Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 02.03.2000; Aktenzeichen III ZR 141/99)

OLG Dresden (Urteil vom 24.03.1999; Aktenzeichen 6 U 3372/98)

LG Leipzig (Urteil vom 30.09.1998; Aktenzeichen 3 O 2756/98)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auferlegung so genannter Folgekosten für die Umlegung beziehungsweise bauliche Sicherung von Ferngasleitungen im Zusammenhang mit dem Ausbau der Bundesautobahn 4 zwischen Nossen und Dresden.

I.

1. Die Beschwerdeführerin ist Rechtsnachfolgerin eines Volkseigenen Betriebs der DDR (VEB). Dieser legte in den 60er Jahren Gasleitungen im Gebiet der damaligen DDR an, welche stellenweise Fernstraßen kreuzten. Im Zuge der Wiedervereinigung machte der Ausbau des Fernstraßennetzes in den neuen Bundesländern eine Verlegung beziehungsweise bauliche Sicherung der Ferngasleitungen im Kreuzungsbereich mit den Bundesfernstraßen erforderlich. Da sich der Bund als Träger der Straßenbaulast und die Beschwerdeführerin nicht darüber einig waren, wer die Kosten für die Maßnahmen in Höhe von DM 54.000 zu tragen hatte, schlossen sie einen Vertrag, in dem sich die Beschwerdeführerin zur Durchführung der Leitungsänderung und der Bund zur Vorfinanzierung verpflichteten; im Übrigen kamen sie überein, den Streit gerichtlich klären zu lassen.

2. Im Ausgangsverfahren begehrte die Bundesrepublik Deutschland die Rückerstattung der vorgelegten Kosten. Das Landgericht Leipzig verurteilte die Beschwerdeführerin am 30. September 1998 antragsgemäß, die Berufung der Beschwerdeführerin wies das Oberlandesgericht Dresden am 24. März 1999 zurück. Mit Urteil vom 2. März 2000 (BGHZ 144, 29) wies der Bundesgerichtshof die zugelassene Revision der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf den Rechtsgedanken des § 8 Abs. 2 a, 8 und 10 FStrG zurück. Der Beschwerdeführerin sei vor dem Beitritt kein energiewirtschaftliches Mitbenutzungsrecht nach §§ 29 ff., 48 DDR-EnVO 1988 eingeräumt worden, welches gemäß § 31 EnVO zur Folge habe, dass die Trägerin der Straßenbaulast die Kosten für die Leitungsverlegung zu tragen habe. Ein solches Recht habe, wie die Auslegung der § 321 Abs. 1 und 4 ZGB/DDR und § 29 Abs. 2 Satz 1 EnVO ergebe, nach DDR-Recht nur durch Vertrag begründet werden können. Ein solches Mitbenutzungsrecht sei auch nicht mit der Erteilung der Standortgenehmigung begründet worden, die nur den Abschluss der Planungsphase durch staatliche Zustimmung zur Durchführung der Investition dargestellt habe. Dem stehe nicht entgegen, dass Mitnutzungsverträge in der Rechtspraxis der DDR keine Rolle gespielt haben mögen, sondern den Energieversorgern in der Regel straßenrechtliche Sondernutzungsgenehmigungen zur Kreuzung der Fernstraßen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 StrVO/DDR erteilt worden seien. Dies sei kein Beleg für die Begründung eines energierechtlichen Nutzungsrechts durch eine Standortgenehmigung, vielmehr dafür, dass nach DDR-Recht die Kostentragungspflicht für Leitungsverlegungen nicht nach energierechtlichen, sondern nach straßenrechtlichen Normen zu beurteilen sei. Nach diesen aber fielen die Folgekosten für Leitungsänderungen den Sondernutzern zur Last. Dass für Energieversorger etwas anderes gelte, sei weder dem Straßen- noch dem Energierecht zu entnehmen. Ein Mitnutzungsrecht für den Energieversorger ergebe sich auch nicht unmittelbar aus der Energieverordnung 1969 und ihren Folgeverordnungen. Ein Vorrang der Energieverordnung vor der Straßenverordnung sei weder direkt dem Norminhalt zu entnehmen, noch bestünden Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtspraxis der DDR entgegen dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen davon ausgegangen sei. Nach dem Einigungsvertrag habe das Bundesfernstraßengesetz im Beitrittsgebiet Wirksamkeit erlangt. Da das Recht der Beschwerdeführerin zur Straßennutzung auf einer fortdauernden Sondernutzungsgenehmigung nach DDR-Recht beruhe und es keine vertragliche Folgekostenvereinbarung gebe, müsse entsprechend dem in § 8 Abs. 2 a, 8 und 10 FStrG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken das Versorgungsunternehmen die Kosten für Leitungsänderungen übernehmen. Mit den Regelungen des Einigungsvertrages über das Fortbestehen von Mitnutzungsrechten an Grundstücken hätten bestehende Rechtspositionen bewahrt, nicht aber neue geschaffen werden sollen. Gegen dieses Ergebnis bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

