Verfahrensgang

OLG Hamburg (Beschluss vom 16.08.2006; Aktenzeichen 9 W 66/06)

LG Hamburg (Beschluss vom 11.07.2006; Aktenzeichen 332 O 460/05)

 

Tenor

Die Beschlüsse des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 16. August 2006 – 9 W 66/06 – und des Landgerichts Hamburg vom 11. Juli 2006 – 332 O 460/05 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 EUR (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Prozesskostenhilfeantrags aufgrund einer vorweggenommenen Beweiswürdigung.

I.

1. Der Beschwerdeführer betreibt ein Unternehmen zur Entwicklung, Herstellung und zum Vertrieb von Sonderkugelhähnen. Im Juli 2004 hatte es in den angemieteten Geschäftsräumen des Unternehmens gebrannt. Nach den Ermittlungen der Polizei waren in der Werkhalle zwei Umzugskartons mit geschreddertem Papier in Brand gesetzt worden. In ein Fenster nahe der Brandstelle war ein etwa 20 mal 20 Zentimeter großes Loch geschlagen worden. Zwischen Brandstelle und Fenster stand direkt am Fenster ein Tisch mit Farbeimern. Auf dem Deckel eines vor dem Tisch stehenden Farbeimers konnte ebenso wie auf dem Boden Brandbeschleuniger festgestellt werden. Schäden waren insbesondere durch die starke Rauchentwicklung entstanden, die zu Rußablagerungen auf dem Inventar der Halle geführt hatte. Die Polizei stellte an den Türen, die bei Brandentdeckung verschlossen waren, keine Einbruchspuren fest. Das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Verfahren wegen Brandstiftung stellte die Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.

Der Beschwerdeführer hatte bereits im Juni 2003 im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung die Absicht geäußert, bei gleich bleibender Konjunkturlage seinen Geschäftsbetrieb einstellen zu wollen. In einem später gegen ihn wegen Eingehungsbetrugs geführten Strafverfahren hatte er laut Protokoll der Hauptverhandlung angegeben, seinen Betrieb im Mai 2003 stillgelegt zu haben.

Der Beschwerdeführer war bei der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens gegen Feuer- und Betriebsausfallschäden versichert. Er machte wegen Totalschadens einer so genannten CNC-Drehmaschine sowie wegen der Kosten der Sanierung und des Betriebsausfalls insgesamt einen Schaden von zuletzt 46.442,50 EUR bei seinem Versicherer geltend. Der Versicherer lehnte die Schadensregulierung ab und berief sich auf Leistungsfreiheit gemäß § 61 VVG wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer. Der Beschwerdeführer beantragte für eine beabsichtigte Klage gegen den Versicherer Prozesskostenhilfe.

2. Das Landgericht wies das Prozesshilfegesuch zurück. Auf der Basis des bisherigen Sach- und Streitstandes, insbesondere unter Berücksichtigung der beigezogenen Ermittlungsakten sei davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin gemäß § 61 VVG leistungsfrei sei. Nach dem Ermittlungsergebnis sei die Scheibe nahe der Brandstelle von innen eingeschlagen worden. Dass nur der Beschwerdeführer sowie der Vermieter über einen Schlüssel zur Halle verfügten und ein Motiv des Vermieters für die Brandstiftung in keiner Weise ersichtlich sei, spreche maßgeblich für eine Brandlegung mit Wissen und Wollen des Beschwerdeführers. Aus der im Ermittlungsverfahren durchgeführten Vernehmung des Zeugen S. der den Brand entdeckt habe, ergebe sich, dass mehr Glasscherben außen vor dem Fenster gelegen hätten als innen. Die Erklärung des Beschwerdeführers hierfür, der Zeuge müsse beim Löschen des Brandes und dem Verbringen der brennenden Kartons nach draußen auch Scherben mit nach draußen befördert haben, überzeuge angesichts der Schilderung des Zeugen nicht, zumal die Polizei festgestellt habe, dass die Scherben sowohl innen als auch außen direkt am Fenster gelegen hätten. Dafür, dass das Fenster von innen eingeschlagen worden sei, spreche weiter, dass die Polizei innen an der Dichtmasse des Fensterrahmens eine Beschädigung festgestellt habe. Überdies sei bei dem Erklärungsansatz des Beschwerdeführers nicht erkennbar, auf welche Weise der von der Polizei vorgefundene Brandbeschleuniger durch das kleine Loch in der Fensterscheibe auf den Farbeimer und den Fußboden zwischen Fenster und Brandstelle habe gelangen können. Schließlich sei indiziell zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer in seiner eidesstattlichen Versicherung vom Juni 2003 und in dem gegen ihn früher anderweitig wegen Eingehungsbetruges geführten Strafverfahren angegeben habe, der Betrieb solle eingestellt werden beziehungsweise sei seit Mai 2003 stillgelegt. Sein jetziger Vortrag, in dem Strafverfahren habe es sich um eine Schutzbehauptung seinerseits gehandelt, sei wenig überzeugend.

Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht zurück. Aufgrund der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung sei in hohem Maße wahrscheinlich, dass der Antragsteller den Brand in der von ihm angemieteten Halle selbst oder durch von ihm beauftragte Dritte gelegt habe, so dass die Antragsgegnerin gemäß § 61 VVG leistungsfrei sei. Unstreitig sei der Brand durch vorsätzliche Brandstiftung entstanden. Aufbruchspuren an den Türen, durch die man in die Halle habe gelangen können, seien nicht festgestellt worden. Nach den Feststellungen der Polizei und der Wahrnehmung des Brandentdeckers hätten die Scherben des eingeschlagenen Fensters größtenteils außen gelegen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Scheibe von innen eingeschlagen worden sei. Die Mutmaßung des Beschwerdeführers, es könnten bei der Brandbekämpfung Scherben nach draußen verbracht worden sein, erscheine fern liegend. Denn die nach außen beförderten, abgebrannten Kartons hätten sich nicht in unmittelbarer Nähe des Fensters befunden. Daher komme nur ein Täter in Betracht, der über einen Schlüssel zur Halle verfüge. Nach den Ermittlungen der Polizei sei dies lediglich der Beschwerdeführer gewesen. Selbst wenn auch der Vermieter einen Schlüssel besessen haben sollte, ändere dies nichts an dem auf den Beschwerdeführer fallenden Verdacht. Es gebe keinen Anhalt für die Annahme, der Vermieter könne ein Interesse an der Brandstiftung gehabt haben. Der Beschwerdeführer habe dagegen ein Motiv für die Tat. Seine wirtschaftliche Situation sei schlecht gewesen. Bereits im Juni 2003 habe er die eidesstattliche Versicherung abgegeben und die Einstellung des Betriebs angekündigt. Die CNC-Drehmaschine habe er bereits seit Ende 2003 im Internet zum Kauf angeboten. Seine Einlassung, dies sei geschehen, um sich einen preislichen Überblick zu verschaffen, ergebe keinen Sinn.

 

Entscheidungsgründe

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer der Sache nach die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG durch die Entscheidungen der Fachgerichte.

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg sowie die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

III.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der grundrechtlichen Gewährleistung aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche Frage, welche Anforderungen sich für die Auslegung und Anwendung des § 114 Satz 1 ZPO aus der durch Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleisteten Rechtsschutzgleichheit ergeben, insbesondere inwieweit eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren verfassungsrechtlich zulässig ist, hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪356 ff.≫ m.w.N.; zu den Grenzen zulässiger Beweisantizipation vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 – 1 BvR 1807/07 –, NJW 2008, S. 1060). Auf dieser Grundlage erweist sich die Verfassungsbeschwerde als offensichtlich begründet.

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.

1. Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪356≫). Es ist zwar verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren über die Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪357≫).

Die in Auslegung und Anwendung des § 114 Satz 1 ZPO erfolgende Prüfung der Erfolgsaussichten obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪358≫). Der den Fachgerichten hierbei verfassungsrechtlich zukommende Entscheidungsspielraum wird allerdings überschritten, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Das ist namentlich der Fall, wenn die Fachgerichte die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlen (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪358≫).

