Entscheidungsstichwort (Thema)

Betrieblicher Zusammenhang bei Bitte um Freifahrt. verbotswidriges, vernunftwidriges oder leichtsinniges Verhalten bei Unfallversicherungsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Erstattungsanspruch des Unfallversicherungsträgers nach RVO § 1509a ist gegeben, wenn das Vorliegen eines Arbeitsunfalls auch bei Ausschöpfung aller erreichbaren Beweismittel nicht festgestellt werden kann.

2. Erstattungsansprüche der Unfallversicherungsträger gegen eine KK nach RVO § 1509a verjähren in 4 Jahren.

 

Orientierungssatz

1. Es kann nicht von vornherein als eine betriebsfremde Tätigkeit angesehen werden, wenn ein im Unternehmen eines Schaustellers Beschäftigter für einen Angehörigen oder Freund um kostenlosen Eintritt bzw eine Freifahrt bittet. Bei natürlicher Betrachtungsweise steht ein solches Verhalten mindestens dann noch in einem inneren Zusammenhang mit dem Unternehmen, wenn der Schausteller selbst nicht gegenüber seinem Beschäftigten zum Ausdruck gebracht hat, er werde niemals eine kostenlose Benutzung zulassen. Kann der Beschäftigte jedoch damit rechnen, der Inhaber werde - etwa weil dies üblich ist - auf entsprechende Bitten im Einzelfall sein Einverständnis geben, so kann ein solches Handeln eines Beschäftigten nicht als betriebsfremd oder gar den betrieblichen Interessen zuwiderlaufend bezeichnet werden. Ein betriebliches Interesse kann darin liegen, daß durch eine solche für den Inhaber wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallende Vergünstigung gegenüber seinen Beschäftigten das Betriebsklima günstig beeinflußt wird, etwa in dem Sinne, daß diese sorgfältiger, zuverlässiger und freudiger ihre betrieblichen Aufgaben erfüllen. Unter solchen Voraussetzungen würde der innere Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit gegenüber dem Handeln würde den Unfallversicherungsschutz dabei nicht ausschließen.

2. Der Versicherungsschutz wäre nur ausgeschlossen, wenn sein Verhalten in so hohem Maße vernunftswidrig und gefährlich gewesen wäre, daß er mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Unfall rechnen mußte.

 

Normenkette

RVO § 29 Abs. 3 Fassung: 1924-12-15, § 223 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15, § 1509a Fassung: 1963-04-30, § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30, Abs. 3 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Februar 1975 aufgehoben und der Rechtsstreit zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin (BG) gegen die Beklagte (AOK) einen Ersatzanspruch nach § 1509 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Heilbehandlungskosten bzw. Verletztengeld hat.

Der bei dem Schausteller Hans D beschäftigt gewesene Peter C (C.) erlitt am 12. April 1969 einen Unfall, als er zwischen zwei Kabinen des kreisenden Riesenrades, an dem er beschäftigt war, hindurchlaufen wollte. Als ihm das nicht gelang, versuchte er, sich an der einen Kabine festzuhalten, stürzte aber aus einer Höhe von etwa 6 m ab und zog sich u. a. einen Bruch der rechten Beckenschaufel und des rechten Unterarms zu. Der Klägerin entstanden für Behandlungs- und Transportkosten Aufwendungen, von denen sie 1.553,79 DM ersetzt verlangt. 588,51 DM erstattete sie am 19. September 1969 der Beklagten für verauslagtes Verletztengeld und Verwaltungskosten. Die letzte Zahlung erfolgte am 8. Dezember 1969.

Ermittlungen der Klägerin über den Unfallhergang, die im Mai 1969 begonnen wurden, blieben zunächst erfolglos. Am 7. Januar 1970 äußerte sich die Ehefrau des Schaustellers D schriftlich gegenüber der Klägerin, und am 25. Februar 1971 gab der Zeuge H gegenüber einem Außendienstmitarbeiter der Klägerin eine Erklärung zu Protokoll, in der der Zeuge u. a. Angaben wiedergab, die ihm C. bei einem Besuch im Krankenhaus gemacht hatte (Bl. 92/93 BG-Akte). Die Klägerin lehnte mit Bescheid vom 24. März 1971 (Bl. 102 BG-Akte) gegenüber C. die Gewährung einer Unfallentschädigung ab. C. habe im Unfallzeitpunkt eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, weil er zu dem Zeugen H in den Fahrstand des Riesenrades habe kommen wollen, um ihn zu fragen, ob seine Freundin einmal kostenlos mitfahren dürfe.

