Leitsatz (amtlich)

Erhält ein Arbeitnehmer anläßlich des Ausscheidens aus seiner Beschäftigung eine Abfindung oder Entschädigung, so ist zu prüfen, ob neben dem äußeren, insbesondere dem zeitlichen, auch ein innerer Zusammenhang hierfür gegeben ist. Wird die Leistung überwiegend aus einem anderen Grund als dem der Entlassung gewährt, so wird dadurch der Beginn der Alu nicht hinausgeschoben.

 

Normenkette

AVAVG § 113 Abs. 1 Nr. 2; AVAVG 1927 § 113 Abs. 1 Nr. 2

 

Tenor

Auf die Revision wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. März 1956 aufgehoben und die Sache an dieses zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I. Der 1900 geborene Kläger, von Beruf Zimmerer, war zuletzt vom 25. Januar 1951 bis zum 4. März 1954 als Hilfsarbeiter bei den Bayerischen Motorenwerken AG., Werk Allach, beschäftigt. Dieses war seit Kriegsende von der US.-Armee besetzt. Es hatte deren Kraftfahrzeuge instandzusetzen. Mit Schreiben vom 4. März 1954 unterrichtete die Werksleitung den Kläger, daß nach einer Mitteilung des amerikanischen Hauptquartiers KOMD von demselben Tage sein Aufenthalt im Betrieb nicht mehr genehmigt werde. Unter diesen Umständen sehe sie sich gezwungen, den Arbeitsvertrag mit sofortiger Wirkung zu lösen. Diese Maßnahme werde vom KOMD im Interesse der Regierung der Vereinigten Staaten für notwendig gehalten. Die Werksleitung fügte hinzu, sie glaube, daß sie die Möglichkeit haben würde, in Kürze mit dem Kläger über Ansprüche aus seinem bisherigen Arbeitsverhältnis zu verhandeln. Auf Grund zweier Besprechungen wurde dann nach Zustimmung des Vertreters der Besatzungsmacht durch gemeinsame Unterzeichnung einer "Aktennotiz" vom 23. März 1954 zum Ausdruck gebracht, daß das Arbeitsverhältnis mit dem 4. März 1954 im beiderseitigen Einvernehmen gelöst wurde. Dem Kläger wurde - nach seinem Hinweis auf seine ungünstige soziale Lage und sein Alter von 53 Jahren, das ihm sehr erschwere, eine neue Beschäftigung zu finden -, eine Abfindung von 650,- DM zugebilligt. Dadurch seien "seine sämtlichen Ansprüche aus seinem Arbeitsverhältnis abgegolten".

Der Kläger meldete sich am 15. März 1954 arbeitslos und beantragte Arbeitslosenunterstützung (Alu). Mit Verfügung vom 6. April 1954 bewilligte ihm das Arbeitsamt München Alu für 234 Tage und setzte als ersten Unterstützungstag den 18. Mai 1954 fest. Es sah die Abfindung als "anläßlich des Ausscheidens" aus der Beschäftigung gewährt an, so daß gemäß § 113 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) der Beginn der Unterstützung solange hinausgeschoben wurde, als aus der Abfindung für jeden dem Ausscheiden aus der Beschäftigung folgenden Tag der Arbeitslosigkeit ein Betrag in Höhe des bisherigen Arbeitsentgelts aufgewendet werden konnte. Der Widerspruch des Klägers hiergegen wurde durch Bescheid vom 19. Mai 1954 als unbegründet zurückgewiesen, der Unterstützungsbeginn aber auf den 26. Mai 1954 festgesetzt, da dem Arbeitsamt ein Berechnungsfehler unterlaufen sei. Ein entsprechender Betrag der Abfindung wurde als Entgelt für die 14-tägige Kündigungsfrist angesehen.

II. Mit Klage beantragte der Kläger, ihm unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids Alu "ab dem Tage der Arbeitslosmeldung bzw. Ablauf der Wartezeit gemäß § 110 b AVAVG zu gewähren". Er bestritt, daß es sich um eine Abfindung für entgangenes Arbeitsentgelt handele. Maßgebend sei, was diese ihrem Wesen und Inhalt nach darstelle.

