Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitgliederkreis der Hamburg-Münchener Ersatzkasse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Beurteilung des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses einer Oberschwester, die von ihrer Schwesternschaft (Deutsches Rotes Kreuz) auf Grund eines Gestellungsvertrages bei einer städtischen Krankenanstalt eingesetzt ist.

2. Umfaßt der Mitgliederkreis einer Ersatzkasse, für den sie zugelassen worden ist, ua die Berufsgruppen der angestellten Ärzte und Apotheker, so stellt eine Satzungsänderung, die allein im Hinblick darauf auch den fachlichen Hilfskräften der angestellten Ärzte und Apotheker den Beitritt gestattet, eine unzulässige Erweiterung des Mitgliederkreises dar.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der zur Hamburg-Münchener Ersatzkasse beitrittsberechtigte Mitgliederkreis richtet sich nach dem Stand ihrer Satzung vom 1934-04-01, wobei jedoch die Zugehörigkeit zur früheren Deutschen Angestelltenschaft nicht mehr maßgebend ist.

2. Soweit die Satzung der Hamburg-Münchener Ersatzkasse für andere als die in der Satzung nach dem Stande vom 1934-04-01 genannten Angestellten ein Beitrittsrecht vorsieht, ist sie rechtswidrig; die Rechtswidrigkeit ist durch die aufsichtsrechtliche Genehmigung der Satzung nicht geheilt worden.

3. Schwestern des DRK, die in der Krankenpflege beschäftigt sind, können nicht Mitglied der Hamburg-Münchener Ersatzkasse werden.

4. Wer Arbeitgeber einer im städtischen Krankenhaus beschäftigten DRK-Schwester ist, hängt davon ab, ob die Beschäftigte nach dem Gestellungsvertrag vom Krankenhaus oder vom DRK persönlich abhängig ist.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1957-07-27; ErsKV § 4 Fassung: 1938-10-26

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Mai 1965 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine von ihrer Schwesternschaft in den Städtischen Krankenanstalten K eingesetzte DRK-Schwester zum Mitgliederkreis der beklagten H-M Ersatzkasse (Ha-Mü) gehört.

Die Ha-Mü ist Rechtsnachfolgerin der "Berufskrankenkasse des Gesamtverbandes Deutscher Angestellten-Gewerkschaften (G-Kasse)". Diese wurde auf Grund von § 503 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO), der durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches der RVO vom 15. Juli 1927 (RGBl I 219) neu in die RVO eingefügt worden war, am 1. Oktober 1927 als Ersatzkasse zugelassen. Aufnahmeberechtigt waren nach § 2 Ziff. 1 Satz 1 der Ursprungssatzung vom 1. Oktober 1927 alle krankenversicherungspflichtigen "Mitglieder der Verbände des Gesamtverbandes Deutscher Angestellten-Gewerkschaften". Als Träger der Kasse wurden in § 2 Ziff. 1 Satz 2 der Ursprungssatzung der Deutsche Werkmeisterbund, der Verband Deutscher Techniker, der Reichsverband Deutscher Guts- und Forstbeamten, der Reichsverband der Büroangestellten und Beamten und der Berufsverband Deutscher Dentisten genannt. Nach der Beseitigung der Gewerkschaften im Jahre 1933 und der Neugliederung der Angestelltenverbände, insbesondere der Bildung der damaligen Deutschen Angestelltenschaft innerhalb der Deutschen Arbeitsfront, wurde die Kasse auf Grund des Gesetzes über die Zulassung von Ersatzkassen der Krankenversicherung vom 5. Dezember 1933 ab 1. April 1934 unter dem Namen "G Kasse, Berufskrankenkasse der Büro- und Behördenangestellten und Kleineren Berufsgruppen" als Ersatzkasse zugelassen (AN S. 131). Aufnahmeberechtigt waren nunmehr gemäß Abschn. A Ziff. 5 der Satzung vom 1. April 1934 iVm Abschn. A Ziff. 1 der Versicherungsbedingungen vom 1. April 1934 die krankenversicherungspflichtigen "Mitglieder der Berufsgemeinschaft der Büro- und Behördenangestellten, der Land- und Forstangestellten, der angestellten Ärzte und Apotheker und der seemännischen Angestellten in der Deutschen Angestelltenschaft". Nach Erlaß der Zwölften Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 24. November 1935 (RGBl I 1537) trat für die Kasse am 1. April 1936 wiederum eine neue Satzung in Kraft. Danach führte sie nunmehr den Namen "Berufskrankenkasse der Behörden- und Büroangestellten (Ersatzkasse)" (§ 1 Abs. 1 dieser Satzung) und durfte versicherungspflichtige oder versicherungsberechtigte Behördenangestellte, Büroangestellte und angestellte Ärzte und Apotheker als Mitglieder aufnehmen (§ 4 Abs. 1 der Satzung vom 1. April 1936). Hierbei verblieb es bis in die Nachkriegszeit hinein. Erstmals durch § 2 Ziff. 1 ihrer Versicherungsbedingungen vom 1. Juli 1951 und dann durch den gleichlautenden § 4 Abs. 1 der Satzung vom 1. Januar 1954, beide genehmigt von der Arbeitsbehörde H als Aufsichtsamt für Sozialversicherung, wurde der Mitgliederkreis der jetzt unter dem Namen "H-M Ersatzkasse" auftretenden Kasse wie folgt umschrieben:

