Leitsatz (redaktionell)

1. Die von Angehörigen des Werkschutzes, denen die Verkehrsregelung auf dem Werksgelände übertragen ist, wahrzunehmenden Aufgaben sind vorwiegend dem körperlich-mechanischen Arbeitsbereich zuzurechnen; ihre Tätigkeit unterliegt daher der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Arbeiter.

2. Der Begriff der "körperlichen" Arbeit beschränkt sich nicht allein auf rein manuelle Verrichtungen, sondern wird durch den Gegensatz zu den überwiegend geistigen Tätigkeiten bestimmt; er schließt daher Verrichtungen einfacher, gleichbleibender oder ständig wiederkehrender Arbeiten ein, bei denen die geistige Beanspruchung nur eine untergeordnete Rolle spielt.

 

Normenkette

RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23, § 3 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. Juni 1969 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in die Rentenversicherung der Arbeiter oder - wie bisher - in die Rentenversicherung der Angestellten gehört. Er ist zusammen mit anderen, von denen einige zunächst ebenfalls geklagt hatten, im beigeladenen Autowerk als Werkschutzmann beschäftigt und im wesentlichen mit der Verkehrsregelung auf dem Werksgelände betraut. Daneben obliegt ihm die Feststellung und Aufnahme von Verkehrsunfällen, die Herstellung von Skizzen zur Aufstellung von Verkehrszeichen und die Erstattung von Meldungen bei Verstößen gegen die Betriebsordnung.

Nach Ansicht der beigeladenen Rentenversicherungsträger stellt die dem Kläger übertragene Verkehrsregelung eine verhältnismäßig einfache Tätigkeit dar, die keine besondere Vorbildung erfordere und deshalb der Arbeiterrentenversicherung zuzuordnen sei; polizeiliche Aufgaben habe der Kläger nicht wahrzunehmen, er gehöre daher auch nicht zu den "im Sicherheitsdienst Tätigen" im Sinne des Berufsgruppenkatalogs der Angestelltenversicherung (AnV).

Die beklagte Krankenkasse hat mit Rücksicht auf diese - von den Rentenversicherungsträgern vertretene - Rechtsauffassung einen entsprechenden Feststellungsbescheid über die Versicherungszugehörigkeit des Klägers erlassen.

Das hiergegen vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) hat den Bescheid aufgehoben und festgestellt, daß der Kläger weiterhin in der Rentenversicherung der Angestellten zu versichern sei.

Das Landessozialgericht (LSG) ist dagegen der Auffassung der Rentenversicherungsträger gefolgt und hat auf die Berufung der beigeladenen Landesversicherungsanstalt (LVA) die Klage abgewiesen: Der Kläger sei kein Angestellter im Sinne des § 3 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), insbesondere gehöre er, da ihm keine hoheitlichen Funktionen übertragen seien, nicht zu den "im Sicherheitsdienst Tätigen". Die Regelung des Verkehrs, hinter der die übrigen Aufgaben des Klägers zurückträten, sei eine überwiegend körperliche, mechanische Tätigkeit und deshalb arbeiterrentenversicherungspflichtig (Urteil vom 26. Juni 1969).

Der Kläger hat die zugelassene Revision eingelegt, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils beantragt. Entgegen der Auffassung des LSG hält er seine Tätigkeit für überwiegend geistiger Art; im übrigen nehme er auch ohne eigentlich hoheitliche Funktionen "echte polizeiliche Aufgaben" wahr.

Die beigeladenen Rentenversicherungsträger beantragen die Zurückweisung der Revision. Die anderen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.

Alle am Revisionsverfahren Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

II

Die Revision des Klägers, der als einziger des Urteil des LSG angefochten hat, ist unbegründet. Das LSG hat ihn mit Recht der Rentenversicherung der Arbeiter zugeordnet.

Der Senat hat schon wiederholt über die Versicherungszugehörigkeit von Werkschutzleuten entschieden. Im Urteil vom 21. Januar 1969 (SozR Nr. 14 zu § 3 AVG) hat er einen Werkschutzmann, der im wesentlichen mit Überwachungs- und Kontrollaufgaben (Torkontrollen) betraut war, daneben aber auch bestimmte schriftliche Arbeiten (Eintragungen in Wach- und Kontrollbücher) sowie Verwiegungen vorzunehmen hatte und gelegentlich zur Verkehrsregelung auf dem Werksgelände eingesetzt war, als arbeiterrentenversicherungspflichtig angesehen. Das gleiche hat der Senat im Urteil vom 16. Dezember 1970 (3 RK 21/70) für Werkschutzleute angenommen, die - als Angehörige derselben Firma wie der Kläger - Wiegearbeiten und im gewissen Umfange auch Kontrollen auszuführen hatten.

Die Tätigkeit des Revisionsklägers unterscheidet sich von denen der Kläger in den früher entschiedenen Sachen nicht so erheblich, daß sie eine andere Beurteilung seiner Versicherungszugehörigkeit rechtfertigen würde. Daß er mangels Ausübung hoheitlicher Funktionen nicht zu den "im Sicherheitsdienst Tätigen" im Sinne des Berufsgruppenkatalogs der AnV gehört, hat das LSG im Anschluß an das genannte Urteil des Senats vom 21. Januar 1969 zutreffend ausgeführt. Da ihm keine hoheitlichen Befugnisse übertragen sind, nimmt er - entgegen seiner Ansicht - keine polizeilichen oder "polizeiähnlichen" Aufgaben wahr und kann schon deshalb nicht z. B. einem Hilfsaufseher in einer Strafanstalt (BSG 21, 176) gleichgestellt werden.

Das LSG hat ferner mit Recht darauf hingewiesen, daß Werkschutzleute bisher weder nach der allgemeinen Verkehrsanschauung noch von den - insoweit besonders "sachverständigen" - Tarifpartnern als Angestellte angesehen werden. Vorübergehende Ausnahmeregelungen, die während des letzten Krieges erlassen worden waren, haben mit dem Wegfall der durch den Krieg bedingten besonderen Verhältnisse ihre Geltung verloren, wie der Senat im Urteil vom 21. Januar 1969 näher dargelegt hat.

Dem LSG ist schließlich auch darin beizutreten, daß die dem Revisionskläger übertragene Verkehrsregelung - seine sonstigen Verrichtungen treten dahinter zurück und geben seiner Tätigkeit jedenfalls nicht das Gepräge - überwiegend körperlicher Art ist. Der Begriff der "körperlichen" Arbeit beschränkt sich nicht auf lediglich manuelle Verrichtungen, sondern wird durch den Gegensatz zu den überwiegend geistigen Tätigkeiten bestimmt. Er schließt mithin Verrichtungen einfacher, gleichbleibender oder ständig wiederkehrender Arbeit ein, bei denen die geistige Beanspruchung nicht im Vordergrund steht, sondern eine eher untergeordnete Rolle spielt (vgl. Urteil des Senats vom 18. Juni 1968, 3 RK 57/65). Zu diesen Verrichtungen gehört der Großteil der Aufgaben, die der Revisionskläger im Rahmen der Verkehrsregelung auf dem Werksgelände der beigeladenen Firma zu erfüllen hat. Er ist deshalb mit Recht der Rentenversicherung der Arbeiter zugewiesen worden. Seine Revision ist unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670242

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