Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsschadensausgleich. Renten aus der gesetzlichen RV als Bruttoeinkommen. Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigung. Rententeile nach beitragslosen Zeiten (Ersatz-, Ausfall-, Zurechnungszeiten) als Bruttoeinkommen. Vorteilsausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Ermittlung des schädigungsbedingten Einkommensverlustes (BVG § 30 Abs 3 und 4) ist als derzeitiges Bruttoeinkommen eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit nicht zu werten, als sie auf einer Versicherungszeit beruht, die mit freiwilligen Beiträgen belegt ist und in der der Versicherte nicht erwerbstätig war.

 

Orientierungssatz

1. § 9 Abs 2 Nr 2 DV zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG schreibt zwar uneingeschränkt vor, daß "Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung" als Bruttoeinkommen zu gelten hätten. Indes ist diese Bestimmung im Lichte der in § 9 Abs 1 DV enthaltenen Definition, die in Abs 2 einleitend als Oberbegriff der folgenden Beispiele wiederholt wird, einschränkend auszulegen. Danach gelten als derzeitiges Bruttoeinkommen ua alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert aus einer früheren unselbständigen Tätigkeit. Demnach darf eine Versichertenrente nur insoweit angerechnet werden, als sie Bruttoeinkommen aus früher unselbständiger Tätigkeit ist, also auf eine solche Erwerbsquelle zurückgeht. Diese schon aus § 9 DV heraus gebotene Begrenzung ist allein mit der zugrundeliegenden gesetzlichen Ermächtigung vereinbar. Wenn § 30 Abs 8 Buchst c BVG die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, was als derzeitiges Bruttoeinkommen gilt, so wird der gesetzliche Rahmen, den die Verwaltung ausfüllen muß und darf, durch die Gesetzesbestimmungen über den schädigungsbedingten Einkommensverlust ergänzt. Nur in diesem Zusammenhang mit § 30 Abs 3 und 4 S 1 BVG genügt der Auftrag des Abs 8 Buchst c dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Art 80 Abs 1 GG).

2. Bei der Ermittlung des Berufsschadensausgleichs ist nur der Arbeitsertrag als das Bruttoeinkommen iS des § 30 Abs 4 S 1 BVG zu beachten. Als Arbeitsertrag im letztgenannten Sinn sind auch Vorsorgeeinnahmen zu werten, die aus früherer Erwerbstätigkeit stammen (vgl BSG vom 1976-02-04 9 RV 126/75 = SozR 3640 § 9 Nr 4, insbesondere Seite 11). Nur eine Rente, die dieser durch die gesetzliche Ermächtigung vorgegebenen Einschränkung entspricht, ist als Bruttoeinkommen gemäß § 9 Abs 2 Nr 2 DV zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG anzusetzen.

3. Rententeile, die nach beitragslosen Zeiten bemessen werden, sind nach § 9 Abs 2 Nr 2 DV als Bruttoeinkommen anzurechnen. Dafür spricht einmal die Beziehung solcher Zeiten zu einer früheren Tätigkeit, zum anderen ist dieser Anteil nach dem Zweck des Berufsschadensausgleichs entsprechend dem aus dem Zivilrecht stammenden Rechtsgrundsatz des Vorteilsausgleichs als derzeitiges Bruttoeinkommen zu werten.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 3-4; BVG § 30 Abs 3 u 4 u 5 DV § 9 Abs. 2 Nr. 2; BVG § 30 Abs. 8; GG Art. 80 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; BVG § 30 Abs. 8 Buchst. c Fassung: 1976-06-14; BVG § 30 Abs 3 u 4 u 5 DV § 9 Abs. 1 Nr. 1; BVG § 30 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 29.11.1979; Aktenzeichen L 7 V 39/79)

SG Köln (Entscheidung vom 25.01.1979; Aktenzeichen S 13 V 226/77)

 

