Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Rückzahlung von vorläufigen Vorschüssen auf Hinterbliebenenrente

 

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. November 1969 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Den Antrag der Klägerinnen auf Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) lehnte der Beklagte ab; der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheide vom 25. August 1955 und 27. Dezember 1955). Das Sozialgericht Speyer - Zweigstelle Mainz - (SG) hob mit Urteil vom 24. Juli 1957 den Bescheid vom 25. August 1955 auf und verpflichtete den Beklagten, den Klägerinnen Hinterbliebenenrente ab 1. August 1952 zu gewähren. Der Beklagte legte Berufung ein und zahlte den Klägerinnen nach § 154 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vom Tage der Verkündung des Urteils an Witwen- und Waisenrente gemäß Benachrichtigung vom 9. September 1957, in der er darauf hinwies, daß im Falle der Aufhebung des Urteils die Klägerinnen verpflichtet seien, die empfangenen Beträge zurückzuerstatten. Das Landessozialgericht Rheinland- Pfalz (LSG) hob am 23. Oktober 1962 das Urteil des SG auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. Darauf stellte der Beklagte die laufende Zahlung der Versorgungsbezüge mit Ende November 1962 ein. Durch Urteil vom 13. Mai 1965 wies das SG die Klage ab. Die Berufung der Klägerinnen wies das LSG am 2. Mai 1967 zurück; das Urteil blieb unangefochten.

Mit zwei Bescheiden vom 29. August 1967 forderte das Versorgungsamt (VersA) die vorschußweise auf Grund des Urteils vom 24. Juli 1957 gezahlten Versorgungsleistungen in Höhe von 12.140,00 DM von der Klägerin Hartmann, in Höhe von 4.501,40 DM von der Klägerin Habedank zurück. Die Widersprüche wurden durch Widerspruchsbescheide vom 23. und 24. Oktober 1967 zurückgewiesen.

Die Klägerinnen stützten ihre Klagen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), nach der § 47 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) keine selbständige Anspruchsgrundlage für solche Fälle bilde. Das SG wies die miteinander verbundenen Klagen durch Urteil vom 25. Juli 1968 ab. Die Berufung der Klägerinnen blieb erfolglos. Das LSG leitete in den Gründen seines Urteils vom 4. November 1969 den Anspruch auf die Rückerstattung der vorläufig gezahlten Versorgungsbezüge in erster Linie aus § 47 Abs. 1 VerwVG ab, hilfsweise nach der neueren Rechtsprechung des BSG aus der Vorschrift des § 717 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO), die, wie auch das SG zutreffend angenommen habe, in solchen Fällen entsprechend anwendbar sei. Irgendwelche Umstände, die die Rückforderung als unzulässige Rechtsausübung erscheinen lassen könnten, seien nicht ersichtlich. Ob von der Rückforderung nach § 47 Abs. 4 VerwVG abgesehen werden könne, sei noch nicht zu prüfen, weil die Klägerinnen einen auf diese Bestimmung gestützten Antrag bisher nicht gestellt hätten.

Mit der zugelassenen Revision rügen die Klägerinnen - einen Verstoß des LSG gegen § 47 Abs. 1 VerwVG und gegen § 717 Abs. 2 ZPO. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der drei Kriegsopferversorgungs - (KOV)- Senate des BSG könne kein Streit mehr darüber bestehen, daß ein Rückforderungsrecht nicht allein aus § 47 Abs. 1 VerwVG herzuleiten sei. Aber auch § 717 Abs. 2 ZPO sei nicht entsprechend anwendbar. Diese Vorschrift stelle zwar eine materiell rechtliche Anspruchsnorm dar, könne aber den angefochtenen Rückforderungsbescheid deshalb nicht rechtfertigen, weil sie einen zivilrechtlichen Anspruch begründe, über den die Zivilgerichte zu entscheiden hätten. Mithin fehle eine öffentlich-rechtliche Ermächtigungsnorm für die angefochtenen Verwaltungsakte und damit überhaupt ein Rückforderungsrecht.

Die Klägerinnen beantragen,

das angefochtene Urteil des LSG, das Urteil des SG vom 25. Juli 1968 sowie die Bescheide vom 29. August 1967 und die Widerspruchsbescheide aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Nach seiner Ansicht besteht keine einheitliche Rechtsprechung der KOV-Senate des BSG zur Anwendbarkeit des § 47 Abs. 1 VerwVG. Diese Vorschrift betreffe überhaupt nur die Rückforderung solcher Leistungen, die auf Grund eines Verwaltungsaktes gewährt worden seien. Auf jeden Fall sei aber die Rückforderung nach § 717 Abs. 2 ZPO berechtigt; diese Bestimmung sei auch im sozialgerichtlichen Verfahren unmittelbar oder über § 202 SGG oder im Wege der Lückenausfüllung anwendbar; sie betreffe nicht die vorläufige Vollstreckbarkeit, sondern regele einen besonders ausgestalteten Schadensersatzanspruch und sei daher nicht nach § 198 Abs. 2 SGG in dieser Gerichtsbarkeit unanwendbar.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die Revision ist zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166 SGG). Sie ist aber nicht begründet.

