Leitsatz (amtlich)

Für die Aufwendungen des Arbeitgebers zur Zukunftssicherung der Arbeitnehmer in den Jahren 1958 und 1959 sind, soweit sie je Arbeitnehmer monatlich 26 DM übersteigen und deshalb lohnsteuerpflichtig sind, keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu leisten, wenn der Arbeitgeber die hierauf entfallende Lohnsteuer trägt und in einem Pauschbetrag entrichtet.

 

Leitsatz (redaktionell)

Pauschalbesteuerung liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Bezüge einer Gruppe von Arbeitnehmern in Gestalt eines Pauschbetrages übernimmt, der ohne Berücksichtigung der sonst steuerrechtlich erheblichen Verhältnisse der einzelnen Arbeitnehmer auf der Grundlage des Gesamtbetrages der Zuwendungen, meist in Vomhundertsätzen Betrages, berechnet wird.

 

Normenkette

RVO § 160 Abs. 1 Fassung: 1941-07-01; AVAVG § 164 Abs. 2 Nr. 1 Fassung: 1957-04-03; RFM/RAMErl 1944-09-10 Abschn. 1 Nr. 4; LStDV § 35b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Fassung: 1959-07-22, Abs. 2 Fassung: 1959-07-22

 

Tenor

Auf die Revision der beigeladenen Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Juli 1963 und des Sozialgerichts München vom 3. Februar 1961 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. September 1959 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 1959 insoweit aufgehoben, als über die Nachforderung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung entschieden ist.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob der 26,- DM monatlich übersteigende Anteil, den der Arbeitgeber zu den Beiträgen von Verwaltungsangestellten zur Zusatzversicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) gewährt, als Entgelt bei der Berechnung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (ArblV) zu berücksichtigen ist, sofern der Arbeitgeber hierfür pauschal Lohnsteuer entrichtet (§ 2 Abs. 3 Ziff. 2 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung - LStDV - 1957, § 164 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG - idF vom 3. April 1957, Gemeinsamer Erlaß des Reichsministers der Finanzen - RFM - und des Reichsarbeitsministers - RAM - über die weitere Vereinfachung des Lohnabzugs vom 10. September 1944 - Gem.Erl. - AN 1944, 281).

Der Kläger war Verwaltungsangestellter beim Sozialgericht (SG) München. Er war Pflichtmitglied bei der VBL. Sein Monatsgehalt betrug ab 1. August 1958 733,- DM. Er führte seine Sozialversicherungs(SozVers)-Beiträge selbst an die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) ab. Sie betrugen monatlich:

zur Krankenversicherung KrV)

41,60 DM

zur Angestelltenversicherung (AnV)

100,80 DM

zur ArblV

14,40 DM.

Der Gesamtbeitrag zur VBL betrug monatlich 50,40 DM. Auf den Kläger entfielen davon ein Drittel (16,80 DM), auf den Arbeitgeber zwei Drittel (33,60 DM). Der Arbeitgeber trug die auf den 26,- DM monatlich übersteigenden Beitragsanteil entfallende Lohnsteuer. Sie wurde durch das Bayerische Staatsministerium der Finanzen in einer Pauschsumme entrichtet (§ 4 Abs. 6 der Tarifverträge über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für die Angestellten und Arbeiter des Freistaates Bayern vom 31. Juli 1955/4. Februar 1957).

Nach Erlaß des Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl I 848) sah die DAK den Arbeitgeberanteil an dem Beitrag zur VBL als beitragspflichtiges Entgelt an, soweit der Arbeitgeberanteil monatlich 26,- DM überstieg. Sie berechnete die SozVers-Beiträge neu, und zwar

ab 1.9.1958:

zur KrV

41,60 DM

zur AnV

105,- DM

zur ArblV

15,- DM

ab 1.1.1959:

zur KrV

42,90 DM

zur AnV

105,- DM

zur ArblV

15,- DM.