Tatbestand

Der im Jahr 1918 geborene Kläger bezieht ua Berufsschadensausgleich nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Dabei wird ihm neben einem Beamtengehalt eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der Arbeiterrentenversicherung als derzeitiges Bruttoarbeitseinkommen angerechnet, die auf eine seit 1945 gezahlte Invalidenrente zurückgeht. Mit Bescheid vom 28. Juli 1976 stellte das Versorgungsamt die einkommensabhängigen Leistungen für die Zeit von Januar 1976 bis September 1976 endgültig fest, für die Zukunft in gleicher Höhe. Im April 1977 wurde die Versichertenrente des Klägers rückwirkend ab Februar 1976 neu berechnet; dabei wurden folgende Versicherungszeiten zugrunde gelegt: Pflichtversicherungsbeiträge für 32 Wochen, freiwillig für 12 Monate des Jahres 1974 nachentrichtete Beiträge, 437 Wochen Ersatzzeit, 1 Monat pauschalierte Ausfallzeit und eine Zurechnungszeit von 333 Monaten; die Rente erhöhte sich von 335,60 DM auf 940,80 DM. Das Versorgungsamt stellte mit Bescheid vom 4. Mai 1977 ua den Berufsschadensausgleich ab Februar 1976 bis Juni 1977 gemäß § 60a BVG endgültig fest, berücksichtigte dabei die neu festgestellte Versichertenrente ab Februar 1976 und errechnete eine Überzahlung in Höhe von 3.707,-- DM. Dieser Betrag wurde von der Nachzahlung der Rente aus der Rentenversicherung einbehalten. Nach erfolglosem Vorverfahren hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung, die auf die Neufeststellung des Berufsschadensausgleichs beschränkt wurde, hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen. Das Rechtstitel hat es zwar als statthaft, aber als unbegründet beurteilt. Die Rente aus der Sozialversicherung sei als Bruttoeinkommen in voller Höhe anzusetzen. Dem Verordnungsgeber sei die Problematik, die sich aus der Anrechnung von Rententeilen, die auf freiwilligen Beiträgen beruhten, bekannt gewesen. Das spreche gegen das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Im übrigen sei auch nicht ersichtlich, wie eine solche Lücke zugunsten des Klägers ausgefüllt werden könnte. Denn die Rentenerhöhung beruhe im wesentlichen darauf, daß dem Kläger eine Zurechnungszeit angerechnet werde. Zurechnungszeiten seien aber ein Ausgleich für die fehlende Möglichkeit, Pflichtbeiträge aus einer Erwerbstätigkeit zu entrichten.

Der Kläger rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung des § 30 Abs 4 BVG iVm § 9 Abs 1 und 2 der Durchführungsverordnung (DV) zu § 30 Abs 2 bis 5 BVG. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten nur solche Geldleistungen berücksichtigt werden, die auf eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit zurückgingen. Hier sei die Rentenerhöhung aber auf eine freiwillige Beitragsentrichtung zurückzuführen. Bei anderer Gesetzesauslegung entstehe eine ungewollte Regelungslücke.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Berufungsgerichts und des Sozialgerichts

Köln aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des

Bescheides vom 4. Mai 1977 idF des Widerspruchsbescheides

vom 6. Oktober 1977 zu verurteilen, ihm

Berufsschadensausgleich ohne Berücksichtigung der durch

die Beitragsnachentrichtung erzielten Rentenverbesserung

zu gewähren sowie den aus der Rentennachzahlung der

Landesversicherungsanstalt R - P bereits in Anspruch

genommenen Betrag von 3.707,-- DM an ihn

herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die

Berufung des Klägers als unzulässig verworfen wird,

soweit sie sich gegen die Neufeststellung des

Berufsschadensausgleichs richtet;

hilfsweise: die Revision zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Meinung: Die Berufung sei schon nicht zulässig gewesen (§ 148 Nr 3 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Denn der Berufsschadensausgleich sei für die Zeit ab Oktober 1976 endgültig festgestellt gewesen und laufend gezahlt worden. Mit Bescheid vom 4. Mai 1977 sei deshalb der Berufsschadensausgleich auch für die Zeit ab Oktober 1976 gemäß § 62 BVG neu festgestellt worden.

Der Senat hat Verwaltungsdirektor S von der Landesversicherungsanstalt B über die Praxis der Rentenberechnung gehört.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat teilweise Erfolg.

