Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 09.12.1994; Aktenzeichen L 13 Kg 42/94)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Dezember 1994 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wendet sich gegen die unzureichende „Nachbesserung” des in den Jahren 1983 bis 1985 für seine sechs Kinder bezogenen Kindergeldes nach § 44e Abs 1 und 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Er hatte ab Januar 1983 Kindergeld jeweils in Höhe des Grundbetrages für das erste Kind und in Höhe der Sokelbeträge für das zweite und die weiteren Kinder erhalten. Die damals gegen die Kürzung auf Sockelbeträge eingelegten Rechtsmittel hatten dazu geführt, daß das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluß vom 19. Februar 1991 mit Rücksicht auf seinen Beschluß vom 29. Mai 1990 (BVerfGE 82, 60) die Kürzungsbescheide aufhob.

Mit den Bescheiden vom 19. November 1991 und 27. April 1992, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 1992, hob die Beklagte die Kindergeldminderung in den Jahren 1983 bis 1985 nach § 44e Abs 1 Satz 1 BKGG hinsichtlich des zweiten Kindes ganz und hinsichtlich des jeweils dritten, vierten und fünften Kindes teilweise auf, indem es für diese Kinder die Minderung nur bis auf die in § 44e Abs 2 Satz 1 BKGG genannten neuen Sockelbeträge vornahm.

Insgesamt ergaben sich dadurch folgende monatliche Gesamtzahlungen an Kindergeld, wobei jeweils die alten den neuen Beträgen gegenübergestellt sind:

1. Kind

2. Kind

3. Kind

4. Kind

5. Kind

6. Kind

6 Kinder (Januar 1983 bis April 1983)

alt

50

70

140

140

140

140

DM 680

neu

50

100

140

140

140

140

DM 710

Nachzahlung, 4 Monate

DM 120

5 Kinder (Mai 1983 bis August 1983) alt

50

40

140

140

140

DM 540

neu

50

100

140

140

155

DM 585

Nachzahlung,4 Monate

DM 180

4 Kinder (September 1983 bis Februar 1984 und Januar 1985 bis Dezember 1985) alt

50

70

140

140

DM 400

neu

50

100

140

180

DM 470

Nachzahlung, 18 Monate

DM 1260

3 Kinder (März 1984 bis Dezember 1984)

50

70

140

DM 260

neu

50

100

200

DM 350

Nachzahlung, 10 Monate

DM 900

Nachzahlung insgesamt

DM 2460

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Kürzung des Kindergeldes für das dritte und die weiteren Kinder auf die alten bzw die neuen Sockelbeträge und begehrt die Auszahlung des vollen Kindergeldes nach § 10 BKGG idF der Bekanntmachung vom 21. Januar 1982 (BGBl I 13, dh DM 220 für das dritte und DM 240 für das vierte und jedes weitere Kind).

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 17. Februar 1994 die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 9. Dezember 1994 die Berufung zurückgewiesen. Das LSG ist unter Hinweis auf die Beschlüsse des 1. Senats des BVerfG vom 29. Mai 1990 und 14. Juni 1994 (BVerfGE 82, 60 ff; 91, 93 ff) der Ansicht, die steuerliche Freistellung der Existenzminima der Kinder sei bei Berücksichtigung des damaligen Kinderfreibetrags von DM 432 je Kind und Jahr zuzüglich eines fiktiven Freibetrags, ermittelt aus dem je nach Steuersatz umgerechneten neuen Gesamtkindergeld, gewährleistet. Die Nachbesserungsregelung des § 44e Abs 1 und 2 BKGG bewege sich innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers zur Regelung von Massenerscheinungen, vor allem dann, wenn die vom BVerfG tolerierte Unterschreitung der Existenzminima um nicht mehr als 15 vH berücksichtigt werde. Allenfalls Berechtigte mit einem Spitzensteuersatz von mehr als 50 vH seien noch betroffen. Die Steuersätze des Klägers hätten in den Jahren 1983 bis 1985 37, 33 und 32 vH betragen, so daß er persönlich eine ausreichende steuerliche Freistellung durch Kindergeld und Kinderfreibetrag erfahre. Zudem gelte für die Anrechnung von Kinderfreibeträgen das Jahresprinzip, wodurch der Kläger zusätzlich entlastet worden sei.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt die Verletzung des § 10 BKGG in der in den Jahren 1983 bis 1985 geltenden Fassung sowie des § 44e BKGG iVm Art 3 Abs 1 und Art 6 Grundgesetz (GG). Das Rechenwerk des LSG werde zwar nicht beanstandet, jedoch liege ein Denkfehler darin, den steuerlichen Freibetrag mit den Sozialhilfeaufwendungen für ein Kind, bzw dem daraus abgeleiteten Existenzminimum zu vergleichen. Der Freibetrag führe nur in Höhe des Steuersatzes zu einer Entlastung von Familien mit Kindern, das Existenzminimum sei ein Mehrfaches des Entlastungsbetrages.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des sozialgerichtlichen Urteils vom 17. Februar 1994 und unter Abänderung der angefochtenen Bescheide vom 19. November 1991 und 27. April 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 1992 die Beklagte zu verurteilen, für das dritte und die weiteren Kinder in der Zeit von Januar 1983 bis Dezember 1985 das volle Kindergeld gemäß § 10 Abs 1 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1982 geltenden Fassung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Berechnung des LSG orientiere sich an den Vorgaben des BVerfG. Auf die tatsächliche Steuerersparnis komme es nicht an. Im übrigen sei das Urteil des LSG zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