"a) Angestellte von öffentlichen Verwaltungen, Körperschaften des öffentlichen Rechts, öffentlich-rechtlichen Anstalten, Stiftungen des öffentlichen Rechts, Eigenbetrieben der öffentlichen Hand, Körperschaftsbetrieben, wenn die öffentliche Hand am Kapital mit mehr als der Hälfte beteiligt ist;

b) Angestellte, die in privaten Betrieben und Verwaltungen überwiegend Büroarbeiten verrichten;

c) angestellte Ärzte und Apotheker einschließlich der fachlichen Hilfskräfte, wenn sie versicherungspflichtig oder versicherungsberechtigt sind."

Der ab 1. Januar 1956 gültige 1. Nachtrag zu dieser Satzung dehnte den Mitgliederkreis auf die den vorgenannten Personengruppen zugehörigen Lehrlinge aus. Schließlich ersetzte der ab 1. Februar 1960 gültige und vom Bundesversicherungsamt genehmigte 6. Nachtrag den bisherigen Wortlaut des § 4 Abs. 1 Buchst. b) der Satzung vom 1. Januar 1954 in der Fassung des 1. Nachtrags durch den neuen Wortlaut: "Angestellte und Angestellten-Lehrlinge in privaten Betrieben."

Mit Wirkung vom 1. November 1957 nahm die Ha-Mü alle in den Städtischen Krankenanstalten K eingesetzten Rote-Kreuz-Schwestern, darunter auch die Beigeladene zu 3), als versicherungspflichtige Mitglieder auf. Diese Schwestern gehören der DRK-Schwesternschaft K e. V. als Mitglieder an, einem privatrechtlichen Verein, der seinerseits dem Verband Deutscher Mutterhäuser vom Roten Kreuz e. V. angeschlossen ist. Für sie gelten die Bestimmungen in der Satzung der DRK-Schwesternschaft K e. V. und gemäß § 19 der Satzung die Bestimmungen der Schwesternordnung für die Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz in der jeweils gültigen Fassung. Ihrer Bereitstellung für den Dienst in den Städtischen Krankenanstalten K liegt ein zwischen der Stadt K als dem Krankenhausträger und der DRK-Schwesternschaft K e. V. abgeschlossener Gestellungsvertrag zugrunde.

Die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) bestreitet der Ha-Mü das Recht, die bei den Städtischen Krankenanstalten K tätigen DRK-Schwestern als Mitglieder aufzunehmen. Nach erfolglosem außergerichtlichem Schriftwechsel hat sie vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben mit dem Antrag

festzustellen, daß die im Stadtgebiet K beschäftigten DRK-Schwestern der DRK-Schwesternschaft K zu ihrem Mitgliederkreis gehören.

Durch Urteil vom 18. Mai 1962 hat das SG der Klage stattgegeben. Es hat die Frage, ob die zur Zeit der Aufnahme der DRK-Schwestern geltende Satzung 1954 den Mitgliederkreis unzulässig erweitert hat, offengelassen, weil die DRK-Schwestern schon nach dieser Satzung nicht hätten aufgenommen werden dürfen, da sie weder Angestellte eines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers seien noch zu den Angestellten gehörten, die in privaten Betrieben oder Verwaltungen überwiegend Büroarbeit verrichteten, noch als Hilfskräfte von Ärzten anzusehen seien. Nachdem die Klägerin in dem Berufungsverfahren ihre Klage auf die beigeladene Oberschwester beschränkt hat, hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die Berufung der Beklagten mit einer dem Gedankengang des SG im wesentlichen folgenden Begründung durch Urteil vom 13. Mai 1965 zurückgewiesen; die Revision hat es zugelassen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt mit dem Antrag,

unter Aufhebung der Urteile des SG Düsseldorf und des LSG Nordrhein-Westfalen die Klage abzuweisen.

