Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlerische Mitglieder eines Theaters, Begriff: –. Kunstfreiheit, Werk- und Wirkbereich im Rahmen der –. Technische Berufe, Begriff „Künstlerische Mitglieder” schließt – nicht aus. Theater, Bühneninspektoren eines -s als künstlerische Mitglieder. Bühneninspektoren eines Theaters als künstlerische Mitglieder

 

Leitsatz (amtlich)

Künstlerische Mitglieder eines Theaters im Sinne von § 95 BaWüPersVG sind alle im Theater Beschäftigten, deren vertragliche Aufgabe es ist, eigene schöpferische künstlerische Leistungen in die Gestaltung einer Aufführung einzubringen. Die Möglichkeit zu einer künstlerisch mitgestaltenden Aufgabenerfüllung darf dabei aber nicht nur in ganz seltenen und vom Gewicht her geringfügigen Fällen gefordert sein.

Für die Beantwortung der Frage, ob Bühneninspektoren diese Anforderungen erfüllen, kommt dem an den Bühnentechniker-Tarifvertrag (BTT) anknüpfenden Dienstvertrag eine wichtige indizielle Bedeutung zu.

 

Normenkette

BaWüPersVG § 95

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 08.09.1992; Aktenzeichen PL 15 S 878/92)

VG Karlsruhe (Entscheidung vom 10.01.1992; Aktenzeichen 16 K 2971/90)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 8. September 1992 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Es geht um die Frage, ob die bei der Dienststelle „Städtisches Theater” (Nationaltheater der Stadt Mannheim) tätigen Bühneninspektoren des Kleinen Hauses (Schauspielhaus) künstlerische Mitglieder des Theaters i.S. von § 95 BaWüPersVG sind und deshalb nach dieser Vorschrift eine Mitbestimmung bei Personalangelegenheiten wie Einstellung und Eingruppierung nicht stattfindet.

Bis zur Spielzeit 1989/1990 waren beim Kleinen Haus (Schauspielhaus) ein Bühneninspektor sowie zwei Theatermeister beschäftigt, die nach BAT eingestuft waren. Zur Spielzeit 1990/1991 wurden dort statt dessen drei Beschäftigte als „Bühneninspektoren” unter Vertrag genommen, und zwar auf der Grundlage des Bühnentechniker-Tarifvertrages (BTT). § 2 BTT sieht vor, daß im Dienstvertrag festzustellen ist, wenn „überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben” ist. In den §§ 6 der drei Dienstverträge wird zumindest sinngemäß vermerkt, daß es sich um eine überwiegend künstlerische Tätigkeit handelt.

Der antragstellende Personalrat wandte sich im September 1990 bei dem Beteiligten, dem Generalintendanten des Nationaltheaters, gegen die Behandlung der drei als „Bühneninspektoren” angestellten Beschäftigten als künstlerisch Tätige. Es handele sich um Theatermeister, die nicht unter den BTT fielen. Sie seien nach BAT/SR 2 k einzustellen. Für die tarif- und personalvertretungsrechtliche Stellung der Beschäftigten seien deren Tätigkeiten maßgebend und nicht deren Bezeichnung. Da der Beteiligte demgegenüber die schöpferische Tätigkeit der neuen Bühneninspektoren und ihren Einfluß auf die künstlerische Wiedergabe der Theateraufführungen betonte, leitete der Antragsteller im November 1990 das verwaltungsgerichtliche Beschlußverfahren ein.

