Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 21.01.1999; Aktenzeichen 33 Ns 45 Js 24183/98)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht erschöpft hat. Dazu gehört die durch § 33a StPO eröffnete Möglichkeit, sich durch einen entsprechenden Antrag nachträglich rechtliches Gehör zu verschaffen (BVerfGE 33, 192 ≪194≫). Dies gilt auch in Fällen der Nichtannahme einer Berufung nach § 313 StPO (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. März 1994 – 2 BvR 2112/93 – und vom 15. Oktober 1998 – 2 BvR 1719/98 –). Da der angegriffene Beschluß gemäß § 322a Satz 2 StPO nicht mit der Beschwerde anfechtbar ist und hier keine Ausnahme davon vorliegt (vgl. OLG Hamburg OLGSt StPO § 313 Nr. 6; OLG Zweibrücken NStZ 1994, S. 601 f.), hätte der Beschwerdeführer einen Antrag nach § 33a StPO stellen können. Dies hat er bisher nicht getan.

Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann aber nicht ausgeschlossen werden. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte dazu, Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihren Entscheidungen ernsthaft in Betracht zu ziehen (vgl. BVerfG NJW 1996, S. 2785 ≪2786≫ m.w.N.). Art. 103 Abs. 1 GG ist zwar erst verletzt, wenn das Gericht im Einzelfall erkennbar dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Dies ist hier aber der Fall. Denn das Landgericht ist nicht darauf eingegangen, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufungsbegründung auf einen Verstoß des Amtsgerichts gegen die Aufklärungspflicht hingewiesen hatte. Die Nichtvernehmung der Zeugin K.…, die das eigentliche Tatgeschehen unmittelbar wahrgenommen hatte, verstieß erkennbar gegen § 244 Abs. 2 StPO, zumal im übrigen “Aussage gegen Aussage” stand.

Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob in solchen Fällen die Nichtannahme der Berufung überhaupt möglich ist, indem das Berufungsgericht den in erster Instanz nicht erhobenen Beweis im Freibeweisverfahren in eine eigene Beweiswürdigung zur Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels einbezieht (krit. Großmann, Die Annahmeberufung [§ 313 StPO], Diss. 1996, S. 74 f., 83). Dem könnte entgegenstehen, daß nach Art. 19 Abs. 4 GG Beweise, deren abschließende Würdigung nach der Struktur des Strafverfahrens der Hauptverhandlung vorbehalten ist, nicht im Freibeweisverfahren geprüft werden dürfen, um danach einen Rechtsbehelf aufgrund vorweggenommener Beweiswürdigung als unzulässig zu verwerfen (vgl. BVerfG NStZ 1995, S. 43 f.).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Limbach, Winter, Hassemer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1276498

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