Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Prüfung der Voraussetzungen eines besonderen beruflichen Betroffenseins ist ein Vergleich nur mit in ähnlicher Weise körperlich beschädigten Berufstätigen des allgemeinen Arbeitsmarktes anzustellen. Ein Vergleich mit gesunden Angehörigen desselben Berufs ist deshalb - sowohl hinsichtlich eines Minderverdienstes als auch eines erhöhten Energieaufwandes - für sich allein kein geeigneter Weg zum Nachweis eines Berufsschadens.

2. Die Anwendung des BVG § 30 Abs 2 nF setzt eine um mindestens 10 % höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit voraus, als sie im allgemeinen Erwerbsleben anzunehmen wäre.

3. Zur Auslegung des Begriffs des besonderen beruflichen Betroffenseins in BVG § 30 Abs 1 aF.

4. Ein besonderes berufliches Betroffensein liegt nicht schon dann vor, wenn ein beschädigter Friseur weniger verdient als ein gesunder Friseur; denn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit hat meist auch einen Verdienstausfall zur Folge, beim selbständigen Unternehmer ebenso wie beim abhängigen Arbeitnehmer. Der Beschädigte kann nicht schlechthin mit einem Gesunden verglichen werden, weil er durch die nach der Minderung der Erwerbsfähigkeit bemessene Rente für seinen Körperschaden bereits einen nach allgemeinen Maßstäben bewerteten finanziellen Ausgleich erhält.

5. Der Beschädigte muß dann eine erheblich größere Energie aufbringen, als dies in einer Vielzahl anderer Berufe bei gleicher körperlicher Schädigung der Fall wäre, wenn er eine außergewöhnliche Tatkraft aufwenden oder außergewöhnliche Anstrengungen machen oder seine Gesundheit gefährden muß, um den durch seinen Körperschaden bedingten wirtschaftlichen Schaden oder ein Abgleiten in seinem Beruf zu verhindern (vergleiche BSG 1960-08-25 3 RK 50/57 = BSGE 13, 23).

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1956-06-06, Abs. 2 Fassung: 1960-06-27

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. März 1958 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger wurde 1945 als Soldat durch Granatsplitter verwundet. Die Landesversicherungsanstalt als damalige Versorgungsbehörde gewährte ihm mit Bescheid vom 10. Dezember 1948 nach dem Körperbeschädigten-Leistungsgesetz (KBLG) für "Zustand nach Schußbruch im Bereich des linken Rollhügels und Schenkelhalses mit erheblicher Bewegungseinschränkung im Hüft- und Kniegelenk und Beinverkürzung von 2 cm, Neigung zur Fistelung" Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H., Schädigungsfolgen und MdE wurden ohne ärztliche Untersuchung im Umanerkennungsbescheid vom 17. Oktober 1952 nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) übernommen. Die Nachuntersuchung am 2. Februar 1953 ergab, daß seit 1948 keine Fistelneigung mehr vorliege. Im Neufeststellungsbescheid vom 2. April 1953 wurde deshalb die Neigung zur Fistelung nicht mehr als Schädigungsfolge anerkannt und Rente nur mehr nach einer MdE um 40 v.H. gewährt. Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung zum Oberversicherungsamt, die bei Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht (SG) überging, begehrte der Kläger Weiterzahlung der Rente nach einer MdE um 50 v.H. Einem vom Oberversicherungsamt eingeholten fachchirurgischen Gutachten von Prof. Dr. ... und Dr. ... das die MdE auf 40 v.H. schätzte, stellte der Kläger die Bescheinigung des Fachorthopäden Dr. ... gegenüber, der unter Berücksichtigung einer Schenkelhalsverbiegung rechts eine MdE um 50 v.H. annahm. Das SG wies nach Einholung eines weiteren chirurgisch-orthopädischen Fachgutachtens, das die MdE ebenfalls auf 40 v.H. schätzte, die Klage ab.

