Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragserfordernis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kosten einer Anstaltsunterbringung nach BVG § 35 Abs 2 sind von dem Versorgungsträger auf Antrag zu übernehmen.

2. Zur Handhabung und Tragweite des Antragsprinzips (BVG § 1 Abs 1).

 

Leitsatz (redaktionell)

Zum Antragserfordernis:

Unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge- und Betreuungspflicht der Verwaltung gegenüber dem Bürger sind allerdings Fallgestaltungen vorstellbar, bei denen die Versorgungsbehörde gehalten sein kann, den Bezieher einer Beschädigtenrente unverzüglich zur Beantragung einer Pflegezulage anzuregen; bei einer Vernachlässigung dieser Betreuungspflicht könnte eine schematische Bezugnahme auf BVG § 60 Abs 1 einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen.

 

Normenkette

BVG § 1 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20, § 35 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1966-12-28

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. August 1974 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Beschädigte W. F war seit November 1946 in einem Psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er leidet an Spaltungsirresein und Lungentuberkulose. Die Versorgungsbehörde hat angenommen, diese Gesundheitsstörungen seien durch schädigende Einwirkungen i. S. des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) verschlimmert worden; deshalb sei die Erwerbsfähigkeit des Beschädigten um 100 v. H. herabgesetzt. Der Beschädigte erhält dementsprechend Versorgungsrente (Umanerkennungsbescheid vom 21. Juni 1951). Von diesen Bezügen wurden zunächst die Kosten der Unterbringung bestritten. In der Zeit von August 1965 bis Mai 1967 wurden jedoch diese Kosten nicht beglichen. Der Pfleger des Beschädigten hatte die auf ein Sparkassenkonto überwiesenen Rentenbeträge veruntreut. Für den finanziellen Ausfall nahm der Landeswohlfahrtsverband (Kläger) die Versorgungsverwaltung - erstmals in einem Schreiben vom 6. April 1967 - in Anspruch; zugleich teilte er mit, die Aufwendungen für die Krankenhauspflege des Beschädigten seien bis zum 31. Juli 1965 "in voller Höhe" aus den Versorgungsbezügen beglichen worden.

Später, im Oktober 1968, wurde für den Beschädigten die Pflegezulage nach Stufe 1 beantragt und bewilligt (Bescheid vom 24. Oktober 1968).

Die auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 11.602,40 DM gerichtete Klage des Landeswohlfahrtsverbandes hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil des SG Kassel vom 3. April 1973); das Landessozialgericht (LSG) (Urteil des Hessischen LSG vom 13. August 1974 - veröffentlicht in Breithaupt 1975, 127 -) hat die Berufung zurückgewiesen. Nach Ansicht des Berufungsgerichts kommt als Anspruchsgrundlage der allgemeine öffentlich-rechtliche Ersatzanspruch in Betracht. Aus diesem Gesichtspunkt habe der Kläger aber nichts zu verlangen. Eine Heilbehandlung, welche der Träger der Sozialhilfe anstelle der Versorgungsbehörde erbracht haben könnte (§ 10 BVG), scheide aus, weil der Beschädigte nicht krank im Sinne des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO) gewesen und nicht behandelt, sondern zum Schutz vor eigener Gefährdung betreut worden sei. Eine Übernahme der Unterbringungskosten, wie sie § 35 Abs. 2 BVG vorsehe, scheitere daran, daß dazu gegenüber dem Sozialhilfeträger keine Verpflichtung bestehe. Lediglich im Verhältnis zum Beschädigten selbst könne der Versorgungsträger gehalten sein, solche Aufwendungen zu machen. Voraussetzung dafür, daß der Versorgungsträger für solche Verbindlichkeiten einstehe, sei jedoch, daß überhaupt ein Antrag auf Pflegezulage (§ 35 BVG) gestellt worden sei. Dies sei zu der Zeit, für welche sich der Kläger schadlos halten wolle, noch nicht der Fall gewesen.