Das LSG hat - ebenso wie das SG - die angefochtenen Bescheide, durch die der Beklagte von den Klägerinnen die in Ausführung des Urteils vom 24. Juli 1957 gezahlten Versorgungsbezüge zurückgefordert hat, im Ergebnis mit Recht bestätigte Allerdings kann der erkennende Senat dem LSG in der Begründung nur teilweise folgen.

Der Beklagte durfte als Träger der Versorgungsverwaltung in Umkehrung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsverhältnisses, das durch das Urteil vom 24. Juli 1957 vorläufig entstanden war, von den Klägerinnen die empfangenen Leistungen durch Verwaltungsakte zurückfordern, nachdem das LSG die erste Entscheidung des SG aufgehoben hat und Klage wie Berufung im weiteren Verfahren ohne Erfolg geblieben sind (BSG 3, 136, 140 f; Urteil des BSG vom 16. September 1970 - 10 RV 645/69 -, Kriegsopferversorgung -KOV- 1971, 60; Haueisen, Die Ortskrankenkasse -DOK- 1956, 342). Diese Rentenhatte der Beklagte zur Abwendung der Vollstreckung zahlen müssen (sogenannte "Urteilsrente" ). Vollstreckt wird nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG aus einer angefochtenen. Entscheidung vor Eintritt der Rechtskraft (§ 141 SGG), soweit ein Rechtsmittel nach dem SGG keine aufschiebende Wirkung hat. Aufschub bewirkt ein Rechtsmittel des beklagten Landes in der KOV nach § 154 Abs. 2 SGG nur insoweit, als es sich um die für die Zeit vor Erlaß des Urteils nachzuzahlenden Beträge handelt. Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes -GG-) können Rückforderungsbescheide wie die angefochtenen nur dann Bestand haben, wenn der Beklagte zu ihrem Erlaß durch "Gesetz" oder "Recht" ermächtigt ist. Nach der Überzeugung des erkennenden Senats, die mit der bisherigen Rechtsprechung der KOV-Senate des BSG im Ergebnis übereinstimmt, besteht eine solche Ermächtigung in einem allgemeinen Rechtsgrundsatz. Der erkennende Senat hat offen lassen können, ob als gesetzliche Rechtsquelle für diesen Rechtsgrundsatz mit dem 10. Senat des BSG (BSG 27, 102; ferner das Urteil KOV 1971, 60) und mit dem 8. Senat (Urteil vom 19. Dezember 1967 - 8 RV 509/65 -) die Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO anzusehen ist (auch offen gelassen vom 12. Senat - SozR Nr. 10 zu § 1301 RVO und vom 2. Senat - Urteil vom 30. Jan. 1970 - 2 RU 107/67 - Berufsgenossenschaft -BG- 1970, 393) oder § 47 Abs. 1 VerwVG, wie der erkennende Senat früher angenommen hat (Urteil vom 13. Februar 1966 - 9 KV 614/63 -, Bundesversorgungsblatt - BVBl - 1966, 107). Als näherliegende Rechtsquelle kommt ein ungeschriebener Rechtsgrundsatz in Betracht, der in mehreren Vorschriften des Sozialversicherungsrechts vorausgesetzt wird und auch im Kriegsopferrecht gilt. Daher brauchte sich der erkennende Senat nicht näher mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG und den dagegen erhobenen Bedenken auseinanderzusetzen (vgl. BSG 3, 136, 140; Urteil des Bayer. LSG vom 14. Oktober 1969 - Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung - Amtsblatt - 1970, S. B 9; Krasney, Die Anwendbarkeit zivilprozessualer Vorschriften im sozialgerichtlichen Verfahren - § 202 SGG -, Kölner Dissertation 1961, 161; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 265; Haueisen, DOK 1956, 342).