Mit der Berufung zum Landessozialgericht (LSG) wiederholte der Kläger sein Vorbringen und machte außerdem besondere berufliche Betroffenheit geltend. Vor seiner Vertreibung aus Neundorf/CSR (2000 Einwohner) habe er einen Friseurbetrieb gehabt und seit 1948 habe er in Dürnau, das etwa 1000 Einwohner zähle, wieder einen solchen Betrieb. Sein Umsatz sei heute nur halb so groß, wie in seiner Heimat. Dies beruhe wesentlich darauf, daß er infolge seiner Kriegsverletzung sein Gewerbe stehend nur noch in beschränktem Umfang ausüben könne. Seine Frau, die einen Damenfriseursalon betreibe, müsse beim Rasieren helfen. Seine Kunden müßten oft lange warten und seien deshalb unzufrieden. Gemäß dem in der mündlichen Verhandlung erklärten Anerkenntnis des Beklagten hob das LSG mit Urteil vom 7. März 1958 das Urteil des SG auf und änderte den Bescheid vom 2. April 1953 dahin ab, daß als Schädigungsfolgen Bewegungseinschränkung im linken Hüft- und Kniegelenk mit entartenden Veränderungen in diesen Gelenken sowie statische Beschwerden der Lendenwirbelsäule nach Schußbruch des linken Rollhügels und des linken Schenkelhalses, bei einer Beinverkürzung von 2 cm anerkannt wurden. Im übrigen wies es die Klage ab. Zu der vom Umanerkennungsbescheid abweichenden Feststellung im Bescheid vom 2. April 1953 sei der Beklagte nach § 86 Abs. 3 BVG berechtigt gewesen, da der Umanerkennungsbescheid ohne ärztliche Untersuchung ergangen und die Neufeststellung deshalb nicht von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse abhängig sei. Die MdE des Klägers betrage, wie die ärztlichen Gutachten ergeben hätten, nur 40 v.H. Der Kläger sei zwar in der Ausübung seines Berufs als Friseur durch Kriegsbeschädigungen behindert, diese Beeinträchtigung sei aber mit einer MdE auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt um 40 v.H. angemessen berücksichtigt. Eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG liege nicht vor. Da der für den allgemeinen Arbeitsmarkt anerkannte Grad der MdE in aller Regel auch eine etwaige besondere berufliche Schädigung wegen des gleichen Leidens einschließe, könne § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG neben Satz 1 nur angewandt werden, wenn zu der nach Satz 1 festgestellten MdE noch eine besondere weitere Schädigung komme, die sich bei der Ausübung des angestrebten oder erlernten Berufs besonders hart auswirke. Dazu genüge nicht schon jeder schädigungsbedingte Verdienstverlust; die besondere weitere Schädigung sei nur gegeben, wenn durch die Art der Schädigung eine wesentlich höhere MdE als im allgemeinen Erwerbsleben verursacht werde oder wenn der Beschädigte dadurch am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert sei. Dies besage auch die Verwaltungsvorschrift (VerwV) Nr.1 Abs. 2 zu § 30 BVG. Der Kläger könne aber seinen Beruf als Friseur weiter ausüben. Er sei trotz seiner Schädigung in der Lage, für die Dauer mehrerer Rasuren zu stehen und behaupte auch selbst nicht, sein Gewerbe nur im Sitzen ausüben zu können. Mithin sei ihm die Ausübung seines Berufs auch nicht auf einem Teilgebiet - der Rasur - durch die Kriegsverletzungen unmöglich gemacht. Betriebsumfang und Konkurrenzschwierigkeiten könnten eine besondere berufliche Betroffenheit nicht rechtfertigen.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung der §§ 103 SGG und 30 Abs. 1 BVG. Er beanstandet, das LSG habe nicht aufgeklärt, ob er infolge langsamerer - weil körperbehinderter - Bedienung der Kunden gegenüber seinen gesunden Mitbewerbern benachteiligt sei. Dies hätte durch Einholung von Auskünften der zuständigen Friseurinnung und der Gemeindeverwaltung geschehen können und würde zur Feststellung einer schädigungsbedingten Benachteiligung des Klägers im Konkurrenzkampf und somit wahrscheinlich zur Annahme besonderer beruflicher Betroffenheit geführt haben. Eine Verletzung des § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG erblickt die Revision in der Auffassung des LSG, die Art der Schädigung müsse sich in der Ausübung des Berufes "besonders hart" auswirken. Das LSG enge dadurch das Gesetz unzulässigerweise ein. Das gelte auch für die VerwV, auf die sich das LSG beziehe, nach denen § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG voraussetze, daß der Beschädigte in seinem Beruf durch die Art der Schädigung in einem "wesentlich höheren" Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sei. Sein Beruf müsse ihm durch den Körperschaden auch keineswegs auf gewissen Teilgebieten "unmöglich gemacht" werden. Es genüge, wenn der Kläger durch die anerkannten Schädigungsfolgen in seinem Beruf besonders, d.h. mehr als nichtbeschädigte Friseure, betroffen werde. Das sei aber nach den Feststellungen des LSG der Fall. Der Kläger müsse auch einen erheblich größeren Energieaufwand als seine gesunden Berufskollegen für seine Arbeit aufbringen; er unterliege deshalb einem stärkeren körperlichen Verschleiß, der zu Verstimmungszuständen führe. Deshalb müsse seine MdE nach § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG höher bewertet werden. Der Kläger beantragt, den Beklagten in Abänderung des Bescheides vom 2. April 1953 und des angefochtenen Urteils zu verurteilen, ihm wegen der zuerkannten Schädigungsfolgen Rente nach einer MdE um 50 v.H. über den 1. Juni 1953 hinaus zu gewähren; hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist daher zulässig (§§ 160, 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG); sachlich erweist sie sich jedoch als nicht begründet.

Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge geht fehl. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kommt es für die Frage, ob das LSG seine Pflicht, den Sachverhalt zu erforschen, nicht erfüllt und dadurch § 103 SGG verletzt hat, darauf an, ob der dem LSG zur Zeit der Urteilsfällung bekannte Sachverhalt von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus (vgl. BSG 2, 84) zur Entscheidung des Rechtsstreits ausreichte oder ob er das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte drängen müssen (SozR SGG § 103 Bl. Da 2 Nr. 7). Im vorliegenden Fall ging das LSG davon aus, nicht jede schädigungsbedingte geringere Verdienstmöglichkeit in dem erlernten Beruf genüge zur Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG; der Beschädigte müsse vielmehr hinsichtlich seines Berufs durch die Art der Schädigung "besonders hart betroffen" nämlich in wesentlich höherem Grade erwerbsgemindert sein als im allgemeinen Erwerbsleben.

Das treffe beim Kläger nicht zu, weil er in der Lage sei, für die Dauer mehrerer Rasuren zu stehen, weil er selbst nicht behaupte, seinen Beruf nur im Sitzen ausüben zu können und weil ihm somit die Ausübung seines Berufs auch nicht auf einem Teilgebiet - der Rasur - völlig unmöglich sei. Das LSG unterstellte damit die vom Kläger angegebenen Behinderungen, vermochte sie jedoch nicht als Ursache einer, im Vergleich zum allgemeinen Erwerbsleben wesentlich höheren Herabsetzung der Erwerbsfähigkeit anzusehen. Von diesem sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG aus kam es nicht mehr darauf an, ob der Kläger infolge langsamerer - weil körperbehinderter - Bedienung der Kunden gegenüber seinen gesunden Berufskollegen benachteiligt ist. Das LSG brauchte auch keine Ermittlungen über die Einkommensverhältnisse gesunder Friseurmeister des gleichen Innungsbereichs anzustellen. Denn ein Vergleich mit gesunden Angehörigen desselben Berufs ist nicht, jedenfalls nicht für sich allein, geeignet, einen höheren Verdienstausfall im Verhältnis zu Berufstätigen des allgemeinen Arbeitsmarkts nachzuweisen, die gleichartig beschädigt sind. Das besondere Betroffensein eines bestimmten Berufes ergibt sich - von dem in BSG 13, 23 entschiedenen Sonderfall abgesehen - nur aus einem Vergleich mit anderen Berufen. Das LSG hat daher nicht gegen § 103 SGG verstoßen, wenn es die vom Kläger vermißte Aufklärung dieser Fragen unterließ.

