Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 22.06.1992; Aktenzeichen 1 S 182/91)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 12.08.2002; Aktenzeichen 1 BvR 1044/93)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. Juni 1992 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 20.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Der Kläger ist ein Meditationsverein der von dem Inder Osho-Rajneesh (früher „Bhagwan”) gegründeten Osho-Bewegung. Er wendet sich gegen die Nennung dieser Bewegung in einem vom Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg im Auftrag der Landesregierung veröffentlichten „Bericht über Aufbau und Tätigkeit der sogenannten Jugendsekten”. Das Verwaltungsgericht hat das beklagte Land dem Hauptantrag des Klägers entsprechend zur Unterlassung verurteilt; der Verwaltungsgerichtshof hat auf den Hilfsantrag des Klägers die Rechtswidrigkeit einiger als unsachlich oder einseitig beurteilter Textstellen festgestellt und im übrigen die Klage abgewiesen. Mit seiner Beschwerde möchte der Kläger die Zulassung der Revision erreichen.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Ihr Vorbringen ergibt keinen der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe für die Zulassung der Revision.

1. Die Beschwerde meint, bei der Herausgabe des streitigen Berichts handele es sich um eine Verwaltungstätigkeit, weil der Bericht vornehmlich deskriptiven Inhalt habe und (auch) zur Verwendung im Schulunterricht bestimmt gewesen sei. Sie will deshalb geklärt wissen, nach welchen Kriterien Regierungsäußerungen, die der Staatsleitung dienen, von solchen Äußerungen abzugrenzen sind, die die Regierung in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsorgan abgibt. Mit diesem Vorbringen wird eine in einem Revisionsverfahren zu klärende Frage des revisiblen Rechts mit grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht aufgeworfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des beschließenden Senats zum Äußerungsrecht der Bundesregierung (BVerwGE 82, 76 [80 f.]) der Verfassung des Landes Baden-Württemberg das Recht der Landesregierung entnommen, in der Öffentlichkeit diskutierte Probleme aufzugreifen und hierzu ihrerseits öffentlich Stellung zu nehmen. Diese Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs kann, da sie irrevisibles Landesrecht betrifft, gemäß § 137 Abs. 1 VwGO vom beschließenden Senat nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Dasselbe gilt, soweit der Verwaltungsgerichtshof angenommen hat, die Herausgabe des streitigen Berichts werde – auch in Anbetracht seiner Zweckbestimmung als Lehrmaterial – durch jenes Recht gedeckt.

Hiernach wäre die von der Beschwerde als klärungsbedürftig bezeichnete Problematik einer näheren Abgrenzung zwischen Regierungs- und Verwaltungstätigkeit in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht zu erörtern. Soweit die Beschwerde demgegenüber auf die Ausführungen des beschließenden Senats zum Äußerungsrecht der Bundesregierung als Bestandteil ihrer Regierungsfunktionen verweist (vgl. vor allem Beschluß vom 13. März 1991 – BVerwG 7 B 99.90 – Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 47 S. 30), verkennt sie, daß diese Ausführungen ausschließlich die Ebene des Bundes betreffen und auf das Äußerungsrecht der Landesregierung nicht übertragbar sind. Der Senat hat in seinem Beschluß vom 13. März 1991 (a.a.O. S. 34; vgl. auch BVerwGE 90, 112 [123]) festgestellt, daß die Bundesregierung mit öffentlichen Äußerungen zu gesellschaftlich relevanten, die Allgemeinheit bewegenden Problemen die Verwaltungskompetenzen der Länder nach Art. 30, 83 GG nicht verletzt, weil sie insoweit nicht als Verwaltungsorgan, sondern als Organ der Staatsleitung und damit in Ausübung ihrer spezifischen Regierungsfunktionen nach Art. 65 tätig wird. Demnach ist die Bundesregierung, soweit sie sich als Organ der Staatsleitung und nicht als Verwaltungsorgan äußert, schon wegen dieses Charakters ihrer Äußerungen von dem Vorwurf entlastet, mit ihrer Tätigkeit in den Zuständigkeitsbereich der Länder einzudringen. Eine solche Kompetenzverletzung ist bei Äußerungen der Landesregierungen nicht möglich.

Eine andere, von der Beschwerde nicht ausdrücklich angesprochene Frage ist, ob das verfassungsunmittelbare Äußerungsrecht der Regierung als Grundlage für Eingriffe in Grundrechtspositionen ausreicht, die mit der Ausübung dieses Rechts verbunden sind, oder ob es hierzu einer speziellen, d.h. sachbereichsbezogenen gesetzlichen Handlungsermächtigung bedarf. Diese Frage beantwortet sich nach den gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Eingriffsermächtigungen zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen (Beschluß vom 13. März 1991 a.a.O. S. 31). Die Unterscheidung zwischen Regierungs- und Verwaltungstätigkeit ist hierfür als solche ohne Bedeutung. Das schließt nicht die Annahme aus, daß eine besondere gesetzliche Handlungsermächtigung um so eher erforderlich wird, je nachhaltiger die Regierung ihre Äußerungen als Instrument zur Durchsetzung bestimmter Verwaltungsziele einsetzt oder – anders ausgedrückt – je eindeutiger sich die Äußerungen in das herkömmliche Eingriffsinstrumentarium der Verwaltung als weiteres Handlungsmittel einfügen.