3. Gegen die Entscheidungen der Instanzgerichte und des Bundesgerichtshofs richtet sich die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin, mit der sie eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG rügt.

Art. 14 Abs. 1 GG sei zum einen dadurch verletzt, dass ihr Eigentum an den Ferngasleitungen jedenfalls teilweise entschädigungslos entzogen werde, wenn sie die Kosten für die Verlegung vollumfänglich zu tragen habe. Zum anderen liege eine Verletzung des Eigentumsschutzes in Bezug auf ihr energierechtliches Mitbenutzungsrecht vor, das nach DDR-Recht begründet worden sei und gemäß Anlage II zum Einigungsvertrag mit Bestandsschutz bis zum Jahr 2010 weiter bestehe. Diese Rechtsposition sei als vermögenswertes subjektiv öffentliches Recht vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst, werde ihr jedoch im Ergebnis entschädigungslos entzogen. Anlage II, Kap. V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 4 b Satz 1 des Einigungsvertrages schütze nicht nur Mitbenutzungsrechte nach der Energieverordnung der DDR, sondern bezwecke, den Energieversorgern den Fortbestand ihrer Leitungsnetze zu sichern. Dieser Grundsatz werde ausgehebelt, wenn die Gerichte den Anwendungsbereich auf vertraglich begründete Mitbenutzungsrechte reduzierten. Die in der DDR begründete und bestandene Rechtsposition habe die logische Sekunde des In-Kraft-Tretens der Wiedervereinigung überdauert, sodass Eingriffe in sie an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen seien. Der Eingriff bestehe darin, dass die Gerichte das Mitbenutzungsrecht mit der Verpflichtung zur Übernahme von Folgekosten belastet hätten.

Außerdem verletzten die Entscheidungen Art. 12 Abs. 1 GG, jedenfalls aber Art. 2 Abs. 1 GG, weil die Ausgestaltung der Mitbenutzungsrechte und der damit verbundenen Folgekosten auf die spezifische gewerbliche Betätigung der Energieversorger bezogen sei und damit eine Berufsausübungsregelung darstelle. Der Einigungsvertrag sehe die Fortgeltung bestehender Mitbenutzungsrechte nach der Energieverordnung der DDR vor, eine Korrektur dieser Entscheidung könne sich nicht auf legitime Gründe des Gemeinwohls stützen. Überdies führe die Folgekostenpflicht zu unverhältnismäßigen Belastungen im Beitrittsgebiet, welche die Existenz der dort tätigen Energieversorgungsunternehmen bedrohe.

Auch verstießen die Entscheidungen gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zum einen würden Energieversorgungsunternehmen im Gebiet der neuen Bundesländer in sachlich nicht gerechtfertigter Weise ungleich behandelt. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs würden Energieversorgungsunternehmen, deren Mitbenutzungsrechte zufällig auf einem heute noch dokumentierbaren Vertrag beruhen, hinsichtlich der Folgekosten begünstigt, obgleich der Einigungsvertrag den unterschiedslosen Fortbestand sämtlicher Mitbenutzungsrechte vorsehe. Zum anderen werde die Beschwerdeführerin im Vergleich zu den in Westdeutschland tätigen Energieversorgungsunternehmen benachteiligt, denn dort entspreche es der Verwaltungspraxis der Straßenbaulastträger, gemäß einem Rahmenvertrag mit den Versorgungsunternehmen eine hälftige Teilung der Folgekosten zu vereinbaren.