Der Kläger hat die - zugelassene - Revision eingelegt. Er meint, das LSG verkenne die Funktion und Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruchs. Für diesen sei nicht maßgebend, daß der Kläger aus § 35 Abs. 2 BVG ein unmittelbar eigenes Recht gegen den Versorgungsträger auf Freistellung von Lasten einer Anstaltsunterbringung habe. Wichtig sei hingegen, daß in der Rangfolge der Verpflichtungen der Versorgungsträger vor dem Sozialhilfeträger einzutreten habe. Leistungen, die letzterer "verauslagt" habe, müßten ihm von dem primär und endgültig Verpflichteten vergütet werden. Ferner verstehe das LSG die Rechtsnatur des Anspruchs aus § 35 Abs. 2 BVG unrichtig. Dieser Anspruch sei kein Unterfall der Berechtigung nach Absatz 1 des § 35 BVG und nicht von einem Antrag auf Pflegezulage abhängig. Vielmehr habe die Kostenübernahme von Amts wegen zu geschehen. Es gehe auch nicht darum, daß der Gesetzgeber dem Beschädigten einen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages habe verschaffen wollen. Vielmehr habe die Versorgungsverwaltung die Anstaltspflege als solche sicherzustellen. Insofern bestehe eine Parallele zu dem Anspruch auf Heil- und Krankenbehandlung nach § 10 BVG. Dafür spreche nicht zuletzt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. § 35 Abs. 2 BVG entspreche fast wörtlich dem früheren § 10 Abs. 8 BVG (i. d. F. des 1. NOG vom 27.6.1960 - BVG a. F.). Das Zweite Neuordnungsgesetz (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I S. 85) habe die Änderung lediglich aus systematischen Gründen herbeigeführt. Allerdings schreibe § 10 BVG die "Gewährung" der Heilbehandlung vor, während § 35 Abs. 1 BVG nur die "Übernahme" von Kosten vorsehe. Der abweichende Wortlaut rechtfertige aber nicht den Schluß auf einen unterschiedlichen Sinngehalt der genannten Rechtsvorschriften.

Der Kläger beantragt,

das Berufungsurteil aufzuheben und den Beklagten zur Erstattung der Unterbringungskosten für die Zeit von August 1965 bis Mai 1967 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er erblickt in § 35 Abs. 2 BVG lediglich einen besonderen Zahlungsmodus für die Pflegezulage.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das Berufungsgericht hat richtigerweise nicht durch Prozeßabweisung, sondern in der Sache selbst erkannt. Zwar richtet sich die Zulässigkeit der Berufung auch bei Ersatz- und Erstattungsansprüchen zwischen Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht stets allein nach § 149 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sondern auch nach § 146 oder § 148 SGG (BSG SozR 36 zu § 148 SGG; Nrn 18 bis 20 und 27 zu § 146 SGG). Dies könnte zu beachten sein, weil die Ersatzforderung des Klägers sich auf Versorgung für eine bereits abgelaufene Zeit bezieht (§ 148 Nr 2 SGG). Aus diesem Grunde ist das Rechtsmittel indessen nur ausgeschlossen, wenn die ersatzfordernde Stelle in die Gläubigerposition des Versorgungs- oder Rentenberechtigten selbst eingetreten war. So liegen die Dinge aber nicht, wenn - wie hier - der Anspruch des Versorgungsberechtigten als solcher nicht im Streit ist und ein Ersatzanspruch unabhängig davon erhoben wird (BSG SozR Nrn 16, 17 zu § 149 SGG). Alsdann kommt es lediglich auf den Beschwerdewert an (§ 149 SGG). Dieser übersteigt in dem gegenwärtigen Fall die für eine Sachverhandlung und Entscheidung durch das Berufungsgericht gezogene Mindestgrenze.

