Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Anspruchs auf Erstattung von Verwaltungskosten, die dadurch entstanden sind, daß eine landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft in der britischen Besatzungszone auf Weisung des Arbeitsministeriums des Landes an Berechtigte in ihrem Zuständigkeitsbereich Renten weitergezahlt hat, die vor dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches von landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften außerhalb des jetzigen Bundesgebiets gezahlt worden waren.

 

Normenkette

RVO § 647 Fassung: 1924-12-15, § 652 Fassung: 1963-04-30; SVD 1 Nr. 7a Fassung: 1945-08-28; AKG § 4 Fassung: 1957-11-05; SVD 12 Nr. 1 S. 2 Fassung: 1946-01-16; SVAnO 1 Fassung: 1947-01-29

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. März 1958 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Verurteilung des Beklagten und der Beigeladenen, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des zweiten Rechtszuges zu erstatten, aufgehoben wird.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin, die Westfälische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (BG), beansprucht von dem beklagten Land Nordrhein-Westfalen die Erstattung von Verwaltungskosten. Diese sind dadurch entstanden, daß sie an Berechtigte in ihrem Zuständigkeitsbereich Renten weitergezahlt hat, die vor dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches von landwirtschaftlichen BGen außerhalb des jetzigen Bundesgebietes gezahlt worden waren. Außerdem beansprucht sie die Erstattung von Bankzinsen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat u. a. folgenden Sachverhalt festgestellt:

Nach dem Zusammenbruch meldeten sich bei der Klägerin laufend nunmehr in Westfalen ansässige Ostvertriebene, die bis dahin von ostdeutschen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften Leistungen aus der gesetzlichen landwirtschaftlichen Unfallversicherung erhalten hatten. Die Klägerin gewährte nach Glaubhaftmachung der jeweiligen Ansprüche ohne Anerkennung eines Rechtsanspruches derartigen Leistungsberechtigten aus eigenen Mitteln Unfallrenten und Heilbehandlungen. Die Militärregierung der Nordrheinprovinz stimmte dem mit Schreiben vom 31. August 1945 zu. Die Klägerin bemühte sich bei den damaligen staatlichen Stellen um Ersatz ihrer Aufwendungen, den sie erstmalig auf Grund einer Genehmigung der Militärregierung vom 24. Oktober 1945 für die Monate September bis Dezember 1945 aus "Reichsmitteln" erlangte. Für die späteren Aufwendungen erhielt sie zunächst nichts.

In der folgenden Zeit versuchte die Klägerin von den BGen, für die sie an Ostvertriebene Leistungen erbracht hatte, ihre Aufwendungen zurückzuerhalten; dies gelang nur teilweise, da einige BGen nicht antworteten, andere entweder den Erstattungsanspruch ablehnten oder sich wegen technischer Überweisungsschwierigkeiten außerstande erklärten, den anerkannten Betrag zu überweisen. Einen Antrag der Klägerin, ihr ihre Aufwendungen für Ostflüchtlinge zu erstatten und zu diesem Zweck auf den Landeshaushalt des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 1947 zu übernehmen, lehnte der Arbeitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen ab. Dabei hob er hervor, "von einer Änderung der jetzigen Art der Betreuung unfallberechtigter Flüchtlinge" sei abzusehen. In einer weiteren Eingabe vom 17. September 1947 an den Arbeitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen wiederholte die Klägerin ihren Antrag, ihre Aufwendungen von 1945 bis 1947 entsprechend den Regelungen in der amerikanischen Besatzungszone und in den übrigen Ländern der britischen Besatzungszone durch Übernahme auf den "K-Haushalt" zu erstatten. Diese Eingabe blieb unbeantwortet.

