Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld während des Studiums. studieren und arbeiten. Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung. Aufgabe des Studiums bei Arbeitsangebot. Begriff der objektiven Verfügbarkeit

 

Orientierungssatz

1. Betreibt ein Student sein Studium derart, daß er nicht in der Lage ist, daneben eine marktübliche Arbeitnehmertätigkeit von mehr als kurzzeitigem Umfang auszuüben, steht er der Arbeitsvermittlung iS von § 103 AFG objektiv nicht zur Verfügung.

2. Der ordentlich immatrikulierte Student kann die ihm wegen seines Hochschulstudiums fehlende objektive Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung iS von § 103 AFG nicht dadurch herstellen, daß er bereit ist, das Studium im Falle eines zumutbaren Arbeitsangebotes abzubrechen.

3. Objektive Verfügbarkeit im Sinne bedeutet, daß der Arbeitslose durch nichts gehindert sein darf, ohne Verzug eine gemäß § 103 AFG zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Er muß sich der Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes aktuell zur Verfügung halten (vgl BSG vom 21.7.1977 - 7 RAr 38/76 = BSGE 44, 188 = SozR 4100 § 103 Nr 8).

 

Normenkette

AFG § 103 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, § 118a

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 18.02.1982; Aktenzeichen L 9 Al 92/81)

SG Würzburg (Entscheidung vom 09.02.1981; Aktenzeichen S 7 Al 56/80)

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).

Sie arbeitete vom 1. Dezember 1975 bis 27. April 1979 als Diplompsychologin. Sie ist seit Juli 1973 verheiratet und hat drei Kinder zu betreuen. Nach einer Mutterschutzzeit und einem anschließenden Mutterschutzurlaub bis 16. Dezember 1979 beantragte sie am 17. Dezember 1979 Alg. Dazu gab sie an, daß sie wegen der familiären Bindung nur 20 Stunden wöchentlich arbeiten könne. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 31. Januar 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1980 ab, da die Klägerin seit dem 1. Oktober 1979 als Pädagogikstudentin mit dem Ziel des Lehramts an Grund- und Hauptschulen an der Universität Würzburg eingeschrieben sei und der Anspruch auf Alg deshalb gemäß § 118a Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ruhe. Seit dem 14. April 1980 ist die Klägerin wieder als Arbeitnehmerin beschäftigt; ihr Studium brach sie aus diesem Grunde ab.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte mit Urteil vom 9. Februar 1981 zur Zahlung von Alg verurteilt. Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. Februar 1982). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, auf den am 17. Dezember 1979 entstandenen Anspruch sei § 118a Abs 1 AFG in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG (5. AFG- ÄndG) anzuwenden. Diese Vorschrift sei verfassungsgemäß. Danach ruhe der Anspruch auf Alg während der Zeit, in der der Arbeitslose Schüler oder Student einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte ist, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft eines Schülers oder Studenten im allgemeinen voll in Anspruch nehme. Die Arbeitskraft eines Schülers oder Studenten werde durch die Ausbildung voll in Anspruch genommen, wenn nach den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen oder der allgemeinen Erfahrung die Ausbildung einschließlich der Vorbereitungszeit 40 Wochenstunden erfordere. Davon sei bei einem ordentlichen Pädagogikstudium mit dem Ziel des Lehramts an Grund- und Hauptschulen auszugehen. Die so gesetzlich begründete Vermutung der "Nichtverfügbarkeit" könne durch besondere Verhältnisse des Einzelfalles nicht mehr widerlegt werden. Es sei deshalb unerheblich, an welchen Veranstaltungen die Klägerin tatsächlich teilgenommen habe, ob sie wegen besonderer Fähigkeiten oder aufgrund ihrer abgeschlossenen Erstausbildung nur einen kürzeren Zeitaufwand benötigt oder wie sie die Semesterferien genutzt habe. Es habe deshalb offen bleiben können, in welchem Umfange die Klägerin, der drei Semester ihres früheren Studiums angerechnet worden seien, vom 4. Fachsemester ab Vorlesungen oder Praktika besucht habe.