Er hat die Feststellung beantragt, daß der Beteiligte verpflichtet sei, vor der Einstellung und Eingruppierung von Bühneninspektoren und Theatermeistern die Zustimmung des Antragstellers einzuholen, hilfsweise die Feststellung, daß der Beteiligte bei der zum 3. September 1990 erfolgten Einstellung und Eingruppierung der drei Bühneninspektoren verpflichtet gewesen sei, die Zustimmung des Antragstellers einzuholen. Die Bühneninspektoren oder Theatermeister des Kleinen Hauses (Schauspielhaus) seien in Wirklichkeit nicht überwiegend künstlerisch tätig. Sie hätten allenfalls zu 10 % eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Neuerarbeitung der technischen Umsetzung künstlerischer Ideen. Ihnen obläge vielmehr die tägliche Organisation und Überwachung des Auf-, Um- und Abbaus von Bühnendekorationen. Sie erstellten Dienstpläne, organisierten Reparaturen der Bühnendekorationen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 10. Januar 1992 festgestellt, daß der Beteiligte bei der Einstellung und Eingruppierung der drei Bühneninspektoren verpflichtet gewesen sei, die Zustimmung des Antragstellers einzuholen. Im übrigen hat es den Antrag des Antragstellers abgelehnt. Auf die Beschwerde des Beteiligten hat der Verwaltungsgerichtshof (s. Beschluß vom 8. September 1992, PersR 1993, 222 f.) den erstinstanzlichen Beschluß geändert und den Antrag des Antragstellers insgesamt abgewiesen. Er ist davon ausgegangen, daß die drei Bühneninspektoren im personalvertretungsrechtlichen Sinn als künstlerische Mitglieder des Theaters zu behandeln seien.

Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers. Er ist der Auffassung, das künstlerische Theaterpersonal werde von dem BTT nicht erfaßt. Für künstlerisches Theaterpersonal gelte vielmehr der Normalvertrag Solo. Dieser betrachte als „Bühnenmitglied” vor allem Einzeldarsteller, Kapellmeister, Spielleiter, Dramaturgen, Singchordirektoren, Tanzmeister, Repetitoren, Inspizienten, Souffleure sowie Personen in ähnlicher Stellung. Auch die notwendig restriktive Auslegung der Ausnahmeregelung des § 95 BaWüPersVG ergebe, daß unter künstlerischen Mitgliedern von Theatern und Orchestern nur die ausschließlich künstlerisch Tätigen zu verstehen seien. Hingegen seien die für die Technik zuständigen Arbeitnehmer keine Bühnenmitglieder. Auch durch eine entsprechende arbeitsvertragliche Bestimmung könnten sie nicht zu künstlerisch Tätigen gemacht werden. Indizien hierfür wirke der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) mit seiner Sonderregelung der Anlage 2 (SR 2 k), dem zu entnehmen sei, daß entscheidend für die Herausnahme aus dessen Geltungsbereich eine überwiegend künstlerische Tätigkeit sei, weshalb der BAT beispielsweise für Theaterobermeister gelte. Auch Sinn und Zweck des § 95 BaWüPersVG sprächen gegen eine Einschränkung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Personalrats bei Bühneninspektoren.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 8. September 1992 aufzuheben und die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Karlsruhe – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) – vom 10. Januar 1992 zurückzuweisen.

Der Beteiligte beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Beschwerdegericht hat zu Recht entschieden, daß dem Antragsteller ein Recht auf Mitbestimmung bei der Einstellung und Eingruppierung der drei Bühneninspektoren nicht zustand.

1. Rechtsschutzinteresse und Interesse des Antragstellers an der im Rechtsbeschwerdeverfahren allein noch mit dem ursprünglichen Hilfsantrag begehrten Feststellung lagen bei Einleitung des Beschlußverfahrens vor und sind auch später nicht entfallen. Zwar erfolgte die Einstellung und Eingruppierung der drei Bühnenmeister im Jahre 1990 und kann schon deshalb nicht rückgängig gemacht werden, weil ihre Dienstverträge bis zum Ende der Spielzeit 1991/92 befristet waren. Dem Sachvortrag des Antragstellers ist indes zu entnehmen, daß es ihm nicht lediglich um die konkreten Fälle der Einstellung und Eingruppierung geht, sondern sogar vorrangig um die einbezogene (abstrakte) personalvertretungsrechtliche Frage, ob der Beteiligte verpflichtet ist, in entsprechenden Fällen der Einstellung und Eingruppierung von Bühneninspektoren die Zustimmung des Antragstellers einzuholen. Hierbei handelt es sich um einen Streit, der zwischen den Beteiligten mit einer mehr als nur geringen Wahrscheinlichkeit wieder auftreten kann. Die nach dem Bühnentechniker-Tarifvertrag übliche Befristung derartiger Dienstverträge auf eine oder mehrere Spielzeiten, die auch in den Ausgangsfällen erfolgte, läßt erwarten, daß sich die zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage bereits in nicht ferner Zukunft zwischen den Verfahrensbeteiligten neu stellen kann.