Die Klägerin stellte der Beklagten eine Abschrift dieses Bescheides am 31. März 1971 zu und machte gleichzeitig einen Ersatzanspruch nach § 1509 a RVO dem Grunde nach geltend. Die Beklagte lehnte den Ersatz bzw. die Erstattung jedoch ab, weil nicht bewiesen sei, daß C. bei einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit verunglückt sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die am 1. März 1972 erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 28. März 1973). Der Ersatzanspruch sei gemäß § 223 Abs. 1 RVO verjährt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 2.142,30 DM zu erstatten. Es hat zur Begründung u. a. ausgeführt: Es sei nicht zu beweisen, daß C. einen Arbeitsunfall erlitten habe. Im Rahmen des Erstattungsanspruches nach § 1509 a RVO gehe diese Ungewißheit zu Lasten der Beklagten. Der Unfall habe sich während einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit ereignet, weil nach der Aussage des Zeugen H, C. diesen habe aufsuchen wollen, um ihn wegen einer Freifahrt für seine Freundin anzusprechen. Die betriebliche Aufgabe des C. sei es dagegen gewesen, darüber zu wachen, daß keine Fahrgäste dem Riesenrad zu nahe kämen und sich dadurch gefährdeten. Außerdem sollte er den Fahrgästen beim Ein- und Aussteigen behilflich sein. Dieser Aufgabe habe C. jedoch gerade nicht nachkommen können, wenn er zu dem Fahrstand gegangen sei. Eine Freifahrt habe auch nicht im betrieblichen Interesse des Unternehmers gelegen. Offenkundig habe sich C., der zuvor gerade eine Teepause gemacht habe, auch gegenüber seiner Freundin aufspielen und seinen Mut beweisen wollen. Es habe keine betriebliche Notwendigkeit bestanden, möglichst rasch und unter Außerachtlassung der Sicherheitsbestimmungen an den Fahrstand zu dem Zeugen H zu gelangen, um rasch wieder den Arbeitsplatz einnehmen zu können. Das bewußt in Kauf genommene Risiko zeige ein so hohes Maß von Unvernunft und Sorglosigkeit, daß dabei jeglicher Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit fehle. Die Klägerin könne daher nach § 1509 a RVO von der Beklagten den geltend gemachten Betrag von 1.553,79 DM fordern. Dieser Anspruch sei nicht verjährt, wobei es dahingestellt bleiben könne, ob die Verjährungsfrist zwei oder vier Jahre betrage. Die Verjährung beginne nämlich erst in dem Zeitpunkt, in dem sich herausstelle, daß ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Diese Voraussetzungen seien aber erst am 25. Februar 1971 aufgrund der Angaben des Zeugen H erfüllt gewesen; vor Ablauf der Zweijahresfrist sei Klage erhoben worden. Die Erstattung des von der Beklagten an C. geleisteten Verletztengeldes usw. im Betrage von 588,51 DM könne die Klägerin nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches fordern. Auch dieser Anspruch sei nicht verjährt. Die Verjährungsfrist betrage seit dem Zeitpunkt der rechtsirrtümlichen Befriedigung des Ersatzanspruches vier Jahre.

Die Beklagte hat die von dem LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie vertritt u. a. die Auffassung, die Verjährungsfrist der geltend gemachten Ansprüche betrage zwei Jahre und beginne mit dem Tage der Entstehung des Leistungsanspruchs. Die Krankenkassen dürften hinsichtlich solcher Erstattungsansprüche nicht schlechter gestellt werden als bei Leistungsansprüchen, die nach § 223 Abs. 1 RVO in zwei Jahren nach dem Tage der Entstehung verjährten. Hinsichtlich des von der Beklagten an C. gewährten Verletztengeldes könne die Klägerin einen Erstattungsanspruch ebenfalls nur nach § 1509 a RVO geltend machen.

Im übrigen habe das LSG zu Unrecht einen Arbeitsunfall als nicht erwiesen angesehen. Es hätten zumindest weitere Beweise darüber erhoben werden müssen, ob nicht trotz eines bestehenden Verbotes etwa das Durchschreiten des Riesenrades zwischen zwei Gondeln praktiziert worden sei, woraus sich hätte ergeben können, daß eine solche Betätigung durchaus üblich gewesen sei und daher eine betriebliche Tätigkeit dargestellt habe. Insbesondere hätte das LSG C. als Zeugen vernehmen müssen. Es hätte in diesem Rahmen aufgeklärt werden müssen, welche Gründe im einzelnen den Verletzten bewogen hätten, sich zwischen den Gondeln aufzuhalten. Selbst aber wenn die Erlangung einer Freifahrt der einzige Grund für das Verhalten des C. gewesen wäre, ergebe sich daraus nicht, daß es sich nicht um eine betriebliche Tätigkeit gehandelt habe; vielmehr sei die Einholung der Erlaubnis zur Freifahrt betriebsbedingt. C. sei der besonderen Betriebsgefahr, die mit seiner Tätigkeit am Riesenrad verbunden gewesen sei, erlegen. Berufe sich die Klägerin demgegenüber auf den Ausnahmetatbestand der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit, so gehe dessen Nichterweislichkeit zu ihren Lasten.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Februar 1975 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. März 1973 zurückzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Sie meint jedoch, daß der Ersatzanspruch in voller Höhe nach § 1509 a RVO zu beurteilen sei. Dafür gelte die 4-jährige Verjährungsfrist des § 29 Abs. 3 RVO.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.