Sie stützt ihre Revision auf die Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe ihre Satzung vom 1. Januar 1954 in der zum Zeitpunkt der Aufnahme der DRK-Krankenschwestern gültigen Fassung falsch ausgelegt. Die Auslegung müsse nicht nach dem Wortlaut, sondern nach dem Sinn der Satzung erfolgen. Die beigeladene Oberschwester sei Angestellte sowohl des Mutterhauses, d. h. der Schwesternschaft, als auch des Trägers der Krankenanstalt der Stadt K, die sich die Arbeitgeberfunktion teilten. Es könne dahingestellt bleiben, ob die arbeitsrechtlichen Beziehungen der Schwestern zu dem Träger der Krankenanstalt richtig als Leiharbeitsverhältnis oder als Arbeitsverhältnis eigener Art zu würdigen seien. Jedenfalls schlössen die von dem LSG angeführten Argumente noch nicht einmal ein Leiharbeitsverhältnis aus.

Abgesehen davon hätten die DRK-Schwesternschaften trotz ihres formellen Rechtsstatus als eingetragener Verein angesichts ihrer satzungsgemäßen gemeinnützigen Zielsetzung den Charakter eines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers im Sinne von § 4 Ziff. 1 Buchst. a der Satzung. Selbst wenn dies aber nicht zuträfe, dann würden die DRK-Schwestern unter § 4 Ziff. 1 Buchst. b der Satzung fallen; denn eine sinngemäße Interpretation ergebe, daß unter Buchst. b alle Angestellten privater Arbeitgeber korrespondierend zu Buchst. a fielen. Das Wort "in" sei nicht ausschlaggebend. Schließlich seien die DRK-Schwestern auch als fachliche Hilfskräfte der Ärzte im Sinne der Satzung anzusehen. Die Erwägungen der Vordergerichte berücksichtigten nicht den Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Buchst. c der Satzung. Hiermit solle lediglich klargestellt werden, daß auch die fachlichen Helfer des Arztes bei ihr, der Beklagten, versichert werden könnten. Der Begriff "Hilfskräfte" im Sinne der Satzung schließe eine eigenständige Berufsausbildung und ein anerkannt spezifisches Berufsbild nicht aus.

Die Klägerin beantragt unter Darlegung ihrer mit dem angefochtenen Urteil übereinstimmenden Auffassung,

die Revision zurückzuweisen.

Die beigeladene Schwesternschaft stellt keinen Antrag, wendet sich aber im übrigen gegen die Auffassung der Beklagten. Sie vertritt die Ansicht, zwischen den DRK-Schwestern und dem Träger der Krankenanstalten K bestünde in keiner Form ein Arbeitsverhältnis, insbesondere auch kein Leiharbeitsverhältnis. Die DRK-Schwesternschaften seien auch nicht als öffentliche Arbeitgeber anzusehen. Schließlich könne der Krankenpflegeberuf auch nicht als ärztlicher Hilfsberuf angesehen werden, sondern nur als ein eigenständiger Beruf.

II

Die Revision ist begründet.

Das LSG ist zutreffend - wenn auch z. T. mit anderer Begründung - zu dem Ergebnis gekommen, daß die Ha-Mü die beigeladene Oberschwester nicht als Mitglied aufnehmen durfte, da sie nicht zu ihrem Mitgliederkreis gehört.

Die Oberschwester ist keine Angestellte von "öffentlichen Verwaltungen" oder einer der sonst in § 4 Abs. 1 Buchst. a der Satzung idF vom 1. Januar 1954 genannten Institutionen. Die Mitgliedschaft der Oberschwester bei der DRK-Schwesternschaft K e. V. schließt trotz der gemeinnützigen Zielsetzung der Schwesternschaften vom Roten Kreuz auf religiös-sittlicher Grundlage grundsätzlich nicht aus, daß sie im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig ist (vgl. BSG 16, 289, 293). Dafür spricht auch § 172 Abs. 1 Nr. 6 RVO, der die Schwestern vom DRK nur ausnahmsweise und unter besonderen Bedingungen von der Krankenversicherungspflicht befreit und sie damit dem Grundsatz nach unter die Gruppe der gegen Entgelt Beschäftigten zählt, die allgemein der Krankenversicherungspflicht unterliegen. Dem stehen auch die Sonderregelungen des § 1227 Abs. 1 Nr. 5 RVO und § 2 Abs. 1 Nr. 7 des Angestelltenversicherungsgesetzes nicht entgegen (vgl. Zeihe, "Wer ist Arbeitgeber der Schwestern des DRK?", Beitragsrecht 1964, 97 ff).