Allerdings ist es in solchen Fällen erforderlich, daß der Antragsteller ausdrücklich einen auf die genannte verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage gerichteten Antrag stellt. Hier wurde hingegen der Hilfsantrag allein anlaßbezogen formuliert. Dies ist nach der Rechtssprechung des Senats indessen unschädlich, weil es um einen Fall geht, der vor Ende 1993 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen ist, und sich außerdem die zu klärende Rechtsfrage dem Vorbringen mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen läßt (vgl. Beschluß v. 15. Februar 1994 – BVerwG 6 P 9.92 – NVwZ-RR 1994, 453 f und PersR 1994, 167 ff).

2. Dem Beschwerdegericht ist darin zuzustimmen, daß die von dem Beteiligten eingestellten drei Bühneninspektoren als „künstlerische Mitglieder” des Theaters im Sinne von § 95 BaWüPersVG zu betrachten sind, so daß dem Antragsteller bei deren Einstellung und Eingruppierung ein Recht zur Mitbestimmung nicht zustand.

Künstlerische Mitglieder eines Theaters im Sinne der genannten personalvertretungsrechtlichen Vorschrift des Landes Baden-Württemberg sind alle im Theater Beschäftigten, deren Aufgabe es ist, eigene schöpferische künstlerische Leistungen in die Gestaltung einer Aufführung einzubringen. Hierfür ist ein wesentliches Indiz, daß die Pflicht zu künstlerischer Leistung vertraglich vereinbart ist. Nicht erforderlich ist, daß der künstlerische Anteil der Tätigkeit die anderen, nichtkünstlerischen Bereiche der Tätigkeit überwiegt, insbesondere entscheidet nicht der zeitliche Umfang der künstlerischen Leistungen. Allerdings verlangt eine derart weitgehende gesetzliche Herausnahme von Beschäftigten aus dem kollektiven Arbeitsschutz, daß die Tätigkeit – im Sinne einer Untergrenze – zumindest auch durch künstlerische Anteile geprägt ist. Ein Gepräge dieser Art ist anzunehmen, wenn eine künstlerisch mitgestaltende Aufgabenerfüllung nicht in derart seltenen und vom Gewicht her geringfügigen Fällen anfällt und gefordert ist, so daß von kaum mehr als einer Randerscheinung gesprochen werden könnte. Eine personalvertretungsrechtliche Verschiedenbehandlung im Vergleich zu den übrigen technischen Bediensteten des Theaters wäre dann nicht mehr gerechtfertigt. Dazu ist im einzelnen zu bemerken:

a) Bühneninspektoren können bei entsprechender Vertragsgestaltung und Betätigungsmöglichkeit künstlerische Mitglieder eines Theaters im Sinne des baden-württembergischen Personalvertretungsrecht selbst dann sein, wenn ihre Hauptaufgabe in der Aufrechterhaltung der Bühnensicherheit und der Leitung des technischen Bühnenbetriebes besteht.