Schließlich sei die Beschwerdeführerin auch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, da das Oberlandesgericht Dresden mehreren Beweisangeboten der Beschwerdeführerin nicht nachgekommen sei und der Bundesgerichtshof trotz entsprechender Rüge diesen Verstoß in der Revision nicht behoben habe.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nach § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Sie hat keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen halten den Maßstäben der Verfassung stand.

1. Das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 14 Abs. 1 GG wird durch die Entscheidungen nicht verletzt.

a) Hinsichtlich des als verletzt gerügten Sacheigentums der Beschwerdeführerin an den Gasleitungen fehlt es bereits an einem hoheitlichen Eingriff. Die Auferlegung der Kostentragung für die Verlegung der Leitungen beeinträchtigt nicht das Recht der Beschwerdeführerin, die Leitungen zu nutzen und über sie zu verfügen. Soweit Kosten entstanden sind, um die Leitungen vor einer Zerstörung durch den Straßenbau zu sichern, rührte die Gefahr einer Substanzbeeinträchtigung allein daher, dass die Leitungen in einem fremden, im Bundeseigentum stehenden Grundstück verlegt waren. Die Straßenbaulastträgerin ist zur Durchführung der die Folgekosten auslösenden Maßnahme berechtigt gewesen, die Beschwerdeführerin ihrerseits hat daraufhin die Änderungen an den Leitungen selbst vorgenommen.

b) Auch hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin geltend gemachten energierechtlichen Mitbenutzungsrechts verletzen die gerichtlichen Entscheidungen Art. 14 Abs. 1 GG nicht. Die Überprüfung der Rechtsanwendung des Bundesgerichtshofs durch das Bundesverfassungsgericht beschränkt sich auf die Feststellung, ob dem Fachgericht Fehler unterlaufen sind, die auf einer grundsätzlichen Verkennung der Bedeutung von Grundrechten, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und materiell von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 79, 292 ≪303≫; 89, 1 ≪10≫; 97, 89 ≪96≫). Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Annahme, ein energierechtliches Mitbenutzungsrecht sei im Ausgangsfall schon zu DDR-Zeiten nicht entstanden und daher auch nicht auf die Beschwerdeführerin übergegangen, die Bedeutung von Art. 14 GG nicht grundlegend verkannt. Insofern kann hier dahingestellt bleiben, ob ein nach DDR-Recht entstandenes energierechtliches Mitbenutzungsrecht den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießt.

aa) Ebenso wie Art. 14 GG für Hoheitsakte, die in der DDR durchgeführt wurden, nicht galt, weil sich der Geltungsbereich des Grundgesetzes nicht auf das Gebiet der DDR erstreckte und das Grundgesetz für dieses Gebiet auch nicht rückwirkend in Kraft getreten ist (vgl. BVerfGE 97, 89 ≪98≫), wird die rechtliche Beurteilung eines rechtsbegründenden Vorgangs wie die Entstehung eines energierechtlichen Mitbenutzungsrechts in der DDR durch die spätere Änderung der Rechtslage nicht berührt (vgl. BVerfGE 29, 166 ≪175≫). Deshalb kann die Prüfung, ob nach den Vorschriften der DDR ein solches Recht entstanden ist, nicht durch Art. 14 GG unmittelbar beeinflusst werden. Allerdings haben die Gerichte bei der Anwendung des Rechts der DDR rechtsstaatliche Grundsätze und die grundlegenden Wertungen der Grundrechte zu beachten (vgl. BVerfGE 97, 89 ≪100≫).

bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen ist der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung gerecht geworden.

Zutreffend hat er die Frage, ob ein energierechtliches Mitnutzungsrecht vor der Wiedervereinigung entstanden ist, in Anwendung der damals geltenden Vorschriften der DDR beurteilt. Nach allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Kollisionsrechts war das zu diesem Zeitpunkt an dem maßgeblichen Ort geltende Recht anzuwenden, ohne dass die Frage der Fortgeltung des Rechts eine Rolle spielt (vgl. BVerfGE 88, 70 ≪74 f.≫). Sein Ergebnis, ein solches Mitbenutzungsrecht der Beschwerdeführerin sei zu DDR-Zeiten nicht entstanden, gibt für einen Verstoß gegen den Wertgehalt des Eigentumsschutzes keinerlei Anhaltspunkte.

2. Insoweit können die angegriffenen Entscheidungen nur daran gemessen werden, ob sie den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot verletzen (vgl. BVerfGE 97, 89 ≪99≫). Dies ist nicht der Fall.