Durch Runderlaß vom 19. Dezember 1947 forderte der Arbeitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen u. a. die Klägerin auf, alle Aufwendungen vom 1. Mai 1945 an bis zum 31. Dezember 1947 zur Erstattung zwecks Übernahme auf den Zonenhaushalt anzumelden. Da der Zonenhaushalt aufgelöst und durch die finanztechnische Anweisung Nr. 104 vom 20. Februar 1948 die Bewilligung derartiger Mittel auf die Länder übertragen wurde, unterblieb zunächst eine Erstattung. Schließlich erstattete das Land die bisherigen Leistungen der Klägerin an ostvertriebene Rentenempfänger einschließlich der dazugehörigen Portoauslagen bis zum 31. März 1948 aus Mitteln des Landeshaushaltes 1947 "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht". In derselben Weise und unter demselben Vorbehalt erstattete das Land, dessen Finanzminister die Auffassung vertrat, die BGen hätten die erforderlichen Mittel im Wege der Solidarhaftung selbst aufzubringen, der Klägerin in der Folge die Aufwendungen einschließlich Portoauslagen zunächst vierteljährlich, später monatlich. Nicht erstattet wurden die auf die Betreuung der ostvertriebenen Leistungsempfänger entfallenden anteiligen persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten und die Zinsen für Kredite, welche die Klägerin nach der Währungsreform wegen der verspäteten Erstattung durch das Land aufnehmen mußte, um an die Rentenberechtigten rechtzeitig leisten zu können.

Am 30. September 1953 erhob die Klägerin vor dem Landesverwaltungsgericht in Düsseldorf Klage auf Ersatz der anteiligen Verwaltungskosten und der Zinsen in Höhe von insgesamt 15.624,18 DM für die Zeit vom 21. Juni bis zum 31. Dezember 1958.

Diese Klage ging nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf das Sozialgericht (SG) in Münster über. Dieses hat durch Urteil vom 28. Oktober 1955 den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Gegen dieses Urteil haben das beklagte Land und die beigeladene Bundesrepublik Deutschland Berufung zum LSG Nordrhein-Westfalen eingelegt.

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die im Klagantrag geforderte Summe auf 15.306,06 DM berichtigt.

Das LSG hat durch Urteil vom 11. März 1958 die Berufungen des beklagten Landes und der beigeladenen Bundesrepublik Deutschland zurückgewiesen und das beklagte Land und die Beigeladene verurteilt, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des zweiten Rechtszuges zu erstatten.

Die Revision ist vom LSG zugelassen worden.

Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen folgendes ausgeführt: Das Besatzungsrecht der britischen Zone enthalte keine Vorschriften, aus denen sich eine Verpflichtung der Klägerin zur Betreuung der Rentenbezieher ergebe. Die Klägerin, die ursprünglich aus eigener Initiative gehandelt habe, sei jedoch von dem Arbeitsminister des beklagten Landes angehalten worden, diese Betreuung fortzusetzen; die ursprüngliche Eigeninitiative sei durch einen Auftrag abgelöst worden. Diesen Auftrag habe die Klägerin nicht aus ihren eigenen Mitteln ausführen müssen; insbesondere ergebe sich eine solche Verpflichtung der Klägerin nicht aus einer "Solidarhaftung" der Versicherungsträger der gesetzlichen Unfallversicherung. Vielmehr sei die Klägerin berechtigt, vom beklagten Land Erstattung ihrer Aufwendungen zu beanspruchen. Diese Ansprüche seien auch nicht verjährt, da die Verjährungsfrist wegen der Unanwendbarkeit der Verjährungsvorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) 30 Jahre betrage (§ 195 BGB); dies gelte auch für die Zinsen, die lediglich Aufwendungsposten darstellten, nicht aber wiederkehrende Leistungen nach § 197 BGB.

Gegen dieses Urteil, das dem beklagten Land am 20. August 1958 zugestellt worden ist, hat das Land am 19. September 1958 Revision eingelegt und sie innerhalb der bis zum 20. November 1958 verlängerten Revisionsbegründungsfrist (vgl. § 164 Abs. 1 SGG) am 18. November 1958 begründet.

Das beklagte Land beantragt,

unter Änderung der Urteile des LSG und des SG die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die beigeladene Bundesrepublik Deutschland hat im Revisionsverfahren keine Anträge gestellt.

II.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.

Daß der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist, hat das LSG mit Recht bejaht, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der Sozialversicherung handelt (§ 51 SGG).

Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, enthält das für die gesetzliche Unfallversicherung (UV) geltende Recht keine Vorschriften, die sich unmittelbar auf die im Jahre 1945 eingetretene Lage anwenden lassen. Insbesondere handelt es sich nicht um den in § 647 RVO aF (vgl. § 652 RVO nF) geregelten Fall, daß eine BG, die unfähig wird, ihre gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen, aufgelöst werden muß und die ihr angehörenden Unternehmen anderen BGen zugeteilt werden.

Die Aufspaltung des Gebietes, in dem bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reiches das Recht der Reichsversicherung galt, in die Machtbereiche der verschiedenen Besatzungsmächte hatte eine allgemein wirkende Aufspaltung der Reichsversicherung zur Folge. Während in den Zonen der drei westlichen Besatzungsmächte das Recht der Reichsversicherung - und damit auch das für die gesetzliche UV geltende Recht - grundsätzlich in Kraft blieb und auch die Versicherungsträger weiter ihre Aufgaben erfüllen konnten, wurden in den übrigen Teilen des Deutschen Reiches andersartige Systeme der sozialen Sicherheit eingeführt, deren Einrichtungen auch an die Stelle der bisher in diesen Gebieten tätig gewesenen Träger der Reichsversicherung traten und deren Funktionen im Rahmen des neuen Systems übernahmen. Für einen solchen Fall enthält das für die Reichsversicherung geltende Recht keine Vorschriften. Auch nach dem ersten Weltkrieg waren deshalb zur Lösung der aus ähnlichen Gründen eingetretenen Schwierigkeiten besondere Regelungen notwendig (vgl. z. B. die Verordnung - VO - über die aushilfsweise Zuständigkeit von Trägern und Behörden der Reichsversicherung vom 16. Februar 1920, RGBl. 239; den Elsaß-Lothringen betreffenden sog. "Basler Schiedsspruch", RGBl. 1921, 1289 und die zu seiner Ausführung ergangene VO vom 31. Juli 1924, RGBl. I, 671 sowie die Bekanntmachung über die Fürsorge für Versicherte aus den abgetretenen Gebieten vom 28. November 1930, AN 1930, 497).

Aus dem für die gesetzliche UV geltenden Recht läßt sich jedenfalls keine Verpflichtung der Klägerin herleiten, die Ansprüche, der in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnenden Personen zu befriedigen, die diese gegenüber Versicherungsträgern der reichsgesetzlichen UV außerhalb der drei westlichen Besatzungszonen erworben hatten. Insbesondere hat das LSG zutreffend die Frage verneint, ob sich eine solche Verpflichtung aus einem Grundsatz der "Solidarhaftung" innerhalb der Gesamtheit der Versicherungsträger der gesetzlichen UV oder innerhalb der landwirtschaftlichen BGen herleiten läßt. Das LSG hat in diesem Zusammenhang u. a. mit Recht darauf hingewiesen, daß nach § 647 RVO aF die Versicherungsträger, die Unternehmen einer aufgelösten BG zugeteilt erhielten, von der sog. "alten Last" zu Lasten des Reichs befreit wurden. Der Gesetzgeber hat zwar durch Art. 3 § 1 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl. I, 241) Lasten eines Unfallversicherungsträgers als Gemeinlast auf eine Gruppe von Versicherungsträgern verteilt; hierbei handelt es sich jedoch um eine Einzelregelung, die einen besonders gelagerten Fall betrifft, und in § 7 Abs. 1 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) vom 7. August 1953 (BGBl. I, 848) sowie in Art. 1 § 9 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl. I, 93) ist die Rentenlast, die durch Unfälle außerhalb des Geltungsbereiches des Fremdrentenrechts verursacht ist, nicht als Gemeinlast verteilt, sondern teils einzelnen Versicherungsträgern als eigene Last auferlegt, teils auf den Bund übernommen worden (vgl. hierzu auch das Urt. des BVerfG vom 24.7.1962, BABl. 1962, 854 und die Besprechungen von Rösener und Zimmer in NJW 1962, 1995 und 1963, 189). Ohne ausdrückliche gesetzliche Vorschriften (vgl. §§ 737 ff, 818, 880 RVO i. d. Fassung des UVNG) läßt sich ein Grundsatz der "Solidarhaftung" der Unfallversicherungsträger aus dem System der gesetzlichen UV nicht ableiten.

