Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 16.03.2005; Aktenzeichen RiZ(R) 2/04)

OLG Hamm (Beschluss vom 19.01.2004; Aktenzeichen 1 DGH 2/03)

LG Düsseldorf (Urteil vom 12.11.2002; Aktenzeichen DG 4/2002)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdeführer, ein Richter am Landgericht, rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde die Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit durch eine Überbeurteilung des Präsidenten des Oberlandesgerichts. Dieser konnte die Eignung für das angestrebte Amt eines Richters am Oberlandesgericht nicht feststellen, weil der Beschwerdeführer beim Oberlandesgericht nicht erprobt worden sei. Eine solche Erprobung ist nach der Allgemeinverfügung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen (AV) vom 19. Januar 1972 (2010-I B. 61, JMBl NW S. 37) vorgeschrieben. Widerspruch und Klage des Beschwerdeführers hiergegen blieben ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof wies eine vom Beschwerdeführer eingelegte Revision mit Urteil vom 16. März 2005 zurück. Die persönliche Unabhängigkeit werde nicht beeinträchtigt, da die Abordnung der Zustimmung des Richters bedürfe. Ob die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften Ausnahmen vom Erfordernis der Erprobung in Härtefällen zuließen, unterliege der den Verwaltungsgerichten obliegenden allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle.

 

Entscheidungsgründe

II.

Mit seiner am 28. Mai 2005 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 33 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 2 GG.

1. Das Erfordernis einer Erprobung beim Oberlandesgericht beeinträchtige ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit. Die Erprobung setze ihn einer psychischen Einflussnahme aus. Es bestünden Zweifel an einem wirksamen Einverständnis zu einer Erprobung, weil die formale Zustimmung des zu erprobenden Richters mittelbar – durch die Aussicht auf Beförderung – erzwungen werden könne. Verweigere nämlich der Richter die Zustimmung zu seiner Erprobung, so sei er zugleich gezwungen, auf die Möglichkeit einer Beförderung zu verzichten. Nicht alle Bundesländer forderten eine Erprobung. Zudem sei eine gesetzliche Regelung zwingend erforderlich.

2. Eine Verletzung seines Rechts auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt liege darin, dass die Justizverwaltung durch das Erfordernis der Erprobung einem Bewerber abfordere, auf die Ausübung seines Rechts auf Unabhängigkeit zu verzichten.

III.

Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 f.≫). Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, im Übrigen jedenfalls unbegründet.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG behauptet, weil die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften keine Ausnahme von dem Erfordernis der Erprobung für bestimmte Härtefälle zuließen. Insoweit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung (vgl. hierzu BVerfGK 3, 207), wonach die allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle den Verwaltungsgerichten obliege.

2. Die Abordnung an ein Oberlandesgericht zur Erprobung eines Richters auf Lebenszeit für das Beförderungsamt eines Richters am Oberlandesgericht verstößt nicht gegen Art. 97 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 5 GG. Zwar verbietet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsgarantie der richterlichen Unabhängigkeit jede vermeidbare auch mittelbare, subtile und psychologische Einflussnahme der Exekutive auf die Rechtsstellung des Richters (vgl. BVerfGE 12, 81 ≪88≫; 26, 79 ≪93≫; 55, 372 ≪389≫). Die Durchführung einer Erprobung eines Lebenszeitrichters ist jedoch mit der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar. Auch wenn sich der Richter in einer Erprobung besonderen Herausforderungen stellt, um das angestrebte Beförderungsamt zu erreichen, so liegt doch in der Erprobung als solcher noch keine Verletzung seiner Unabhängigkeit. In seinen Entscheidungsentwürfen und seiner richterlichen Tätigkeit innerhalb des Kollegialorgans ist er weisungsfrei. Von ihm ist gerade beim Erstreben eines Beförderungsamtes zu erwarten, dass er sich sachwidrigen Beeinflussungsversuchen widersetzt und seine richterlichen Entscheidungen nicht vom angestrebten Ziel – der Beförderung – abhängig macht. Eine sachgerechte Beurteilung des zur Erprobung an das Oberlandesgericht abgeordneten Richters wird gerade auch diesen Aspekt, dass der Richter selbst seine persönliche und sachliche Unabhängigkeit wahrt, positiv hervorheben. Die Notwendigkeit, Nachwuchs heranzubilden oder Beurteilungsgrundlagen für ein richterliches Beförderungsamt zu schaffen, erlaubt deshalb die Heranziehung auch solcher Richter an ein Gericht, die nicht planmäßige Richter dieses Gerichts sind (vgl. BVerfGE 4, 331 ≪345≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1996 – 1 BvR 1551/95 –, DtZ 1996, S. 175 f.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. November 1997 – 2 BvR 2269/93 –, NJW 1998, S. 1053). Das Verfassungsprinzip der persönlichen Unabhängigkeit der Richter und der Rechtsprechungsorgane gebietet es, die Zahl der Hilfsrichter, die zur Erprobung beim Obergericht eingesetzt werden, so klein wie möglich zu halten und ihren Anteil an der Zahl aller Richter eines Gerichtszweigs nicht über das dringend gebotene Maß hinaus anwachsen zu lassen. Zwingende Gründe für den Einsatz von nicht planmäßig beim Obergericht angestellten Richtern liegen aber nach der Rechtsprechung insbesondere dann vor, wenn planmäßige Richter unterer Gerichte an obere Gerichte zur Eignungserprobung abgeordnet werden (vgl. BVerfGE 14, 156 ≪164≫; Beschluss des Dreierausschusses des Bundesverfassungsgerichts vom 25. November 1970 – 2 BvR 679/70 –, DRiZ 1971, S. 27; siehe auch BGHZ 95, 22 ≪26≫).

Weil die Personalhoheit nach Art. 98 GG den Ländern zusteht, können diese auch die Beförderungsvoraussetzungen unterschiedlich regeln. Ein Gleichheitsverstoß liegt hierin jedenfalls nicht. Da es zu einer längerfristigen Erprobungsabordnung auch der Zustimmung des jeweiligen Richters bedarf, bestehen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts nicht.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Hassemer, Di Fabio, Landau

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1974879

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