Das LSG hat zu Recht ein Sachurteil erlassen. Die Berufung war insoweit, als über den Berufsschadensausgleich neu entschieden worden ist, nicht nach § 148 Nr 3 SGG ausgeschlossen. Ihr Gegenstand ging über den Rahmen einer Neufeststellung wegen und entsprechend derjenigen Änderung der Einkommensverhältnisse hinaus, die für die vorausgegangene rechtsverbindliche Entscheidung maßgebend gewesen waren. Wesentlich war hier der erstmalige Streit darüber, ob eine bestimmte Einkommensart, die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, überhaupt nicht mehr als Bruttoeinkommen zu berücksichtigen ist (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 14. September 1978 - 9 RV 8/78 -; ergänzend BSGE 29, 200, 202 = SozR Nr 5 zu § 60a BVG). Wegen der Verrechnung des als überzahlt angesehenen Betrages war ohnedies die Berufung uneingeschränkt zulässig.

In der Sache mußte der Senat alle angefochtenen Entscheidungen teilweise aufheben.

Zur Ermittlung eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes, von dem der Berufsschadensausgleich nach Grund und Höhe abhängt, ist dem ohne die kriegsbedingte Schädigung (§ 1 BVG) wahrscheinlich zu erwartenden Vergleichseinkommen das - geringere - derzeitige Bruttoeinkommen gegenüberzustellen (§ 30 Abs 3 und 4 Satz 1 BVG).

Als solches Bruttoeinkommen aus früherer Tätigkeit durfte der Beklagte nicht den Anteil der ab 1976 neu berechneten Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung werten, der auf die 12 freiwillig nachentrichteten Beiträge zurückgeht. Dieser Teil der Rente erlaubt nicht den Schluß auf einen schädigungsbedingten Einkommensverlust.

Zwar schreibt § 9 Abs 2 Nr 2 DV zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG uneingeschränkt vor, daß "Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung" als Bruttoeinkommen im vorbezeichneten Sinn zu gelten hätten. Indes ist diese Bestimmung im Lichte der in § 9 Abs 1 DV enthaltenen Definition, die in Abs 2 einleitend als Oberbegriff der folgenden Beispiele wiederholt wird, einschränkend auszulegen. Danach gelten als derzeitiges Bruttoeinkommen ua alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert aus einer früheren unselbständigen Tätigkeit. Demnach darf eine Versichertenrente wie die des Klägers nur insoweit angerechnet werden, als sie Bruttoeinkommen aus früherer unselbständiger Tätigkeit ist, also auf eine solche Erwerbsquelle zurückgeht. Diese schon aus § 9 DV heraus gebotene Begrenzung ist allein mit der zugrundeliegenden gesetzlichen Ermächtigung vereinbar. Wenn § 30 Abs 8 Buchst c BVG die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, was als derzeitiges Bruttoeinkommen gilt, so wird der gesetzliche Rahmen, den die Verwaltung ausfüllen muß und darf, durch die Gesetzesbestimmungen über den schädigungsbedingten Einkommensverlust ergänzt. Nur in diesem Zusammenhang mit § 30 Abs 3 und 4 Satz 1 BVG genügt der Auftrag des Absatzes 8 Buchst c dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Art 80 Abs 1 Grundgesetz -GG-). Der Berufsschadensausgleich soll möglichst individuell und konkret einen wirtschaftlichen Schaden ausgleichen, den der Schwerbeschädigte dadurch erlitten hat, daß er in dem ohne die Schädigung wahrscheinlich ausgeübten Beruf in Auswirkung der Schädigungsfolgen nicht oder nicht voll erwerbstätig sein kann (BSGE 45, 161, 162 ff = SozR 3100 § 30 Nr 31; SozR 3640 § 9 Nr 1). Eine solche Einkommenseinbuße besteht insoweit nicht, als der Schwerbeschädigte weiterhin Einnahmen aus früherer oder gegenwärtiger Erwerbsarbeit bezieht oder sonstwie Nr 31; SozR 3640 § 9 Nr 1). Eine solche Einkommenseinbuße besteht aus einem anderen Leistungssystem erhält.

Hingegen ist nach dem Zweck des Berufsschadensausgleichs nicht grundsätzlich jegliche Art von Einkünften zu berücksichtigen. Diese Rechtsfolge ist - anders als im gegenwärtigen Zusammenhang - für die vom wirtschaftlichen Bedarf abhängige Ausgleichsrente (§§ 30 und 31 BVG) nach § 1 DV zu § 33 BVG geboten. Dieser Unterschied der beiden Leistungsarten wirkt sich insbesondere in einer verschiedenartigen Behandlung der Einkünfte aus. Einerseits ist der Vermögensertrag uneingeschränkt für die Ausgleichsrente zu berücksichtigen. Andererseits ist nur der Arbeitsertrag als das Bruttoeinkommen im Sinn des § 30 Abs 4 Satz 1 BVG zu beachten. Als Arbeitsertrag im letztgenannten Sinn sind auch Vorsorgeeinnahmen zu werten, die aus früherer Erwerbstätigkeit stammen (BSG SozR 3640 § 9 Nr 1, insbesondere Seite 4; 3640 § 9 Nr 4, insbesondere Seite 11). Nur eine Rente, die dieser durch die gesetzliche Ermächtigung vorgegebenen Einschränkung entspricht, ist als Bruttoeinkommen gemäß § 9 Abs 2 Nr 2 DV zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG anzusetzen. Im Ergebnis sind diese Renten ebenso eingeengt zu verstehen, wie dies in Nr 1 für Wartegelder, Ruhegelder sowie andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen ausgesprochen ist. In die gleiche Richtung weist Nr 3 für Einnahmen aus Vermögen, das der Beschädigte mit Einkünften aus einer früheren Erwerbstätigkeit geschaffen hat, um sich nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben den Lebensunterhalt zu sichern. Dieses Ergebnis folgt aus der gesetzeskonformen Auslegung des § 9 DV.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts rechtfertigt nicht etwa ein versorgungsrechtlicher Pauschalierungsgrundsatz, die Versichertenrente voll anzurechnen. Der Berufsschadensausgleich ist gerade eine individuell bemessene Versorgungsleistung im Unterschied zur Grundrente, die sich nach § 30 Abs 1 und § 31 Abs 1 und 2 BVG bestimmt. Dem Vergleichseinkommen, als welches das Durchschnittseinkommen im konkret bestimmten Beruf gilt, ist das tatsächliche "derzeitige" Bruttoeinkommen gegenüberzustellen (Urteil des erkennenden Senats vom 29. Oktober 1980 in der Sache 9 RV 19/80).

Hauptsächlich nach den vorangestellten versorgungsrechtlichen Grundgedanken bestimmt sich, wie der Begriff der "Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung" als Bruttoeinkommen im bezeichneten Sinn zu verstehen ist, § 9 Abs 2 Nr 2 DV ist die verweisende Norm. Sie gehört dem Recht der Kriegsopferversorgung (KOV) an. Erst in zweiter Linie folgt aus dem damit in Bezug genommenen Rentenversicherungsrecht, ob und inwieweit eine Versichertenrente auf eine frühere Erwerbstätigkeit zurückzuführen ist. Im Fall des Klägers fehlt es für den Rentenanteil, der auf die 12 nachentrichteten Beiträge zurückgeht, an einer solchen Beziehung.

Diese Beiträge bilden kein Bindeglied zu einer früheren Erwerbstätigkeit. Der Kläger durfte sie nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängig von einer solchen Erwerbsarbeit in der Zeit, für die sie gelten, nachentrichten. Nachdem seine Invaliditätsrente in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgestellt worden war (Art 2 § 38 Abs 2 Satz 1 ArVNG), konnte er als Erwerbsunfähiger die Neuberechnung nach den für die übliche Rentenberechnung maßgebenden Vorschriften der §§ 1253 bis 1262 RVO verlangen, falls er wenigstens für 12 Monate Beiträge nach Vollendung des 55. Lebensjahres entrichtet hatte (Art 2 § 38 Abs 2 Satz 2 ArVNG). Diese 12 Beiträge durfte er zu diesem Zweck ohne Rücksicht auf eine Erwerbstätigkeit einzahlen, und zwar sogar während des Bezuges einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Der Rentenanteil, der auf diese 12 Beiträge zurückzuführen ist, läßt sich auch versicherungsrechtlich und -mathematisch genau bestimmen und von der Rentenhöhe im übrigen abgrenzen. Das hat der Sachverständige S bestätigt. Diese Beiträge gehören nach ihrer Anzahl zu den anrechnungsfähigen Versicherungsjahren und bestimmen den persönlichen Vomhundertsatz als Teile der Rentenformel (§§ 1253, 1255, 1258 RVO). Das ergibt anfangs einen Rentenbetrag von 33,75 DM monatlich. Bei den fortlaufenden Rentenanpassungen (§§ 1272 ff RVO) ist die Höhe entsprechend anzugleichen.

Die vom Senat für richtig gehaltene Auslegung des § 9 Abs 2 Nr 2 DV scheitert nicht etwa daran, daß sie einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand bei der Berechnung auslöste. Es ist nicht zu erwarten, daß Fälle der hier in Rede stehenden Art in einer solchen Zahl auftreten werden, daß dadurch ein ordnungsgemäßer Verwaltungsvollzug beeinträchtigt werden könnte.

Der auf die 12 Beiträge zurückgehende Rentenanteil ist nicht deshalb dem Bruttoeinkommen iSd § 30 Abs 4 Satz 1 BVG zuzurechnen, weil der Kläger mit dieser verhältnismäßig geringen freiwilligen Nachentrichtung einen für die gesetzliche Rentenversicherung typischen Vorteil erlangt hat. Er hat zum einen eine Neuberechnung der Rente bewirkt, wobei eine hohe beitragslose Zurechnungszeit berücksichtigt wird, und zum anderen speziell als "Äquivalent" einen Rentenanteil zugesprochen erhalten, der nach der Rentenformel der Rentenversicherung bemessen wird. In diese Berechnung gehen teilweise Größen ein, die - wie die allgemeine Bemessungsgrundlage - von der persönlichen Beitragsleistung unabhängig sind, und auch dieser Rentenanteil wird laufend an die allgemeine Bemessungsgrundlage und damit an das durchschnittliche Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten angepaßt (§§ 1255, 1272 ff RVO; Bley, Sozialrecht, 3. Aufl 1980, S 93 f). Dies ist darauf zurückzuführen, daß die gesetzliche Rentenversicherung nicht nach einem Kapitalansammlungsverfahren - wie in der Privatversicherung - rein adäquate Leistungen gewährt. Die Renten werden vielmehr aufgrund des "Generationsvertrages" aus den Beiträgen der jeweils aktiven Arbeitnehmer und der entsprechenden Anteile ihrer Arbeitgeber finanziert (Beschluß des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1980 - 1 BvR 121/76 und 1 BvR 122/76 - Deutsches Verwaltungsblatt 1980, 835).

Ungeachtet dieser Einbindung in das soziale System der Rentenversicherung beziehen sich die 12 freiwilligen Beiträge, die der Kläger nachentrichtet hat, nicht auf eine Tätigkeit, und das ist für die Nichtanwendung der versorgungsrechtlichen Norm des § 9 Abs 2 Nr 2 DV ausschlaggebend.

Da in Höhe des Gegenwertes für die 12 nachentrichteten Beiträge die Versichertenrente des Klägers nicht als derzeitiges Bruttoeinkommen zu werten ist, so ist dementsprechend der neu festgestellte Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs 3 BVG zu niedrig bemessen und keine Überzahlung eingetreten.

Im übrigen ist die Revision erfolglos.