Es fehlen tatsächliche Feststellungen über die Höhe des sog Grenzsteuersatzes des Klägers in den Jahren 1983 bis 1985. Erst auf dieser Grundlage kann beurteilt werden, ob die Regelung des § 10 Abs 2 BKGG idF des Art 13 Nr 2 Haushaltsbegleitgesetz vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1857) iVm § 44e Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 BKGG idF des Art 15 Steueränderungsgesetz 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1322) und des Art 25 Nr 4 Steueränderungsgesetz 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 297) für die Jahre 1983 bis 1985 mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG unvereinbar ist, weil auch das nunmehr nach § 44e Abs 1 Satz 1 BKGG für das zweite Kind ungekürzte und nach § 44e Abs 2 Satz 2 BKGG für das jeweils dritte, vierte und fünfte Kind einkommensabhängig bis auf einen höheren Sockelbetrag gekürzte Kindergeld nicht in verfassungsgemäßer Weise seiner Funktion gerecht wird, der Minderung der Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen, die durch den Unterhalt ihrer Kinder bedingt ist, Rechnung zu tragen.

Mit den Bescheiden vom 19. November 1991 und 27. April 1992 hat die Beklagte in einwandfreier Anwendung des § 44e BKGG das Gesamtkindergeld (§ 12 Abs 4 BKGG) für die Jahre 1983 bis 1985 mit einem Nachzahlungsbetrag von DM 2.460 neu festgestellt, nachdem sie ermittelt hatte, daß die Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Jahre 1983 bis 1985 bestandskräftig sind und damit die Nachbesserung nicht nach § 44e Abs 1 Satz 4, Abs 2 Satz 3 BKGG iVm § 32 Abs 8 Satz 1, § 54 des Einkommensteuergesetzes (EStG) idF des Art 1 Nr 18 des Steueränderungsgesetzes 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1322) ausgeschlossen ist. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

Im Gegensatz zur Meinung des LSG kann anhand der von ihm ermittelten Tatsachen nicht überprüft werden, ob im Falle des Klägers die Nachbesserungsregelung des § 44e Abs 1 und 2 BKGG den Vorgaben des BVerfG in den Beschlüssen vom 29. Mai 1990 und 14. Juni 1994 (BVerfGE 82, 60 ff; 91, 93 ff) entspricht und das erhöhte Gesamtkindergeld zusammen mit dem (alten) Steuerfreibetrag von DM 432 für jedes Kind nach dem Berechnungsmodus des BVerfG die Existenzminima der Kinder des Klägers vom steuerlichen Zugriff des Staates freistellt. Dazu wird der Steuerfreibetrag für Kinder nach dem EStG und ein fiktiver Steuerfreibetrag (aus dem je nach Steuersatz „hochgerechneten” Gesamtkindergeld) zusammengerechnet und dem der jeweiligen Kinderzahl entsprechenden durchschnittlichen Sozialhilfebedarf für Kinder gegenübergestellt.

