Beteiligte

…, Kläger und Revisionskläger

…, Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I.

Streitig ist der Rentenbeginn aus Beiträgen, die gemäß Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) nachentrichtet worden sind.

Der 1913 in Polen geborene und seit 1953 in Israel lebende Kläger jüdischer Herkunft beantragte 1975 ua die Nachentrichtung von Beiträgen aufgrund von § 10 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) sowie von Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG; verbindlich werde er sich hierzu erst äußern, wenn die aus Polen angeforderten Versicherungsunterlagen eingetroffen seien. Wiederholte Anfragen der Beklagten beantwortete er im August 1980 dahin, daß er an der Weiterverfolgung der Angelegenheit interessiert sei, er bitte "um Angabe der Höhe der Nachentrichtung". Nachdem die Beklagte hierauf weiterhin, zuletzt unter Fristsetzung, die Einsendung von Bearbeitungsunterlagen angemahnt und erfahren hatte, daß der Kläger - aus gesundheitlichen Gründen - der Sprachprüfung nicht Folge leiste, lehnte sie den Antrag ab, weil die erforderlichen Voraussetzungen nicht geklärt werden könnten (Bescheid vom 7. August 1981, Widerspruchsbescheid vom 9. August 1984).

Im Widerspruchsverfahren erklärte sich der Kläger in einem bei der Beklagten am 20. März 1984 eingegangenen Schreiben bereit, für die Zeit von Januar 1956 bis Dezember 1973 insgesamt 216 Beiträge der Klasse 600 gemäß Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG nachzuentrichten. Hierauf erließ die Beklagte - im Klageverfahren - unter Bezugnahme auf den Antrag (Dezember 1975) und die Wiederaufnahme (20. März 1984) den Bescheid vom 9. Mai 1985, mit dem sie die Nachentrichtung gestattete. Die erforderlichen 23.976,-- DM zahlte der Kläger im August 1985 ein. Er meint, die Nachentrichtung müsse daraufhin auf den Antragsmonat zurückwirken und ein Altersruhegeld ab dem 65. Lebensjahr (November 1978) gezahlt werden. Die Beklagte ist der Ansicht, die Nachentrichtung sei frühestens ab 1. April 1984 wirksam, weil der Kläger erst im März 1984 bei der Konkretisierung mitgewirkt habe; dementsprechend hat sie im am 9. Dezember 1985 ergangenen Bescheid über die Gewährung von Altersruhegeld den Beginn der Leistung auf April 1984 festgestellt.

Das Sozialgericht WG) hat die Klage gegen den Altersruhegeldbescheid mit der Klage gegen den Bescheid vom 7. August 1981 sowie gegen den Gestattungsbescheid vom 9. Mai 1985 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Im Tenor des Urteils vom 17. September 1986 hat es den Bescheid vom 7. August 1981 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 1984) aufgehoben und in den Entscheidungsgründen hierzu ausgeführt, dies habe "unter dem Blickwinkel der darin abgelehnten Nachentrichtung nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG" zu geschehen gehabt; denn die Beklagte habe den Kläger später zur Nachentrichtung zugelassen, ohne gleichzeitig selbst die Teilaufhebung bzw Abänderung zu verfügen. Im übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Nach seiner Ansicht besitzt der Kläger weder einen Anspruch auf die Feststellung, daß für die rentenrechtlichen Wirkungen der Nachentrichtung der Antrag vom Dezember 1975 ausschlaggebend ist noch einen Anspruch auf Rente ab November 1978. Für den Rentenbeginn komme regelmäßig nur der Zeitpunkt des tatsächlichen Eingangs der für die Nachentrichtung bestimmten Beiträge in Betracht. Wenn die Beklagte ungeachtet dessen den Beginn auf den 1. April 1984 vorverlege, sei dem zwar nicht beizutreten, dem Kläger erwüchsen daraus aber keine nachteiligen Folgen. Hielte man die - dem Kläger günstige - Praxis der Beklagten für rechtmäßig, so habe dies auf das Ergebnis keinen Einfluß. Die lange Verfahrensverzögerung entstamme nicht der Sphäre der Beklagten, sondern der des Klägers.

Mit der vom SG im Urteilstenor zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Nachentrichtung müsse auf den Antragsmonat zurückwirken, da das Verfahren laufend betrieben worden sei. Auch habe er innerhalb von sechs Monaten nach erfolgter Gestattung die Beiträge gezahlt. Auf die zunächst erfolgte Ablehnung des Antrags dürfe die Beklagte sich nicht mehr berufen, nachdem das SG den Bescheid vom 7. August 1981 aufgehoben habe. Das Altersruhegeld stehe ihm sonach ab November 1978 zu.

