Verfahrensgang

OVG Berlin (Aktenzeichen 2 B 13.95)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 13. September 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg, denn es liegt keiner der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe aus § 132 Abs. 1 VwGO vor.

1. Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Aus dem Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde ergibt sich nicht, daß das erstrebte Revisionsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen revisiblen Rechts (§ 137 VwGO) beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts noch höchstrichterlicher Klärung bedürfen (vgl. zum Inhalt des Revisionszulassungsgrundes BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫).

Ohne grundsätzliche Bedeutung ist entgegen dem Beschwerdevorbringen die „Rechtsfrage …, ob der Landesgesetzgeber kraft Gesetzes ein Gebäude wie das der Beschwerdeführer unter Denkmalschutz stellen kann und darf, ohne Vorkehrungen zu treffen, wie diese Belastung des Eigentums real vermieden werden kann”. Zur Klärung dieser Rechtsfrage hat der Senat bereits in seinem Beschluß vom 9. Oktober 1997 – BVerwG 6 B 42.97 – (Buchholz 406.39 Nr. 8 = LKV 1998, 150, 151) hinreichende Ausführungen gemacht. Der vorliegende Fall gibt keine Gelegenheit, dies zu präzisieren. Die von der Beschwerde bezeichnete Rechtsfrage besitzt, wie sich aus der selbstgewählten Formulierung bereits ergibt, keine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

Die Frage, „wie sich das Fehlen einer normativen Regelung zur Voraussetzung, zur Art und zum Umfang eines Ausgleichsanspruchs auf die Unterschutzstellung auswirkt”, stellt sich hier so nicht, weil das Denkmalschutzgesetz Berlin in § 16 eine normative Regelung der ausgleichspflichtigen Eingentumsbeschränkung enthält. Daß diese Regelung klärungsbedürftige Fragen des revisiblen Rechts aufwirft, hat die Beschwerde nicht dargelegt. Die wesentlichen Gesichtspunkte sind in der von der Beschwerdeführung selbst aufgeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beantwortet (Beschluß vom 2. März 1999 – BVerfG 1 BvL 7/99BVerfGE 100, 226). Ein Verstoß gegen die sog. Junktimklausel (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG) stellt sich nur im Falle einer Enteignung, welche die Unterschutzstellung im Rechtssinne nicht ist. Überschreitet der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) die verfassungsmäßigen Grenzen, so ist hingegen die gesetzliche Regelung unwirksam. Darauf gestützte Beschränkungen oder Belastungen sind rechtswidrig und können im Wege des Primärrechtsschutzes abgewehrt werden. Zu einem Entschädigungsanspruch von Verfassungs wegen führen sie nicht. Soweit sie zur Abwendung einer ansonsten möglicherweise eintretenden Unverhältnismäßigkeit der Belastung dennoch geboten sind, hat das Bundesverfassungsgericht dazu an der genannten Stelle ebenfalls das Erforderliche ausgeführt.

Die darüber hinaus gestellten Rechtsfragen sind ausnahmslos in Frageform gekleidete Aussagen im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1999 (a.a.O.), der sich mit Verstößen des Denkmalschutzgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz gegen das Grundgesetz beschäftigt hat. Diese Fragen des Bundesverfassungsrechts sind damit aber als geklärt anzusehen und beanspruchen nicht länger das Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts, und bedürfen insbesondere nicht mehr der höchstrichterlichen Klärung.

Dies betrifft auch die Frage, „wie bei einer Unterschutzstellung kraft Gesetzes die erforderliche individuelle Aktualisierung des Denkmalschutzes vollzogen werden kann und die erforderliche gleichzeitige Entscheidung über einen dem Grunde nach in Betracht kommenden Ausgleichsanspruch sichergestellt werden kann”. Dies ist Thema des dritten Leitsatzes sowie der dazugehörenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts an genannter Stelle.