Kann demnach eine DRK-Schwester abhängig beschäftigt sein, so entfällt diese Möglichkeit jedoch im Verhältnis zur Stadt K als Trägerin der Städtischen Krankenanstalten; diese ist weder unmittelbar noch mittelbar Arbeitgeberin der beigeladenen Oberschwester. Das ergibt sich aus dem Gestellungsvertrag zwischen den Städtischen Krankenanstalten der Stadt K und dem Deutschen Roten Kreuz, Schwesternschaft K vom 1. Dezember 1959. Nach § 2 Abs. 1 des Vertrages stehen der Schwesternschaft alle Rechte und Pflichten eines Arbeitgebers gegenüber den von der Schwesternschaft gestellten weiblichen Pflegekräften zu. Sie stellt den Krankenanstalten die für den gesamten Anstaltsbetrieb erforderlichen Rote-Kreuz-Schwestern und Lernschwestern zur Verfügung; sollte sie nicht in der Lage sein, diese Verpflichtung genügend zu erfüllen, so ist sie - die Schwesternschaft - berechtigt, Schwestern aus anderen Organisationen einzustellen (§ 1 Abs. 1 des Vertrages).

Insbesondere fehlt es an dem Merkmal des Direktionsrechts der Städtischen Krankenanstalten gegenüber den gestellten Schwestern. Die Schwesternschaft selbst übernimmt nach § 2 Abs. 2 des Gestellungsvertrages die Verpflichtung, alle weiblichen Pflegekräfte durch eine von der Schwesternschaft gestellte Oberschwester zu beaufsichtigen, die auch verantwortlich zeichnet für die Leitung des Pflegewesens, die Organisation des gesamten Pflegepersonals, die Dienstregelung und die Urlaubserteilung der weiblichen Pflegekräfte; letzteres allerdings im Benehmen mit der Verwaltung der Krankenanstalten (§ 2 Abs. 3 des Gestellungsvertrages). Daß dieses Benehmen keine wesentliche Bedeutung hat, ergibt sich aus § 6 des Gestellungsvertrages, wonach die Ferienordnung des DRK von den Krankenanstalten anerkannt wird und die Oberschwester befugt ist, in besonderen Fällen (Todesfall in der Familie usw.) Sonderurlaub bis zu 3 Tagen zu gewähren.

Die Schwestern unterstehen lediglich in medizinischen Angelegenheiten den Chefärzten oder ihren Vertretern bzw. in Verwaltungs- und Wirtschaftsangelegenheiten dem Verwaltungsleiter (§ 2 Abs. 2 Buchstaben a und b). Es besteht mithin weder eine gespaltene Arbeitgeberfunktion noch ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis der DRK-Schwestern einschl. der Oberschwester zum Träger des Krankenhauses. Obgleich die Krankenpflege unmittelbar dem Betriebszweck der Krankenanstalten dient, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß nach der Art des abgeschlossenen Gestellungsvertrages der Betrieb der Krankenanstalten nicht darauf eingerichtet ist, die Krankenpflege mit eigenen - ständigen oder ausgeliehenen - Schwestern zu verwirklichen. Stattdessen entspricht es der Ordnung des Krankenhausbetriebes, sich einer fremden Organisation zu bedienen, die in eigener Verantwortung und Regie mit eigenen Kräften die Organisation und Ausführung der Krankenpflege übernimmt (vgl. Nikisch, "Zur rechtlichen Stellung der Rote-Kreuz-Schwestern", Festschrift für A. Hueck 1959 S. 1 ff, 15 f).

Mangels - ausschlaggebender - persönlicher Abhängigkeit vom Träger der Krankenanstalten in der Form der Eingliederung in den Krankenhausbetrieb oder der Weisungsgebundenheit steht die beigeladene Oberschwester also weder in einem normalen noch in einem Leiharbeitsverhältnis zu der Stadt K als Träger der Krankenanstalten.