Im übrigen könne die Klägerin auch deshalb kein Alg beanspruchen, weil sie nach ihrem eigenen Vorbringen der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Rechtsprechung zum früheren § 118 Abs 2 AFG die dort begründete Vermutung der Nichtverfügbarkeit eines Studierenden in verfassungskonformer Auslegung für widerlegbar gehalten. Hier sei aber diese Vermutung nicht widerlegt. Die Klägerin habe aus familiären Gründen ihre Verfügbarkeit schon von vornherein auch ohne das Studium auf 20 Stunden wöchentlich beschränkt und wiederholt erklärt, daß sie bei Aufnahme einer Halbtagsbeschäftigung ihr Studium wieder abbrechen werde. Sie habe damit deutlich gemacht, daß sie nicht gleichzeitig ihre Kinder versorgen, studieren und halbtags arbeiten wollte. Ihr Studium hätte ihr also neben der Belastung in der Familie allenfalls eine nur kurzzeitige Tätigkeit im Sinne des § 102 AFG erlaubt, die den geltend gemachten Anspruch nicht begründe.

Endlich ergebe sich der erhobene Anspruch nicht daraus, daß die Klägerin, wie sie ausgeführt habe, durch ihr Studium die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit nur "sinnvoll genützt" habe. Das AFG lasse dem Antragsteller keine freie Wahl in der Gestaltung seiner Lebensverhältnisse, wenn er Geldleistungen wegen Arbeitslosigkeit beanspruchen wolle, was aus seinen §§ 101 Abs 1 und 103 folge. Das auf die Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen ausgerichtete Studium habe daher den Anspruch ausgeschlossen, obwohl sich die Klägerin bereits bei der Antragstellung ausdrücklich bereit erklärt habe, das Studium zu jeder Zeit zu beenden, und sie dieses Studium bei Aufnahme der Arbeit am 14. April 1980 auch tatsächlich beendet habe.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 118a AFG. Sie ist der Auffassung, durch die vom Gesetzgeber in dieser Vorschrift gewählte Formulierung "...wenn die Ausbildung die Arbeitskraft eines Studenten im allgemeinen voll in Anspruch nimmt...", sei zum Ausdruck gebracht worden, daß es sich um eine widerlegbare und nicht - wie vom LSG angenommen - um eine gesetzlich begründete Vermutung der "Nichtverfügbarkeit" handele.

Wenn das LSG ausführe, daß die Klägerin, selbst bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des SG, kein Alg hätte beanspruchen können, da sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe, weil sie deutlich gemacht habe, sie wolle nicht gleichzeitig ihre Kinder versorgen, studieren und halbtags arbeiten, so habe es sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Um die Klärung dieser Frage gehe es im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Die Widerspruchsstelle habe den ablehnenden Bescheid lediglich darauf gestützt, daß der Anspruch auf Alg während der Zeit des Hochschulstudiums der Klägerin gemäß § 118a Abs 1 AFG ruhe. Da diese Vorschrift allein auf die Inanspruchnahme eines Schülers oder Studenten durch seine Ausbildung abstelle, seien sonstige Erwägungen in diesem Zusammenhange sachfremd. Auch hierin sei ein Mangel des angefochtenen Urteils zu erblicken.

Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Februar 1982 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 9. Februar 1981 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Sie ist der Auffassung, eine Klaglosstellung komme auch nicht im Hinblick darauf in Betracht, daß das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 18. November 1986 - 1 BvL 29/83 ua - § 118a Abs 1 AFG idF vom 23. Juli 1979 für nichtig erklärt habe, soweit diese Vorschrift für Studenten einer Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte das Ruhen des Anspruches auf Alg anordnet. Das LSG habe in dem angefochtenen Urteil das Vorliegen der Verfügbarkeit iS des § 103 AFG verneint.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

Die Klägerin kann ab 17. Dezember 1979 einen Anspruch auf Alg haben. Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. November 1986 - 1 BvL 29/83 ua - (BGBl I 1987, 757) steht fest, daß ein bestehender Anspruch der Klägerin nicht gemäß § 118a AFG ruht; denn das BVerfG hat ausgesprochen, daß § 118a Abs 1 AFG idF des 5. AFGÄndG mit Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und nichtig ist, soweit er für Studenten einer Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte das Ruhen des Anspruchs auf Alg anordnet. Die Gesetzeskraft dieser Entscheidung ist allgemein verbindlich (§ 31 iVm §§ 82 Abs 1, 78, 79 Abs 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz) und führt im vorliegenden Falle zur Nichtanwendbarkeit des § 118a AFG, da die Klägerin einen Anspruch für Zeiten geltend macht, in denen sie Studentin einer Hochschule war. Ob ein solcher Anspruch tatsächlich besteht, läßt sich aufgrund der bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend entscheiden.