aa) Schon seinem Wortlaut nach grenzt der Begriff „künstlerische Mitglieder” in § 95 BaWüPersVG, der sich als solcher auch bereits in der Gesetzesfassung vom 25. Juni 1958 findet (s. GBl S. 175), im technischen Bereich angesiedelte Berufe wie Bühneninspektoren nicht ohne weiteres aus. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann der gewählten Formulierung eine Beschränkung auf ausschließlich künstlerisch Tätige nicht entnommen werden. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gebrauch des Wortes „Mitglied”. Daß der Begriff der Mitgliedschaft die Zugehörigkeit zu einer Gruppe bzw. Gemeinschaft ausdrückt, wie der Antragsteller betont, trifft zwar zu. Dementsprechend erfassen Sprachgebräuche wie „Orchestermitglied” und „Ensemblemitglied” die Zugehörigkeit zu besonderen Gruppen im Theater. Sie schließen aber nicht aus, dem Funktionsbegriff Theater, als der Stätte, in dem eine besondere Form der Kunstproduktion stattfindet, alle dort Tätigen als Mitglied zuzuordnen, und die künstlerisch Tätigen nach dem Inhalt ihrer Aufgaben besonders hervorzuheben.

bb) Der Entstehungsgeschichte des § 95 BaWüPersVG kann gleichfalls nicht entnommen werden, daß der Gesetzgeber den Begriff des künstlerischen Mitglieds auf die ausschließlich künstlerisch Tätigen eingrenzen wollte. Die ursprüngliche Fassung des BaWüPersVG vom 28. Juni 1958 (GBl S. 175) sprach in ihrem, im übrigen inhaltlich dem späteren § 95 entsprechenden § 79 noch von „künstlerischen und diesen gleichzuachtenden Mitgliedern von Theatern und Orchestern” (vgl. Regierungsentwurf vom 25. Oktober 1957, 2. Wp., Beilage 1220). Die heutige Formulierung, in der lediglich die Worte „und diesen gleichzuachtenden” gestrichen wurden, ist in der 4. Wahlperiode Gesetz geworden. Mit dieser Novellierung war – wie die Gesetzesmaterialien deutlich ergeben – lediglich eine Klarstellung des bisherigen Textes ohne inhaltliche Änderungen beabsichtigt (vgl. dazu Protokoll der Landtagssitzung vom 28. März 1968, 4. Wp, S. 6957).

cc) Dafür, wer aus dem besonderen Blickwinkel des Personalvertretungsrechts als künstlerisches Mitglied eines Theaters gelten darf oder nicht, muß somit letztlich maßgeblich sein, ob und welche legitimen Ziele der Gesetzgeber mit einer Vorschrift verfolgen durfte, die den Bediensteten eines Theaters unterschiedlichen personalvertretungsrechtlichen Schutz angedeihen läßt, je nachdem ob sie künstlerisch tätig sind oder nicht.