Hiernach bleibt zwar die Möglichkeit offen, daß die Oberschwester bei ihrer Schwesternschaft abhängig beschäftigt ist. Die Schwesternschaft ist jedoch keine der in § 4 Abs. 1 Buchst. a der Satzung der Ha-Mü genannten Institutionen. Entgegen der Meinung der Beklagten genügt es nicht, daß ein privatrechtlicher Verein - um einen solchen handelt es sich bei der Schwesternschaft - gemeinnützige Ziele verfolgt, um diesen zur "öffentlichen Verwaltung" zu machen.

Der Senat konnte weiter offenlassen, ob die Oberschwester in einem "privaten Betrieb" im Sinne des § 4 Abs. 1 Buchst. b der Satzung beschäftigt ist. Nach den insoweit nicht mit einer zulässigen Rüge angegriffenen Feststellungen des LSG hat die Oberschwester nicht überwiegend Büroarbeiten verrichtet, wie nach den fraglichen Satzungsbestimmungen vorausgesetzt wird. Sie ist vielmehr mit der Organisation der Krankenpflege und der Anleitung und Beaufsichtigung der Krankenschwestern beschäftigt und auch verantwortlich für die berufstechnisch und berufsethisch einwandfreie Arbeit (vgl. § 2 Abs. 3 des Gestellungsvertrages). Dieses auch durch die allgemeine Erfahrung bedingte Berufsbild braucht im übrigen nicht bei allen Schwestern vorzuliegen, z. B. nicht bei Schwestern, die in der Aufnahme tätig sind oder sich mit den Personalsachen der anderen Schwestern zu befassen haben.

Ob die Oberschwester zu den "fachlichen Hilfskräften" im Sinne des § 4 Abs. 1 Buchst. c der Satzung der Ha-Mü gehört, brauchte der Senat ebenfalls nicht zu prüfen; denn insoweit hat diese Satzung den Mitgliederkreis gegenüber der maßgeblichen am 1. April 1934 in Kraft getretenen "Ursprungssatzung" unzulässig erweitert.

Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 13. Februar 1962 - 3 RK 13/58 - (BSG 16, 165 ff), vom 19. Juni 1963 - 3 RK 35/59 - (SozR Nr. 1 zu § 518 RVO) und vom 27. März 1968 - 3 RK 9/66 - (bisher unveröffentlicht) entschieden hat, ist auch gegenwärtig noch von § 4 Abs. 1 Satz 2 der 12. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 24. Dezember 1935 (RGBl I 1537) idF der 15. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 1. April 1937 (RGBl I 939) auszugehen, wonach die Ersatzkasse nur solche Personen aufnehmen darf, die im Zeitpunkt der Aufnahme dem Mitgliederkreis angehören, für den die Ersatzkasse als solche zugelassen ist. Diese Regelung stimmt mit der des § 503 Abs. 3 RVO überein, der durch § 18 der 12. Aufbauverordnung aufgehoben worden ist. Danach hatte der Reichsarbeitsminister vom 1. Oktober 1927 an bis zum Ende des Monats Dezember 1927 die Befugnis, einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der für die Mitglieder eines oder mehrerer wirtschaftlicher Verbände von Arbeitnehmern als Berufskrankenkasse errichtet ist, als Ersatzkasse für die krankenversicherungspflichtigen Mitglieder des Verbandes bzw. der Verbände zuzulassen. Da die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Berufskrankenkasse des Gesamtverbandes Deutscher Angestellten-Gewerkschaften (Gedag-Kasse), auf Grund dieser Vorschrift am 1. Oktober 1927 als Ersatzkasse für alle krankenversicherungspflichtigen Mitglieder der Verbände des Gesamtverbandes Deutscher Angestellten-Gewerkschaften zugelassen worden ist, hätte nach § 4 der 12. Aufbau-VO die Begrenzung des Mitgliederkreises der Beklagten aus der Satzung vom 1. Oktober 1927 entnommen werden müssen, wenn dies in Anbetracht der veränderten Umstände tatsächlich noch möglich gewesen wäre.