Im Beschluß vom 29. Mai 1990 konnte das BVerfG davon absehen, den Berechnungsmodus für das steuerlich freizustellende Existenzminimum der Kinder festzulegen, denn bei allen drei tabellarisch gegenübergestellten Werten (durchschnittlicher Sozialhilfebedarf, Unterhaltsbedarf bei einfachen und durchschnittlichen Lebensverhältnissen, jeweils bezogen auf das Jahr 1982) ergab sich bereits nach einer Evidenzrechnung die Unvereinbarkeit der Gesamtregelung von EStG und BKGG mit dem GG (BVerfGE 82, 60, 96 f). Hinsichtlich der durchschnittlichen Sozialhilfeleistungen für ein Kind hatte das BVerfG dabei auf die Berechnungen im Bericht der Besoldungskommission Bund/Länder über besoldungsrechtliche Folgerungen vom 30. Januar 1984 (BLK-Bericht) abgestellt. Danach betrug im Jahre 1982 der Mindestbedarf jährlich DM 3.816, zusammengesetzt aus dem (gewichteten) Durchschnittsregelsatz nach dem Bundessozialhilfegesetz, einem Zuschlag für Einmalbeihilfen sowie einer Wohnkostenpauschale, die auf einem Wohnflächenbedarf von 10 qm und einer Durchschnittsmiete von DM 5,50 pro qm im Jahre 1980, nach dem Mietkostenindex fortgeschrieben bis zum Jahre 1982, fußte (dazu mwN Beschluß des Bundesfinanzhofs ≪BFH≫ vom 16. Juli 1993, BFHE 171, 534, 539 – 542). Im Beschluß vom 14. Juni 1994 legte das BVerfG seinen Vergleichsberechnungen für die steuerliche Freistellung des Existenzminimums dagegen (ebenso wie bereits im „Grundfreibetragsverfahren”, Beschluß vom 25. September 1992, BVerfGE 87, 153) Angaben der Bundesregierung zum durchschnittlichen Sozialhilfebedarf für Kinder zugrunde und überprüfte mit diesen Werten die Kürzung des Kindergeldes für Eltern mit gehobenem Einkommen nach § 10 Abs 2 BKGG in den Jahren 1986 und 1987. Es handelt sich um die vom Bundesminister für Familie und Senioren (BMFuS) für die Jahre 1982 bis 1987 bekanntgegebenen Bedarfswerte (Tabelle, BVerfGE 91, 93, 104). Im Vergleich zu den Werten, die im Beschluß vom 29. Mai 1990 herangezogen worden waren, ergaben sich Veränderungen bei der Ermittlung der Wohnraumkosten. Die Heizkosten sind erstmals mit 25 vH der Kaltmiete berücksichtigt (vgl § 3 Abs 1 und 2 der Regelsatzverordnung). Die Mietkosten wurden anhand von Wohngeldstichproben ermittelt und schließlich die Warmmiete nach gleichen Kopfteilen (also nicht nach den benötigten Quadratmetern) auf Eltern und Kinder aufgeteilt (BVerfGE 91, 93, 103).

Wie der Senat bereits im Urteil vom 9. Mai 1995 – 10 RKg 7/94 – (SozR 3-5870 § 10 Nr 6) ausgeführt hat, liegt es nahe, die Jahre 1983 bis 1985 ebenfalls anhand der vom BMFuS im damaligen Verfahren bekanntgegebenen Bedarfswerte zu überprüfen. Es handelt sich dabei allerdings, worauf das BVerfG im Beschluß vom 14. Juni 1994 ausdrücklich hinweist, nur um (von der Berechnungsmethode abhängige und alle Lebensaltersstufen und Bedarfslagen umfassende) Richtwerte. Deshalb kann wegen des dem Gesetzgeber zuzubilligenden Einschätzungsspielraums die Verfassungswidrigkeit der steuerlichen Gesamtentlastung durch Kindergeld und Kinderfreibetrag erst dann festgestellt werden, wenn dadurch der Richtwert um mehr als 15 vH unterschritten wird (BVerfGE 91, 93, 115 f mit Hinweis auf BFHE 171, 534, 545). Der Art der vom LSG vorgenommenen, an Grenzbereiche stoßenden Berechnungen hätte es entsprochen, vorrangig die vom BMFuS mitgeteilten Bedarfswerte für Kinder zugrunde zu legen, dh im Jahre 1983 monatlich DM 396, im Jahre 1984 monatlich DM 410 und im Jahre 1985 monatlich DM 436. Davon wäre jeweils, um den zulässigen Unterschreitungsgrenzwert festzulegen, ein Abschlag von 15 vH vorzunehmen. Das BVerfG hat – wozu es in seinem Beschluß vom 29. Mai 1990 noch keine Veranlassung hatte – im Beschluß vom 14. Juni 1994 den Unterschreitungsgrenzwert nicht zuletzt wegen der großzügigen und sehr pauschalierenden Berechnung des Mietanteils in den vom BMFuS mitgeteilten Bedarfssätzen eingeräumt: dh je genauer dieser Anteil berechnet wird, desto weniger läßt sich ein Unterschreitungsgrenzwert rechtfertigen. Gleiches gilt, wenn (wie in den Werten nach dem BLK-Bericht) wesentliche Faktoren, wie die Heizkosten, fehlen. Die vom LSG vorgenommene Minderung des Gesamtbedarfs eines Kindes nach dem BLK-Bericht ist deshalb in einer Größenordnung von 15 vH kaum vertretbar. Doch auch wenn dieser Abschlag vorgenommen wird, sind jedenfalls im Jahre 1985, wie die nachfolgende Berechnung zeigt, die vom BVerfG aufgestellten Kriterien nicht erfüllt.