Die DAK forderte mit Bescheid vom 2. September 1959 vom Kläger die Nachzahlung der Beiträge zur AnV und ArblV von zusammen monatlich 4,80 DM für die Monate September 1958 bis einschließlich Juli 1959 (52,80 DM). Der Widerspruch des Klägers gegen die Nachforderung wurde mit Bescheid vom 15. Dezember 1959 zurückgewiesen. Die Widerspruchsstelle bezog sich zur Begründung u. a. auf das Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 24. Juni 1959 (BArbBl S. 464).

Das SG München wies mit Urteil vom 3. Februar 1961 die gegen den Nachforderungsbescheid gerichtete Aufhebungsklage ab. Die Berufung wurde zugelassen.

Der Kläger hat Berufung eingelegt. Er beantragte, das Urteil des SG und die Bescheide vom 2. September und 15. Dezember 1959 aufzuheben. Die DAK und die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) beantragten, die Berufung zurückzuweisen. Die beigeladene Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BfArb) beantragte, das Urteil des SG und den Bescheid vom 2. September 1959 aufzuheben.

Das Landessozialgericht (LSG) wies mit Urteil vom 31. Juli 1963 die Berufung zurück. Es führte sinngemäß aus, die Ausnahmebestimmungen nach Abschnitt 1 Nr. 4 und 5 des Gem.Erl. griffen hier nicht durch. Abschnitt 1 Nr. 5 des GemErl . könne nicht angewandt werden, denn § 35 b LStDV 1957/1959 (Abschnitt 55 der Lohnsteuerrichtlinien - LStR - vom 23. September 1958 - BStBl I 582 - und vom 14. August 1959 - BStBl I 827 -) entspreche nicht den Besteuerungsmerkmalen von 1944; § 35 LStDB 1939 habe für sonstige Bezüge eine Besteuerung nach festen Steuersätzen vorgeschrieben, während § 35 b LStDV 1957/1959 eine Besteuerung nach variablen Sätzen und die Zulassung der Pauschalierung durch das zuständige Finanzamt in der Form von Ermessensentscheidungen bringe. Die Beitragsfreiheit könne auch nicht auf Abschnitt 1 Nr. 4 des Gem.Erl. gestützt werden. Der Erlaß des RFM vom 22. Dezember 1941 (RStBl S. 969) über die Pauschalbesteuerung für Arbeitgeberbeiträge zur Zukunftssicherung der Arbeitnehmer habe seine Gültigkeit auf jeden Fall verloren, als die Pauschalbesteuerung durch das Steueränderungsgesetz vom 26. Juli 1957 (Einfügung des § 40 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) neu geregelt worden sei.

Die Revision wurde zugelassen.

Die beigeladene BfArb hat Revision eingelegt. Sie beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des SG München vom 3. Februar 1961 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. September 1959 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 1959 aufzuheben, soweit sie die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung betreffen.

Die DAK und die beigeladene BfA beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die beigeladene BfArb rügt Verletzung des § 160 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit dem Gem.Erl. vom 10. September 1944.

Die Revision der beigeladenen BfArb ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG angenommen, der 26,- DM monatlich übersteigende, pauschalbesteuerte Anteil des Arbeitgebers an den Beiträgen zur VBL für die Zeit von September 1958 bis einschließlich Juli 1959 müsse bei der Bemessung der Beiträge zur ArblV berücksichtigt werden (§ 56 Abs. 1 Nr. 1, § 164 Abs. 2 Nr. 1 AVAVG idF vom 3. April 1957; § 385 Abs. 1, § 180 RVO).