Der Bundesgerichtshof hat die Existenz eines energierechtlichen Mitbenutzungsrechts der Beschwerdeführerin an dem in Rede stehenden Straßengrundstück mangels vertraglicher Grundlage unter verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken mit sachgerechten Erwägungen verneint. Ebenso nachvollziehbar hat er der Fortgeltungsregelung in Anlage II des Einigungsvertrages keine ausschlaggebende Bedeutung für seine rechtliche Bewertung eingeräumt.

a) Der Bundesgerichtshof hat sich vornehmlich auf den Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des DDR-Rechts berufen und hieraus auf die vertragliche Natur des energierechtlichen Mitbenutzungsrechts geschlossen. Dass er hierbei die nach Darstellung der Beschwerdeführerin in der DDR herrschende Rechtspraxis, zur Begründung eines solchen Mitbenutzungsrechts keine vertraglichen Vereinbarungen zu schließen und formell zu dokumentieren, sachwidrig außer Acht gelassen hat, ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof dargelegt, dass nach dem Recht der DDR auch die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis als Rechtsgrundlage für die Nutzung von Straßengrundstücken mit Energiefortleitungsanlagen in Betracht gekommen ist. Nachvollziehbar ist insofern sein Argument, dass die fehlende Existenz dokumentierter Verträge kein logisch zwingendes Argument gegen die vertragliche Natur der energierechtlichen Mitbenutzungsrechte ist, sondern auch die Schlussfolgerung zulässt, es seien keine Verträge geschlossen worden und damit keine energierechtlichen Mitbenutzungsrechte entstanden.

b) Das Argument der Beschwerdeführerin, energierechtliche Mitbenutzungsrechte an Straßengrundstücken könnten bereits durch die Erteilung von Standortgenehmigungen entstanden sein, hat der Bundesgerichtshof mit dem nicht sachwidrigen Argument verworfen, diese Genehmigungen seien Entscheidungen gewesen, die lediglich die Planungsphase solcher Vorhaben abgeschlossen hätten.

c) Nachvollziehbar sind auch die Wertungen des Bundesgerichtshofs zur Interpretation der Fortgeltungsregelung für energierechtliche Mitbenutzungsrechte in Anlage II des Einigungsvertrages. Soweit die Beschwerdeführerin dem Bundesgerichtshof entgegenhält, das von ihm postulierte Vertragsprinzip hebele die in Anlage II des Einigungsvertrages niedergelegte Fortgeltungsregelung für energierechtliche Nutzungsrechte aus, mit welcher der ungeschmälerte Fortbestand der Leitungsnetze der Energieversorger bezweckt werde, geht diese Beanstandung fehl. Der Bundesgerichtshof hat sich hiermit befasst und ausgeführt, der Einigungsvertragsgesetzgeber habe lediglich bezweckt, Rechtspositionen der Energieversorger zu erhalten, nicht aber ihnen Rechtspositionen zu verschaffen, die ihnen nach dem Recht der DDR nicht zugestanden hätten. Für Grundflächen außerhalb des Anwendungsbereichs des Straßenrechts komme die Fortgeltungsregelung voll zum Tragen, so dass sie nicht ins Leere laufe. Soweit aber straßenrechtliche Sondernutzungen begründet worden seien, müsse dem in der DDR geltenden Konkurrenzverhältnis zwischen Straßenverordnung und Energieverordnung Rechnung getragen werden. Für Inhaber solcher Sondernutzungsgenehmigungen gelte die Fortgeltungsregelung des Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages.