Der erkennende Senat stützt seine Rechtsauffassung auf folgende Erwägungen:

Bereits vor Inkrafttreten des SGG gab es die vorläufige Urteilsausführung nach § 1710 RVO, dem "Vorbild" für § 154 Abs. 2 SGG. Nach ausdrücklichen Vorschriften des Rechts der gesetzlichen Unfall-, Knappschafts-, Renten- und Arbeitslosenversicherung brauchte damals der Versicherungsträger die vor rechtskräftiger Entscheidung erbrachten Leistungen nicht zurückzufordern (§§ 620, 1305 Reichsversicherungsordnung -RVO- aF, § 45 des Angestellten versicherungsgesetzes -AVG- aF, § 57 des Reichsknappschaftsgesetzes -RKG- aF, § 185 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung). Die seit der Reform der Renten- und der Unfallversicherung von 1957 und von 1963 geltenden einschlägigen Vorschriften der §§ 628, 1301 RVO, § 80 AVG, § 93 Abs. 2 RKG schränken die Rückforderung noch weiter ein. Diese neuen wie jene älteren Bestimmungen setzen logischerweise ein grundsätzliches Rückforderungsrecht voraus; denn anderenfalls hätte der Versicherungsträger nicht darüber zu entscheiden, ob er von einem solchen Recht Gebrauch machen darf und soll (RVA, GE 3233, AN 1926, 435, 438; Mitgliederkomm. zur RVO, I, 2. Aufl. 1930, § 1710, Anm. 2; BSG, SozR Nr. 8 zu § 1301 RVO; BSG, SozR Nr. 10 zu § 1301 RVO; BSG, BG 1970, 393; BSG, KOV 1971, 60). Dieser Rechtsgrundsatz über die Verpflichtung zur Rückerstattung der "Urteilsrente" war und ist ebenso im Kriegsopferrecht als einem weiteren wichtigen, der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 SGG verfahrensrechtlich zugeordneten Teil des Sozialrechts, in dem § 154 Abs. 2 iVm § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG anwendbar ist, gültig. Damit erübrigte sich für den Gesetzgeber, die grundsätzliche Rückerstattungspflicht für alle in § 51 SGG aufgeführten Rechtsgebiete ausdrücklich im SGG festzulegen. Daß der bezeichnete ungeschriebene Rechtsgrundsatz auch für vorläufige Leistungen des Kriegsopferrechts gilt, folgt aus den Gemeinsamkeiten, die sich durch die Zuordnung aller dieser Rechtsgebiete zum Sozialrecht im Sinne des § 51 SGG ergeben. Falls jemand auf diesem Sachgebiet eine Leistung auf Grund einer rechtskräftigen oder rechtsverbindlichen Entscheidung (§§ 77, 141 SGG) zu Unrecht erhalten hat, muß er diese grundsätzlich zurückerstatten (vgl. z.B. § 47 VerwVG); das setzen die in den einschlägigen Vorschriften geregelten Ausnahmen (z.B. §§ 628, 1301 RVO, § 80 AVG, § 93 Abs. 2 RKG, § 47 Abs. 2 ff VerwVG) zwangsläufig voraus. Eine Zahlung, die der Beklagte nach § 154 Abs. 2 SGG in vorläufiger Ausführung eines Urteils hat leisten müssen, wird mit der Beseitigung des Urteils rückwirkend als eine "zu Unrecht" erbrachte Leistung behandelt (vgl. die zuvor zitierten Vorschriften des Sozialversicherungsrechts; BSG, BVBl 1966, 107; BSG, SozR Nr. 8 zu § 1301 RVO; vgl. auch Stein/Jonas/Schönke/Pohle, § 717 ZPO, Anm. II 2; Bayer, LSG, Urteil vom 16. Januar 1968 - Amtsblatt 1968, S. B 17 -). Die Rechtsgrundlage der Leistung, das nicht rechtskräftige Urteil, ist nicht endgültig, sondern mit dem Vorbehalt einer rückwirkenden Beseitigung belastet und entfällt vollständig, falls das Urteil nicht bestätigt wird. Daß die Ausführung des Urteils (§ 154 Abs. 2, § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG) nur vorläufigen Charakter hat, wird durch die Regelung des § 199 Abs. 2 SGG bestätigt. Nach dieser Vorschrift kann der Vorsitzende des mit dem Rechtsmittel angerufenen Gerichts die Vollstreckung des angefochtenen Urteils einstweilen aussetzen, etwa wenn die Klage offensichtlich unbegründet ist (BSG 12, 138), und die Aussetzung oder Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, z.B. weil die Rückerstattung der empfangenen Leistungen nach Aufhebung oder Abänderung des Urteils gefährdet erscheint. Der Empfänger einer solchen vorläufigen Rente verdient eher einen geringeren, jedoch keinesfalls einen weitergehenden und stärkeren Vertrauensschutz als der Gläubiger auf Grund einer rechtsverbindlichen oder rechtskräftigen Entscheidung. Das gilt insbesondere, wenn der Kläger wie in der Regel und auch im vorliegenden Fall in dem Ausführungsbescheid darauf hingewiesen worden war, daß er bei Obsiegen des Beklagten die in Ausführung des Urteils gezahlten Leistungen zurückerstatten müsse, und falls er diesen Vorbehalt rechtsverbindlich werden ließ. Wenn sogar unter bestimmten Voraussetzungen rechtsverbindliche Bescheide wegen Fehlerhaftigkeit grundsätzlich zurückgenommen werden können und die Rücknahme möglicherweise zu einer Rückerstattungspflicht führt, muß erst recht der nach § 154 Abs. 2 iVm § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG nur vorläufig befriedigte Kläger, der mit einer Abänderung oder Aufhebung des für ihn günstigen Urteils zu rechnen hatte, stets die Rückerstattung des Empfangenen in Kauf nehmen; er trägt das Risiko, ob es bei der Ausführung des Urteils endgültig bleibt. Irgendein Grund dafür, daß diese Gesichtspunkte, die im Sozialversicherungsrecht die Rückerstattung der "Urteilsrente" begründen und rechtfertigen, bei der vorläufigen Ausführung einer in Streitverfahren der KOV erwirkten und später geänderten Verurteilung nicht zuträfen, ist nicht zu erkennen. Der Grund für die aufschiebende Wirkung, den Kläger während eines möglicherweise langen Prozesses vorläufig in den Genuß der zugesprochenen Leistung zu bringen, ist beim Streit um Versorgungsleistungen nicht stärker auf eine Dauerleistung ausgerichtet als beim Streit um Rentenansprüche aus der Sozialversicherung. Das Gesetz hat dem Kläger, dem ein Sozialgericht in einem angefochtenen Urteil Leistungen der KOV zugesprochen hat, diese nicht endgültig belassen wollen (dazu Bayer, LSG, Urteil vom 17. Oktober 1963 - Amtsblatt 1964, S. B 5 -). Der den Vorschriften des Sozialversicherungsrechts zugrunde liegende allgemeine Rechtsgrundsatz gilt dann auch im Kriegsopferrecht, wenn es sich um eine verfahrensrechtliche Regelung handelt oder wenigstens um eine solche, die verfahrensrechtliche Bestimmungen zur Voraussetzung hat. Das liegt schon in der gleichen Verfahrenslage bei der vorläufigen Ausführung von Urteilen auf allen in § 51 SGG aufgeführten Rechtsgebieten begründet.