Der Entgeltbegriff des § 160 RVO ist durch den Gem.Erl. vom 10. September 1944 dahingehend modifiziert worden, daß Beiträge zur SozVers grundsätzlich von dem für die Lohnsteuer maßgebenden Betrag zu berechnen sind (vgl. Erl. des RAM vom 24. Oktober 1944, AN S. 302; Bundessozialgericht - BSG - 22, 106). Wie der Senat mehrfach entschieden hat, sind die Bestimmungen des Gem.Erl. geltendes Recht (BSG 6, 47 ff; 15, 69; 16, 94, 103; 21, 50; 22, 106; BSG in SozR § 160 RVO Nr. 13, 14 und 15). Die Beiträge zur SozVers sind demnach von dem für die Lohnsteuer maßgebenden Betrag zu berechnen, soweit nicht Ausnahmen rechtssatzmäßig vorgeschrieben sind. Unzweifelhaft kommt nach dem Gem.Erl. i. V. m. § 2 Abs. 3 Ziff. 2 LStDV 1957 idF vom 13. Mai 1958, gleichlautend mit § 2 Abs. 3 Ziff 2 LStDV 1959 idF vom 22. Juli 1959 (BGBl I 477), der Anteil des Arbeitgebers an den Beiträgen zur VBL nur insoweit als Entgelt (Arbeitslohn) in Betracht, als er im Kalenderjahr 312,- DM (im Monat 26,- DM) übersteigt; seit dem Erlaß über die steuerliche Behandlung der Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung der Arbeitnehmer vom 22. Dezember 1941 sind diese Freibeträge stets in den LStDVen (§ 2 Abs. 3 Ziff. 2) aufgeführt.

Der zur Vereinfachung des Lohnabzugs in dem Gem.Erl. aufgestellte Grundsatz, daß für die Beiträge zur SozVers der für die Lohnsteuer zugrunde gelegte Betrag maßgebend ist, ist für gewisse Bezüge durchbrochen worden. In Abschnitt 1 Satz 2 des Gem.Erl. ist bestimmt, daß für die Berechnung der Beiträge zur SozVers außer Ansatz bleiben:

 Nr. 4:

Bezüge, für die ich, der Reichsminister der Finanzen, Pauschalbesteuerung zugelassen habe oder zulassen werde;

Nr. 5:

Bezüge, die mit den festen Steuersätzen des § 35 der LStDB 1939 versteuert werden.

Nr. 4 und 5 umfassen Bezüge, für die zwar Lohnsteuer entrichtet, jedoch nicht nach den sonst auf den Lohnempfänger anzuwendenden Lohnsteuertabellen berechnet wird. Es dient also der bezweckten Vereinfachung, diese Bezüge trotz ihrer Besteuerung auf andere Weise für die SozVers nicht als beitragspflichtiges Entgelt zu behandeln. Der Senat hat bereits in früheren Entscheidungen aus Nr. 4 und 5 entnommen, daß der Gem.Erl. nach seinem Wortlaut und Zweck auch spätere Änderungen des Lohnsteuerrechts in sich aufnehmen und auf die Beitragsberechnung in der SozVers übertragen wollte (BSG 6, 47, 55 f). Der Erl. ist in erster Linie auf eine Übereinstimmung zwischen der Berechnung der SozVers-Beiträge und den Lohnsteuervorschriften in der praktischen Handhabung ausgerichtet. Von diesen Grundsätzen war auch bei der hier zu treffenden Entscheidung, ob der 26,- DM monatlich übersteigende Anteil des Arbeitgebers an den Beiträgen zur VBL beitragspflichtiges Entgelt im Sinne der SozVers ist, auszugehen.

Die Nummer 5 des Abschn. 1 des Gem.Erl. kommt hier nicht in Frage. Der in Nr. 5 angeführte § 35 LStDB 1939 sah eine Besteuerung nach festen Vomhundertsätzen vor, die bei Bemessung der Lohnsteuer für "sonstige Bezüge" anstelle der Lohnsteuertabelle angewandt wurden. Entscheidend ist, daß diese festen Vomhundertsätze auf den einzelnen Arbeitnehmer abgestellt und dementsprechend nach der für jeden Arbeitnehmer jeweils in Frage kommenden Steuergruppe I bis III von 18 v. H. bis 1 v. H. abgestuft waren. Demgegenüber wird die Lohnsteuer bei Pauschalbesteuerung nicht nach festen, für jeden Arbeitnehmer nach seiner Steuergruppe verschiedenen Vomhundertsätzen ermittelt. Die Berechnung der Lohnsteuer nach festen Vomhundertsätzen im Sinne der Nr. 5 war für die hier geleisteten Aufwendungen des Arbeitgebers zur Zukunftssicherung nicht vorgesehen. Sie ist auch, wie vom LSG festgestellt, beim Kläger für die Besteuerung des 26,- DM übersteigenden Arbeitgeberanteils zur VBL nicht angewandt worden. Der vorliegende Fall wird vielmehr von Nr. 4 des Abschn. 1 des Gem.Erl. umfaßt.