Die Beschwerde wirft ferner die als grundsätzlich bedeutsam und klärungsbedürftig bezeichnete Frage auf, ob kritische Äußerungen des Staates über einzelne Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften nur unter der Voraussetzung und nach Maßgabe einer bestehenden oder zumindest zu befürchtenden Gefahrenlage zulässig sind. Auch diese Frage kann die beantragte Revisionszulassung nicht rechtfertigen, denn sie ist, ohne daß dies der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte, auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts zu verneinen.

Richtig ist zunächst, daß öffentliche Warnungen im Hinblick auf das Wirken einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft eine Gefahrenlage oder wenigstens einen Gefahrenverdacht voraussetzen (vgl. BVerwGE 82, 76 ≪81≫); das bedeutet aber nicht, daß unterhalb dieser Schwelle jedwede kritische Äußerung einer Landesregierung wegen der uneingeschränkt gewährleisteten Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses gemäß Art. 4 Abs. 1 GG unzulässig ist. Allerdings spricht manches dafür, eine solche von bestimmten Gefahrenlagen abstrahierende öffentliche Auseinandersetzung des Staates, wie sie in dem hier streitigen Bericht enthalten ist, als Eingriff in das Grundrecht auf Religions- oder Weltanschauungsfreiheit zu bewerten, weil auch derartige Äußerungen – jedenfalls im Grundsatz – darauf gerichtet sind, die Öffentlichkeit auf Distanz zu der betreffenden Gemeinschaft zu bringen. Indessen erlaubt, wie der Senat in seinem Beschluß vom 13. März 1991 (a.a.O. S. 35) unter Bezugnahme auf den Kammerbeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 15. August 1989 (NJW 1989, 3269 [3270]) ausgeführt hat, das Grundrecht aus Art. 4 GG, obwohl vorbehaltlos gewährleistet, Einschränkungen u.a. auch zum Schutz verfassungsrechtlich hervorgehobener Gemeinschaftsgüter. Solche kollektiven Rechtsgüter mit Verfassungsrang sind nach dem genannten Senatsbeschluß dem Gebot des Schutzes von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG, darüber hinaus aber auch jeder anderen Grundrechtsbestimmung zu entnehmen, weil die Grundrechte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 7, 198 [205], 73, 261 [269] m.w.N.) neben ihrem individualrechtlichen Gehalt eine verbindliche objektive Wertordnung zum Ausdruck bringen. Ebenfalls bereits in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt ist, daß vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte nicht erst dann Schranken unterliegen, wenn andere Verfassungsgüter unmittelbar gefährdet sind (BVerfGE 81, 278 [292]). Vielmehr kann sich auch unabhängig von einer Gefahrenlage zwischen verschiedenen Verfassungsgütern ein zum Grundrechtseingriff berechtigender Widerstreit ergeben. Derartige Konflikte sind im Wege der einzelfallbezogenen Abwägung so aufzulösen, daß die gegenläufigen, gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützten Interessen zu einem angemessenen, verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden (BVerfGE 81, 278 [292 f.]; 83, 130 [143]).

Aus alledem ergibt sich, daß der Staat entgegen der Annahme der Beschwerde auch dazu berechtigt sein kann, sich in der Öffentlichkeit allgemein kritisch mit den Lehren von Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften auseinanderzusetzen, wenn und soweit diese Lehren der grundrechtlichen Wertordnung widersprechen. Eine solche Auseinandersetzung ist für die betroffene Gemeinschaft deshalb um so eher zumutbar, weil sie den nachteiligen Folgen derartiger Äußerungen wirkungsvoller durch eine eigene, abweichende Darstellung zu begegnen vermag als den u.U. mehr oder weniger unumkehrbaren Folgen staatlicher Gefahrenwarnungen. Andererseits folgt aus dem Gesagten zugleich, daß nicht jeder Widerspruch zum Wertsystem der Grundrechte einen hinreichenden Anlaß zur öffentlichen Auseinandersetzung mit der Lehre einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft abgibt. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die im Bericht wiedergegebenen Äußerungen des Stifters der Gemeinschaft zu den Themen Ehe und Familie, zum Wert menschlichen Lebens, zur Geburtenkontrolle und zur Abtreibung zutreffend als dem Wertgehalt der Grundrechte widersprechend beurteilt und weiteren Äußerungen eine „menschenverachtende Tendenz” seiner Lehre entnommen. Da der Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG das oberste Konstitutionsprinzip nicht nur des dieser Bestimmung nachfolgenden Grundrechtskatalogs, sondern auch der Verfassung insgesamt bildet, bestehen bei einem so erheblichen Widerspruch zwischen der Lehre einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft und der Wertordnung der Verfassung keine durchgreifenden Bedenken dagegen, daß die Regierung diesen Widerspruch öffentlich beim Namen nennt und damit aktiv für die Wahrung der ihr vorgegebenen Wertordnung eintritt.