Die in diesem Zusammenhang entscheidende Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse ist die Auflösung der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 und die Bildung der Deutschen Angestelltenschaft in der Deutschen Arbeitsfront (vgl. Stolt, Die Ersatzkassen der Krankenversicherung, 6. Auflage 1964, S. 21). Mit der Beseitigung auch der Angestellten-Gewerkschaften und ihres Gesamtverbandes war der satzungsmäßigen Abgrenzung des Mitgliederkreises der Gedag-Kasse der Boden entzogen worden. Aus diesem Grunde war es damals und ist es heute nicht mehr möglich und damit auch nicht mehr zulässig, die Satzung von 1927 zur Abgrenzung des Mitgliederkreises der Beklagten heranzuziehen. Vielmehr wurden bereits im Jahre 1933 durch das Gesetz über die Zulassung von Ersatzkassen der Krankenversicherung vom 5. Dezember 1933 (RGBl I 1037) die erforderlichen Konsequenzen gezogen. In diesem Gesetz wurde der Reichsarbeitsminister befristet bis zum Schlusse des Monats März 1934 ermächtigt, "in der Zulassung von Ersatzkassen der Krankenversicherung Änderungen vorzunehmen, die infolge der Neugliederung der Angestelltenverbände erforderlich werden". Da der Reichsarbeitsminister von dieser Ermächtigung auch bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten Gebrauch gemacht hat und in Nachfolge der "G-Kasse" die "G-Kasse", Berufskrankenkasse der Büro- und Behördenangestellten und kleineren Berufsgruppen mit Wirkung vom 1. April 1934 als Ersatzkasse zugelassen hat (eine weitere formelle Zulassung als Ersatzkasse ist, soweit ersichtlich, bis heute nicht mehr erfolgt), ist mangels weiterer erheblicher Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen - das Kriegsende und die dadurch bedingte Auflösung der "Arbeitsfront" ist unbeachtlich, weil die Satzung von 1934 bzw. 1936 auf berufskundliche Merkmale abhob und nicht, wie früher, auf die Mitgliedschaft zu einem Organ - gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 der 12. Aufbauverordnung von der am 1. April 1934 in Kraft getretenen Satzung und dem dort festgelegten Mitgliederkreis auszugehen.

Aus dieser Satzung ist zu entnehmen (Abschn. A Ziff. 5 der Satz iVm Abschn. A Ziff. 1 der Versicherungsbedingungen), daß neben anderen zwar Büro- und Behördenangestellte und angestellte Ärzte aufnahmeberechtigt sind, daß aber kein Anhaltspunkt vorhanden ist, der für die Aufnahmeberechtigung fachlicher Hilfskräfte der angestellten Ärzte spricht, soweit diese nicht die Eigenschaft von Büro- oder Behördenangestellten haben. Zu der Berufsgemeinschaft der angestellten Ärzte kann man nicht die fachlichen Hilfskräfte der angestellten Ärzte rechnen, wenn sie - wie die Krankenschwestern - gerade nicht in dem deutlich abgrenzbaren Arztberuf ausgebildet und tätig sind.

Da sich insoweit gegenüber der Satzung vom 1. April 1936 keine Veränderungen ergeben haben, kann dahingestellt bleiben, wie die weitere Änderung des Mitgliederkreises in der Satzung vom 1. April 1936 heute zu beurteilen ist.

Somit stellt die Erstreckung des Mitgliederkreises auf fachliche Hilfskräfte angestellter Ärzte in der Satzung der Beklagten vom 1. Januar 1954 eine Erweiterung gegenüber dem Mitgliederkreis dar, der bei der maßgeblichen Zulassung der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Ersatzkasse am 1. April 1934 in der Satzung vom 1. April 1934 festgelegt worden ist. Diese unzulässige Erweiterung des Mitgliederkreises hat auch nicht dadurch Rechtswirksamkeit erlangen können, daß die zuständige Aufsichtsbehörde die Satzungsänderung genehmigt hat (vgl. BSG 24, 266 ff, 271 f).

Gehört die Oberschwester demnach auch nicht zum Mitgliederkreis der beklagten Ersatzkasse, so hängt die mit der Klage begehrte Feststellung, daß die Oberschwester Mitglied der klagenden AOK ist, jedoch weiterhin davon ab, daß in dem gesamten zur Beurteilung stehenden Zeitraum - 1. November 1957 bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG - Versicherungspflicht (§ 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO) bestanden hat. Diese wiederum setzt voraus, daß der regelmäßige Jahresarbeitsverdienst der Oberschwester in dem genannten Zeitraum nicht die für die Versicherungspflicht maßgebliche Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritten hat. Es ist lediglich auf diese abzustellen, weil die Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG erklärt hat, daß sich ihre Feststellungsklage nur auf die beigeladene Oberschwester beschränkt. Da jedoch in dem Urteil keine Feststellungen über den regelmäßigen Jahresarbeitsverdienst der Oberschwester in dem genannten Zeitraum enthalten sind, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Es wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 927533

BSGE, 208

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