Ausgehend hiervon ist zwar verfassungsrechtlich die Annahme der Fachgerichte nicht zu beanstanden, dass eine Beweisantizipation in eng begrenztem Rahmen zulässig ist. Kommt jedoch eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Rechtschutzbegehrens Prozesskostenhilfe zu verweigern (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 1986 – 2 BvR 25/86 –, NVwZ 1987, S. 786; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. Februar 1993 – 1 BvR 1697/91 –, NJW-RR 1993, S. 1090; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Mai 1997 – 1 BvR 296/94 –, NJW 1997, S. 2745; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2002 – 1 BvR 1450/00 –, NJW-RR 2002, S. 1069; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. April 2003 – 1 BvR 1998/02 –, NJW 2003, S. 2976; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juni 2003 – 1 BvR 1355/02 –, NJW-RR 2003, S. 1216; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2003 – 1 BvR 2072/02 –, NJW-RR 2004, S. 61; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. September 2004 – 1 BvR 1281/04 –, NJW-RR 2005, S. 140; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. November 2007 – 1 BvR 69/07, 1 BvR 72/07 –, JURIS; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 – 1 BvR 1807/07 –, NJW 2008, S. 1060).

2. Diesen Grundsätzen werden die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts nicht gerecht. Die Gerichte haben die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage überspannt und die Beweiswürdigung unzulässig in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert. Sie zeigen im gegebenen Zusammenhang keine hinreichend konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte für eine tragfähige Prognose dahin auf, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde.

a) Der Sachvortrag des Beschwerdeführers konnte weder als von vornherein unerheblich erachtet noch gar als unvertretbar angesehen werden. Bei der Würdigung der Erfolgsaussichten einer Beweisaufnahme für den Beschwerdeführer ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens den Vollbeweis für die Voraussetzungen ihres Einwandes zu führen hat, nach § 61 VVG leistungsfrei zu sein, weil der Brand mit Wissen und Wollen des Beschwerdeführers vorsätzlich herbeigeführt worden sei. Ihr kommt insoweit nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Fachgerichtsbarkeit keine Beweiserleichterung zugute. Insbesondere kann sie ihre Beweisführung nicht auf einen Anscheinsbeweis stützen (vgl. BGHZ 104, 256 ≪259 f.≫ = NJW 1988, S. 2040 ≪2041≫; BGH, Urteil vom 14. April 1999 – IV ZR 181/98 –, NJW-RR 1999, S. 1184 ≪1185≫; zum Ganzen auch Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 61 Rn. 21 ff.).

b) Die Bewertung des Landgerichts wie auch des Oberlandesgerichts, der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens werde dieser Beweis mit großer Wahrscheinlichkeit gelingen, genügt den Anforderungen nicht. Beide Gerichte stellen darauf ab, dass der Brand vorsätzlich gelegt worden sei, die beschädigte Fensterscheibe von innen eingeschlagen worden sei, keine sonstigen Einbruchspuren vorhanden seien und nur der Beschwerdeführer und allenfalls noch der Vermieter Zugang zum Brandort gehabt hätten.

aa) Zunächst fehlen schon hinreichend konkrete und insoweit tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit die Einschätzung der Fachgerichte bestätigen wird, die Fensterscheibe sei von innen eingeschlagen worden. Beide Gerichte stützen diese Einschätzung auf die Feststellungen der Polizei und die polizeiliche Vernehmung des Zeugen S. wonach der größte Teil der Glasscherben außen vor dem Fenster gelegen haben soll. Allein auf dieser Grundlage durften die Fachgerichte vor dem Hintergrund des Vortrags des Beschwerdeführers sowie seiner Beweisantritte im Prozesskostenhilfeverfahren nicht den Schluss ziehen, dass das Doppelglasfenster von innen eingeschlagen worden sei. Weder die von der Polizei angefertigten – von den Fachgerichten nicht ausdrücklich in Bezug genommenen – Lichtbilder noch die vom Beschwerdeführer ergänzend vorgelegten Aufnahmen lassen ein derartig eindeutiges Schadensbild der Doppelglasscheibe erkennen, dass ohne besondere Sachkunde auf die Schlagrichtung geschlossen werden könnte. Überdies liegt eine ersichtlich und uneingeschränkt aussagekräftige Fotodokumentation des Splitterbildes im Innenbereich nicht vor.