Zur Zeit des Ergehens des Gem.Erl. bestand der Erlaß des RFM über die steuerliche Behandlung der Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers vom 22. Dezember 1941 (RStBl S. 969). Für die Erhebung der Lohnsteuer waren dort dreierlei Möglichkeiten vorgesehen:

a) Nach Abschnitt 5 Abs. 1 des Erl. vom 22. Dezember 1941 wurden die Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers, soweit sie beim Arbeitnehmer steuerpflichtiger Arbeitslohn waren (d. h. soweit sie den Freibetrag von monatlich 26,- RM überstiegen), dem Arbeitslohn des laufenden Lohnzahlungszeitraumes hinzugerechnet. Das bedeutete, daß sie zusammen mit dem übrigen Arbeitslohn nach der Lohnsteuertabelle versteuert wurden.

b) Wenn der Arbeitgeber die Ausgaben für die Zukunftssicherung nicht gleichzeitig mit dem Arbeitslohn oder für einen anderen Zeitraum als den Lohnzahlungszeitraum entrichtete, waren diese Ausgaben als "sonstige Bezüge" nach § 35 LStDB (1939) zu besteuern (Abschn. 5 Abs. 2 des Erl. vom 22.12.1941), d. h. die Ausgaben wurden für jeden Arbeitnehmer nach den jeweiligen, seiner Steuergruppe entsprechenden festen Vomhundertsätzen besteuert (Nr. 5 des Abschn. 1 des Gem.Erl.).

c) Wenn eine Ausgabe des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung mehrerer Arbeitnehmer in einer Zuweisung an eine Pensions- oder Unterstützungskasse bestand, konnte die Lohnsteuer auf Antrag des Arbeitgebers in einem Pauschbetrag erhoben werden. Als Pauschbetrag war in dem Erlaß vom 22. Dezember 1941 6 v. H. des Teiles der Zuwendungen bestimmt, der steuerpflichtiger Arbeitslohn gewesen wäre; Schuldner des Pauschbetrages war der Arbeitgeber; der Anteil, der von der Zuwendung auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallen wäre, schied bei der Ermittlung der Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit aus, und der Arbeitnehmer konnte diesen Teil der Zuwendungen nicht als Sonderausgabe geltend machen (Abschnitt 6 Abs. 1 und 2 des Erl. vom 22.12.1941).

Die Regelung in Abschnitt 6 des Erl. vom 22. Dezember 1941 stellte eine vom RFM zugelassene Pauschalbesteuerung im Sinne des Abschn. 1 Nr. 4 des Gem.Erl. dar.

Es kann dahingestellt bleiben, wann der Erl. vom 22. Dezember 1941 außer Kraft getreten ist; denn in dem hier zu beurteilenden Zeitraum 1958/1959 sind Grundlage einer Pauschalbesteuerung von Zuwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung der Arbeitnehmer die Vorschriften des § 42 a Abs. 2 Nr. 1 EStG 1958, des § 35 b Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a und Abs. 2 LStDV 1957 idF vom 13. Mai 1958 und LStDV 1959. Damit ist eine Pauschalbesteuerung im Sinne des Abschn. 1 Nr. 4 des Gem.Erl. wieder zugelassen.

Das Erfordernis der "Zulassung" durch den RFM schließt nicht aus, wie der BMA in seinem Bescheid vom 24. Juni 1959 (BArbBl S. 464; vgl. auch den Bescheid vom 19. November 1959 - IVa 1 - 4013 - 2418/59 in Meurer, Beitragsrecht, § 160 RVO, 116 A 2 a 1) angenommen hat, daß die zur Beitragsfreiheit führende Pauschalbesteuerung einheitlich und allgemein, nicht beschränkt auf konkrete Fälle der Lohnsteuerpflicht, geregelt ist. Wenn Nr. 4 des Abschn. 1 des Gem.Erl. - im Gegensatz zu den anderen Nummern dieses Abschnitts - von "Zulassung" spricht, so ist damit nur zum Ausdruck gebracht, daß die Pauschalbesteuerung eine Sonderform der Besteuerung darstellt, die für bestimmte Bezüge nicht ein für allemal vorgeschrieben ist, sondern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen im Ermessen des Berechtigten steht. Immer aber muß es sich um eine rechtssatzmäßige Regelung handeln, wie sich schon aus der allgemeinen Zwecksetzung des Gem.Erl. ergibt, eine für alle Fälle des Beitragseinzugs zur SozVers gültige Regelung zu treffen.