Der erkennende Senat stimmt mit dem LSG auch darin überein, daß sich eine Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der von Versicherungsträgern außerhalb der drei westlichen Besatzungszonen geschuldeten Renten aus dem Besatzungsrecht der britischen Zone nicht herleiten läßt.

Schon aus der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 1 vom 28. August 1945 (vgl. Nr. 7 a) ergibt sich allerdings der Wille der britischen Besatzungsbehörden, daß die bisher von Stellen außerhalb der britischen Besatzungszone gewährten Renten der gesetzlichen UV weiter gezahlt werden sollten. Nach dem (deutschen) Wortlaut dieser SVD liegt allerdings die Annahme nahe, daß die Manpower Division der britischen Militärregierung in erster Linie die Fälle im Auge hatte, in denen dadurch Schwierigkeiten entstanden waren, daß die Hauptverwaltung einer BG sich in Berlin oder an einem anderen Ort außerhalb der britischen Besatzungszone befand und in der britischen Besatzungszone keine Bezirksverwaltung (Sektion) vorhanden war. Auf jeden Fall enthält diese SVD aber eine Weisung an die Oberversicherungsämter, für eine "Betreuung" der Rentenberechtigten zu sorgen, ohne daß sich hieraus eine unmittelbar auf Besatzungsrecht beruhende Verpflichtung der Beklagten herleiten ließe, derartige Rentenzahlungen als eigene Aufgabe durchzuführen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus der SVD Nr. 12 vom 16. Januar 1946, die in Nr. 1 Satz 2 voraussetzt, daß die Unfallversicherungsträger in der britischen Zone Renten für Versicherungsträger außerhalb der Zone zahlen, und erkennen läßt, daß dies auch dem Willen der britischen Militärregierung entspricht. Die Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 1 vom 29. Januar 1947 enthält nur eine Anordnung hinsichtlich des Rentenbeginns für die Zahlung von Unfallrenten an "Flüchtlinge", ohne daß sich aus ihr entnehmen läßt, welche Versicherungsträger zur Zahlung verpflichtet sein sollen.

Im vorliegenden Fall bedarf es keiner Prüfung der Rechtslage hinsichtlich etwaiger Erstattungsansprüche der Klägerin für die Zeiträume, während deren sie von Versicherungsträgern außerhalb der britischen Besatzungszone geschuldete Renten aus eigener Initiative gezahlt hat, ohne daß - nach den Feststellungen des LSG - mit ausreichender Sicherheit eine ausdrückliche Weisung durch eine Stelle der Besatzungsmacht oder eine von dieser beauftragte deutsche Stelle ermittelt werden kann. Die SVD Nr. 1 und Nr. 12 und die SVA Nr. 1 sind aber insofern rechtlich von Bedeutung, als sich nach der Auffassung des erkennenden Senats aus ihnen ergibt, daß die unter der Oberhoheit der britischen Besatzungsmacht tätigen deutschen Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit verpflichtet waren, für die Zahlung der hier in Frage stehenden Renten zu sorgen. Sie waren deshalb auch berechtigt, zu diesem Zweck verbindliche Weisungen zu erteilen, sobald und soweit ihnen die Befugnisse hierzu von der Besatzungsmacht übertragen worden waren. Eine solche Übertragung ist mit Wirkung vom 1. Dezember 1946 an durch die VO Nr. 57 ("Powers of Länder in the British Zone" - Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet Nr. 15 S. 344) erfolgt. Die Militärregierung hatte sich zwar die Gesetzgebungsbefugnis auf dem Gebiet der Sozialversicherung vorbehalten, so daß die Länder in der britischen Zone nicht in der Lage waren, die Zahlung von Fremd- und Flüchtlingsrenten durch eine eigene Gesetzgebung zu regeln, und auch das beklagte Land der Klägerin deshalb die Zahlung derartiger Renten nicht durch eine landesrechtliche Rechtsvorschrift als eigene Aufgabe hätte übertragen können. Jedoch hatte die Militärregierung die "executive authority" der Landesregierung auf die Sozialversicherung und auch auf alle Angelegenheiten erstreckt, in denen die Militärregierung zu einem Tätigwerden aufforderte oder aufgefordert hatte. Das beklagte Land war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, den - wie dargelegt - mehrfach zum Ausdruck gebrachten Willen der Militärregierung dadurch auszuführen, daß es die Versicherungsträger mit der verwaltungsmäßigen Durchführung der Rentenzahlungen beauftragte.