Die von dem LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen nicht zu einer abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits aus.

Der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch hinsichtlich der von ihr anläßlich des Unfalles des Peter C (C.) aufgewendeten Behandlungs- und Transportkosten sowie des von ihr an die Beklagte erstatteten Verletztengeldes nebst Verwaltungskosten ist nicht schon deshalb begründet, weil die Klägerin gegenüber dem Verletzten C. Unfallentschädigungsansprüche mit ihrem - durch öffentliche Zustellung - bindend gewordenen Bescheid vom 24. März 1971 abgelehnt hat. Dieser Bescheid betrifft nur die Entschädigungsansprüche des Verletzten gegenüber der Klägerin und konnte deshalb keine Bindungswirkung gegenüber Dritten, hier der Beklagten, haben. Die von dem 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 14. Dezember 1965 (BSG 24, 155 ff), den Ersatzanspruch der Krankenkassen gegenüber den Trägern der Unfallversicherung betreffend, dahingehend angestellten Erwägungen gelten ebenso für den umgekehrten Fall, daß der Unfallversicherungsträger Aufwendungsersatz von der Krankenkasse fordert (vgl. Brackmann, Handbuch d. Sozialversicherung, Stand Februar 1975 III S. 967; Lauterbach, Unfallversicherung, Stand Mai 1975, Anm. 2 a zu § 1509 a RVO). Dabei kann es in diesem Zusammenhang zunächst dahingestellt bleiben, ob der Anspruch auf Erstattung des von der Beklagten an C. gezahlten Verletztengeldes nach § 1509 a RVO (so BSG in SozR Nr. 3 zu § 1509 a RVO a. F.) oder nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches zu beurteilen ist. In jedem Falle ist Voraussetzung für einen Ersatz- bzw. Erstattungsanspruch, daß der Träger der Unfallversicherung zu Unrecht Leistungen gewährt hat, sei es an den Verletzten selbst, sei es an die Krankenkasse, die ihrerseits an den Verletzten geleistet hat, weil die Krankheit nicht die Folge eines Arbeitsunfalles war. Ob das der Fall war, d. h. sich nachträglich herausgestellt hat (§ 1509 a RVO), daß kein Arbeitsunfall vorgelegen hat, ist in dem Erstattungsverfahren zwischen den betroffenen Versicherungsträgern zu klären.