Für die Sonderregelung des § 95 BaWüPersVG sprechen sachlich akzeptable Gründe. Sie läßt sich als eine Form der Verwirklichung der in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Kunstfreiheit begreifen, und zwar in deren Funktion als wertentscheidende Grundsatznorm (vgl. BVerfGE 30, 173). § 95 BaWüPersVG will das auf ein Zusammenwirken vieler Personen angewiesene, künstlerische Gestalten in Theatern und Orchestern durch Freistellung der Dienststelle von den üblichen personalvertretungsrechtlichen Bindungen in besonderer Weise unterstützen. Zwar entzieht sich einer eindeutigen oder für alle Fälle gleichermaßen gültigen Beurteilung, ob eine solche Regelung der Verwirklichung von Kunst in Theatern tatsächlich nützt. Dies mag die anderen Länder bewogen haben, in ihren Personalvertretungsgesetzen auf eine ebenso weitreichende Einschränkung der Beteiligung zu verzichten. Es ist aber der jeweilige Gesetzgeber, dem im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative vorrangig die Entscheidung darüber zusteht, ob die Institution Kunst im Theater durch Regelungen dieser Art effektiver als ohne sie gefördert werden kann. Er darf hierbei berücksichtigen, daß die Entstehungsbedingungen von Kunst im Theater besonders komplex und, angesichts eines sich weiter entwickelnden Kunstverständnisses, welches sich auf Grenzen von Kunst nicht festlegen läßt, auch nicht abschließend beschreibbar sind. So läßt sich der Entstehungsprozeß von Kunst im Theater nicht einmal einem der durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Bereiche, dem Werk- oder Wirkbereich (vgl. BVerfGE 30, 173, 189) eindeutig zuordnen. Der (sozial wirksame) Wirkbereich kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts tendenziell eher beschränkt werden als der Werkbereich (s. BVerfGE 77, 240, 253 f.). Bei Kunstproduktionen des Theaters aber fallen Werk- und Wirkbereich, also die Bereiche der eigentlichen Kunstschöpfung und der Vermittlung des Kunstwerks partiell zusammen, die Übergänge zwischen beiden Bereichen sind vielfach fließend, die kunstvermittelnden Sparten wie Regie, Darstellung, Bühnenbild, Bühnenbildumbauten, sonstige Ausstattung können selbst nicht nur mehr oder weniger Bezug zum Kunstwerk, also beispielsweise zum aufzuführenden Theaterstück haben (vgl. BVerfGE 77, 240, 254), sondern erweisen sich mitunter auch selbst als Kunstschöpfung, ohne daß es sinnvoll wäre, zwischen „eigentlicher” und „reproduzierender” und „ergänzender” Kunstschöpfung zu unterscheiden. Zur Erreichung eines Gesamtkunstwerks aus Inszenierung und inszeniertem Werk können verschiedene kunstschaffende Beiträge erforderlich sein, deren Ziel, als letzte Stufe und mitunter als Teil des Vermittlungsprozesses, die Erreichung eines Publikums ist. Die Unmöglichkeit, Kunst generell zu definieren (s. BVerfGE 67, 213, 225) und feste Regeln der Kunstproduktion am Theater aufzustellen, die nicht lediglich Äußerliches, wie die Möglichkeiten von Inszenierungs-Organisation, beschreiben, gibt den für das Endprodukt maßgeblich Verantwortlichen, insbesondere Intendanten und Regisseur, im Ergebnis erhebliche Spielräume zur Verwirklichung ihrer Kunstvorstellungen.

dd) Der Vergleich der Sonderregelung des § 95 BaWüPersVG mit § 81 BaWüPersVG zeigt, daß der Gesetzgeber offenbar diesen Besonderheiten einer theatergemäßen Kunstproduktion hat gerecht werden wollen:

Während § 81 BaWüPersVG den eindimensionalen Schutz der Kunstfreiheit eines einzelnen Beschäftigten, der sich überwiegend künstlerisch betätigt, in schonungsvoller Weise regelt, indem er die Mitbestimmungsrechte in Personalangelegenheiten nur auf Antrag dieses Beschäftigten greifen läßt, dies ggfs. aber uneingeschränkt, führt der Schutz der Kunstfreiheit in § 95 BaWüPersVG zu einschneidenden Beschränkungen des kollektiven Arbeitsrechtsschutzes. Die Mitbestimmungsrechte werden sehr weitgehend, d.h. in den wesentlichen Mitbestimmungsangelegenheiten und unabhängig vom Willen der Betroffenen ganz ausgeschlossen. Das läßt sich nur mit dem mehrdimensionalen, überindividuellen Schutz der Kunstfreiheit erklären und rechtfertigen. Geschützt wird das gemeinsame Zusammenwirken verschiedener Träger des Grundrechts der Kunstfreiheit bei der Gestaltung einheitlicher Kunstwerke, also die institutionelle wie auch die kollektive Freiheit gemeinsamen künstlerischen Schaffens. Der stärkere Eingriff rechtfertigt sich mithin nicht aus einer besonders intensiven Inanspruchnahme der Kunstfreiheit durch die unter die Regelung fallenden Beschäftigten. Er ist allein dadurch gestattet, daß – durch die Kunstgattung bedingt – notwendig mehrere Personen am Prozeß der künstlerischen Gestaltung mitwirken müssen, wie dies ja gerade wesentliches Kennzeichen von Theatern und Orchestern ist. Dieser Prozeß soll ausschließlich „kunstgerecht”, also nach den Eigengesetzlichkeiten der Kunst, ablaufen und nicht nach anderen Kriterien und auch nicht durch die Bindung an sonstige Regeln gehemmt oder gar beeinträchtigt werden: Der kollektive arbeitsrechtliche Schutz der einzelnen künstlerisch Tätigen soll die eigenständige Entfaltung des gemeinsamen künstlerischen Schaffens im künstlerischen Kollektiv nicht hindern.