Ein solcher Auftrag ist spätestens im Schreiben des für die Sozialversicherung zuständigen Arbeitsministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 1947 an die Klägerin (Akten der Klägerin Band 1, S. 101) zu erblicken, mit dem die Schreiben der Klägerin an den Arbeitsminister vom 4. März 1947 und an das Finanzministerium vom 24. April 1947 (aaO Bl. 82, 95 R) beantwortet worden sind. In diesen Schreiben hatte die Klägerin Aufwendungen für Rentenzahlungen zur Erstattung angemeldet und - in dem Schreiben an den Arbeitsminister - darauf hingewiesen, daß sie die Rentenlasten auf die Dauer nicht aus den Beiträgen ihrer Mitglieder tragen könne. Sie hatte beim Arbeitsminister ausdrücklich angefragt, ob sie auch weiterhin Anträgen auf vorläufige Übernahme von Renten stattgeben solle. Das Antwortschreiben des Ministeriums lehnt zwar eine Aufnahme von Erstattungsforderungen in den Haushaltsvoranschlag ab, enthält jedoch als letzten Absatz die Weisung: "Von einer Änderung der jetzigen Art der Betreuung unfallrentenberechtigter Flüchtlinge ist abzusehen".

Spätestens durch diese Weisung, mit der das Ministerium dem Willen der Besatzungsmacht entsprechend die Weiterzahlung der Renten durch eine Verwaltungshilfe der Beklagten sichergestellt hat, ist zwischen dem durch das Ministerium vertretenen Land und der Klägerin ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis begründet worden.

Obwohl sich dieses öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis vom Auftragsvertrag des bürgerlichen Rechts schon insofern unterscheidet, als die Beklagte auf Grund des Auftrags einer weisungsberechtigten Stelle tätig geworden ist, hat das LSG zur Ausfüllung des Rechtsverhältnisses mit Recht die im bürgerlichen Recht geltenden Vorschriften über den Auftrag herangezogen (vgl. hierzu BSG 6, 197, 200; 14, 59, 63; 16, 151, 155). Das LSG hat mit Recht die Folgerung gezogen, daß die Beklagte berechtigt ist, Ersatz der Aufwendungen zu verlangen die ihr durch die Ausführung des Auftrages erwachsen sind. Zu diesen Aufwendungen gehören grundsätzlich auch die Unkosten, die dadurch entstanden sind, daß die Beklagte sich die Mittel für die Rentenzahlungen durch Aufnahme von Darlehen beschaffen mußte, und die Kosten, die durch die mit der Bearbeitung der Anträge und die Rentenzahlungen verbundene Verwaltungsarbeit entstanden sind.

Es kann dahingestellt bleiben, ob letzteres auch dann gilt, wenn ein Versicherungsträger durch eine gesetzliche Vorschrift verpflichtet ist, Aufträge auszuführen (vgl. als Beispiel § 1510 RVO), oder aus eigener Verpflichtung für den endgültig verpflichteten Versicherungsträger tätig werden muß (vgl. als Beispiel § 1735 RVO), ohne daß der Gesetzgeber die Frage der Erstattung von Verwaltungskosten und vor allem ihre Berechnung ausdrücklich geregelt hat; denn der vorliegende Fall ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß die Klägerin - wie dargelegt - nicht auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift des Rechts der Sozialversicherung oder des Besatzungsrechts zur Rentenzahlung aus eigenen Mitteln (vgl. §§ 25, 736 aF, 1011 aF RVO) verpflichtet war, sondern spätestens vom Eingang des Schreibens vom 20. Juni 1947 an auf Grund einer Weisung, die auf der von der Besatzungsmacht dem Land übertragenen "executive authority" beruhte, nicht zu ihrem eigenen Aufgabenbereich gehörenden Zahlungen durchgeführt hat.