Der Anspruch der Klägerin hängt also zunächst davon ab, ob C. einen Arbeitsunfall erlitten hat bzw. ein Arbeitsunfall nicht nachweisbar ist. Das LSG hat hierzu festgestellt, C. sei bei dem Versuch, zwischen zwei Gondeln des in Bewegung befindlichen Riesenrades hindurchzulaufen, verunglückt, als er sich zu dem auf der anderen Seite des Riesenrades gelegenen Fahrstand begeben wollte, um für seine Freundin eine Freifahrt zu erbitten. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte mit Recht eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 103 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) darin sieht, daß das LSG seine Feststellungen über die Motive des C. lediglich aufgrund der von einem Bediensteten der Klägerin protokollierten Aussage eines Arbeitskollegen, nämlich des Zeugen H, getroffen hat, der seinerseits von Angaben des C. berichtete, die dieser ihm gegenüber bei einem Besuch im Krankenhaus gemacht hatte. Selbst wenn nämlich diese Feststellungen dem wahren Sachverhalt entsprechen, folgt daraus noch nicht, daß kein Arbeitsunfall im Sinne von §§ 539 Abs. 1 Nr. 1, 548 RVO vorgelegen hat oder daß ein Arbeitsunfall nicht nachweisbar ist. Auch wenn C. um eine Freifahrt für seine Freundin bitten wollte, wäre dadurch der innere Zusammenhang seines Handelns mit seiner betrieblichen Tätigkeit nicht ohne weiteres unterbrochen bzw. gelöst worden. Seine eigentliche Beschäftigung bestand zwar darin, Fahrgästen beim Ein- und Aussteigen in die bzw. aus den Gondeln des Riesenrades zu helfen und darauf zu achten, daß die Fahrgäste nicht gefährdet wurden (Urt. S. 8). Andererseits kann es aber nicht von vornherein als rein eigenwirtschaftliche und grundsätzlich betriebsfremde Tätigkeit angesehen werden, wenn ein im Unternehmen eines Schaustellers Beschäftigter für einen Angehörigen oder Freund um kostenlosen Eintritt bzw. eine Freifahrt bittet. Bei natürlicher Betrachtungsweise steht ein solches Verhalten mindestens dann noch in einem wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Unternehmen, wenn der Schausteller selbst nicht gegenüber seinen Beschäftigten zum Ausdruck gebracht hat, er werde niemals eine kostenlose Benutzung zulassen. Ist das jedoch nicht geschehen, so daß die Beschäftigten damit rechnen oder davon ausgehen können, der Inhaber werde auf entsprechende Bitten im Einzelfall sein Einverständnis geben, so kann ein solches Handeln eines Beschäftigten nicht als betriebsfremd oder gar den betrieblichen Interessen zuwiderlaufend bezeichnet werden. Wirtschaftliche Erwägungen, wie das LSG sie angestellt hat, eine Freifahrt verschaffe dem Unternehmer keine Einnahme (Urt. S. 8), weil der eingenommene Platz nicht von einem zahlenden Fahrgast besetzt werden kann, könnten allenfalls dann bedeutsam sein, wenn in Zeiten des Hochbetriebes alle Plätze an zahlende Gäste verkauft werden. Ist das jedoch nicht der Fall, kann ein betriebliches Interesse durchaus darin liegen, daß durch eine solche, für den Inhaber wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallende Vergünstigung gegenüber seinen Beschäftigten das Betriebsklima günstig beeinflußt wird, etwa in dem Sinne, daß diese sorgfältiger, zuverlässiger und freudiger ihre betrieblichen Aufgaben erfüllen. Denkbar erscheint es auch, daß es unter den gegebenen Umständen üblich ist, in gewissem Umfang Freifahrten zu gewähren, wobei sich der Inhaber allerdings im Einzelfall vorbehalten mag, seine Zustimmung zu geben. Unter solchen Voraussetzungen würde der innere Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit gegenüber dem privaten Interesse des Beschäftigten nicht derart in den Hintergrund treten, daß er praktisch bedeutungslos wäre. In diesem Falle würde weder ein verbotswidriges noch ein leichtsinniges oder in hohem Maße unvernünftiges Handeln dem Unfallversicherungsschutz entgegenstehen (vgl. BSG in SozR Nr. 77 zu § 542 RVO a. F.; Brackmann, aaO II S. 468 m I; Lauterbach aaO, § 548 Anm. 96). Das LSG wird daher zunächst die näheren Umstände im obengenannten Sinne klären müssen, insbesondere wohl durch Vernehmung des Schaustellers Derks und ggf. auch des C. Sollten diese nicht mehr erreichbar sein, so wird das LSG den Sachverhalt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu würdigen haben.

Sollten aber weitere Ermittlungen ergeben, daß im Unfallzeitpunkt ein innerer Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des C. nicht bestanden hat, so könnte bei der nur kurzfristigen Unterbrechung seiner Tätigkeit der Versicherungsschutz ausgeschlossen sein, wenn sich C. in hohem Maße vernunftwidrig verhalten und sich damit einer besonders erhöhten Gefahr ausgesetzt hätte (vgl. BSG in SozR Nrn. 53 und 77 zu § 542 RVO a. F.). Hierzu bedürfte es ebenfalls weiterer Feststellungen. Sicherlich ist das Verhalten des C. leichtsinnig gewesen. Dazu bedarf es keiner näheren Erörterung. Mit Recht weist die Beklagte aber darauf hin, daß die bei sogenannten Fahrgeschäften im Schaustellergewerbe Beschäftigten oft in den Augen eines ungeübten Laien leichtsinnig handeln, dies Verhalten aber stillschweigend geduldet wird, weil es in der Regel nicht zu Unfällen führt. Ob C. darüber hinaus in besonders hohem Maße leichtfertig gehandelt hat, hängt u. a. davor ab, ob er mit den Gegebenheiten und den Gefahren des Riesenrades vertraut war, wie schnell sich etwa das Rad bereits drehte, als er hindurchlaufen wollte, und ob es für ihn durchaus möglich, wenn auch mit einer gewissen Gefahr verbunden, erscheinen konnte, unverletzt auf die andere Seite zu gelangen. Der Versicherungsschutz wäre nur ausgeschlossen, wenn sein Verhalten nach allen gegebenen Umständen in so hohem Maße vernunftwidrig und gefährlich war, daß er mit großer Wahrscheinlichkeit damit rechnen mußte, er werde verunglücken.