Selbst wenn aber mit dem LSG die Bedarfswerte aus dem Beschluß des BVerfG vom 29. Mai 1990 für ein Kind von monatlich DM 318, bezogen auf das Jahr 1982, übernommen werden, hätte dieser Wert für das Jahr 1983 auf monatlich ca DM 328, für das Jahr 1984 auf monatlich ca DM 340 und für das Jahr 1985 auf monatlich ca DM 362 angehoben werden müssen (hochgerechnet anhand der Differenzen zum Jahre 1982 nach der Tabelle des BMFuS, BVerfGE 91, 93, 104). Den Materialien zu § 44e Abs 2 BKGG ist im übrigen zu entnehmen, daß auch der Gesetzgeber für die Ermittlung der neuen Sockelbeträge für das dritte bis fünfte Kind von einem Existenzminimum je Kind von jährlich DM 3.932,– das sind monatlich DM 328 (also dem hochgerechneten Wert für das Jahr 1983) bei einem durchschnittlichen Grenzsteuersatz von 40 vH ausgegangen ist (BT-Drucks 12/1108 S 87 zu Art 19 Nr 3, § 44e BKGG).

Die tabellarische Übersicht des LSG, ergänzt um die den tatsächlichen durchschnittlichen Steuersätzen des Klägers in den Jahren 1983, 1984 und 1985 entsprechenden Werte, ist deshalb wie folgt richtigzustellen:

Kinderzahl

3

4

5

6

mtl Gesamtkindergeld

350

470

585

710

Jahresbetrag

4.200

5.640

7.020

8.520

Steuersatz 30 vH

14.000

18.800

23.400

28.400

Kinderfreibeträge

1.296

1.728

2.160

2.592

fiktiver Freibetrag

15.296

20.528

25.560

30.992

fiktiver Freibetrag mtl

1.275

1.711

2.130

2.583

Steuersatz 31 vH

13.548

18.194

22.645

27.484

Kinderfreibeträge

1.296

1.728

2.160

2.592

fiktiver Freibetrag

14.844

19.922

24.805

30.076

fiktiver Freibetrag mtl

1.237

1.660

2.067

2.506

Steuersatz 33 vH

12.727

17.091

21.273

25.818

Kinderfreibeträge

1.296

1.728

2.160

2.592

fiktiver Freibetrag

14.023

18.819

23.433

28.410

fiktiver Freibetrag mtl

1.169

1.568

1.953

2.368

Steuersatz 37 vH

11.351

15.243

18.973

23.027

Kinderfreibeträge

1.296

1.728

2.160

2.592

fiktiver Freibetrag

12.647

16.971

21.133

25.619

fiktiver Freibetrag mtl

1.054

1.414

1.761

2.135

Steuersatz 40 vH

10.500

14.100

17.550

21.300

Kinderfreibeträge

1.296

1.728

2.160

2.592

fiktiver Freibetrag

11.796

15.828

19.710

23.892

fiktiver Freibetrag mtl

983

1.319

1.643

1.991

Steuersatz 45 vH

9.333

12.533

15.600

18.933

Kinderfreibeträge

1.296

1.728

2.160

2.592

fiktiver Freibetrag

10.629

14.261

17.760

21.525

fiktiver Freibetrag mtl

886

1.188

1.480

1.794

Steuersatz 50 vH

8.400

11.280

14.040

17.040

Kinderfreibeträge

1.296

1.728

2.160

2.592

fiktiver Freibetrag

9.696

13.008

16.200

19.632

fiktiver Freibetrag mtl

808

1.084

1.350

1.636

Steuersatz 56 vH [1]

