Entscheidungsstichwort (Thema)

Investitionskostenzuschuß. Rückforderung. Konkursvorrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch der Bundesanstalt für Arbeit auf Rückzahlung von Investitionskostenzuschüssen unterliegt nicht dem Konkursvorrecht nach § 61 Abs 1 Nr 3 KO.

 

Orientierungssatz

Der Rückzahlungsanspruch von Investitionskostenzuschüssen ist, unabhängig davon, ob er zB durch einen Eigentumsvorbehalt abgesichert ist, als einfache Konkursforderung einzustufen. Im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger sind die Konkursvorrechte nach § 61 KO eng auszulegen.

 

Normenkette

WinterbauAnO § 12 Abs 3 Fassung: 1972-07-04; KO § 61 Abs 1 Nr 3; AFG § 77

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 27.02.1986; Aktenzeichen L 10 Ar 329/85)

SG Stade (Entscheidung vom 14.10.1985; Aktenzeichen S 6 Ar 6/84)

 

Tatbestand

Die klagende Bundesanstalt für Arbeit (BA) begehrt festzustellen, daß ihr Anspruch auf Rückzahlung von Investitionskostenzuschüssen eine bevorrechtigte Forderung nach § 61 Abs 1 Nr 3 Konkursordnung (KO) ist.

Im Wege der Winterbauförderung gewährte die Klägerin dem Bauunternehmen W. Investitionskostenzuschüsse (Anerkennungsbescheide/ Leistungsbescheide vom 20. Dezember 1978/1. März 1979, 6. Februar 1980/29. Februar 1980 und 9. Dezember 1980/24. Februar 1981). Am 23. März 1982 wurde über das Vermögen der Firma W. das Konkursverfahren eröffnet. Daraufhin widerrief die Klägern die Bewilligungsbescheide gemäß § 47 Abs 1 Nr 2 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) und forderte die Investitionskostenzuschüsse (insgesamt 29.382,38 DM) gemäß § 82 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) iVm § 12 Abs 2 (richtig: Abs 3) der Anordnung über die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft (WinterbauAnO) vom 4. Juli 1972 (ANBA 1972, 511) zurück (Bescheid vom 1. April 1982). Gleichzeitig meldete die Klägerin die Forderung als Konkursforderung mit dem Vorrecht des § 61 Abs 1 Nr 3 KO zur Konkurstabelle an. Der Beklagte erkannte die Forderung zwar als Konkursforderung an, bestritt aber das Konkursvorrecht.

Die Klage blieb vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) ohne Erfolg (Urteile vom 14. Oktober 1985 und vom 27. Februar 1986). Das LSG hat ausgeführt, § 61 Abs 1 Nr 3 KO bevorzuge nur unmittelbar nach Gesetz oder Verfassung zu entrichtende Abgaben oder Leistungen. Der Rückforderungsanspruch der Klägerin ergebe sich aber erst mittelbar durch den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid. Sie bedürfe des Privilegs der bevorrechtigten Befriedigung im Konkurs auch deshalb nicht, weil sie es in der Hand habe, sich bereits bei Auszahlung des Zuschusses gegen das Risiko des Forderungsausfalles abzusichern, beispielsweise durch Sicherungsübereignung. Hiervon habe sie hier auch Gebrauch gemacht, wie den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen sei.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 61 Abs 1 Nr 3 KO. Ihr Rückforderungsanspruch gehöre zu den "nach Gesetz oder Verfassung zu entrichtenden Abgaben und Leistungen" iS des § 61 Abs 1 Nr 3 KO, weil ihre aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erlassenen Anordnungen, Gesetz im materiellen Sinne seien. Es sei auch nur ein Teilbetrag der zurückgeforderten Investitionskostenzuschüsse durch Übertragung von Miteigentum abgesichert.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG Niedersachsen vom 27. Februar 1986 und des SG Stade vom 14. Oktober 1985 abzuändern und wegen der Forderung in Höhe von 6.736,06 DM das Konkursvorrecht nach §  61 Abs 1 Nr 3 Konkursordnung festzustellen; hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Das Konkursvorrecht nach § 61 Abs 1 Nr 3 KO erfasse nach Sinn und Zweck der Bestimmung nur Beiträge und vergleichbare Ansprüche öffentlicher Verbände gegen Mitglieder.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht die Voraussetzungen eines Konkursvorrechts nach § 61 Abs 1 Nr 3 KO verneint. Dabei ist Gegenstand der Revision die Feststellungsklage nur noch insoweit, als ein Konkursvorrecht nach § 61 Abs 1 Nr 3 KO wegen einer Forderung von 6.736,06 DM geltend gemacht wird.