Ebensowenig ist die Revision zur Klärung der Frage zuzulassen, ob der Staat die Lehre einer Religion- oder Weltanschauungsgemeinschaft in einem für die Öffentlichkeit bestimmten Bericht zusammenhängend darstellen darf, ohne hierzu von der Gemeinschaft autorisiert zu sein. Wenn der Staat nach Maßgabe des zuvor Gesagten zur öffentlichen Kritik an der Lehre einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft berechtigt ist, so ist damit notwendig das Recht zur öffentlichen Darstellung dieser Lehre verbunden. Ein Eingriff in das Recht der betroffenen Gemeinschaft, den Inhalt ihrer Religion oder Weltanschauung selbst festzulegen und zu verbreiten, liegt hierin nicht, weil der Staat mit seinen Äußerungen von einem eigenen Recht zur Stellungnahme Gebrauch macht. Aus dem Wesen dieses Rechts folgt weiter, daß der Staat bei seiner Ausübung nicht auf das Einverständnis der Gemeinschaft angewiesen ist. Auch diese Erkenntnis ist so naheliegend, daß es hierzu nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

Soweit die Beschwerde des weiteren auf die Kritik Bezug nimmt, die die Rechtsprechung des Senats zu den öffentlichen Äußerungen der Bundesregierung zum Thema „Jugendreligionen/Jugendsekten” in der Literatur gefunden hat, genügt sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn diese Bezugnahme ist so global, daß ihr eine bestimmte, der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürftige Frage des revisiblen Rechts nicht zu entnehmen ist. Davon abgesehen hat der Senat zu den Kernpunkten jener Kritik bereits in seinem Beschluß vom 13. März 1991 (a.a.O.) ausführlich Stellung genommen.

2. Die als weiterer Zulassungsgrund geltend gemachten Abweichungen des Berufungsurteils von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Die Beschwerde hält dem Verwaltungsgerichtshof vor, er habe sich zu den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Januar 1965 – BVerwG 1 C 68.61 – (BVerwGE 20, 146 = Buchholz 310 § 161 Abs. 2 VwGO Nr. 12), vom 30. Oktober 1969 – BVerwG 8 C 219.67 – (BVerwGE 34, 159 = Buchholz 310 § 161 Abs. 2 VwGO Nr. 30), vom 28. November 1975 – BVerwG 4 C 45.74 – (BVerwGE 50, 2 = Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 20) und vom 7. Juni 1978 – BVerwG 7 C 63.76 – (BVerwGE 56, 31 = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 60) in Widerspruch gesetzt, nach denen eine Erledigung des Rechtsstreits nur dann angenommen werden könne, wenn das Klagebegehren gegenstandslos geworden und die Beschwer entfallen sei. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Unterlassungsanspruch des Klägers mit der Begründung abgewiesen, daß aufgrund der Erklärungen des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegenwärtig keine Anhaltspunkte für eine hinreichend konkrete Gefahr der erneuten Herausgabe und Verbreitung des streitigen Berichts oder dessen weiterer Verwendung in den Schulen bestünden. Er hat den Unterlassungsanspruch mithin, ohne den von der Beschwerde aufgezeigten Erledigungsvoraussetzungen zu widersprechen, als (derzeit) gegenstandslos beurteilt. Ob diese Beurteilung zutrifft, mag dahinstehen, weil allein mit dem Vorbringen, das Berufungsgericht habe einen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz im Einzelfall unrichtig angewendet, eine Abweichungsrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht begründet werden kann (vgl. Beschluß vom 12. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 68.91 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302).

Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner nicht der von der Beschwerde zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts widersprochen, derzufolge eine Feststellungsklage mit dem Ziel der Wiederherstellung des guten Rufs erhoben werden kann (Urteil vom 28. Februar 1961 – BVerwG 1 C 54.57 – BVerwGE 12, 87; Urteil vom 9. Februar 1967 – BVerwG 1 C 49.64 – BVerwGE 26, 161 = Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 35; Urteil vom 19. März 1970 – BVerwG 1 C 6.69 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 51; Urteil vom 26. Februar 1974 – BVerwG 1 C 31.72 – BVerwGE 45, 51 = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 25; Beschluß vom 4. März 1976 – BVerwG 1 WB 54.74 – BVerwGE 53, 134; Urteil vom 15. März 1977 – BVerwG 1 C 27.75 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 83; das Zitat „BVerwG DÖV 1982, 26” ist ein Fehlzitat). Das ergibt sich hinsichtlich des ersten, auf den Zeitpunkt der Herausgabe des streitigen Berichts bezogenen Feststellungsantrags des Klägers schon daraus, daß der Verwaltungsgerichtshof diesen Antrag gerade unter Rehabilitationsgesichtspunkten für zulässig erachtet hat. Was den weiteren, auf die gegenwärtige Sachlage bezogenen Feststellungsantrag des Klägers anbetrifft, so hat das Berufungsgericht hierfür offensichtlich ein gesondertes Rehabilitationsbedürfnis des Klägers nicht zu erkennen vermocht. Selbst wenn diese Annahme unrichtig wäre, könnte daraus wiederum keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hergeleitet werden.

In seinem von der Beschwerde ferner angeführten Urteil vom 24. Januar 1992 – BVerwG 7 C 24.91 – (Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 242) hat sich der beschließende Senat mit den Voraussetzungen befaßt, unter denen ein im Anschluß an eine Verpflichtungsklage gestellter Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig ist. Eine derartige Problematik stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht; infolgedessen enthält das angefochtene Urteil hierzu auch keine Aussage.

Aus entsprechenden Gründen scheidet auch eine Abweichung des Berufungsurteils von dem Urteil des beschließenden Senats vom 23. Mai 1989 – BVerwG 7 C 2.87 – (BVerwGE 82, 76) aus.

Der Senat hat in diesem Urteil ausgesprochen, daß die Bundesregierung zu Warnungen, die das Wirken einzelner Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften betreffen, nicht ohne eine bestehende Gefahr oder wenigstens den begründeten Verdacht einer Gefahr für die Allgemeinheit berechtigt ist, daß sie ihre Warnungen nicht auf die Wiedergabe von Tatsachen beschränken muß, sondern daraus selbst wertende Schlußfolgerungen ziehen darf, daß sie sich aber unsachlicher oder aggressiver Wertungen zu enthalten hat (a.a.O. S. 83 f.). Zu der Frage, welche Anforderungen das Sachlichkeitsgebot an eine über warnende Äußerungen hinausgehende öffentliche kritische Auseinandersetzung des Staates mit den Lehren einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft stellt, verhält sich das Urteil nicht.

3. Schließlich ist die Revision auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines dem Verwaltungsgerichtshof unterlaufenen Verfahrensfehlers zuzulassen. Entgegen der Ansicht der Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dadurch verletzt, daß er den vom Kläger in der Berufungsverhandlung unter der Sammelbezeichnung „Beweisantrag A” gestellten Beweisanträgen nicht nachgekommen ist. Die genannten Anträge waren sämtlich auf den Nachweis gerichtet, daß die Landesregierung in dem streitigen Bericht die Lehre Osho-Rajneeshs nicht zutreffend, d.h. dem Selbstverständnis der Osho-Bewegung entsprechend, wiedergegeben habe. Auf diesen Nachweis kam es indes aus der materiellrechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichtshofs, die den Umfang der ihm obliegenden Sachverhaltsaufklärung bestimmte, nicht an. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof eine objektiv verzerrte oder einseitige Darstellung der Lehre für unzulässig erachtet. Er hat jedoch zugleich festgestellt, daß die Landesregierung nicht auf eine wissenschaftlich-sachliche, in jeder Hinsicht ausgewogene und sämtlichen Aspekten der Lehre Rechnung tragende Abhandlung beschränkt gewesen sei. Vielmehr habe sie sich bei ihrer Darstellung in erster Linie auf veröffentlichte Äußerungen des Gründers der Bewegung, insbesondere solche, die er über den eigenen Anhängerkreis hinaus bewußt an die Öffentlichkeit gerichtet habe, stützen können. Ferner habe sie sich bei der Auswahl der erörterten Themen an den in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Osho-Bewegung diskutierten Fragen wie auch an dem Ziel einer den Durchschnittsbürger zum Lesen des Berichts anregenden Sprach- und Darstellungsform orientieren dürfen. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung war ein näheres, das Erscheinungsbild der Bewegung in der Öffentlichkeit hinterfragendes Eindringen in die Inhalte der Lehre Osho-Rajneeshs durch Vernehmung maßgeblicher Repräsentanten der Osho-Bewegung nicht erforderlich. Erst recht bedurfte es keiner Aufhellung der Lehre unter religionswissenschaftlichen Gesichtspunkten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Dr. Gaentzsch, Dr. Bardenhewer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1603327

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