Solche gesetzesvertretenden Rechtsetzungsakte konnten im "Dritten Reich" auch die zuständigen Reichsminister erlassen (vgl. dazu BSG 3, 161, 164; 4, 200, 204; 9, 112, 117). So war auch der RFM, gestützt u. a. auf §§ 12, 13 der Reichsabgabenordnung, zur Rechtsetzung befugt, die häufig in Gestalt von "Erlassen" vor sich ging, die in Wahrheit aber Rechtsverordnungen mit Gesetzeskraft darstellten. Das gilt insbesondere von der Zulassung von Pauschalbesteuerungen (vgl. außer dem schon genannten Erlaß vom 22. Dezember 1941 über Aufwendungen für die Zukunftssicherung von Arbeitnehmern den Erlaß vom 2. Juni 1943 über die lohnsteuerliche Behandlung von Arbeitskräften in der Land- und Forstwirtschaft - RStBl 1943, 457; s. dazu die Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. November 1964 - 3 RK 30/61 - in SozR RVO § 160 Nr. 14). Diese gesetzesvertretenden Rechtsverordnungen in Erlaßform, und nicht etwa die nach § 31 EStG 1939 möglichen Einzelfälle einer Pauschalbesteuerung bei Zuzug aus dem Ausland und bei Auslandsbeamten, meint Abschn. 1 Nr. 4 des Gem.Erl.

Wenn nun aber, wie bereits unter Hinweis auf BSG 6, 47, 55 f dargelegt ist, der Gem.Erl. durch die Rechtsentwicklung der Nachkriegszeit nicht gegenstandslos geworden, sondern mit den vom Grundgesetz (GG) geforderten rechtsstaatlichen Anpassungen in Kraft geblieben ist, so sind auch unter der Herrschaft des GG Zulassungen von Pauschalbesteuerungen i. S. des Abschn. 1 Nr. 4 des Gem. Erl. möglich, wenn sie eine gesetzliche Grundlage haben. Diese ist mit dem durch das Steueränderungsgesetz vom 26. Juli 1957 (BGBl I 848) in das EStG eingefügten § 40, gleichlautend mit § 42 a EStG 1958 (BGBl I 673), gegeben. Hierauf gestützt regelt § 35 b LStDV 1957, später LStDV 1959, auch die Voraussetzungen der Pauschalbesteuerung bei Aufwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung von Arbeitnehmern. Damit ist das in Abschn. 1 Nr. 4 des Gem.Erl. vorausgesetzte Erfordernis, daß die Pauschalbesteuerung rechtssatzmäßig zugelassen sein muß, erfüllt.

Weiterhin hängt die Beitragsfreiheit nach Abschn. 1 Nr. 4 des Gem.Erl. davon ab, daß die zugelassene Sonderform der Besteuerung "Pauschalbesteuerung" i. S. des Abschn. 1 Nr. 4 des Gem.Erl. ist. Dieser Begriff ist an der genannten Stelle nicht näher umschrieben, sondern vorausgesetzt. Er wird verdeutlicht durch den schon angeführten Abschn. 6 des Erlasses des RFM vom 22. Dezember 1941. Hiernach liegt Pauschalbesteuerung vor, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Bezüge einer Gruppe von Arbeitnehmern in Gestalt eines Pauschbetrages übernimmt, der ohne Berücksichtigung der sonst steuerrechtlich erheblichen Verhältnisse der einzelnen Arbeitnehmer (Steuergruppe, Familienstand, Einkommen) auf der Grundlage des Gesamtbetrags der Zuwendungen, meist in Vomhundertsätzen dieses Betrages, berechnet wird (vgl. BSG 16, 91, 94 und Entsch. vom 29. November 1964 in SozR RVO § 160 Nr. 14). Demnach ist der Begriff der Pauschalbesteuerung durch die besondere rechtstechnische Form der Steuererhebung geprägt. Das entspricht auch der Vereinfachungstendenz des Gem.Erl., diejenigen Bezüge bei der Beitragsberechnung unberücksichtigt zu lassen, die besonderen Formen der Besteuerung unterzogen werden und deshalb bei der Steuerberechnung nach der Tabelle außer Ansatz bleiben.