b) Vor diesem Hintergrund legitimieren Sinn und Zweck des § 95 BaWüPersVG die weitgehende Herausnahme der davon betroffenen Personen aus dem kollektiven Schutz des Personalvertretungsrecht nur, soweit diese Personen künstlerisch tätig werden können und sollen und sich in diesem Rahmen dazu verpflichtet haben. Auf ein solches Können und Sollen kommt es entscheidend an, nicht jedoch darauf, ob und wie oft das Theater im einzelnen davon Gebrauch macht. Künstlerische Mitglieder im Sinne der genannten Vorschrift sind deshalb zunächst einmal alle im Theater Beschäftigten, deren vertragliche Aufgabe es ist, eigene schöpferische künstlerische Leistungen in die Gestaltung einer Aufführung einzubringen. Eine solche vertragliche Vereinbarung darf allerdings nicht – aber dafür bietet der zu entscheidende Fall auch keinen Anhaltspunkt – lediglich vorgeschoben sein. Den Regelungen in den Tarifverträgen, insbesondere den Fiktionen in § 2 Abs. 2 Satz 2 BTT und Nr. 1 Abs. 2 Satz 3 der SR 2 k BAT, wonach der Angestellte als überwiegend künstlerisch tätig gilt, wenn im Dienstvertrag vereinbart ist, daß überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben sei, kann dabei eine ausschlaggebende rechtliche Bedeutung nicht zukommen. Sie zeitigen allenfalls eine tatsächlich indizielle Wirkung. Denn Tarifverträge können nicht verbindlich regeln, ob die Voraussetzungen eines gesetzlichen Mitbestimmungsausschlusses gegeben sind, wenn dieser nicht selbst an tarifvertragliche Regelungen anknüpft, worauf auch § 3 BaWüPersVG hinweist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 18. März 1981 – 6 P 26.79 – Buchholz 238.37 § 72 NWPersVG Nr. 5 = NJW 1982, 900, 901).

