlung ausreicht
  • sowie,

    ob in einem Verfahren, das sich gegen den Rechtsträger richtet, dessen Terminvertreter auch dann zur Abänderung der Entscheidung nach § 114 Satz 2 VwGO befugt ist, wenn dieser weder der Ausgangsbehörde noch der Widerspruchsbehörde angehört.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25. Januar 1995 – BVerwG 11 C 29.93 – ≪Buchholz 316 § 38 VwVfG Nr. 11≫) erfüllt ein gerichtliches Protokoll die Anforderungen, die sich für einen schriftlich zu erlassenden Verwaltungsakt aus § 37 Abs. 3 VwVfG ergeben. Aus dem Protokoll wird deutlich, welche Behörde und wer für sie gehandelt hat. Auch den mit dem Schriftformerfordernis verfolgten Zwecken der Beweis- und Warnfunktion trägt die gerichtliche Niederschrift einer Erklärung, die den Parteien vorzulesen und von ihnen zu genehmigen ist, hinreichend Rechnung. Daß das gerichtliche Protokoll von dem handelnden Organwalter nicht unterschrieben wird, steht der Schriftform im Sinne des § 37 Abs. 3 VwVfG nicht entgegen, da die Namenswiedergabe genügt (in der Sache ebenso Beschluß vom 7. März 1996 – BVerwG 4 B 254.95 – ≪Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 111≫). Die Befugnis des Terminvertreters der Beklagten zur Abgabe der Erklärung ist nicht zweifelhaft.

Da die zu Protokoll gegebene Erklärung des Beklagtenvertreters eine wirksame Ergänzung der behördlichen Ermessenserwägungen darstellen, stellt es auch nicht einen Verfahrensfehler i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar, daß das Berufungsgericht diese ergänzenden Erwägungen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 13 Abs. 4 Satz 1 b GKG.

 

Unterschriften

Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Bayer

 

Fundstellen

Haufe-Index 565986

NJW 2001, 242

NVwZ 2000, 1186

SGb 2001, 314

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