Nach § 100 AFG hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat sich die Klägerin arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Sie hat auch die Anwartschaftszeit erfüllt. Sie hat, wie es § 104 Abs 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des 5. AFGÄndG vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) verlangt, innerhalb der Rahmenfrist 180 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden. In der Zeit vom 17. Dezember 1976 bis 16. Dezember 1979 war sie bis 27. April 1979 als Diplompsychologin 20 Stunden wöchentlich im Angestelltenverhältnis mehr als kurzzeitig (§ 102 AFG) gegen Entgelt beschäftigt, wodurch gemäß § 168 Abs 1 Satz 1 AFG Beitragspflicht bestand (§ 169 Nr 6 AFG).

Ob die Klägerin gemäß § 101 AFG arbeitslos war, hat das LSG nicht festgestellt. Seinen Feststellungen ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht zu entnehmen, ob sie für die streitige Zeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand (§ 103 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des 5. AFGÄndG). Darauf kommt es aber angesichts der Nichtanwendbarkeit des § 118a Abs 1 AFG nunmehr an. Tatsächliche Feststellungen hat das LSG zunächst zu der Frage getroffen, ob die von der Klägerin betriebenen Studien im allgemeinen die Arbeitskraft eines Studenten voll in Anspruch nehmen, weil es von der Geltung des § 118a Abs 1 AFG ausging. Das LSG hat zwar weiter ausgeführt, die Klägerin könne auch deshalb kein Alg beanspruchen, weil sie nach ihrem eigenen Vorbringen der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. Indes läßt sich diese rechtliche Schlußfolgerung den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Auch wenn man, wie das LSG, aus den wiederholten Erklärungen der Klägerin, bei Aufnahme einer Halbtagsbeschäftigung ihr Studium wieder abzubrechen, folgert, sie habe damit deutlich gemacht, daß sie nicht gleichzeitig ihre Kinder versorgen, studieren und halbtags arbeiten wolle, so könnte dies allenfalls Schlüsse auf die subjektive Verfügbarkeit der Klägerin zulassen. Eine Einschränkung der Bereitschaft, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die sie ausüben kann und darf (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Juli 1979, BGBl I, 1189), ist hierin allerdings nicht zu sehen. Vielmehr hat die Klägerin deutlich gemacht, sie sei bereit, ihre Bindungen, die sie durch das Studium eingegangen ist, zu lösen, wenn ihr eine zumutbare Beschäftigung angeboten wird. Hieraus läßt sich aber nicht die rechtliche Schlußfolgerung ziehen, ihr Studium habe der Klägerin neben der Belastung in der Familie allenfalls eine nur kurzzeitige Beschäftigung gemäß § 102 AFG - dh eine Beschäftigung von weniger als 20 Stunden in der Woche - erlaubt, was den Ausschluß der Verfügbarkeit gemäß § 103 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG in der Fassung vom 23. Juli 1979 zur Folge hätte. Hierzu wären konkrete Feststellungen erforderlich, in welchem Umfange die Klägerin durch ihr Studium belastet worden war; nur dann ließe sich entscheiden, ob sie in der Lage gewesen wäre, neben dem Studium und der Belastung in der Familie mindestens 20 Wochenstunden einer Beschäftigung nachzugehen. Von entsprechenden Feststellungen hat das LSG aber ausdrücklich abgesehen (siehe S 5 seines Urteils). Deshalb fehlen relevante Feststellungen für die Anwendung des § 103 Abs 1 AFG, also dazu, ob die Klägerin angesichts ihrer individuellen Studienbelastungen bereit und in der Lage war, noch marktübliche Beschäftigungen von mehr als kurzzeitigem Umfange auszuüben. Das LSG wird diese Feststellungen und auch die Prüfung, ob die Klägerin arbeitslos war, für die gesamte Dauer des geltend gemachten Leistungsanspruches nachzuholen haben.