c) Der geschilderte verfassungsrechtliche Hintergrund rechtfertigt auch, von einem künstlerischen Mitglied im personalvertretungsrechtlichen Sinn nicht erst dann zu sprechen, wenn es überwiegend künstlerisch tätig ist. Eine überwiegend künstlerische Tätigkeit kann weder in einem zeitlichen – so zu Recht das Beschwerdegericht – noch in einem anderen Sinne gefordert werden (vgl. auch Beschluß vom 18. März 1981 – BVerwG 6 P 26.79 – a.a.O.). Die vertragliche Aufgabe, eine eigene schöpferische künstlerische Leistung in die Gestaltung einer Aufführung einzubringen, muß also durch die Bühneninspektoren nicht bei jeder oder nicht einmal in der Mehrzahl der Inszenierungen wahrgenommen werden oder wahrgenommen werden können. Die vorrangig für die Bühnensicherheit und die Funktionsfähigkeit des technischen Bühnenbetriebes verantwortlichen Bühneninspektoren mögen in der Minderzahl der Fälle zu eigener schöpferischer künstlerischer Leistung aufgerufen sein. Das mag noch am ehesten im Vorfeld der Erarbeitung der Konzeption der Inszenierung der Fall sein. Auch dann, wenn etwa Bühnenumbauten auf offener Bühne in die Spielhandlung einbezogen werden, kann das künstlerische Gesamtergebnis durch einen auch alternative technische Möglichkeiten einbeziehenden eigenschöpferischen Beitrag der zuständigen Bühneninspektoren gewinnen. Dieser Beitrag mag für das Gesamtergebnis von Aufführung zu Aufführung unterschiedliches Gewicht haben. Jedenfalls zielt eine vertragliche Verpflichtung von Bühneninspektoren zum Einsatz auch ihrer künstlerischen Fähigkeiten darauf ab, daß die Theaterleitung bzw. die Regie, entsprechende fachspezifisch fundierte eigenschöpferische Vorschläge ernstlich erwägt. Dies bedeutet eine Verstärkung der Verantwortung dieser Beschäftigten für das Gesamtergebnis.

d) Ein Gepräge durch die künstlerischen Anteile erhält die Tätigkeit der Bühneninspektoren schon dann, wenn eine künstlerisch mitgestaltende Aufgabenerfüllung nicht in derart seltenen und vom Gewicht her geringfügigen Fällen anfallen kann, daß es sich nur noch um eine zu vernachlässigende Randerscheinung handeln würde. Diese Minimalanforderung muß allerdings erfüllt sein. Denn sonst wäre eine personalvertretungsrechtliche Verschiedenbehandlung mit den übrigen technischen Bediensteten des Theaters nicht mehr gerechtfertigt. Dem an den BTT anknüpfenden Dienstvertrag kommt für die Würdigung, ob die genannten Anforderungen erfüllt sind, eine wichtige indizielle Bedeutung zu. Darin ist dem Beschwerdegericht beizupflichten. Es hat – für das Rechtsbeschwerdegericht bindend – festgestellt, daß die Bühneninspektoren dieses Theaters nach den Vorstellungen des Dienstgebers insbesondere im Vorfeld einer Inszenierung im Rahmen der Gesamtkonzeption durch Einbringung eigener, den Bereich der technischen Realisierung betreffender schöpferischer Gedanken auf die künstlerische Wiedergabe von Theaterstücken Einfluß nehmen und zur gegenseitigen Befruchtung von Kunst und Technik beitragen sollen. Diese besondere vertragliche Aufgabe zu fachspezifischer künstlerischer Leistung kommt auch durch ihre finanziellen Auswirkungen zum Ausdruck; sie kann nämlich nach dem BTT zu einer höheren Vergütung führen. Der BTT sieht anders als der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) eine Eingruppierung nicht vor. Die Vergütung wird deshalb (unter Beachtung unterer Grenzen), ähnlich wie dies bei Gagen der Fall ist, frei ausgehandelt. Dies hat in den Ausgangsfällen zu einer entsprechenden Erhöhung geführt. Im übrigen hat das Beschwerdegericht in den Antworten, die die drei Bühneninspektoren schon zu Beginn ihrer Tätigkeit auf vom Antragsteller formulierte Fragen zu der Art ihrer Tätigkeit gegeben haben, ein weiteres Indiz für die Möglichkeit zu eigenschöpferischen künstlerischen Leistungsbeiträgen gesehen. Diese Würdigungen im Tatsächlichen sind für das Rechtsbeschwerdegericht bindend, da sie vom Antragsteller nicht mit einer Aufklärungsrüge angegriffen worden sind.

Nach alledem war die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO i.V.m. § 8 Abs. 2 BRAGO.

 

Unterschriften

Niehues, Ernst, Albers, Vogelgesang, Eckertz-Höfer

 

Fundstellen

Haufe-Index 1214137

BVerwGE, 159

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