Zutreffend haben die Vorinstanzen für die nach § 146 Abs 1 KO iVm § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zulässige Feststellungsklage (vgl BSGE 14, 40, 43) entschieden, daß der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 Abs 1 SGG gegeben ist. Der bindend festgestellte Rückforderungsanspruch der Klägerin nach § 12 Abs 3 WinterbauAnO in der hier maßgeblichen Fassung vom 4. Juli 1972, um dessen Konkursvorrecht gestritten wird, gehört zu den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, die den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 Abs 1 SGG zugewiesen worden sind (vgl BSG SozR 4495 § 12 Nr 1). Da das Konkursvorrecht eine der Forderung innewohnende Eigenschaft und nicht ein besonderes, neben ihr bestehendes Recht ist, gehören Vorrechtsstreitigkeiten grundsätzlich vor dieselben Gerichte wie Streitigkeiten über Grund und Höhe der Forderung (BSGE 32, 263, 264 mwN; BSG SozR 4230 § 3 Nr 1).

Die Forderung der Klägerin gehört nicht zu den nach § 61 Abs 1 Nr 3 KO bevorrechtigten Forderungen der Kirchen und Schulen, der öffentlichen Verbände und der öffentlichen, zur Annahme der Versicherung verpflichteten Feuerversicherungsanstalten wegen der nach Gesetz oder Verfassung zu entrichtenden Abgaben und Leistungen aus dem letzten Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens.

Ob die Klägerin als öffentlicher Verband iS dieser Vorschrift anzusehen ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls gehört die von der Klägerin geltend gemachte Forderung auf teilweise Rückzahlung eines Investitionskostenzuschusses nach der WinterbauAnO nicht zu den bevorrechtigten Forderungen iS dieser Vorschrift. Die Forderung hat nämlich keine "der nach Gesetz oder Verfassung zu entrichtenden Abgaben und Leistungen" zum Gegenstand.

Wie sich aus der Entstehungsgeschichte des § 61 Abs 1 Nrn 2 und 3 KO ergibt, sollte die Privilegierung des Staates und der öffentlichen Verbände unter anderem dem öffentlichen Interesse an staatlichem Schutz und staatlicher Fürsorge Rechnung tragen und beruht mit auf dem Gedanken, daß die Hilfsquellen, deren der Staat zur Gewährung solchen Schutzes bedarf, vorzugsweise sichergestellt werden müssen (vgl BGHZ 52, 155, 165; Hahn, Materialien zur Konkursordnung, S 239 f). Die Bevorzugung der Kirchen- und Schulabgaben folgte schon aus dem Vorrecht der politischen Abgaben. Derselbe Gesichtspunkt wie bei öffentlichen Schulen sollte für die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten und Verbände gelten (vgl Hahn aa0, S 241; RGZ 22, 139, 143). Deshalb ist das Vorrecht aber auch nur auf die nach dem Gesetz oder nach der Verfassung (dh nach der Satzung der förderungsberechtigten Kirchen, öffentlichen Verbände und Feuerversicherungsanstalten) zu entrichtenden Abgaben und Leistungen beschränkt worden (vgl Hahn aa0 S 241). Als bevorrechtigte Forderungen kommen daher nur öffentlich-rechtliche Ansprüche in Betracht. Von dieser Erwägung ausgehend hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 19. Mai 1969 (BGHZ 52, 155 ff) ein Konkursvorrecht des Anspruchs der BA auf Rückzahlung eines zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft gemäß § 143b AVAVG gewährten und wegen Konkurses des Darlehensnehmers gekündigten Darlehens verneint (vgl OLG Bremen KTS 1969, 101; OLG Celle KTS 1969, 103 = MDR 69, 152).

Der hier nach Grund und Höhe unstreitige Anspruch der Klägerin auf teilweise Rückzahlung des Investitionskostenzuschusses gemäß § 12 Abs 3 der WinterbauAnO ist allerdings ein öffentlich-rechtlicher Anspruch. Er beruht nicht - wie in dem vom BGH entschiedenen Fall - auf einem Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und dem späteren Gemeinschuldner, sondern auf der nach § 82 Abs 1 AFG iVm §§ 2 ff WinterbauAnO erfolgten Bewilligung der Investitionskostenzuschüsse und der Aufhebung der Bewilligungsbescheide. Ohne die - nach § 47 Abs 1 SGB 10 bzw § 151 Abs 1 AFG in das Ermessen der Behörde gestellte - Aufhebung des Bewilligungsbescheides entsteht der Rückforderungsanspruch nicht, wie sich auch aus § 12 Abs 3 WinterbauAnO idF vom 15. März 1983 (ANBA 1983, 585) ergibt, der nunmehr ausdrücklich auf den Widerruf nach § 151 Abs 1 AFG verweist.