Der Erfolg muß der Revision auch insoweit versagt bleiben, als eine Verletzung des § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG durch das LSG gerügt wird. Der Senat ist unter Würdigung der gesamten Urteilsgründe zu dem Ergebnis gelangt, daß das Berufungsgericht diese Vorschrift zutreffend angewandt hat.

Der mit der verbundenen Anfechtungs- und Leistungsklage erhobene Anspruch ist nach dem geltenden materiellen Recht zu beurteilen; dabei hat die Revisionsinstanz auch noch Gesetzesänderungen zu berücksichtigen, die vor der Entscheidung des Revisionsgerichts in Kraft getreten sind, wenn das streitige Rechtsverhältnis von ihnen erfaßt wird (BSG 2, 188). § 30 BVG ist jedoch nicht mit der Wirkung neu gefaßt worden, daß sich die Anspruchsvoraussetzungen geändert hätten. Zwar ist diese Vorschrift in dem hier strittigen Zeitraum (seit 1. Juni 1953) mehrfach geändert worden. Ursprünglich war § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BVG in der ersten Fassung des BVG (BGBl I 1950, 791) maßgebend. Ab 12. Juni 1956 galt die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 6. Juni 1956 (BGBl I, 463), die wiederum ab 1. Juni 1960 durch das Erste Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960 (BGBl I, 453) geändert wurde (§ 30 Abs. 2 BVG nF). Mit den verschiedenen Fassungen des § 30 BVG hat der Gesetzgeber aber nur klargestellt, wie diese Vorschrift schon in der ursprünglichen Fassung auszulegen war, er hat das Gesetz lediglich authentisch interpretiert (vgl. BSG 13, 20 (22) mit weiteren Nachweisen). Nach dem Sinn des Gesetzes, der in § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG nF nunmehr seinen Ausdruck gefunden hat, ist die MdE höher als nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben (Abs. 1) zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder derzeitigen Beruf besonders betroffen ist. Das ist der Fall, wenn er zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten Beruf wieder ausübt, in diesem Beruf aber durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist. In diesem Sinne hat auch das LSG § 30 BVG angewendet. Es hat zutreffend dargetan, daß die besondere berufliche Betroffenheit nur dann gegeben sei, wenn zu der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geltenden MdE noch eine besondere, darüber hinausgehende berufliche Schädigung hinzukommt. Das LSG hat nicht die Auffassung vertreten - wie die Revision offenbar meint -, daß zur Annahme eines besonderen beruflichen Betroffenseins erforderlich wäre, daß dem Kläger die Ausübung seines Berufes auf einem Teilgebiet - nämlich hier bei den stehend zu verrichtenden Arbeiten - infolge der Schädigung völlig unmöglich geworden ist. Es hat vielmehr dargetan, daß der Beschädigte im Stehen lediglich beschränkt arbeiten könne und daß dieser Umstand allein zu einer besonderen beruflichen Betroffenheit nicht ausreiche.

Der vom LSG gebrauchte Ausdruck "besonders hart", den auch die amtliche Begründung zu den §§ 29 - 34 BVG (BVBl Nr. 1/1951 S. 51) verwandte, könnte zwar den Eindruck erwecken, als habe das Berufungsgericht Wortlaut und Sinn des Gesetzes zu eng ausgelegt. Wie sich aber aus den übrigen Ausführungen des LSG ergibt, handelt es sich hier nur um eine nicht hinreichend abgewogene Formulierung, die auf das Bestreben des LSG zurückzuführen ist, die "besondere berufliche Betroffenheit" deutlich zu machen. Das LSG fordert an anderen Stellen der Urteilsgründe bei Anwendung des § 30 BVG, daß der Beschädigte im Beruf "besonders betroffen wird". Es sieht von dem Erfordernis ab, daß der Beschädigte "seine" soziale Stellung nicht behaupten kann und in eine soziale niedrigere Schicht abzusinken droht" und hält ein besonderes Betroffensein schon für gegeben, "wenn der Beschädigte ... im wesentlich höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ... ist". Diese Gesetzesinterpretation entspricht dem § 30 Abs. 2 Buchst. b in der Fassung des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960. Das LSG hat somit auch insoweit § 30 BVG zutreffend angewandt. Es hat die Voraussetzung für ein besonderes berufliches Betroffensein im Falle des Klägers, eines Friseurs mit einer Beinverletzung, ohne Rechtsirrtum verneint. Der Friseurbetrieb ist ein Gewerbe, das manuelle Dienstleistungen unter Benützung von Handwerkzeugen zum Gegenstand hat, so daß die Beinmuskeln - vom Stehen abgesehen - nicht übermäßig beansprucht werden. Das LSG konnte daher ohne Rechtsverstoß eine besondere berufliche Betroffenheit im Friseurberuf mit der Erwägung ablehnen, daß der Kläger diesen Beruf im Sitzen uneingeschränkt und lediglich im Stehen eingeschränkt ausüben kann. Es konnte davon ausgehen, daß er insoweit nicht in einem wesentlich höheren Grade behindert ist, als ein anderer gewerblicher oder handwerklicher Arbeiter im allgemeiner. Erwerbsleben bei gleichartiger Tätigkeit und gleicher Schädigungsfolge. Ein höherer Grad der Erwerbsminderung käme erst dann in Betracht, wenn die Erwerbsfähigkeit im Beruf als Friseur gegenüber dem allgemeinen Erwerbsleben um mindestens 10 v.H. geringer zu bemessen wäre.