Das LSG hat auch mit Recht das beklagte Land als die Stelle angesehen, die verpflichtet ist, der Klägerin die Unkosten zu erstatten, die durch die Ausführung der vom Arbeitsminister des Landes erteilten Weisung entstanden sind. Durch die technische Anweisung der Finance Division der britischen Militärregierung Nr. 104 vom 21. Februar 1948 war den Ländern die Zuständigkeit für die Bewilligung von Mitteln für die Aufwendungen übertragen worden, die für in der britischen Zone nicht vertretene BGen erforderlich waren, so daß es von diesem Zeitpunkt an Aufgabe des einzelnen Landes war, die hierfür erforderlichen Mittel bereitzustellen (vgl. Appendix B, Class B Nr. 14, Appendix C Nr. 5 der Anweisung). Die Revision hat auch nicht vorgetragen, daß diese Ausgaben nachträglich auf den Haushalt der Zweizonenverwaltung übernommen worden seien.

Von dieser Verpflichtung ist das beklagte Land für den hier streitigen Zeitraum auch nachträglich nicht durch das Erste Überleitungsgesetz vom 28. November 1950 (BGBl. 1950, 733) befreit worden; dieses regelt einen Übergang von Lasten der Länder auf den Bund erst vom 1. April 1950 an. Auch durch das Allgemeine Kriegsfolgengesetz (AKG) vom 5. November 1957 (BGBl. I, 1747) sind die Erstattungsansprüche der Klägerin nicht erloschen. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, daß das beklagte Land stellvertretend für das Deutsche Reich gehandelt hat, würde auf die Ansprüche der Klägerin § 4 Abs. 1 Nr. 1 AKG anzuwenden sein, da sie für die hier in Frage stehende Zeit auf einer erst im Jahre 1947 erteilten Weisung beruhen. § 4 Abs. 2 Nr. 2 AKG, auf den sich die Revision beruft, gilt nur für Verwaltungskosten, die im Zusammenhang mit der Verwaltung vom Vermögen entstanden sind (vgl. Döll, AKG S. 96 Anm. 12 zu § 4; Feaux de la Croix, Die Kriegsfolgenschlußgesetzgebung, Anm. E 2 zu § 4 AKG), und ist schon deshalb auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Die Erstattungsansprüche der Klägerin waren auch, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, im Zeitpunkt der Klagerhebung nicht verjährt.

Es ist zwar zweifelhaft, in welcher Höhe der Klägerin durch die Bearbeitung der Rentenanträge und die Zahlung der Renten zusätzliche Verwaltungskosten entstanden sind, da anzunehmen ist, daß eine gut organisierte und beweglich geleitete Verwaltung eine zusätzliche Arbeitslast bis zu einem gewissen Grade auffangen kann, ohne daß z. B. ein zusätzlicher Bedarf an Arbeitskräften und Arbeitsräumen entsteht. Das LSG ist jedoch ohne Rechtsirrtum zu der Feststellung gelangt, daß der Klägerin durch die Bearbeitung der Betreuungsfälle überhaupt Mehraufwendungen an Verwaltungskosten erwachsen sind. Das rechtfertigt die vom SG Münster im Urteil vom 28. Oktober 1955 ausgesprochene Verurteilung dem Grunde nach (§ 130 SGG). Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des LSG ist somit unbegründet. Da die Klägerin jedoch nach § 193 Abs. 4 SGG keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten hat, war die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Verurteilung des Beklagten und der Beigeladenen, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des zweiten Rechtszuges zu erstatten, aufgehoben wird.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nach § 193 Abs. 4 SGG gleichfalls nicht erstattungsfähig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2380464

BSGE, 101

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