Das Sozialgericht München wies mit Urteil vom 17. August 1954 die Klage ab, da die Abfindung aus Anlaß des Ausscheidens und in ursächlichem Zusammenhang mit der bisherigen Beschäftigung gewährt worden sei und deshalb § 113 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG angewandt werden müsse.

Berufung wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen.

Der Kläger legte Berufung ein und machte geltend, der Betrag von 650,- DM sei vom Arbeitgeber nur aus sozialem Entgegenkommen gewährt worden, eine Verpflichtung zur Entschädigung habe nicht bestanden. Es hätten damit auch Ansprüche aus langjähriger Tätigkeit bei der Firma auf erhöhten Urlaub, verlängerte Kündigungszeit, Gewährung von Sterbegeld und - im Falle der Invalidität - einer Rente abgegolten werden sollen.

Das Landessozialgericht München wies mit Urteil vom 23. März 1956 die Berufung mit der Maßgabe zurück, daß dem Kläger die Alu ab 18. Mai 1954 zu gewähren sei. Es hielt die Berufung aus § 150 Nr. 1 SGG in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG für zulässig, aber für unbegründet, da es nicht auf die Bezeichnung oder rechtliche Bedeutung der gewährten Leistung, sondern auf den objektiv zu beurteilenden zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Entlassung ankomme. Aus einer anderen bereits entschiedenen gleich gelagerten Sache sei dem Gericht bekannt, daß derselbe Arbeitgeber die Abfindungen in Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung im Sinne der §§ 7, 8 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) gezahlt habe. Entscheidend sei dies aber nicht. Es könne auch dahingestellt bleiben, ob eine Druckkündigung zur Entlassung geführt habe. Der zeitliche Zusammenhang sei gegeben, die Entlassung sei zumindest mit ursächlich für die Abfindung gewesen. Dies reiche zur Anwendbarkeit des § 113 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG aus. Schwierige soziale Verhältnisse des Klägers könnten eine andere Stellungnahme nicht rechtfertigen. Unstreitig sei unter den Beteiligten, daß der Betrag von 126,- DM aus der Abfindungssumme als Entgelt für die zweiwöchige Kündigungsfrist anzusehen und "nach § 113 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG anzurechnen" sei. Aber auch der Restbetrag von 524,- DM unterliege "einer Anrechnung im Sinne des § 113". Die unberechtigte und unzulässige Schlechterstellung des Klägers durch den Widerspruchsbescheid sei durch Festsetzung des Beginns der Unterstützung auf den 18. Mai 1954 beseitigt worden.

Wegen der Grundsätzlichkeit der Rechtsfrage ist Revision zugelassen worden.

III. Gegen das dem Kläger am 2. Juni 1956 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 8. Juni 1956 - beim Bundessozialgericht eingegangen am 9. Juni - Revision eingelegt und beantragt, die angefochtene Entscheidung, das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. August 1954 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. April 1954 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 1954 aufzuheben und die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, ihm Alu ohne Anrechnung der Abfindung zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 1956 - beim Bundessozialgericht eingegangen am 22. Juni - ist die Revision begründet worden. Gerügt wird mangelnde Sachaufklärung. Im vorliegenden Falle sei anzunehmen, daß die Besatzungsmacht Hauptarbeitgeber, die Bayerischen Motorenwerke mittelbarer Arbeitgeber gewesen seien. Dann bestünden aber Ansprüche gegenüber dem mittelbaren und dem unmittelbaren Arbeitgeber. Ein Rechtsstreit gegen die US.-Armee sei jedoch aussichtslos gewesen, da die Besatzungsmacht wegen ihrer autonomen Stellung nicht gezwungen werden könne, einen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Aber auch ein Rechtsstreit gegen die Bayerischen Motorenwerke habe nicht zum Erfolg führen können, da es sich um eine Druckkündigung gehandelt habe und in einem solchen Falle die Arbeitsgerichte darauf abstellten, ob es dem Arbeitgeber zuzumuten sei, empfindliche Nachteile auf sich zu nehmen und den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen oder ob die Nachteile so groß seien, daß die Weiterbeschäftigung nicht zumutbar sei. Letzteres treffe hier zu. Einen Rechtsanspruch auf Abfindung habe der Kläger nicht gehabt. Es handele sich hier um ein "soziales Schmerzensgeld", um eine Abfindung für den sozial ungerechtfertigten Verlust der Arbeitsstelle. Dies berechtige nicht zur Anwendung des § 113 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG. Mit Rücksicht auf den geltend gemachten Verfahrensmangel ist der Hilfsantrag gestellt worden, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger noch darauf hingewiesen, daß eine Abfindung nur dann als "anläßlich" des Ausscheidens gewährt angesehen werden könne, wenn nicht nur ein zeitlicher, sondern auch innerer Zusammenhang bestehe. Dies werde hier verneint.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 9. August 1956 dargelegt, der Begriff der Abfindung erfasse nach seinem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers sowohl Abfindungen, auf die ein Rechtsanspruch bestehe, als auch solche, die ohne rechtliche Verpflichtung gewährt würden. Entscheidend sei aber, daß die Abfindung tatsächlich anläßlich des Ausscheidens gezahlt werde, also in ursächlichem Zusammenhang mit dem Verlust der Arbeitsstelle stehe. Im vorliegenden Falle enthalte sie keine Beträge, die mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses in keinem oder nur in losem Zusammenhang stünden. Sie hat deshalb beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Im einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.