Für die Sachgerechtigkeit dieser Einschätzungen des Bundesgerichtshofs spricht zum einen die Formulierung in Anlage II, Kap. V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 4 b des Einigungsvertrages, wonach nur bestehende energierechtliche Mitbenutzungsrechte fortbestehen; Hinweise für die Entstehung solcher Rechte oder den Umfang ihres Bestandes nach den Vorstellungen der Vertragsparteien können diesem Wortlaut nicht entnommen werden. Auch das Fehlen jeglicher schriftlicher Memoranden beider Seiten über den vorgestellten Umfang der energierechtlichen Mitbenutzungsrechte in der DDR spricht gegen einen Willen beider Verhandlungsparteien des Einigungsvertrages, Rechte fortgelten zu lassen, deren Bestand beziehungsweise Rechtsnatur zumindest fraglich ist. So erscheint nahe liegend, dass jedenfalls die bundesdeutsche Seite keine festen Vorstellungen davon hatte, ob und wenn ja in welchem Umfang auf dem Gebiet der DDR tatsächlich energierechtliche Mitbenutzungsrechte auch an Straßengrundstücken bestanden haben. Den Vorstellungen der im DDR-Ministerium für Energie und Umwelt bei den Einigungsvertragsverhandlungen mitwirkenden Personen über den Umfang der energierechtlichen Mitbenutzungsrechte kann allenfalls eine Indizwirkung dafür zukommen, dass in der Rechtswirklichkeit der DDR von dem Bestehen energierechtlicher Mitbenutzungsrechte auch an Straßengrundstücken ausgegangen wurde. Dies hat der Bundesgerichtshof nicht für ausschlaggebend befunden, was unter Willkürgesichtspunkten nicht zu beanstanden ist.

d) Willkürfrei ist der Bundesgerichtshof auch davon ausgegangen, dass die Übergangsvorschrift des § 69 Abs. 4 EnVO 1988/90 kein zuvor bestehendes straßenrechtliches Sondernutzungsrecht nachträglich dem Energierecht zugeordnet hat. Die Auslegung des § 69 Abs. 4 EnVO durch den Bundesgerichtshof, wonach sich die Vorschrift aus systematischen Gründen und in Ansehung ihres Wortlauts auf vorher geltende Rechtsvorschriften beziehe und nicht auf straßenrechtliche Sondernutzungsrechte, wirft unter Willkürgesichtspunkten keine Bedenken auf. Der Bundesgerichtshof stellt nachvollziehbar darauf ab, dass Geltung und Anwendungsbereich dieser straßenrechtlichen Sondernutzungsrechte durch die EnVO 1988/90 keine Einschränkungen erfahren haben.

e) Schließlich hat sich der Bundesgerichtshof nicht veranlasst sehen müssen, dem Vortrag der Beschwerdeführerin zu folgen, sie habe zumindest einen Anspruch auf Einräumung eines energierechtlichen Mitbenutzungsrechts gehabt. Es ist nicht ersichtlich, welche Bedeutung ein solcher Anspruch gehabt haben könnte, wenn das Recht, dessen Fortgeltung letztlich geltend gemacht wird, gar nicht erst entstanden ist.

3. Die Folgekostenpflicht greift auch nicht in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 GG ein, der den Erwerbsvorgang als berufsbezogenes Verhalten schützt (vgl. BVerfGE 30, 292 ≪335≫; 32, 311 ≪317≫; 105, 252 ≪265≫), nicht dagegen einen Anspruch auf die Erhaltung des Geschäftsumfangs und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten gewährt (vgl. BVerfGE 34, 252 ≪256≫; 105, 252 ≪265≫). Die Einschränkung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit der Beschwerdeführerin durch die Folgekostenlast stellt keinen Eingriff mit berufsregelnder Tendenz dar.

Soweit die Folgekostenpflicht in den Schutzbereich des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 GG eingreift, ist dies im Rahmen der allgemeinen Gesetze geschehen, die das Grundrecht begrenzen und die der Bundesgerichtshof in nicht zu beanstandender Weise angewandt und ausgelegt hat.

4. Schließlich liegt auch keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vor. Insbesondere wird die Beschwerdeführerin nicht gegenüber in Westdeutschland tätigen Energieversorgern benachteiligt, die die Möglichkeit haben, in Anwendung eines Rahmenvertrags mit der Bundesrepublik Deutschland die hälftige Teilung der Folgekosten zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung zu treffen, wäre auch der Beschwerdeführerin möglich gewesen, wobei offen bleiben kann, ob die Bundesrepublik Deutschland zum Vertragsschluss aus Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet gewesen wäre. Da Gegenstand des Ausgangsverfahrens die Pflicht zur Rückerstattung der vorfinanzierten Kosten war, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesgerichtshof der Klägerin des Ausgangsverfahrens das Recht zugestanden hat, vor dem Hintergrund einer solchen möglichen, aber nicht zustandegekommenen vertraglichen Vereinbarung die vollen Kosten im Klagewege geltend zu machen.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1979230

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