Sollte das LSG zu der Erkenntnis gelangen, daß die Klägerin wegen ihres Studiums ab 17. Dezember 1979 zu keiner Zeit des streitigen Anspruchszeitraumes mehr bereit und in der Lage war, in einer ihre Verfügbarkeit ergebenden Weise berufstätig zu sein, erwiese sich die bisherige Entscheidung als richtig. In diesem Falle könnte die Klägerin sich nämlich, wie das LSG zutreffend erkannt hat, nicht darauf berufen, sie sei deshalb verfügbar, weil sie bei dem Angebot einer zumutbaren Beschäftigung bereit gewesen sei, das Studium sofort aufzugeben. Mit dieser Auffassung verkennt die Klägerin das Wesen des Anspruchsmerkmals der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung im Sinne des § 103 AFG.

Neben der subjektiven Bereitschaft (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG) verlangt der Begriff der Verfügbarkeit, daß der Arbeitslose objektiv in der Lage ist, längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Dies kommt nicht nur im Gesetz selbst klar zum Ausdruck, und zwar unabhängig von wechselnden Formulierungen (vgl die hier maßgebliche Fassung des § 103 Abs 1 Satz 1 AFG durch das 5. AFGÄndG), sondern ist seit jeher anerkannter Grundsatz (vgl dazu ua schon BSGE 2, 67, 70 ff). Alg soll nämlich nur derjenige Arbeitslose erhalten, der dem Arbeitsmarkt aktuell zur Verfügung steht und sich subjektiv zur Verfügung hält, weil nur auf diese Weise eine sofortige Vermittlung in Arbeit möglich ist, durch die in erster Linie die Arbeitslosigkeit beendet werden soll. Dem entspricht die Anordnung des § 5 AFG, daß ua die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor der Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit besitzt. Der Senat hat schon entschieden, daß diese Anspruchsvoraussetzung der freien Entwicklung dessen, der Alg in Anspruch nehmen will, nicht in einer sein Persönlichkeitsrecht gemäß Art 2 Abs 1 GG verletzenden Weise entgegensteht (Urteil vom 20. Oktober 1983 - 7 RAr 9/82 -).

Objektive Verfügbarkeit in diesem Sinne bedeutet deshalb, daß der Arbeitslose durch nichts gehindert sein darf, ohne Verzug eine gem § 103 AFG zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Er muß sich der Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes aktuell zur Verfügung halten (vgl BSGE 44, 188, 189 = SozR 4100 § 103 Nr 8). Beschrieben wird damit folglich ein Zustand der Verhältnisse des Arbeitslosen, wie er von vornherein täglich vorhanden sein muß. Nicht ausreichend ist deshalb eine Lage, die gegenwärtig berufliches Tätigsein ausschließt und auf die Herbeiführung der bislang fehlenden objektiven Vermittelbarkeit erst zu dem Zeitpunkt abstellt, von dem an dem Arbeitslosen ein Arbeitsangebot unterbreitet wird. Vielmehr müssen alle Anspruchsvoraussetzungen an jedem Tag, für den Alg erbracht werden soll, in vollem Umfange vorliegen.

Dies kommt hinsichtlich der Verfügbarkeit nicht nur im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck, der auf das objektive Arbeitenkönnen abstellt und nicht auf die bloße Bereitschaft zur Annahme von Arbeitsangeboten, sondern auch in den Regelungen der Ausnahmen hiervon. So bestimmt § 103 Abs 4 AFG idF des 5. AFGÄndG ausdrücklich ua, daß die Teilnahme an Maßnahmen zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten (vgl § 41a AFG) die Verfügbarkeit nicht ausschließt. Obwohl es sich hier um einen Sachverhalt handelt, der die jederzeitige Aufnahme einer Beschäftigung bei sich bietender Gelegenheit nicht nur nicht hindert, sondern diesen Erfolg sogar zum Ziel hat, zudem eine leistungsbegründende Bereitschaft des Arbeitslosen zur Beteiligung verlangt (vgl § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst b, § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG), hielt der Gesetzgeber die Regelung des § 103 Abs 4 AFG für erforderlich, um den Konflikt zwischen einem sachgerechten tatsächlichen Gebundensein des Arbeitslosen und den Anforderungen an seine objektive Verfügbarkeit zu lösen. Dessen hätte es nicht bedurft, wenn es lediglich auf die Absicht des Arbeitslosen ankommen würde, seine aktuelle Bindung gegebenenfalls aufzugeben.