IV. Das Gericht hatte zunächst zu prüfen, ob schon die Berufung zulässig gewesen ist. Das Sozialgericht hat sie nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen. Das Landessozialgericht ist der Ansicht, daß es sich hier "auf Grund der Abfindungshöhe und ihrer Anrechnung" um einen streitigen Anspruch auf widerkehrende Leistungen von weniger als 13 Wochen handele, so daß die Berufung nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG ohne Zulassung ausgeschlossen gewesen sei. Diese Auffassung ist rechtsirrig. Streitig ist nicht ein Anspruch in diesem Sinne; denn bei Anwendung des § 113 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG wird die Unterstützung weder ihrer Dauer noch ihrer Höhe nach gekürzt, wie aus der unrichtigen Bezeichnung "Anrechnung" angenommen werden könnte. Es liegt in einem solchen Falle aber auch kein Streit über den Beginn der Alu vor, wie der Senat in seinem Urteil vom 12.7.1955 (BSG. 1 S. 111) dargelegt hat. Der Streit erfaßt vielmehr den gesamten Unterstützungsanspruch; denn zu prüfen ist, ob eine anläßlich des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis gewährte Leistung als eine solche zu bewerten ist, die unter § 113 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG fällt und damit die Unterstützung für eine bestimmte Anzahl von Tagen ausschließt. Die Berufung war deshalb nach § 143 SGG zulässig. Die "Zulassung" nach § 150 Nr. 1 SGG war mithin als unbeachtlich anzusehen.

V. Die Revision ist zulässig. Sie hatte auch Erfolg, da die Verfahrensrüge des Klägers aus § 103 SGG begründet ist.

Das Gericht mußte zunächst klären, ob in diesem Falle, in dem es sich um eine Anfechtungs- und Leistungsklage handelt, das seit dem 1. April 1957 geltende Recht in Gestalt des § 96 AVAVG in der Fassung vom 3. April 1957 (BGBl. I S. 321) - früher § 113 - anzuwenden ist. Es hat dies verneint, da die Auswirkungen dieses Streitfalles sich nicht mehr auf den Zeitraum des neuen Rechts erstrecken (vgl. BGHZ Bd. 9 S. 101).

Eine abschließende Entscheidung in der Sache konnte der Senat jedoch nicht treffen, da der Sachverhalt vom Landessozialgericht nicht genügend aufgeklärt ist. Nach dem Tatbestand des Urteils war die Werksleitung "hinsichtlich der Einstellung und Entlassung von Arbeitskräften an die Weisungen amerikanischer Dienststellen gebunden". Der Arbeitgeber habe den Kläger auf Veranlassung der Besatzungsmacht entlassen müssen. Welche Feststellungen hierzu tatsächlich getroffen worden sind, ergibt sich nicht aus dem Urteil. Jedenfalls ist aus ihm nicht ersichtlich, welche rechtliche Stellung die Werksleitung zur Besatzungsmacht einnahm. Insoweit wäre aufzuklären gewesen, ob diese unmittelbarer, die Werksleitung mittelbarer Arbeitgeber war oder ob die Besatzungsmacht nur als Auftraggeber auftrat und demgemäß die Werksleitung selbständiger Arbeitgeber war. Hier mußte aber weiter geprüft werden, ob sie nun auch berechtigt war, völlig selbständig die benötigten Arbeitskräfte einzustellen und zu entlassen oder inwieweit sie trotzdem kraft besatzungsrechtlicher Befugnisse der Besatzungsmacht an deren Weisungen gebunden war, sei es, daß diese allgemeine Richtlinien gegeben, sei es, daß sie allgemein die Einstellung und Entlassung von ihrer Zustimmung oder Anordnung abhängig gemacht oder sich für Einzelfälle aus besatzungspolitischen Gründen eine Einwirkung oder Entscheidung vorbehalten hatte.