Materiell-rechtlich ist für die Beurteilung des gegenwärtigen Sachverhalts von § 35 Abs. 2 BVG in der durch das 2. NOG geschaffenen Fassung auszugehen. Danach sind für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Anstaltspflege bedürfen, die hierdurch entstehenden Kosten zu übernehmen. Jedoch ist der Übernahmebetrag auf die sonstigen Geldleistungen aus dem Versorgungsrechtsverhältnis anzurechnen. Davon bleiben nur in beschränktem Umfang näher bestimmte Beträge für persönliche Bedürfnisse des Beschädigten und für seine Angehörigen unberührt. Von dieser Regelung ausgehend, erweist sich das Klagebegehren in Höhe derjenigen Versorgungsbezüge, die in der streitigen Zeit bereits geleistet worden sind, als nicht gerechtfertigt. Das Gesetz will die Doppelleistung von Versorgungsrente und ungekürztem Asylierungsaufwand vermeiden (§ 35 Abs. 2 Satz 1 BVG). Das Versorgungsschuldverhältnis ist infolgedessen durch die Geldüberweisung auf das Sparkassenkonto des Versorgungsberechtigten insoweit erloschen (entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Mit dieser Überweisung kam die Versorgungsbehörde seit August 1965 der von dem gesetzlichen Vertreter des Berechtigten wirksam (§§ 1915, 1793 BGB) gewünschten Zahlungsart nach (§ 2 Abs. 1 Nr 2 der Vorschriften zu § 66 BVG für die Zahlung und den rechtmäßigen Nachweis der Versorgungsbezüge vom 9. August 1956, Beilage zum BAnz Nr. 157 vom 15. August 1956, S. 49; vgl. § 66 Abs. 2 Satz 1 BVG idF des Gesetzes vom 7. August 1974, BGBl I, 1881). Darauf, daß das Geld auch seiner Zweckbestimmung gemäß verwendet wurde, hatte die Versorgungsbehörde keinen Einfluß. Dafür traf sie auch keine Verantwortung. Eine solche Verantwortung ist namentlich nicht, wie die Revision meint, aus § 35 Abs. 2 BVG herzuleiten. Mit dieser Vorschrift wird die Absicht verfolgt, die Mittel für die Absonderung und und Betreuung eines Beschädigten, dessen Heilbehandlung keinen Erfolg verspricht, bereitzustellen. Mit dieser Zielsetzung erschöpft sich aber auch die der Versorgungsverwaltung mit diesem Gesetzesbefehl gestellte Aufgabe. Andererseits war es Sache des Klägers, die pünktliche Tilgung seiner Forderungen zu überwachen, zumal er auch selbst der zuständige Krankenhausträger war. Vor Ausfällen und Rückständen konnte er sich unschwer bewahren, indem er die Versorgungsansprüche des Berechtigten im Betrage seiner Forderungen durch Anzeige auf sich überleitete (§ 90 iVm § 43 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG -; vgl. auch § 27 e BVG) oder sich diese Ansprüche abtreten ließ (§ 67 Abs. 2 Nr 4 BVG). Durch rechtzeitigen Einsatz geeigneter Überweisungs- und Sicherungsmaßnahmen hätte der Kläger zweifellos bewirkt, daß die im Sommer 1965 beginnenden Veruntreuungen des Pflegers früher aufgedeckt und beendet werden konnten.

Darüber hinaus hat der Beklagte auch nicht denjenigen Teil des Unterbringungsaufwandes zu tragen, der zur damaligen Zeit die geleistete Versorgungsrente evtl. überstieg. Für diese Rechtsfolge ist es unerheblich, ob man für die Übernahme der Unterbringungskosten durch die Versorgungsverwaltung einen besonderen Antrag verlangt und im gegebenen Fall vermißt oder ob man anzunehmen hat, daß der Antrag, der 1946 "auf Gewährung von Fürsorge und Versorgung" des Beschädigten gestellt worden war, unter den gegebenen Umständen auch den Antrag auf den hier geforderten Aufwendungsersatz umfaßte.

Allerdings kam es auf einen solchen Antrag an. Der Revision ist nicht darin beizupflichten, daß die Leistung nach § 35 Abs. 2 BVG völlig unabhängig von einem Antrag von Amts wegen zu erbringen sei (so indessen für das Lastenausgleichsrecht: BVerwG ZLA 1964, 329 m. N.). Diese Ansicht wird von Schieckel/Gurgel (Bundesversorgungsrecht, Kommentar, III. Auflage, Band II, Anm. 6 zu § 35) zu Unrecht aus der Gesetzesgeschichte gefolgert. Die in Rede stehende Vorschrift war früher in § 10 Abs. 8 BVG aF getroffen. Dort war die Belastung des Bundes mit Verwahrungskosten von einem besonderen, in § 10 Abs. 8 BVG aF eigens vorgeschriebenen Antrag abhängig. Dieses ausdrückliche Antragserfordernis wurde zwar nicht beibehalten, als durch das 2. NOG die erwähnte Regelung in § 35 BVG eingefügt wurde. Dem Gesetzgebungsgeschehen ist indessen nicht zu entnehmen, daß damit auf einen Antrag überhaupt verzichtet wurde. Ein radikaler Bedeutungswandel war mit der Gesetzesänderung nicht erkennbar beabsichtigt und nicht zu unterstellen. Im Gegenteil, mit dem neuen Abs. 2 des § 35 BVG befolgte der Gesetzgeber systematische Erwägungen in der Hinsicht, daß es sich bei dauernder Anstaltsunterbringung eben nicht um Heilbehandlung (§ 10), sondern um Pflege (§ 35) handelt. Inhaltlich sollte die neue Regelung aber dem früheren § 10 Abs. 8 gleichkommen (Bundestagsdrucksache IV/1305 S. 19 und IV/1831 S. 7). Das Gebot des besonderen Antrags war in dem früheren § 10 Abs. 8 auch sinnvoll; denn hierdurch wurde klargestellt, daß die für Heil- oder Krankenbehandlung im allgemeinen geltenden Regelungen des § 10 Abs. 5 und 6 BVG aF sich nicht auf den hier interessierenden Leistungsfall erstreckten. Hier sollte der Antrag diejenige Bedeutung haben, die er auch sonst für Entstehung und Beginn des Versorgungsanspruchs hat. An der neuen Gesetzesstelle konnte dem Gesetzgeber die Erwähnung des Antrags als entbehrlich erscheinen. Denn die Kostenübernahme nach § 35 Abs. 2 BVG ist ein Unterfall der Pflegezulage. Als solche wird sie, wie die Versorgung überhaupt, auf Antrag gewährt (§ 1 Abs. 1 BVG; ebenso Vorberg/van Nuis, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, IV Teil, Anm. VII 2 zu § 35, S. 302). Für bestimmte Fallgruppen sind freilich Verwaltungsregelungen denkbar, die von diesem Grundsatz abweichen (vgl. z. B. BMA Rdschr. vom 18.10.1953, BVBl 1953, 172 Nr. 109). Davon abgesehen, müßte jedoch ein spezieller Gesetzesausspruch zu erwarten sein. Wo nämlich die Versorgungsverwaltung von Amts wegen tätig zu werden hat, ist dies -z. B. für die Heilbehandlung (§ 10 Abs. 8 BVG aF, § 18 a BVG idF des 3. NOG vom 28.12.1966) - ausdrücklich angeordnet. Somit ist von der Regel auszugehen, daß der Versorgungsträger die Asylierungslast nicht losgelöst von jedem vorhergehenden Antrag zu tragen hat.

In der KOV herrscht von jeher die Auffassung, daß der Anspruch auf Versorgung nicht schon allein mit der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes entsteht, sondern daß als weiterer rechtsbegründender Faktor der Antrag des Berechtigten hinzukommen muß. Von diesem allgemeinen Ausgangspunkt, den das BSG in ständiger Rechtsprechung bis in die jüngste Zeit vertreten hat (vgl. BSG 2, 289, 293; 7, 118, 120; 7, 187, 190; SozR Nr. 12 zu § 45 BVG; Urt. v. 25.11.1965, BVBl 1966, 48; Urt. v. 7.8.1975 - 10 RV 135/74 -), ist für Fälle der hier gegebenen Art der Grundsatz hergeleitet worden, daß ein Antrag auf Versorgung schlechthin nicht ohne weiteres auch einen Antrag auf Gewährung von Pflegezulage umfaßt, daß vielmehr bei Prüfung eines Versorgungsantrags eine Pflegezulage - soweit sie nicht ausdrücklich begehrt wird - nur dann in Betracht zu ziehen ist, wenn besondere Umstände dargetan sind, die eine solche Prüfung nahelegen (BSG, Urt. vom 8.3.1966, BVBl 1966, 117; Urt. vom 8.7.1970, KOV 1972, 61). Zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung, die sich insbesondere auf die Verschiedenheit der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen und -merkmale stützt, sieht sich der Senat anläßlich der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht genötigt. Besondere Umstände, die 1946 oder in der Folgezeit dem Träger der KOV-Leistungen eine Prüfung der Frage nahelegten, ob außer der Rentenzahlung noch zusätzlich Geldleistungen zur Bestreitung des Pflegeaufwands in Betracht kamen, sind weder von der Revision vorgetragen worden noch aus den Akten ersichtlich.

Der Senat verkennt nicht, daß das Antragsprinzip sinnvoll und nicht etwa schematisch zu handhaben ist. Unerträglich wäre eine "Formalismus, der es den Opfern des Krieges nur erschweren soll, zu ihrem Recht zu kommen" (BSG 2, 294). Der Abwehr solcher Konsequenzen aus einem falsch verstandenen Antragsprinzip dienen Rechts- und Verwaltungsnormen (wie z. B. § 7 Abs. 2 VerwVG, VV Nr. 1 Satz 2 zu § 1 BVG) und darüber hinaus allgemein die in Rechtsprechung (BSG 32, 60, 65; SozR Nr. 6 zu § 60 BVG; Nr. 3 zu § 1233 RVO; Nr. 12 zu § 242 BVG; Nr. 41 zu § 67 SGG) und Literatur (Ecker, SGb 1972, 461, 467; Neumann-Duesberg, SGb 1973, 114) entwickelten Grundsätze über eine Fürsorge- und Betreuungspflicht der Verwaltung gegenüber dem Bürger, der sich ihrem amtlichen Wirken anvertraut hat. Unter diesen Aspekten sind Fallgestaltungen durchaus vorstellbar, bei denen die Versorgungsbehörde gehalten sein kann, den Bezieher einer Beschädigtenrente unverzüglich zur Beantragung einer Pflegezulage anzuregen, wenn sich z. B. aus ärztlichen Rentengutachten entsprechende Hinweise ergeben; bei einer Vernachlässigung dieser Betreuungspflicht könnte eine schematische Bezugnahme des Versorgungsträgers auf § 60 Abs. 1 BVG einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen. - Für Erwägungen dieser Art bietet sich hier indessen kein Raum. Denn einerseits war der Kläger, der sich durch das ihm unterstellte Krankenhaus über gesundheitliches Befinden und finanzielle Verhältnisse des Beschädigten laufend informieren lassen konnte, jederzeit imstande, dessen Pfleger zur Antragstellung gem. § 35 Abs. 2 BVG (§ 10 Abs. 8 BVG aF) zu veranlassen, sobald sich zeigte, daß die Versorgungsbezüge die Kosten der Krankenhausunterbringung nicht mehr deckten. Andererseits konnte das Versorgungsamt vor dem streitigen Zeitabschnitt den gelegentlichen Auskünften des Krankenhauses (z. B. Schreiben vom 19.12.1955 und vom 11.7.1961) nur entnehmen, daß die Beschädigtenrente zur Deckung der Pflegekosten und darüber hinaus noch für persönliche Bedürfnisse des Patienten ausreichte. Auch der Kläger selbst teilte zunächst mit Schreiben vom 6. April 1967 dem Versorgungsamt mit, die Pflegeaufwendungen seien bis 31. Juli 1965 aus den Versorgungsbezügen des Patienten in voller Höhe beglichen worden. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, daß die Versorgungsbehörde in der Zeit vor Oktober 1968 verpflichtet gewesen wäre, von sich aus auf eine Antragstellung im Sinne des § 35 Abs. 2 BVG hinzuwirken. Zum gleichen Ergebnis würde man übrigens gelangen, wenn davon auszugehen wäre, daß die Anstaltspflegekosten von Amts wegen zu übernehmen seien, die Versorgungsbehörde also im Einzelfall den Berechtigten so zu stellen habe, als ob er eine bestimmte Leistung besonders beantragt hätte (entsprechend einem dem § 18 a Abs. 1 Satz 1, § 60 Abs. 3 Satz 1, § 62 Abs. 1 Satz 1 zu entnehmenden Rechtsgedanken).

Hiernach war in der streitigen Zeit weder die Übernahme der Anstaltspflegekosten beantragt, noch hatte die Versorgungsbehörde hinreichende Kenntnis davon, daß diese Kosten nicht mehr aus den Versorgungsbezügen des Beschädigten gedeckt werden konnten. Sie war infolgedessen nicht veranlaßt, Erwägungen über die streitigen Zusatzleistungen anzustellen. Die Vorinstanzen haben mithin im Ergebnis richtig entschieden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1646470

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