Der Kläger beantragt sinngemäß,das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 9. Mai 1985 und 9. Dezember 1985 zu verurteilen, Altersruhegeld ab November 1978 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet.

Gegenstand des Streites ist im Revisionsverfahren allein die Frage, ob der Kläger nach Durchführung einer Nachentrichtung von Beiträgen gemäß Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG verlangen kann, daß der Beginn eines ihm mittlerweile gewährten Altersruhegeldes vorverlegt wird. Die Leistung hat die Beklagte bewilligt, nachdem der Kläger den Geldbetrag für die Beiträge eingezahlt hatte, deren Nachentrichtung ihm durch den Bescheid vom 9. Mai 1985 im begehrten Umfang gestattet worden ist. Durch diesen Bescheid wird der Kläger nicht beschwert. Zutreffend hat daher das SG die auf seine Abänderung gerichtete Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Revision ist schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unbegründet; der Beginn eines Altersruhegeldes nach § 25 Abs 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) hängt von irgendwelchen Anträgen (auf Nachentrichtung) nicht ab (§ 67 Abs 1 Satz 1 AVG).

Daß der Altersruhegeldbescheid vom 9. Dezember 1985 geändert und der Rentenbeginn auf November 1978 festgelegt wird, kann der Kläger nicht verlangen.

Der erkennende Senat hat am 2. November 1983 (BSGE 56, 29 = SozR 2200 § 1290 Nr 18) bereits entschieden, daß nach der Sondervorschrift des Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG nachentrichtete Beiträge grundsätzlich erst von dem auf die tatsächliche Entrichtung folgenden Monat an einen Anspruch auf eine (höhere) Rente begründen. Damit befindet er sich in Übereinstimmung mit dem 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG), der dies unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung im Urteil vom 31. Oktober 1978 (SozR aaO Nr 13) zu der Parallelvorschrift des Art 2 § 51a Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes dargelegt hat. Auszugehen ist dabei von dem Umstand, daß sich in beiden Vorschriften keine Regelung über den Zeitpunkt befindet, von dem an die auf der Nachentrichtung beruhende Leistung beginnt. Daher ist auf die allgemeinen Bestimmungen des § 67 AVG (= § 1290 RVO) über den Leistungsbeginn, hier auf Abs 1 Satz 1, zurückzugreifen, weil die Voraussetzungen für die Rentengewährung erst mit der tatsächlichen Zahlung der Beiträge an den Versicherungsträger (Art 2 § 49a Abs 3 Satz 2 AnVNG) erfüllt worden sind. Für den Rentenbeginn in den Grenzen des § 67 AVG sprechen auch Sinn und Zweck des Art 2 § 49a Abs 2 und die Interessenlage, die der 4. Senat aaO überzeugend dargelegt hat. Hiernach ist das Schutzbedürfnis der von der Norm Erfaßten im Vergleich zu den in SozR 2200 § 1290 Nr 13 aufgeführten Fällen nicht so groß, daß sich ein rückwirkender Rentenbeginn als notwendig erwiese, zumal es sich um eine einmalige Massenerscheinung mit Nachentrichtungszeiträumen bis zu 18 Jahren handelt. Für die von der Vorschrift begünstigten Verfolgten kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Schreibt Art 4 § 2 Abs 2 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVÄndG) vom 22. Dezember 1970 (BGBl I 1846) für den Kreis der verfolgten Versicherten ausdrücklich vor, Rente (oder höhere Rente) sei erst von dem auf die Beitragsentrichtung folgenden Monat an zu zahlen, ist kein sinngerechter Grund ersichtlich, im Rahmen von Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG eine - generelle - weitergehende Vergünstigung einzuräumen. Den Gedanken, auch bei Nachentrichtungen aufgrund letzterer Vorschrift könne für den Beginn der Rente nichts anderes gelten als in Art 4 § 2 Abs 2 WGSVÄndG normiert, hat der Senat schon im Urteil vom 28. August 1984 (SozR 5075 Art 4 § 2 Nr 2) zum Ausdruck gebracht (s auch Urteil vom 20. Juni 1985 - 11a RA 19/84 - sowie 1. Senat in BSGE 56, 173, 179 = SozR 5070 10a Nr 10 und SozR 1300 § 44 Nr 25). Darin hat er in einem Falle der Nachentrichtung nach § 10 WGSVG die Entscheidung in SozR 2200 § 1290 Nr 18 im weiteren noch dahin fortgeführt, daß mit § 67 AVG bzw Art 4 § 2 Abs 2 WGSVÄndG allerdings nicht ausgeschlossen werde, in bestimmten Fällen die nachentrichteten Beiträge als zu einem früheren Zeitpunkt entrichtet anzusehen, so daß dann auch die (höhere) Rente von diesem früheren Zeitpunkt an gezahlt werden müsse. Rückwirkung sei den Beiträgen jedenfalls dann beizumessen, wenn den Versicherten an der späten Entrichtung kein oder kein erhebliches Verschulden treffe, vor allem wenn der Versicherungsträger zu Unrecht die Entrichtung bestritten und den Versicherten so von einer früheren Einzahlung abgehalten habe.

Der vorliegende Fall ist hinsichtlich einer gebotenen Rückwirkung unter diesen Treu und Glauben zuzurechnenden Gesichtspunkten mit den Sachverhalten, die den beiden Entscheidungen vom 2. November 1983 und vom 28. August 1984 aaO zugrundelagen, indes nicht vergleichbar. Die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil ergeben keine Hinweise, daß die auf den unspezifizierten Antrag vom Dezember 1975 erst im März 1984 vorgenommene Konkretisierung der Nachentrichtung der Beklagten anzulasten wäre. Vielmehr hat der Kläger die wiederholten, dringlichen Anfragen und Anforderungen notwendiger Unterlagen entweder gar nicht oder säumig und nur mit Bitten um weitere Fristgewährung beantwortet. Erkrankungen und ein allgemein schlechter Gesundheitszustand vermögen die mangelnde Mitwirkung und das verzögernde Verhalten über einen Zeitraum von fast neun Jahren nicht zu erklären, abgesehen davon, daß sie letztlich der Risikosphäre des Klägers zugerechnet werden müßten.

Hat die Beklagte, ohne sich in der Revisionserwiderung insoweit auf konkrete Entscheidungen des BSG zu beziehen, gemäß ihrer "Verwaltungspraxis" gleichwohl für den Rentenbeginn eine Rückwirkung bis zu dem auf das Spezifizierungsschreiben folgenden Monat eingeräumt (s hierzu das in SozR 2200 § 1290 Nr 18 herangezogene Urteil des 12. Senats in SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 29; SozR aaO Nrn 36, 43, 55, 66 sowie SozR 5070 § 10a Nr 10), dann braucht der Senat hierzu im einzelnen nicht Stellung zu nehmen; dem mag eine entsprechende Anwendung des in § 142 Abs 1 Nr 2 AVG (Bereiterklärung) zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens aus Billigkeit zugrunde liegen, die sich jedenfalls günstig für den Kläger ausgewirkt hat. Für eine weitere Rückwirkung bis hin zu dem der Vollendung des 65. Lebensjahres folgenden Monat (November 1978) besteht indes kein Anlaß. Insoweit fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

Der Kläger kann sich nicht darauf stützen, daß die Beklagte und andere Rentenversicherungsträger "ständig" Beitragsnachentrichtungen als zu dem Zeitpunkt erfolgt behandelten, in dem der Nachentrichtungsantrag gestellt worden sei. Abgesehen davon, daß die der Revisionsbegründung zu diesem Punkt beigefügten "Besonderen Hinweise" als frühestes Datum nicht das des (ersten) Antrages, sondern das der (konkretisierten) Bereiterklärung nennen, die der Kläger erst im März 1984 abgegeben hat, könnte er darum keine Gleichbehandlung beanspruchen, weil eine Verwaltungsübung, die dem Gesetz nicht entspricht, keinen Anspruch auf Gleichbehandlung zu begründen vermag (BSGE 38, 63, 68 = SozR 4100 § 151 Nr 1; SozR 4100 § 41 Nr 21; SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 19; Urteil vom 15. Juni 1976 - 7 RAr 11/75 - AuB 1977, 94).

Aus der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Aufhebung des Bescheides vom 7. August 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 1984 läßt sich kein Anspruch herleiten. Dabei handelt es sich, wie aus den den Tenor erläuternden Entscheidungsgründen hervorgeht, in Wahrheit um eine "Teilaufhebung", zu der sich das SG aus nur formellen Gründen verpflichtet wähnte, obgleich dem Bescheid in dem betreffenden Teil keine materiell-rechtliche Bedeutung zukam; durch die Gestattung der Nachentrichtung im Bescheid vom 9. Mai 1985 war er insoweit überholt und konnte keine Wirkung mehr entfalten. im übrigen gibt die erfolgte Aufhebung nichts für eine Annahme her, daß der Kläger das Nachentrichtungsverfahren tatsächlich zügig und nachhaltig betrieben habe. Auch wenn der Bescheid hinweggedacht würde, blieben die festgestellten gegenteiligen Tatsachen unverändert bestehen.

Nach alledem war die Revision mit der aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes entnommenen Kostenfolge zurückzuweisen. Zu einer Kostenteilung bestand nach Lage der Sache keine Veranlassung.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518034

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