Demnach erfordert Abschn. 1 Nr. 4 des Gem.Erl. keineswegs, daß die neuerlich auf der nunmehr erforderlichen gesetzlichen Grundlage ausgesprochenen Zulassungen von Pauschalbesteuerungen sich inhaltlich mit den einzelnen Zulassungserlassen decken, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gem.Erl. bestanden. Das gilt sowohl für den Kreis der Steuerbegünstigten als auch für die sonstigen materiellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung. Daß insoweit volle Freiheit für das zur Regelung der Pauschalbesteuerung berufene Rechtsetzungsorgan besteht, zeigt auch der ausdrückliche Vorbehalt in Abschn. 1 Nr. 4 des Gem.Erl. für die erst zukünftig zu treffenden Zulassungsregelungen.

Nach diesen Grundsätzen beurteilt, gehören die Aufwendungen des Arbeitgebers zur Zukunftssicherung des Klägers im strittigen Zeitraum, soweit sie 26,- DM monatlich übersteigen, zu den pauschalbesteuerten Bezügen des Abschn. 1 Nr. 4 des Gem.Erl. Der Arbeitgeber, der Bayerische Staat, nicht der einzelne Arbeitnehmer wie der Kläger, trägt die Lohnsteuer für die 26,- DM monatlich übersteigenden Arbeitgeberanteile der Aufwendungen für die VBL. Diese Lohnsteuer wird nicht für den Kläger und jeden einzelnen Arbeitnehmer nach seiner jeweiligen Steuerklasse errechnet. Sie wird vielmehr in einer Pauschsumme für alle bei der VBL versicherungspflichtigen Arbeitnehmer des Bayerischen Staats entrichtet.

Im übrigen unterscheidet sich die Regelung des § 35 b LStDV inhaltlich nur unwesentlich von der früheren Regelung in dem Erlaß vom 22. Dezember 1941. § 42 a Abs. 2 EStG 1958 in Verbindung mit § 35 b Abschn. 1 Ziff. 1 Buchst. a und Abs. 2 LStDV 1957, 1959 stimmen mit der früheren Behandlung der Ausgaben für die Zukunftssicherung nach dem genannten Erlaß insofern überein, als es sich um Bezüge handelt, die in einer größeren Zahl von Fällen gewährt werden, und die Pauschalbesteuerung nur auf Antrag des Arbeitgebers durchgeführt wird. Nach Abschn. 55 LStR 1957 idF vom 23. September 1958 (BStBl 1958, 582), 1959 ist das Finanzamt verpflichtet, wie früher unmittelbar in dem Erlaß vom 22. Dezember 1941 vorgeschrieben, die Genehmigung der Pauschalbesteuerung davon abhängig zu machen, daß der Arbeitgeber die Lohnsteuer übernimmt; die Ausgaben für die Zukunftsicherung haben dann beim Lohnsteuerjahresausgleich des Arbeitnehmers außer Betracht zu bleiben. Statt des Pauschsteuersatzes von 6. v. H. nach dem Erlaß vom 22. Dezember 1941 wird jetzt ein Pauschsteuersatz von 8 v. H. als angemessen angesehen (LStR 1959; zu den LStR vgl. BSG in SozR § 160 RVO Nr. 14; BFH in BStBl 1958 III 4; 1964 III 198).

Die Revision ist somit begründet. Die angefochtenen Vorentscheidungen waren in den Grenzen des Revisionsantrages aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 71

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