Dasselbe gilt für die Regelungen der §§ 3, 4 der Aufenthaltsanordnung der Beklagten vom 3. Oktober 1979 (ANBA S 1388). Hiernach steht eine zeitlich begrenzte Ortsabwesenheit oder die entsprechende Teilnahme des Arbeitslosen an bestimmten Bildungsveranstaltungen, bzw an Veranstaltungen, die staatspolitischen, kirchlichen oder gewerkschaftlichen Zwecken dienen oder die sonst im öffentlichen Interesse liegen, der Verfügbarkeit nicht entgegen, wenn vom Arbeitsamt vorher festgestellt wird, daß dadurch in dieser Zeit ua die Vermittlung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird. Für die Ortsabwesenheit (zB wegen Teilnahme an einem Familienurlaub) bedeutet dies im Ergebnis die Feststellung, daß eine Vermittlung dieses Arbeitslosen in der fraglichen Zeit (höchstens drei Wochen) faktisch nicht in Betracht kommen wird. Verfügbarkeit während der Teilnahme an einer der oa Veranstaltungen setzt die Bereitschaft der Arbeitslosen zum Abbruch für den Fall eines Arbeitsangebots voraus (vgl § 4 Sätze 2 und 3 der Aufenthaltsanordnung). Letzteres allein genügt für die Annahme auch der objektiven Verfügbarkeit jedoch ebensowenig, wie in Fällen der Ortsabwesenheit etwa die Bereitschaft (und Möglichkeit), im Bedarfsfalle täglich an den Wohnort zurückzukehren, um Arbeitsangebote wahrzunehmen; stets ist vielmehr eine entsprechende vorherige Zustimmung des Arbeitsamtes erforderlich. Auch an diesen Regelungen wird deshalb deutlich, daß objektive Verfügbarkeit grundsätzlich das Fehlen solcher Umstände verlangt, die eine gleichzeitige Ausübung abhängiger Beschäftigung ausschließen.

Eine andere Auffassung müßte im übrigen dazu führen, daß Alg auch für solche Zeiten zu gewähren ist, in denen der Arbeitslose nach seinem tatsächlichen Verhalten nicht in der Lage war, eine Beschäftigung auszuüben. Augenfällig wird dies gerade dann, wenn ein Student sein Studium derart betreibt, daß er daneben nicht einmal eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung ausüben kann; denn dann ist er erst recht nicht imstande, während der Wahrnehmung von Studienaktivitäten überhaupt zu arbeiten. Da das Alg für bestimmte Zahlungszeiträume nachträglich auszuzahlen ist (§ 122 AFG), müßte die Beklagte in einem solchen Falle diese Leistungen erbringen, obwohl im Zahlungszeitpunkt feststeht, daß der Student wegen seiner Studienaktivitäten im abgelaufenen Zahlungszeitraum tatsächlich nicht imstande gewesen ist, eine Beschäftigung auszuüben. Selbst die glaubhafte Erklärung des Arbeitslosen, sich bei einem Arbeitsangebot anders verhalten zu haben, könnte an den vorhandenen Tatsachen nichts ändern. Ihm für solche Zeiten Alg zu gewähren, wäre mit dem Prinzip der objektiven Verfügbarkeit nicht zu vereinbaren; denn Leistungen würden gewährt, obwohl feststeht, daß der Student eine Beschäftigung nicht hat ausüben können. Letztlich liefe die Zahlung von Alg auf die Finanzierung des Studiums hinaus. Schon in der bisherigen Rechtsprechung des Senats kommt zum Ausdruck, daß dies weder mit den Zwecken der Arbeitslosenversicherung noch mit System und Bedeutung der Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit zu vereinbaren ist. Daß diese Rechtsprechung über die Verfügbarkeit von Studenten aus Anlaß der Beurteilung von Ruhensvorschriften (§ 118 Abs 2 AFG aF) entstanden ist, ändert nichts daran, daß hiernach für Studenten hinsichtlich ihrer objektiven Verfügbarkeit grundsätzlich nichts anderes gilt als für sonstige Antragsteller (vgl BSGE 46, 89, 98 = SozR 4100 § 118 Nr 5; Urteile vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 6/78 -, vom 22. März 1979 - 7 RAr 35/78 und 36/78, vom 7. August 1979 - 7 RAr 28/78 - und vom 20. Oktober 1983 - 7 RAr 9/82 -). Soweit in der Literatur - zT allerdings im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Berechtigung zur Beschränkung auf Teilzeitarbeit iS von § 103 Abs 1 Satz 2 AFG vorliegt - die Ansicht vertreten wird, ein die Vermittlung in Arbeit schlechthin ausschließender Besuch von Bildungseinrichtungen hindere die Annahme von Verfügbarkeit (und damit das Recht zum Bezug von Alg in dieser Zeit) dann nicht, wenn der Arbeitslose bereit und in der Lage sei, den Besuch im Falle eines Arbeitsangebots abzubrechen (vgl Gagel, Komm. z. AFG, Stand Juli 1987, § 103 RdNrn 141, 142; Hennig/Kühl/Heuer, Komm. z. AFG, Stand April 1987, § 103 Anm 5 - S 164a -; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm. z. AFG, August 1972, RdNr 9 zu § 103), vermag dem der Senat nicht zu folgen.