Die neu berechnete Rente ist in der sonstigen Höhe als Bruttoeinkommen des Klägers nach § 9 Abs 2 Nr 2 DV anzurechnen. Für den Anteil, der auf Pflichtbeiträge zurückgeht, ist das unbestritten. Gleiches gilt für den Rententeil, der nach beitragslosen Zeiten bemessen wird. Dafür spricht einmal die Beziehung solcher Zeiten zu einer früheren Tätigkeit, zum anderen ist dieser Anteil nach dem Zweck des Berufsschadensausgleichs entsprechend dem aus dem Zivilrecht stammenden Rechtsgrundsatz des Vorteilsausgleichs als derzeitiges Bruttoeinkommen zu werten.

Die den beitragslosen Zeiten entsprechende Rente wird wegen verschiedener Ausfälle von Erwerbstätigkeit aus Mitteln der Allgemeinheit gewährt und erfüllt damit einen gleichen Zweck wie der Berufsschadensausgleich. Nach jenem Rechtsgrundsatz, der ursprünglich für das zivile Schadensersatzrecht entwickelt worden ist, mindert ein Vorteil, der ebenso wie der zu ersetzende Schaden durch dasselbe Ergebnis verursacht worden ist, die Ersatzpflicht (BGHZ 8, 325, 328, 329; 49, 56, 61 f). Das gilt allgemein im öffentlichen Recht (Küppers, Deutsches Verwaltungsblatt 1978, 349) und grundsätzlich im Recht der KOV, um eine Doppelversorgung zu vermeiden (BSGE 34, 103, 105 = SozR Nr 17 zu § 44 BVG; BSGE 46, 250, 255 = SozR 3100 § 30 Nr 37; vgl aber auch BSGE 28, 145, 149 = SozR Nr 31 zu § 30 BVG). Einen speziellen Ausdruck hat dieser Grundsatz in der Vorschrift das § 65 BVG über das Ruhen des Versorgungsanspruches unter der Voraussetzung eines beamtenrechtlichen Anspruches wegen derselben Schädigung gefunden. Dieses Schadensbemessungsprinzip hat allerdings insoweit keine Gültigkeit, als einer Versorgungsleistung eine echte Versicherungsleistung gegenübersteht (zu § 30 Abs 2 BVG: BSGE 46, 254). Das entspricht dem im Zivilrecht vertretenen Grundsatz, ein Schadensersatzpflichtiger solle keinen Vorteil dadurch erlangen, daß der Geschädigte wegen des aus demselben Ursprung stammenden Nachteils auch einen Ausgleich aus einer von ihm abgeschlossenen Versicherung erhält (BSGE 39, 54, 59 = SozR 5330 § 7 Nr 1). Dieser rechtliche Gesichtspunkt trifft aber im gegenwärtigen Fall nicht zu, soweit es um den von beitragslosen Zeiten bestimmten Anteil der Versichertenrente geht.

Die Zurechnungszeit, die die für die Rente ua maßgebenden Versicherungsjahre beeinflußt (§§ 1253, 1258 RVO), ist als Zeit zwischen der Vollendung des 55. Lebensjahres und einer vorher eingetretenen Erwerbsunfähigkeitszeit zu berücksichtigen (§ 1260 RVO). Im Fall des Klägers ist die Zurechnungszeit auf dieselbe Ursache wie der Berufsschadensausgleich zurückzuführen, dh auf die Wehrdienstbeschädigung, deren Folgen das Erwerbseinkommen vermindert haben. Zwar braucht eine Zurechnungszeit nach den Rentenversicherungsrecht allgemein lediglich durch eine vorzeitige Erwerbsunfähigkeit verursacht worden zu sein. Aber der Kläger wird rentenversicherungsrechtlich speziell wegen seiner Kriegsbeschädigungsfolgen als erwerbsunfähig angesehen. Dadurch erhält die rentenversicherungsrechtliche Vergünstigung, die die Rentenhöhe bestimmende Zurechnungszeit, innerhalb des gefächerten Systems der Aufopferungsentschädigung zugleich einen versorgungsrechtlichen Rang. Daran ändert nichts, daß die entschädigende Leistung in Gestalt einer Rente aus der Rentenversicherung gewährt wird. Falls die Versichertenrente des Klägers, soweit sie auf der Zurechnungszeit beruht, nicht als Bruttoeinkommen iSd § 30 Abs 4 Satz 1 BVG gewertet würde, erhielte der Kläger einen doppelten Ausgleich für die schädigungsbedingte Einkommenseinbuße: den insoweit ungeschmälerten Anteil der Rente aus der Rentenversicherung und daneben den Berufsschadensausgleich, der nicht entsprechend jenem Anteil niedriger bemessen würde. Ebenso wie ein doppelter Ersatz beruflichen Schadens durch § 30 Abs 4 Satz 1 BVG und die dazu ergangene Rechtsverordnung vermieden werden soll (für das Verhältnis von § 30 Abs 2 zu Abs 3 bis 5: BSG SozR 3100 § 30 Nr 9), wird eine solche Wirkung durch das Prinzip des Vorteilsausgleichs in Fällen wie dem gegenwärtigen verhindert.