Erst aus diesen Feststellungen läßt sich erkennen, wie die Kündigung und demgemäß die als "Abfindung" bezeichnete Leistung des Arbeitsgebers an den Kläger rechtlich zu bewerten ist.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 12. Juli 1955 (BSG. 1 S. 134) festgestellt, daß eine durch arbeitsgerichtliches Urteil festgesetzte oder durch Vergleich vereinbarte Abfindung nach den §§ 7, 8 KSchG eine "Abfindung oder Entschädigung anläßlich des Ausscheidens aus der früheren Beschäftigung" im Sinne des § 113 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG ist. Er hat dabei offen gelassen, wie in Fällen einer Kündigung auf Veranlassung eines Dritten (Druckkündigung) zu entscheiden oder wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn eine Abfindung vom Arbeitgeber freiwillig aus nicht auf den §§ 7, 8 KSchG beruhenden, z. B. aus besonderen sozialen Gründen gezahlt wird. In seinem Urteil vom 27. Januar 1956 (BSG. 2 S. 164) hat der Senat an seiner Rechtsprechung festgehalten.

Das Landessozialgericht hat sich mit diesen Fragen nur am Rande beschäftigt, da es sie nicht für entscheidend hielt; denn § 113 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG mache keinen Unterschied nach Rechtsgründen oder Motiven für die Entschädigungszahlung. Es hat deshalb auch dahingestellt gelassen, ob eine Druckkündigung zur Entlassung geführt hat. Der Kläger habe jedenfalls mit einer solchen Einwirkungsmöglichkeit schon seit seiner Einstellung rechnen müssen, da das Werksgelände durch Militärposten bewacht und die Belegschaft beim Betreten und Verlassen des Betriebs auf den Besitz der Personalausweise dauernd kontrolliert worden sei. Diese Feststellung hat jedoch mit der Frage nach der Art der Kündigung unmittelbar nichts zu tun, da derartige Maßnahmen nur der Sicherung des Betriebs und der Fernhaltung Unberechtigter dienten.