7.500

10.071

12.536

15.214

Kinderfreibeträge

1.296

1.728

2.160

2.592

fiktiver Freibetrag

8.796

11.799

14.696

17.806

fiktiver Freibetrag mtl

733

983

1.225

1.484

Gesamtsozialhilfebedarf nach BMFuS, BVerfGE 91, 93, 104

1983

1.188

1.584

1.980

2.376

Unterschreitungsgrenzwert

1.010

1.346

1.683

2.020

1984

2.230

1.640

2.050

2.460

Unterschreitungsgrenzwert

1.046

1.394

1.743

2.091

1985

1.308

1.744

2.180

2.616

Unterschreitungsgrenzwert

1.112

1.482

1.853

2.224

Gesamtsozialhilfebedarf nach BLK-Bericht, BVerfGE 82, 60, 96

1983

984

1.312

1.640

1.968

(evt. Unterschreitungsgrenzwert 836

1.115

1.394

1.673)

1984

1.020

1.360

1.700

2.040

(evt. Unterschreitungsgrenzwert 867

1.156

1.445

1.734)

1985

1.086

1.448

1.810

2.172

(evt. Unterschreitungsgrenzwert 923

1.231

1.538

1.846)

Die Berechnung zeigt, daß bei Übernahme der Bedarfswerte nach den Angaben des BMFuS im Jahre 1985 ab einem Steuersatz von 37 vH die steuerliche Gesamtentlastung den Gesamtsozialhilfebedarf bei allen Varianten um mehr als 15 vH unterschreitet. In den übrigen Jahren ist dies bei allen Varianten der Berechnung jedenfalls ab einem Steuersatz von 40 vH der Fall. Ob bei diesem Bild der Kläger persönlich betroffen ist und keine ausreichende steuerliche Freistellung der Existenzminima seiner Kinder durch die Nachbesserungsregelung des § 44e BKGG in den Jahren 1983 bis 1985 erfahren hat, läßt sich anhand der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht beurteilen. Bekannt sind lediglich die Durchschnittssteuersätze des Klägers, die dieser für das Jahr 1983 mit 37 vH, für das Jahr 1984 mit 33 vH und für das Jahr 1985 mit 32 vH angegeben hatte. Bei diesen Sätzen erfolgt in den betreffenden Jahren, wie die Berechnung zeigt, eine ausreichende Entlastung. Entscheidend ist jedoch der sog Grenzsteuersatz; das ist der Steuersatz, mit dem sich der (teilweise fiktiv ermittelte) Kinderfreibetrag steuerermäßigend auswirkt bzw auswirken würde. Erst wenn sich nach Beiziehung und Auswertung der Steuerbescheide des Klägers für die Jahre 1983 bis 1985 ergeben sollte, daß der Grenzsteuersatz des Klägers in diesen Jahren bei ca 40 vH und höher gelegen hatte, könnte er in seiner Person aus verfassungsrechtlichen Gründen für die Jahre 1983 bis 1985 Anspruch auf ein höheres Kindergeld haben, weil die Ansicht vertreten werden kann (s unten), daß die Nachbesserung des § 10 Abs 2 BKGG durch § 44e BKGG verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht genügt. Mangels Entscheidungserheblichkeit wäre andernfalls die Aussetzung des Verfahrens, um eine Entscheidung des BVerfG nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG einzuholen, unzulässig (vgl Urteil des Senats vom 9. Mai 1995 – 10 RKg 7/94 -SozR 3-5870 § 10 Nr 6 mwN). Diese Ermittlungen, die von der Mitwirkung des Klägers abhängen und die das LSG mit Schreiben vom 26. November 1994 an den Kläger bereits einmal ohne Erfolg versucht hat, kann der Senat unter Berücksichtigung einer derartigen Prozeßgeschichte nicht selbst nachholen.