Zwar hat der Kläger einen erheblichen Minderverdienst gegenüber der Zeit vor der Schädigung angegeben, das LSG hat diesen aber - soweit er über die bereits anerkannte 40 %ige Erwerbsminderung hinausgeht - zutreffend und ohne gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze zu verstoßen nicht dem Gesundheitsschaden zur Last gelegt, sondern wesentlich der geringeren Möglichkeit, an einem kleineren Ort Kunden zu gewinnen, im Vergleich zu einem Ort mit doppelter Einwohnerzahl und größerem Geschäftsbetrieb. Im übrigen kann der Revision auch nicht eingeräumt werden, daß ein besonderes berufliches Betroffensein schon dann vorliegt, wenn der beschädigte Friseur weniger verdient als ein gesunder Friseur. Denn eine MdE hat meist auch einen Verdienstausfall zur Folge, beim selbständigen Unternehmer ebenso wie beim abhängigen Arbeitnehmer.

Es kann endlich auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger einen erheblich größeren Energieaufwand als ein vergleichbarer gesunder Friseur aufbringen muß und demnach einem größeren körperlichen und seelischen Verschleiß ausgesetzt ist. Denn der Beschädigte kann nicht schlechthin mit einem Gesunden verglichen werden, weil er durch die nach der MdE bemessene Rente für seinen Körperschaden bereits einen nach allgemeinen Maßstäben bewerteten finanziellen Ausgleich erhält (vgl. Amtliche Begründung zu den §§ 29 bis 34 BVG, aaO Abs. 1). Daß der Kläger aber bei seiner Tätigkeit als selbständiger Friseurmeister eine erheblich größere Energie aufbringen müsse, als dies in einer Vielzahl anderer Berufe bei gleicher körperlicher Schädigung der Fall wäre, brauchte das LSG nicht anzunehmen. Etwas anderes würde gelten, wenn der Kläger eine außergewöhnliche Tatkraft aufwenden oder außergewöhnliche Anstrengungen machen oder seine Gesundheit gefährden müßte, um den durch seinen Körperschaden bedingten wirtschaftlichen Schaden oder ein Abgleiten in seinem Beruf zu verhindern (vgl. BSG 13, 23). Derartig weitgehende Beeinträchtigungen hat indes das LSG unangegriffen nicht festgestellt.

Liegen sonach die Voraussetzungen für eine berufliche Beeinträchtigung, die den mit 40 v.H. anerkannten Grad der MdE meßbar überschreiten, weder in wirtschaftlicher Hinsicht noch unter dem Gesichtspunkt besonderer beruflicher Anstrengungen vor, so steht dem Beschädigten eine berufsbedingte höhere MdE als im allgemeinen Erwerbsleben nach § 30 BVG nicht zu. Da mithin der vom LSG festgestellte Sachverhalt die getroffene Entscheidung rechtfertigt, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2603750

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