2. Die Beschwerde ist bereits unzulässig, soweit sie auf die Behauptung gestützt wird, das Urteil des Berufungsgerichts weiche von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. des Bundesverfassungsgerichts ab und beruhe auf dieser Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Das darauf gerichtete Vorbringen genügt nämlich nicht den Begründungsanforderungen aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Eine die Revision eröffnende Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend dargetan, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen, tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschriften widersprochen hat. Den Anforderungen einer Divergenzrüge genügt die Beschwerde nicht, weil sie nicht in dieser Weise einen abstrakten Rechtssatz aus der angefochtenen Berufungsentscheidung benennt. Das bloße Aufzeigen einer angeblich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder das Bundesverfassungsgericht in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben, genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge (stRspr, vgl. Beschluß vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328 = DÖV 1998, 117 m.w.N.).

Zunächst kann die Rüge nicht auf eine Rechtsverletzung im Zusammenhang mit dem „alten Denkmalrecht Berlin vom 22.12.1977” gestützt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat den Hauptantrag aus Gründen der Vorgreiflichkeit des Denkmalschutzgesetzes Berlin vom 24. April 1995 (GVBl S. 274) abgelehnt. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage des irrevisiblen Berliner Landesrechts, so daß auch die Behauptung daran anknüpfender Rechtsfehler nicht der Revision unterliegt (§ 137 Abs. 1 VwGO).

Aber auch, soweit ein Rechtsfehler von der Nichtzulassungsbeschwerde darin gesehen wird, die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Denkmalschutzgesetzes Berlin vom 24. April 1995 (GVBl S. 274) verstoße gegen Art. 14 GG, wird keine Divergenz zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1995 (a.a.O.) dargetan. Das Oberverwaltungsgericht hat generell auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils und speziell zu dieser verfassungsrechtlichen Frage auf sein Urteil vom 3. Januar 1997 (OVGE 22, 45) Bezug genommen. In der Beschwerdebegründung werden keine Rechtssätze aus diesen beiden in Bezug genommenen Entscheidungen dargetan, die sich das Berufungsgericht bei seinem Beschluß im vorliegenden Verfahren als entscheidungserheblich zu eigen gemacht hätte und mit deren Übernahme aus einem dieser beiden Urteile etwaigen konkret zu benennenden Rechtssätzen in Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts widersprochen würde. Die bloße Aufzählung der Leitsätze des vorgenannten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts reicht zur schlüssigen Darlegung einer Divergenz nicht aus.

Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde auch eine Divergenz zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1999 (a.a.O.) geltend machen will, hat sie die Entscheidungserheblichkeit der Frage nach dem Anspruch auf einen „gegebenenfalls erforderlichen Ausgleich” nicht dargetan. Der Anspruch besteht nicht immer, sondern eben nur, wenn er „gegebenenfalls erforderlich” ist. Dabei geht es auch nicht um einen Entschädigungsanspruch, sondern darum, „eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real (zu) vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich (zu) erhalten” (a.a.O. LS 2). Dazu, ob und inwieweit Entsprechendes hier nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich sein könnte, schweigen das Berufungsgericht wie auch die Beschwerde. Solange nur von „etwaigen” Ausgleichsansprüchen die Rede ist (OVG-Beschluß S. 7), sind Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Zeitpunkts, an dem die Verwaltung darüber zu entscheiden hat, nicht erheblich.

3. Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat ebenfalls keinen Erfolg. Es wird nämlich kein solcher – auch vorliegender – Verfahrensmangel geltend gemacht, auf dem die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann.

Soweit dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts entgegengehalten wird, es habe aufgrund von Unterlagen entschieden, die ohne Wissen der Kläger nicht Bestandteil der Akte gewesen seien, hat es weder gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs noch gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.

Im Tatbestand des angegriffenen Beschlusses ist festgehalten, daß Gegenstand der Beratung gewesen seien die „Akten des Gerichts einschließlich der Akte OVG 2 B 14.95 und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Bände) sowie die die Grundstücke der Kläger und die übrigen von dem Ensemble erfaßten Grundstücke betreffenden Bauakten des Bezirksamts Zehlendorf von Berlin (5 Bände), die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind”. Bei der Akte OVG 2 B 14.95 handelt es sich um die zum Parallelverfahren – betreffend das Grundstück An der Rehwiese 15 – gehörende Gerichtsakte, in welchem die ursprünglich eingelegte Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht zurückgenommen worden ist. In beiden Verfahren wurde erstinstanzlich ausweislich der Sitzungsniederschriften zum selben Zeitpunkt verhandelt und jeweils das Urteil verkündet. Die Akte ist nach Abschluß des Verfahrens aufgrund gerichtlicher Verfügung vom 7. Mai 1998 als Beiakte zur vorliegenden Verfahrensakte genommen worden. Der Inhalt dieser Akte wird in den Entscheidungsgründen aber nicht ausdrücklich in Bezug genommen, so daß sie nicht in erkennbarer Weise für den angegriffenen Beschluß ursächlich geworden sind.