Der rechtserhebliche Unterschied zwischen dem Rückforderungsanspruch und den in § 61 Abs 1 Nr 3 KO erfaßten Abgaben oder Leistungen liegt jedoch nicht - wie das LSG gemeint hat - in der Unmittelbarkeit der Entstehung des Anspruchs. Der Unterschied liegt vielmehr darin, daß der Investitionskostenzuschuß, um dessen teilweise Rückzahlung es sich hier handelt, nicht eine Leistung der Gemeinschuldnerin, sondern eine Fehlleistung der Klägerin darstellt, die diese zur Winterbauförderung nach § 77 AFG erbracht hat. Anders als bei Leistungen, die der Beitragspflichtige - ebenso wie der Schuldner von Steuern oder Abgaben - aufgrund genereller gesetzlicher Vorschriften oder Satzungsbestimmungen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft entrichten muß und bei denen es nur noch der Konkretisierung durch einen Bescheid für den jeweiligen Zahlungszeitraum bedarf, entsteht der Rückforderungsanspruch nach § 12 Abs 3 WinterbauAnO nur bei Fehlleistungen und setzt die Aufhebung des Bewilligungsbescheides durch Verwaltungsakt voraus. Er gehört deshalb nicht zu den Abgaben und Leistungen iS des § 61 Abs 1 Nr 3 KO, die diese Vorschrift nach ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Wortlaut zur Finanzierung der dort genannten Einrichtungen erfaßt (so auch LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1987, 690 ff mit zust Anmerkung von Plagemann in EWiR 1987, 1123 f).

Dieses Ergebnis stimmt mit der Auslegung der Konkursvorrechte durch die herrschende Lehre und Rechtsprechung überein. Das in § 61 KO geregelte Konkursvorrecht stellt eine Durchbrechung des Grundsatzes der gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger dar. Die in der Vorschrift enthaltenen Bestimmungen sind daher im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger eng auszulegen (vgl RGZ 62, S 229, 231; BGHZ 52, S 166). Der Klägerin ist deshalb nicht darin zu folgen, das besondere öffentliche Interesse an der finanziellen Absicherung von Sozialversicherungsträgern gebiete es, auch im vorliegenden Fall ein Konkursvorrecht anzunehmen. Das BSG hat im Urteil vom 5. Juni 1981 - 10/8b RAr 14/80 - (USK 81132) die von den Unternehmern zu erbringenden Umlagen den Beiträgen iS des § 61 Abs 1 Nr 1e KO zwar gleichgestellt, nicht jedoch ausgesprochen, daß jedwede Leistungsansprüche der BA, die im Zusammenhang mit der Gewährung oder Rückabwicklung von Leistungen entstehen, bevorrechtigte Konkursforderung sind. Es hat vielmehr auf den Gedanken der Sicherstellung der Finanzkraft von Versicherungsträgern hingewiesen und in diesem Zusammenhang ausgeführt, es müsse sich "um Forderungen zur Finanzierung einer nur auf Pflichtbeiträgen beruhenden Versicherungseinrichtung" handeln. Dies gilt jedoch für den eine Zweckverfehlung als Ausnahmetatbestand voraussetzenden Erstattungsanspruch nach § 12 Abs 3 WinterbauAnO nicht, zumal die Winterbauzuschüsse nicht auf Pflichtbeiträgen, sondern auf Umlagen der Unternehmer beruhen.

Erstattungsforderungen in der Rückabwicklung von Winterbauzuschüssen in den Schutz des Konkursvorrechts nach § 61 Abs 1 Nr 3 KO einzubeziehen, ist auch deshalb nicht notwendig, weil die Klägerin sich das Miteigentum an den bezuschußten Bauteilen und Geräten in vollem Umfang hätte einräumen lassen können. Nach § 12 der WinterbauAnO ist ein Miteigentumsvorbehalt ab einer bestimmten Förderungssumme (10.000 Deutsche Mark) zwingend vorgeschrieben. Der Klägerin stand es frei, sich in dieser Weise auch für die noch offene Restforderung in Höhe von 6.736,06 DM abzusichern, wenn sie ein Konkursrisiko ausschalten wollte. Eine noch stärkere Absicherung kann zwar im Einzelfall zu einer Einengung der Liquidität des Unternehmens führen (vgl Plagemann, EWiR 1987, 1123 f). Dies rechtfertigt es jedoch nicht, Erstattungsforderungen bei der Rückabwicklung von Winterbauzuschüssen mit dem Vorrecht des § 61 Abs 1 Nr 3 KO zu versehen.

Schließlich steht dieses Ergebnis auch nicht in Widerspruch zu § 71 Abs 4 AFG. Danach sind Beträge aus der Konkursmasse als bevorrechtigte Konkursforderung iS des § 61 Abs 1 Nr 1 KO zurückzuzahlen, wenn über das Vermögen eines Arbeitgebers das Konkursverfahren eröffnet wird, der von der BA Beträge zur Auszahlung an die Arbeitnehmer erhalten, aber noch nicht ausgezahlt hat. Die Einordnung dieses Rückforderungsanspruchs der BA als bevorrechtigte Konkursforderung rechtfertigt sich aus der arbeitsentgeltähnlichen Funktion der gezahlten Beträge (vgl BSGE 48, 277). Mit dieser Funktion ist aber der hier in Rede stehende Rückforderungsanspruch der Klägerin nach § 12 Abs 3 WinterbauAnO nicht vergleichbar.

Die Revision der Klägerin war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 69

ZIP 1989, 1000

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