Der vorstehend auf die Zurechnungszeit angewendete Rechtsgrundsatz des Vorteilsausgleichs und seine Begründung treffen allerdings auf die Ersatz- und die Ausfallzeit nur beschränkt zu.

Die Ersatzzeit, die die anzurechnenden Versicherungszeiten und damit die Rentenhöhe mitbestimmt (§§ 1249 bis 1251, 1253, 1258 RVO), wird für die Perioden, in denen der Versicherte infolge seines Wehr- oder Kriegsdienstes nicht erwerbstätig war und infolgedessen keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichten konnte (§ 1251 Abs 1 Nr 1), mithin auch wegen eines für die Allgemeinheit erbrachten Opfers gewährt. Da es sich nicht um dieselbe Ursache wie diejenige des schädigungsbedingten Einkommensverlustes iSd § 30 Abs 3 und 4 BVG handelt, ist der Rechtsgrundsatz des Vorteilsausgleichs bloß entsprechend anzuwenden.

Die Ausfallzeit entschädigt für den Fortfall von Erwerbseinkommen, der auf individuelle Gründe zurückgeht (§§ 1253, 1258, 1259 RVO). Aber auch dieser Ausgleich wird unmittelbar von der Versichertengemeinschaft getragen. Als beitragslose Zeit hat er eine wesentliche Gemeinsamkeit mit den beiden anderen Zeiten dieser Art. Der Grund liegt ebenfalls in der Unfähigkeit, Beiträge aus einer Erwerbstätigkeit zu entrichten. Die Ausfallzeit ersetzt mithin solche Beiträge aus früherer Tätigkeit, die einen nach § 9 Abs 2 Nr 2 DV anzurechnenden Rentenanteil begründet hätten. Das rechtfertigt es, auch den von der Ausfallzeit abhängigen Anteil derart im Recht der KOV zu behandeln.

Da der Kläger diese Vergünstigungen nicht durch eigene Beitragsleistungen begründet hat, wird die entsprechende Anwendung des Vorteilsausgleichsgrundsatzes nicht durch die ihm eigene Einschränkung ausgeschlossen, daß selbst erwirtschaftete Vorteile ihm entgegenstehen.

Auch das Recht der KOV läßt es zu, Renten oder Rentenanteile, die nicht auf Beiträge zurückzuführen sind, oder für die der Versicherte nicht selbst Beiträge entrichtet hat, als derzeitiges Bruttoeinkommen iSd § 9 DV zu werten. Nach Abs 2 Nr 5 und 6 sind als solches Bruttoeinkommen ebenfalls zu behandeln das Altersgeld und die Landabgabenrente nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte sowie Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese Sozialleistungen beruhen in vielen Fällen nicht auf eigenen Beitragsleistungen des Empfängers.

Soweit die Versichertenrente des Klägers nach alledem als Bruttoeinkommen dem Vergleichseinkommen nach § 30 Abs 4 Satz 1 BVG gegenüberzustellen ist, hat der Beklagte zu Recht den Berufsschadensausgleich herabgesetzt und eine Überzahlung angenommen. Wegen dieser Forderung darf er sich nach § 71b BVG aus der Nachzahlung der Rentenversicherung befriedigen.

Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis von Erfolg des Rechtsmittels zum Unterliegen des Klägers (§ 193 SGG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1654522

Breith. 1981, 794

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