Vor diesem Hintergrund ist die Beweisprognose der Fachgerichte deshalb unzureichend, weil sie sich nicht mit dem Sachvortrag des Beschwerdeführers und den hierzu angebotenen Beweismitteln näher befassen. Der Beschwerdeführer hatte einen Zeugen für seine Behauptung benannt, dass sich die Mehrzahl der Glasscherben in der Halle befunden habe, und Beweis durch Sachverständigengutachten dafür angeboten, dass die Scheibe nach dem Schadensbild nicht von innen, sondern von außen eingeschlagen worden sei. Beide Beweisangebote übergehen die Gerichte, ohne sich damit auseinanderzusetzen.

Auch die weiteren vom Landgericht angestellten Erwägungen belegen nicht zureichend, dass eine Beweisaufnahme hier nicht ernstlich in Betracht gekommen wäre. Hinsichtlich der Bewertung der Beschädigung der Dichtmasse auf der Innenseite des Fensters verzichtet das Landgericht auf Darlegungen zu seiner Sachkunde, obwohl der Beschwerdeführer auch insoweit Gegenbeweis durch Sachverständigengutachten angeboten hat. Gleiches gilt für die Ausführungen des Landgerichts zur Möglichkeit, den Brandbeschleuniger durch das Loch im Fenster in die Halle zu verbringen. Auch hierzu hat der Beschwerdeführer Beweis durch Sachverständigengutachten angetreten.

bb) Durchgreifenden Bedenken begegnet weiter die Annahme der Gerichte, für eine Brandstiftung von innen komme neben dem Beschwerdeführer allenfalls noch der Vermieter als Täter in Betracht, weil nur dieser außer dem Beschwerdeführer einen Schlüssel für die Halle gehabt habe. Denn nach den Angaben des Beschwerdeführers war die Halle auch über die angrenzenden Büroräume erreichbar, zu denen auch die Beschäftigten einer Untermieterin Zugang gehabt hätten. Überdies hat sich der Brandentdecker, der Zeuge S. nach seiner Aussage mit einem Dietrich durch eine Zwischentür von der angrenzenden Schreinerei her Zugang zu den Büroräumen verschafft.

cc) Die weiteren Ausführungen der Gerichte zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers und zu einer möglichen Betriebsaufgabe sowie zu Versuchen des Beschwerdeführers, die CNC-Drehmaschine bereits vor dem Brand zu verkaufen, mögen zwar für die abschließende Beweiswürdigung im Hauptsacheverfahren bedeutsam sein, können aber im Prozesskostenhilfeverfahren die Beweisprognose ersichtlich nicht entscheidend zum Nachteil des Beschwerdeführers beeinflussen. Dieser hat bestritten, dass er seinen Betrieb bereits aufgegeben gehabt oder solches beabsichtigt habe. Dafür hat er Zeugenbeweis angeboten. Hinsichtlich des Verkaufsangebots betreffend die Drehmaschine hat er ausgeführt, er habe sich lediglich einen preislichen Überblick verschaffen wollen. Obgleich er die Maschine tatsächlich habe verkaufen können, habe er davon Abstand genommen. Zum Beweis hat er ein Kaufangebot vom Mai 2003 vorgelegt und den potentiellen Käufer als Zeugen benannt. Mit diesem Vortrag und den zugehörigen Beweisangeboten setzen sich die Fachgerichte nicht näher auseinander. Das Oberlandesgericht meint lediglich, diese Behauptung ergebe keinen Sinn. Das genügte hier nicht, um die Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers als von vornherein aussichtslos zu bewerten.

3. Nach allem sind die engen Grenzen, die einer Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren gesetzt sind, hier nicht gewahrt, zumal die Beweislast für die streitigen Umstände die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens trifft. Die Fachgerichte haben die Beweiswürdigung in das Verfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert, ohne hinreichend belegt zu haben, dass der Antragsgegnerin mit großer Wahrscheinlichkeit der ihr obliegende Beweis gelingen wird. Die angegriffenen Entscheidungen stehen daher mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht mehr im Einklang (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Sie beruhen auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Landgericht und Oberlandesgericht bei einem Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG entsprechenden Verfahren zu einem anderen Ergebnis gelangt wären. Die Entscheidungen sind danach aufzuheben. Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BVerfGG).

IV.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a BVerfGG, die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 ≪368≫).

 

Unterschriften

Papier, Bryde, Schluckebier

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2148335

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