Auch wenn das Landessozialgericht aus anderen gleich gelagerten Fällen zu der Auffassung kam, daß die Werksleitung die Abfindung in Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung "im Sinne" der Vorschriften der §§ 7, 8 KSchG gezahlt habe, konnte es deshalb noch nicht ohne weiteres die Anwendung des § 113 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG bejahen. Diese Vorschrift setzt voraus, daß eine solche Abfindung anläßlich des Ausscheidens aus der Beschäftigung gezahlt wird. Nach Ansicht des Landessozialgerichts ergibt sich der zeitliche Zusammenhang eindeutig aus der Vereinbarung vom 23. März 1954. Die Entlassung sei auch zumindest "mit ursächlich" zur Gewährung der Abfindung gewesen, was zur Anwendbarkeit des § 113 AVAVG ausreiche. Dem kann ohne ergänzende Feststellungen nicht zugestimmt werden. Der Ausdruck "anläßlich" ist keineswegs so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Der erkennende Senat hatte bereits in seinem oben erwähnten Urteil vom 12. Juli 1955 festgestellt, daß Beträge, die mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses selbst in keinem oder nur in losem Zusammenhang stehen, unberücksichtigt zu bleiben haben. Daraus ergibt sich aber, daß der Begriff "anläßlich" auslegungsbedürftig ist. Für seine Anwendung genügt nicht allein der zeitliche, sondern zu fordern ist wesentlich auch ein innerer Zusammenhang zwischen der Entlassung und der Gewährung einer Abfindung. Dieser innere Zusammenhang muß mindestens überwiegend vorhanden sein. Im vorliegenden Falle kann es dagegen sehr wohl möglich sein, daß nicht die einzelne Kündigung als solche die Ursache für die vom Arbeitgeber gewährte Zuwendung war. Am 4. März 1954 ist, wie dem Gericht bekannt ist, nicht nur der Kläger entlassen worden, sondern es wurde mehreren hundert Arbeitnehmern des Werkes Allach das weitere Betreten durch Anordnung der Besatzungsmacht untersagt. Da zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu übersehen war, wie viele dieser Entlassenen in anderen Betrieben der Bayerischen Motorenwerke oder bei sonstigen Arbeitgebern untergebracht werden konnten, wäre es z. B. denkbar, daß die Werksleitung in erster Linie zur Vermeidung von Unruhe unter der verbliebenen Belegschaft oder bei den Entlassenen mit Zustimmung der Besatzungsmacht die Zuwendung gewährte, zumal von dieser keine näheren Gründe angegeben worden waren, als daß die Entlassung "im Interesse der Regierung der Vereinigten Staaten dringend für notwendig gehalten" werde. Ebenso war nicht von der Hand zu weisen, daß die Zahlung auch aus anderen, mit der Entlassung nicht in überwiegend innerem Zusammenhang stehenden Gründen erfolgt sein könnte. Würde dies aus den vorzunehmenden Feststellungen hervorgehen, so wäre zwar der zeitliche, sonst aber überwiegend ein anderer innerer Zusammenhang als gerade derjenige der Beendigung dieses einzelnen Arbeitsverhältnisses gegeben. In einem solchen Falle würde jedoch für die Anwendbarkeit des § 113 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG kein Raum sein.

Wie zu entscheiden wäre, wenn etwa die Zuwendung aus besonderen sozialen Gründen gewährt worden sein sollte, mußte der Senat dahingestellt bleiben lassen, da auch insoweit der Sachverhalt nicht ausreicht.

Die Auffassung des Landessozialgerichts, die Abfindung sei eine solche im Sinne der §§ 7, 8 KSchG, begegnet auch aus einem weiteren, nicht genügend gewürdigten Grunde erheblichen Bedenken. Eine derartige Abfindung käme nur in Frage, wenn die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes vorlägen. Ob dies der Fall ist, zumal es sich hier um eine außerordentliche Kündigung gehandelt hat (vgl. dazu auch § 11 KSchG), steht nicht fest. Jedenfalls würde vorauszusetzen sein, daß der Arbeitgeber mit der Kündigung bezweckte, den Arbeitnehmer aus seinem Betrieb zu entfernen. Wäre anzunehmen, daß die Werksleitung Allach Arbeitgeber gewesen ist, so bestand diese Absicht bei ihr offensichtlich nicht. Dieser Schluß könnte sich ohne weiteres aus dem Kündigungsschreiben vom 4. März 1954 ergeben. Danach sah sich die Werksleitung, da das Hauptquartier KOMD den weiteren Aufenthalt des Klägers nicht mehr genehmigte, "gezwungen", ihm mitzuteilen, daß sie "keine Möglichkeit mehr habe, das bestehende Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten". Diese Fassung könnte vielmehr, ohne daß damit der Bewertung der noch erforderlichen Feststellungen vorgegriffen werden soll, darauf hindeuten, daß die Werksleitung die Kündigung nur auf Veranlassung der Besatzungsmacht ausgesprochen hat (vgl. dazu außer dem im BSG. 1 S. 142 Abs. 2 angegebenen Schrifttum auch Müller im Betriebsberater 1952 S. 550 und Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl. S. 591 Nr. 2).

Im übrigen kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber sich irrtümlich für verpflichtet hält, eine "Abfindung" zu zahlen oder wie er sie bezeichnet, sondern ausschlaggebend ist, wie sie im Klagefalle rechtlich zu beurteilen wäre.

Soweit das Landessozialgericht den auf die Kündigungsfrist entfallenden Betrag unter § 113 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG einordnen will, liegt offensichtlich ein Schreibfehler vor, weil dieser Teil der Entschädigung als "Arbeitsentgelt" bereits unter Abs. 1 Nr. 1 fallen würde.

VI. Da die Streitsache noch nicht entscheidungsreif war, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten mußte dem abschließenden Urteil vorbehalten bleiben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926349

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