Läßt sich nicht klären, ob C. einen Arbeitsunfall erlitten hat, so steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Aufwendungsersatz zu. Denn eine Krankheit ist dann nicht die Folge eines Arbeitsunfalles im Sinne von § 1509 a RVO, wenn eine Entschädigungspflicht des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung nicht besteht (Brackmann aaO, S. 966 m). Das ist dann der Fall, wenn das Vorliegen eines Arbeitsunfalls auch bei Ausschöpfung aller erreichbaren Beweismittel nicht festgestellt werden kann. Der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung soll nur mit den Leistungen belastet werden, zu denen er nach dem Gesetz verpflichtet ist. Lassen sich diese gesetzlichen Voraussetzungen nicht feststellen, entfällt daher die Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers, so daß ihm, wenn er dennoch geleistet hat, ein Erstattungs- bzw. Ersatzanspruch gegen die leistungspflichtige Krankenkasse zusteht. Dadurch entsteht der Krankenkasse kein unbilliger Nachteil, denn sie hat trotz einer bindenden Ablehnung gegenüber dem Verletzten die Möglichkeit, die Frage des Vorliegens eines Arbeitsunfalls durch - ggf - sämtliche Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit nachprüfen zu lassen.

Bezüglich der Verjährung des Erstattungsanspruches in Höhe von 588,51 DM wird das LSG u. U. das Urteil des 2. Senats des BSG vom 18. Dezember 1969 (SozR Nr. 21 zu § 29 RVO; vgl. auch Lauterbach aaO Anm. 5 i zu § 1509 a RVO) zu beachten haben, wonach für die Verjährung von solchen Ersatzansprüchen der Unfallversicherungsträger gegen eine Krankenkasse nach Maßgabe des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs die Frist des § 29 Abs. 3 RVO gilt und die Verjährung mit der rechtsirrtümlichen Befriedigung des Ersatzanspruchs der Krankenkasse beginnt. Diese Auffassung wird vom erkennenden Senat geteilt. In dieser Entscheidung ist - zutreffend - auch klargestellt worden, daß § 223 RVO nur im Bereich des 2. Buches der RVO anzuwenden ist bzw. die im 1. Buch enthaltene Vorschrift des § 29 RVO hier dieser Regelung vorgeht. Innerhalb der 4-Jahresfrist des § 29 Abs. 3 RVO konnte die Klägerin daher auch den Ersatz der übrigen Kosten in Höhe von 1.553,79 DM nach § 1509 a RVO verlangen (so auch Brackmann aaO S. 966 q bb 3; Lauterbach aaO Anm. 5 h zu § 1509 a RVO S. 1376; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter Nr. 920, S. 11 oben). Die vom LSG zitierte Entscheidung des 3. Senats in SozR Nr. 64 zu § 183 RVO, die am 9. September 1971 ergangen ist, steht diesem Ergebnis nicht entgegen, da sie den Ersatzanspruch eines Rentenversicherungsträgers, also nicht den Fall des § 1509 a RVO betraf und im übrigen die zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ergangene frühere Entscheidung des 2. Senats vom 18. Dezember 1969 unberührt läßt. Dasselbe gilt für die Entscheidung vom 22. März 1974 - 3 RK 47/72 - in Urteilssammlung für die gesetzliche Krankenversicherung (USK) 1974 Nr. 7415, S. 57, die im übrigen ebenfalls den Ersatzanspruch eines Rentenversicherungsträgers betrifft. Schließlich steht auch die Entscheidung BSG 24, 260, 261 nicht entgegen, weil sie Ersatzansprüche von Krankenkassen untereinander betrifft. Das Urteil vom 12. Dezember 1972 - 3 RK 67/71 (SozR Nr. 6 zu § 223 RVO) betrifft ebenfalls nicht Ersatz- bzw. Erstattungsansprüche eines Unfallversicherungsträgers gegen eine Krankenkasse. Da die 4-Jahresfrist bei Klageerhebung am 1. März 1972 noch nicht abgelaufen war, konnte dahinstehen, ob die Verjährung im Falle des § 1509 a RVO erst dann beginnt, wenn sich herausgestellt hat, daß die Krankheit keine Folge eines Arbeitsunfalls ist.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650426

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