Gegen die Rechtsauffassung des Senats läßt sich nicht einwenden, sie zwinge den Arbeitslosen zu sinnlosem Nichtstun und hindere ihn, während der Zeit der Arbeitslosigkeit einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung nachzugehen. Das ist so nicht der Fall. Das Gebot der Verfügbarkeit verlangt von dem Arbeitslosen nicht, sich etwa den ganzen Tag über in seiner Wohnung aufzuhalten, um dort betätigungslos auf Arbeitsangebote zu warten. Er kann wie jeder andere, insbesondere wie jeder Berufstätige, zB Beschäftigungen aus Liebhaberei, aus kulturellen, karitativen, sportlichen oder gesundheitlichen Interessen und zum Zeitvertreib nachgehen. Es ist offenkundig, daß eine derartige Nutzung der "Freizeit" allein weder die Bereitschaft noch die Möglichkeit beeinträchtigt, anstelle dessen auch eine Beschäftigung im Arbeitsverhältnis auszuüben. Davon unabhängig unterliegt der Alg-Bezieher allerdings gewissen Beschränkungen seiner Betätigungsfreiheit, die von den dargestellten Anforderungen der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung bestimmt werden. Die Grenzen lassen sich nur im Einzelfalle bestimmen. Eine Betätigung jedenfalls, die auf längere Dauer angelegt und planvoll gestaltet ist, sowie derart betrieben wird, daß sie die für eine Berufstätigkeit erforderliche Zeit vollständig in Anspruch nimmt, die mithin für jeden Tag, an dem sie stattfindet, die Möglichkeit ausschließt, berufstätig zu sein, steht im Gegensatz zu den Anforderungen der objektiven Verfügbarkeit. In solchen Fällen kommt es nicht darauf an, welchen Grad die Bindung und Absicht besitzt, diese Betätigung fortzusetzen; denn für die Zeit ihrer Vornahme hätte es auf die Unfähigkeit, eine Berufstätigkeit ausüben zu können, keinen Einfluß, wie rasch sich der Arbeitslose von ihr für die jeweilige Zukunft hätte lösen können und wie ernsthaft er dies beabsichtigte.

Nach Auffassung des Senats ist eine derartige Sachlage gegeben, wenn der Arbeitslose als ordentlich immatrikulierter Student ein reguläres Hochschulstudium so betreibt, daß dadurch jegliche marktübliche Berufstätigkeit von mehr als kurzzeitigem Umfange ausgeschlossen ist. Ein in dieser Weise aktives Studium steht im Gegensatz zu den Anforderungen der objektiven Verfügbarkeit iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG, und zwar auch dann, wenn es der beruflichen Bildung dient (vgl Urteil vom 20. Oktober 1983 - 7 RAr 9/82 -). Ob im vorliegenden Falle die Klägerin ihr Studium so betrieben hat, daß dadurch eine Berufstätigkeit ausgeschlossen war, ist vom LSG, wie bereits ausgeführt wurde, weder festgestellt noch ermittelt worden. Es wird dies und gegebenenfalls auch die Klärung der Frage, ob die Klägerin in der hier maßgeblichen Zeit arbeitslos war, nachzuholen haben.

Die Sache ist daher gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663743

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge