Leitsatz (amtlich)

1. Zu den berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation iS von § 56 Abs 1 AFG gehört ein blindenspezifischer Vorkurs, der Nachteile infolge der Behinderung ausgleicht und dem Behinderten die erfolgreiche Durchführung einer danach beginnenden Berufsausbildung ermöglicht.

2. Zu den nach § 44 Abs 1 SGB 1 zu verzinsenden Ansprüchen auf Geldleistungen gehört nicht der Erstattungsanspruch, den der vorleistende Sozialhilfeträger durch Überleitung des Sozialleistungsanspruchs des Behinderten gegen den leistungspflichtigen Träger erwirkt.

 

Normenkette

AFG § 40 Abs 1 Fassung: 1969-06-25, § 56 Abs 1, § 56 Abs 2, § 58 Abs 1; RehaAnO 1975 § 19 Abs 1 S 1 Nr 3 Fassung: 1979-10-03; SGB 1 § 44 Abs 1; SGB 10 § 104

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 23.04.1987; Aktenzeichen L 9 Al 25/86)

SG Würzburg (Entscheidung vom 11.12.1985; Aktenzeichen S 10 Al 155/82)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) dem klagenden Sozialhilfeträger die dem Beigeladenen für die Teilnahme an einem Masseur-Grundkurs erbrachten Leistungen nebst Zinsen aus § 44 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) zu erstatten hat.

Der im Jahre 1963 geborene Beigeladene erlitt 1980 einen Unfall, an dessen Folgen er erblindete. Im Rahmen des von der Beklagten aufgestellten Rehabilitationsplans nahm er von September 1980 bis September 1981 an einer von der Beklagten geförderten blindentechnischen Grundausbildung teil. Anschließend besuchte er in der Zeit vom 1. Oktober 1981 bis 26. März 1982 im Süddeutschen Rehabilitationswerk V             einen 6-monatigen blindenspezifischen Vorkurs zur Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister, dem eine 12-monatige Ausbildung in diesem Beruf in einer anderen Lehranstalt folgte. Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten für diesen Vorkurs ab (Bescheid vom 11. September 1981; Widerspruchsbescheid vom 26. März 1982).

Die hiergegen vom Sozialhilfeträger, der die Kosten des streitigen Vorkurses übernommen und die Ansprüche des Beigeladenen auf sich übergeleitet hatte, erhobene Klage blieb vor dem Sozialgericht (SG) erfolglos (Urteil vom 11. Dezember 1985). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger die erbrachten Leistungen für die Teilnahme des Beigeladenen am Masseur-Grundkurs zu erstatten und die Leistungen nach § 44 SGB 1 zu verzinsen (Urteil vom 23. April 1987).

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzung der §§ 56, 58, 40 AFG, 19 A Reha (idF vom 3. Oktober 1979), § 104 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10), des § 44 SGB 1 und der §§ 103, 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. April 1987 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur hinsichtlich des Zinsanspruchs begründet.

Da der Behinderte als Beigeladener am Verfahren beteiligt ist, konnte der Senat offen lassen, ob in Fällen, in denen der Sozialhilfeträger vor Inkrafttreten des SGB 10, 3. Kapitel am 1. Juli 1983 den streitigen Anspruch auf sich übergeleitet hat, ein Fall der notwendigen Beiladung vorliegt (vgl hierzu BSGE 60, 197, 199 = SozR 4100 § 56 Nr 19).

Das LSG hat die Beklagte zu Recht zur Erstattung verurteilt. Der Anspruch des klagenden Sozialhilfeträgers ist aus § 104 SGB 10 begründet. Diese Vorschrift ist, obgleich erst am 1. Juli 1983 in Kraft getreten, auf die Erstattung der in den Jahren 1981 und 1982 erbrachten Leistungen anzuwenden. Nach Art 2 § 21 SGB 10 vom 4. November 1982 sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Verfahren im Sinne der Überleitungsvorschriften des SGB ist auch das Gerichtsverfahren, wie der Große Senat des BSG zu Art 2 § 37 SGB 10 vom 18. August 1980 bereits entschieden hat (BSGE 54, 223, 226 ff = SozR 1300 § 44 Nr 3). Diese für das SGB 10 vom 4. November 1982 getroffene Übergangsregelung gilt uneingeschränkt auch für die Erstattungsansprüche. Den vom Bundesrat geäußerten Bedenken, ob die Übergangsregelung ausreiche, insbesondere für Erstattungsansprüche (BT-Drucks 9/95 S 44 zu Art II § 17), ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Die §§ 102 ff SGB 10 gelten damit auch für vor dem 1. Juli 1983 erbrachte Vorleistungen (BSG SozR 1300 § 102 Nr 2; SozR 1300 Art 2 § 21 Nr 1; SozR 1300 § 103 Nr 2 und § 104 Nr 6 mwN), da an diesem Tage bereits anhängige Verfahren in aller Regel zuvor erbrachte Vorleistungen betreffen. Die §§ 102 ff SGB 10 sind auch dann allein für die Rechtsbeziehungen zwischen den Leistungsträgern maßgebend, wenn ein Leistungsträger einen Sozialleistungsanspruch vor dem 1. Juli 1983 nach § 90 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) aF auf sich übergeleitet und diesen im anhängigen Verfahren geltend gemacht hatte (BSG SozR 4100 § 58 Nr 16; BSGE 60, 197, 198 = SozR 4100 § 56 Nr 19; BSG Urteil vom 14. Juni 1988 - 11 RAr 8/87 -). Da hier am 1. Januar 1983 ein Erstattungsverfahren anhängig war, braucht der Senat auf die Auffassung des 7. Senats nicht näher einzugehen, der § 107 Abs 1 SGB 10 auf Leistungsansprüche für Zeiträume vor dem 1. Januar 1983 zumindest dann nicht anwenden will, wenn ein Erstattungsverfahren, das vor dem 1. Juli 1983 begonnen und noch nicht zu Ende geführt ist, nicht bestand (BSG Urteil vom 24. August 1988 - 7 RAr 74/86 -). Insbesondere kann offen bleiben, ob es für die Anwendung des neuen Rechts genügt, daß der Erstattungsfall am 1. Juli 1983 - bereits anhängig oder nicht - noch nicht abgewickelt war.

Die vorrangige Verpflichtung der BA zur Förderung des Vorkurses nach Maßgabe des § 40 Abs 1 AFG ergibt sich aus § 56 Abs 2 AFG in der Fassung des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl I S 1881) iVm § 58 Abs 1 AFG in der Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I S 1189).

Nach § 40 Abs 1 Satz 1 AFG in der hier anzuwendenden ursprünglichen Fassung des AFG vom 25. Juni 1969 (BGBl I S 582) gewährt die BA Berufsausbildungsbeihilfen für eine berufliche Ausbildung in Betrieben oder überbetrieblichen Ausbildungsstätten (1. Alternative) sowie für die Teilnahme an Grundausbildungs- und Förderungslehrgängen und anderen berufsvorbereitenden Maßnahmen (2. Alternative). Die mit dem Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497) erfolgte Änderung des § 40 Abs 1 AFG (nunmehr: und anderen nicht den Schulgesetzen der Länder unterliegenden berufsvorbereitenden Maßnahmen) ist erst am 1. Januar 1982 in Kraft getreten und gilt daher nicht für den streitigen Vorkurs von Oktober 1981 bis März 1982. Dieser fällt unter die 2. Alternative des § 40 Abs 1 Satz 1 AFG. Nach § 19 Abs 1 Nr 3 der aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 58 Abs 2 AFG ergangenen Anordnung des Verwaltungsrats der BA über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (Reha-AnO) in der hier anzuwendenden Fassung vom 3. Oktober 1979 (ANBA 1979, 1540) sind (förderungsfähige) weitere Bildungsmaßnahmen insbesondere Förderungslehrgänge für noch nicht berufsreife Behinderte, von denen zu erwarten ist, daß sie nach Abschluß des Lehrgangs eine Ausbildung aufnehmen können. Von dieser Zweckbestimmung her ist die von der BA aufgeworfene Frage zu beantworten, inwieweit derartige berufsvorbereitende Maßnahmen die Vermittlung von Berufswissen zum Gegenstand haben können. Erforderlich ist jedenfalls, daß die nachfolgende eigentliche Berufsausbildung das erforderliche Berufswissen vollständig in einer für Nichtbehinderte ausreichenden Weise vermittelt. Fehlt es hieran, geht also die nachfolgende Berufsausbildung davon aus, daß ein Teil des Berufswissens bereits abschließend im Vorkurs vermittelt wurde, so bilden Vorkurs und nachfolgende Ausbildung eine einheitliche Berufsausbildung im Sinne des § 40 Abs 1 Satz 1 AFG. Es handelt sich dann um zwei Ausbildungsabschnitte, wobei der Behinderung durch eine Verlängerung der Ausbildung Rechnung getragen wird.

Vermittelt jedoch die nachfolgende eigentliche Berufsausbildung für Nichtbehinderte den gesamten Lehrstoff in ausreichender Weise, und erfordert es die Behinderung, daß bestimmte Gebiete des Berufswissens mehrfach, möglicherweise in unterschiedlicher Form, behandelt werden, so kann dies in einem Vorkurs geschehen, der dann als berufsfördernde Maßnahme den Behinderten erst in die Lage versetzt, an der eigentlichen Ausbildung teilzunehmen. Für die Frage einer wesentlichen Überschneidung des im Vorkurs vermittelten Wissens mit der Berufsausbildung, bzw für die Frage, ob zwischen Vorkurs und nachfolgender Berufsausbildung eine scharfe Grenze zu ziehen ist, kommt es also allein darauf an, ob der Vorkurs wesentliches Berufswissen in einer solchen Weise vorwegnimmt, daß die nachfolgende Berufsausbildung hierauf nicht mehr eingeht, so daß sie die Bezeichnung "eigentliche Berufsausbildung" nicht mehr verdient. Es geht darum, eine in zwei Ausbildungsabschnitte aufgeteilte Gesamtausbildung von einer vollständigen Berufsausbildung nebst Vorbereitungskurs abzugrenzen. Für die Qualifizierung als berufsvorbereitende Maßnahme im Sinne des § 40 Abs 1 Satz 1 AFG kommt es deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der Vorkurs Berufswissen vermittelte, sondern allein darauf, daß er nach seiner objektiven Zweckbestimmung auf die Teilnahme an einer vollständigen Berufsausbildung vorbereitete. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Nach den Feststellungen des LSG ermöglichte erst der 6-monatige blindenspezifische Vorkurs eine erfolgversprechende Teilnahme Blinder an der nachfolgenden Berufsausbildung. Nach diesen Feststellungen "ist eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen dem hier betroffenen Vorkurs einerseits und der eigentlichen Berufsausbildungsmaßnahme andererseits. Die Ausbildung erstreckte sich über 12 Monate, und zwar einheitlich für Seh- und für Nichtbehinderte. Ohne den Vorkurs träfe die ersteren ein Handikap, das ihnen wegen der behindertenspezifischen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit den erfolgreichen Abschluß der Berufsausbildung unmöglich machte. Zum Ausgleich dieses Defizits und zur Gewährleistung vergleichbarer Ausgangschancen bei Beginn und Durchlauf der eigentlichen Ausbildung gegenüber Nichtbehinderten dient der Vorschaltkurs von sechs Monaten; er überschneidet sich inhaltlich kaum mit der nachfolgenden Maßnahme, sondern gleicht nur den Mangel an Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit aus."

Diesen Ausführungen des LSG ist mit ausreichender Sicherheit die Feststellung zu entnehmen, daß die 12-monatige eigentliche Ausbildung für Nichtbehinderte ausreichte, also das vollständige Berufswissen vermittelte. Daß an der 12-monatigen Ausbildung tatsächlich Nichtbehinderte teilgenommen haben, ist zur Qualifizierung des Vorkurses als berufsvorbereitende Maßnahme rechtlich nicht erforderlich.

Hinsichtlich der Feststellungen, daß die nachfolgende 12-monatige Ausbildung vollständig im Sinne einer eigentlichen Berufsausbildung für Nichtbehinderte war, und daß der Vorkurs auf diese Ausbildung vorbereitete, hat die Beklagte keine begründeten Verfahrensrügen vorgebracht (§ 163 SGG). Sie hat zwar als Verletzung der §§ 103 und 128 SGG gerügt, dem Urteil könne nicht entnommen werden, aufgrund welcher Tatsachen das LSG von einer scharfen Grenzziehung zwischen Vorkurs und eigentlicher Ausbildung ausgehe. Der streitige 6-monatige Vorkurs sei Teil der insgesamt 18 Monate dauernden Ausbildung, denn er überschneide sich inhaltlich mindestens zur Hälfte mit dem nachfolgenden Lehrgang. Damit ist die Feststellung des LSG, daß der nachfolgende Lehrgang das Berufswissen für Nichtbehinderte vollständig vermittelte, jedoch nicht hinreichend substantiiert angegriffen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, inwiefern sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Der Kläger hatte eine Äußerung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vorgelegt, wonach eine Förderung des Vorkurses nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und der hierzu erlassenen Verordnung über die Ausbildungsförderung für den Besuch von Ausbildungsstätten für Heilberufe nicht möglich sei, weil diese Vorschrift nur die Spezialausbildung zum Masseur an einer hierfür geeigneten Lehranstalt und nicht einen Lehrgang, der auf den Besuch einer solchen Anstalt vorbereite, in den Förderungsbereich einbeziehe. Damit war der beklagten BA ersichtlich, daß nach Auffassung des Klägers die Jahresausbildung als vollständige Ausbildung angesehen wurde. Daß die Beklagte dies bestritten oder hierzu Beweisanträge gestellt hätte oder daß weitere Ermittlungen gleichwohl veranlaßt waren, ist ihrer Rüge nicht zu entnehmen.

Einer Förderung steht § 19 Abs 3 RehaAnO nicht entgegen, wonach Bildungsmaßnahmen, die als schulische Maßnahmen aufgrund von Länderregelungen durchgeführt werden, keine Maßnahmen im Sinne von Abs 1 Nrn 1 bis 4 und 6 sind. Der nichtschulische Charakter des Vorkurses war in der Berufungsinstanz nicht mehr streitig. Im Revisionsverfahren hat die Beklagte lediglich geltend gemacht, daß es sich um eine 18-monatige Gesamtausbildung handele, die in der zweiten Stufe (12 Monate) und damit überwiegend Schulausbildung sei.

Zu Unrecht wendet die Beklagte ein, da die mit dem Vorkurs angestrebte Ausbildung den Inhalt des Förderungslehrganges nach § 19 Abs 1 Nr 3 RehAnO bestimme, richte sich dessen Förderungsfähigkeit danach, ob die damit angestrebte Ausbildung als Hauptmaßnahme selbst förderungsfähig sei. Zu den ebenfalls in der 2. Alternative des § 40 Abs 1 Satz 1 AFG genannten "Förderungslehrgängen" ist bereits entschieden, daß die Absicht des Behinderten, die im Förderungslehrgang erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten beruflich - also nicht nur für seine persönlichen und privaten Belange - zu nutzen, erforderlich ist und ausreicht (BSGE 42, 70, 75 = SozR 4100 § 58 Nr 5); dem AFG ist keine Beschränkung auf Maßnahmen mit dem Ziel einer nachfolgenden Ausbildung zu entnehmen (BSGE 42, 70, 71). Die Entscheidung betrifft zwar einen Förderungslehrgang, der nicht auf einen bestimmten Beruf zugeschnitten war. Wenn es jedoch bei einer unmittelbar in das Berufsleben führenden berufsvorbereitenden Maßnahme nicht darauf ankommt, ob der angestrebte Beruf als Arbeitnehmer oder selbständig ausgeübt wird, wie in dem angeführten Urteil ausgeführt ist, dann kann es auch auf die Förderungsfähigkeit einer angestrebten Berufsausbildung nicht ankommen. In beiden Fallgestaltungen ist nicht darauf abzustellen, ob der Vorkurs auf einen einzelnen Beruf oder auf ein Berufsfeld vorbereitet, ob er auf eine bestimmte Ausbildung oder auf mehrere Ausbildungsarten hinführt. Die Revision der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Kostenerstattung ist somit unbegründet.

Hinsichtlich der Verurteilung zur Verzinsung der Erstattungsforderung hat die Revision der Beklagten dagegen Erfolg. Nach § 44 SGB 1 sind Ansprüche auf Geldleistungen mit 4 vH zu verzinsen. Das gilt nach der Stellung der Vorschrift nur für Sozialleistungsansprüche des Bürgers im Sinne des § 11 SGB 1. Nach der amtlichen Begründung sind Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern - auch soweit sie auf der Überleitung von Ansprüchen des Berechtigten beruhen - keine Sozialleistungsansprüche (BT-Drucks 7/868 S 30 zu § 44). Hierzu ist bereits entschieden, daß der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nicht zu verzinsen ist, zumal auch die gesetzlich normierten Erstattungsansprüche keinen Zinsanspruch einräumen (BSGE 49, 227 = SozR 1200 § 44 Nr 2). Auch die Regelung der Erstattungsansprüche im 3. Kapitel des SGB 10 läßt insbesondere unter Berücksichtigung der amtlichen Begründung zu Verwaltungskosten und Verjährung (BT-Drucks 9/95 S 26 f) nur den Schluß zu, daß eine Verzinsung des Erstattungsanspruchs nicht erfolgen soll.

Zu den Erstattungsansprüchen rechnet die amtliche Begründung zu § 44 SGB 1 auch die Überleitung von Ansprüchen des Berechtigten auf einen anderen Leistungsträger (vgl BT-Drucks 7/868 aaO). Eine solche Überleitung hat die Funktion eines Erstattungsanspruchs. Sie läßt zwar den öffentlich-rechtlichen Charakter der übergeleiteten Forderung unberührt und auch die Befugnis der leistungsverpflichteten Behörde, den übergeleiteten Anspruch durch Verwaltungsakt zu regeln; das schließt es indes nicht aus, den übergeleiteten Anspruch hinsichtlich der Verzinsungsvorschrift wie einen Erstattungsanspruch zu behandeln. Die in § 44 SGB 1 vorgesehene Verzinsung geldlicher Sozialleistungsansprüche kann nach ihrem Sinn und Zweck nach deren Überleitung auf einen anderen Leistungsträger nicht angewandt werden (Bochumer Kommentar, SGB-Allgemeiner Teil, 1979, § 44 RdNr 5; Hauck/Haines, SGB I, § 44 RdNr 12). Die Frage, ob ein aufgrund der Anspruchsüberleitung vor Inkrafttreten des SGB 10, 3. Kapitel, entstandener Zinsanspruch rückwirkend durch die Fiktion der Erfüllung des übergeleiteten Anspruchs durch § 107 SGB 10 entfallen ist, stellt sich damit nicht mehr.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665545

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