Auf den Bauakten des Bezirksamts Zehlendorf beruht die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts tragend. Sie sind bereits Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung gewesen und somit keinesfalls unbekannterweise in das vom Oberverwaltungsgericht zum Verfahrensgegenstand gemacht worden. Daß das Berufungsgericht seine Entscheidung darauf stützen würde, mußte für die Klägerseite naheliegen, insbesondere da sie zweimal – nämlich mit Verfügungen des Oberverwaltungsgerichts vom 18. März 1998 und vom 20. April 1999 – davon in Kenntnis gesetzt wurde, daß eine Entscheidung nach § 130 a VwGO beabsichtigt sei. Dies hat die Kläger zu keinen weiteren Sachaufklärungsanträgen bewogen, so daß das Berufungsgericht zu Recht von der als bekannt vorauszusetzenden Tatsachenlage ausgehen konnte.

Die Verfahrensrüge kann ferner nicht daran festgemacht werden, daß das Oberverwaltungsgericht entgegen dem klägerischen Antrag „das alte und das neue Denkmalrecht Berlin” nicht für verfassungswidrig gehalten und gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt hat.

Das Oberverwaltungsgericht hätte nach Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde wegen der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zum Schutze von Denkmalen in Berlin (Denkmalschutzgesetz Berlin 1995 – DSchG Bln) in der Sache nicht selbst entscheiden dürfen, sondern es hätte gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die Entscheidung des zuständigen Verfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes einholen müssen. Damit haben die Kläger keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dargetan. Ein Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision nach dieser Vorschrift führt, liegt nur dann vor, wenn das Gerichtsverfahren infolge unrichtiger Anwendung oder Nichtanwendung einer prozeßrechtlichen Vorschrift fehlerhaft geworden ist und die angegriffene Entscheidung auf diesem Fehler beruht. Maßgebend für die Beurteilung, ob ein solcher Verfahrensfehler vorliegt, ist die materiellrechtliche Auffassung, die das Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, auch wenn diese einer Überprüfung nicht standhalten sollte (stRspr, vgl. Beschluß vom 9. Oktober 1997 – BVerwG 6 B 42.97 –; Urteil vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hätte das Oberverwaltungsgericht daher nur dann einen Verfahrensverstoß begangen, wenn es aufgrund seiner eigenen Rechtsauffassung zu dem Ergebnis gelangt wäre, daß das Denkmalschutzgesetz Berlin 1995 verfassungswidrig sei, und wenn es trotzdem nicht die Entscheidung des zuständigen Verfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes herbeigeführt hätte (Beschluß vom 3. April 1984 – BVerwG 4 B 59.84 – DVBl 1984, 638). Das ist aber nicht der Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit des Denkmalschutzgesetzes bejaht. Damit waren die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht erfüllt. Dabei handelt es sich nämlich um eine Frage der Anwendung des materiellen Rechts, denn Voraussetzung dazu wäre die Bejahung des von der Klägerseite behaupteten Verstoßes der genannten Gesetze gegen Art. 14 GG gewesen.

Entsprechendes gilt für den Angriff der Revisionsbeschwerde auf die Ablehnung des hauptsächlich gestellten Aufhebungsantrags durch das Oberverwaltungsgericht als unzulässig. Diese Entscheidung ist indes auf die Änderung des Landesrechts und die daraus folgende Erledigung des Eintragungsbescheides gestützt. Allein darum geht es an dieser Stelle. Das Beschwerdevorbringen rügt folglich die Anwendung des materiellen Rechts durch das Berufungsgericht und nicht eine Verletzung des Verfahrensrechts.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

Unterschriften

Niehues, Albers, Graulich

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566503

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