Falls der Kläger nach Maßgabe der oa ersten Alternative in seiner Person betroffen sein sollte, wird das LSG folgende verfassungsrechtliche Gesichtspunkte in seine Überlegungen einzubeziehen haben. Wie der Senat bereits im Urteil vom 9. Mai 1995 – 10 RKg 7/94 – (aaO) zum Ausdruck gebracht hat, könnte § 10 Abs 2 iVm § 44e BKGG auch nach Wegfall der Minderung auf Sockelbeträge beim zweiten Kind und Anhebung der Sockelbeträge für das dritte bis fünfte Kind zusammen mit den Freibeträgen nach dem EStG in bestimmten Fällen verfehlen, das Existenzminimum der Kinder in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise steuerlich freizustellen. Das BVerfG hat im Beschluß vom 14. Juni 1994 darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber – mit Blick auf die kindergeldmindernde Berücksichtigung speziell der hohen Einkommen durch § 10 Abs 2 BKGG – nur einen geringen Pauschalierungsspielraum habe und dies nicht dazu führen dürfe, daß die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen in Höhe des Existenzminimums nur für Steuerpflichtige mit niedrigen Spitzensteuersätzen gewährleistet sei. Der Betrag des Existenzminimums sei vielmehr so zu bemessen, daß er in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf deckt. Deshalb habe der Gesetzgeber ihn auch allen Steuerpflichtigen in gleicher Weise zugute kommen zu lassen. Er dürfe die horizontale Steuergleichheit auch bei Spitzenverdienern nur in geringem Umfange vernachlässigen. Die Grenzen der zulässigen Pauschalierung seien noch nicht überschritten, wenn Steuerpflichtige, die in der Einkommensspitze einem Steuersatz bis zu 45 vH unterliegen (das BVerfG meint also den Grenzsteuersatz) eine Entlastung erhielten, die einer (fiktiven) Steuerbefreiung in Höhe des vollen Existenzminimums der Kinder gleichkomme. Nur soweit Steuerpflichtige einem noch höheren Spitzensteuersatz unterlägen und die Entlastungswirkung geringer ausfalle, sei nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht so intensiv, daß er im Rahmen der Pauschalierung nicht mehr hingenommen werden könnte (BVerfGE 91, 83, 115 f). Da durch § 44e BKGG, wie die Berechnung zeigt, bereits ab einer Besteuerung der Einkommensspitze mit 40 vH in den Jahren 1983 bis 1985 generell durch die Nachbesserungsregelung auch unter Berücksichtigung eines Unterschreitungsgrenzwertes von 15 vH keine Freistellung des Existenzminimums der Kinder von Eltern mit gehobenem Einkommen erfolgt, könnte nach den Vorgaben, die das BVerfG selbst aufgestellt hat, die Regelung des § 44e Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 2 BKGG verfassungswidrig sein.

Die vom Kläger vorgetragenen Gründe für die Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 2 und § 44e BKGG erscheinen hingegen nicht überzeugend. Das BVerfG hat in den Beschlüssen vom 14. Juni 1994 und 29. Mai 1990 klargestellt, daß nur ein Anspruch auf Freistellung des mit dem ungefähren Sozialhilfegesamtbedarf definierten Existenzminimums von der Besteuerung besteht. Es forderte dagegen keinen Anspruch auf Auszahlung des Differenzbetrags zwischen der effektiven Steuereinsparung (dh in Höhe des Steuersatzes, mit dem der freigestellte Betrag besteuert worden wäre) und dem Sozialhilfebedarf eines Kindes. Der Gesetzgeber ist danach von Verfassungs wegen gerade nicht verpflichtet, nichtsozialhilfebedürftigen Eltern eine Sozialleistung in Höhe des Existenzminimums des Kindes auszuzahlen, sondern nur, Einkünfte in Höhe seines Existenzminimums nicht auch noch zu besteuern (vgl BVerfGE 82, 60, 80 mwN).

Bei der abschließenden Entscheidung wird das LSG zu beachten haben, daß nach dem Urteil des Senats vom 9. Mai 1995 – 10 RKg 7/94 – (aaO) der Nachzahlungsbetrag des Kindergeldes nach § 44e BKGG nicht erst ab dem Inkrafttreten dieser Neuregelung, sondern bereits ab dem ursprünglichen Leistungszeitraum zu verzinsen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1207454

[1] s § 32a Abs 1 Nr 5 EStG idF der Bekanntmachung vom 24. Januar 1984 (BGBl I 113) Kinderzahl 3 4 5 6

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