Die geschichtliche Entwicklung des KOV-Rechts bestätigt die Geltung dieses Grundsatzes für Leistungen auf diesem Rechtsgebiet. Vor dem Inkrafttreten des SGG galt in Bayern und in Württemberg-Baden im gerichtsförmlichen Verfahren über Versorgungsansprüche mit zweiter Instanz, in dem das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwenden war, u.a. § 1710 RVO, der Vorläufer des § 154 Abs. 2 SGG (Gesetz Nr. 56 über die Errichtung eines Bayerischen Landesversicherungsamtes vom 2. September 1947 - GVBl 1947 S. 11 -, § 2 des Gesetzes Nr. 714 über Zuständigkeiten und Verfahren in der Sozialversicherung vom 26. Januar 1948 - Reg.Blatt für Württemberg-Baden 1948 S. 40; Art. 1 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 1 des Gesetzes über Leistungen an Körperbeschädigte für Bayern und Württemberg-Baden - Bayer. GVBl 1947 S. 107, Reg.Blatt für Württemberg Baden 1947 S. 7). Damit bestand auch damals eine Rückerstattungspflicht nach Aufhebung des Urteils der ersten Instanz, Davon mußte der Gesetzgeber ausgehen, als er das SGG schuf. Damit erübrigte es sich, für Verfahren in Versorgungssachen nach dem SGG eine besondere Vorschrift über die Rückerstattung der "Urteilsrente" zu schaffen. Ausnahmsweise war ab 1. Januar 1954 nach § 214 Abs. 6 SGG die Rückforderung der auf Grund von Urteilen der Oberversicherungsämter und Versorgungsgerichte erbrachten Leistungen ausgeschlossen, soweit ein LSG auf das übergegangene Rechtsmittel das angefochtene Urteil aufhob. Das galt auch in den übrigen Bundesländern, die ein anderes Verfahrensrecht hatten. Diese Ausnahmeregelung bestätigt, daß grundsätzlich diese Leistungen zurückzuerstatten waren.

Mit der grundsätzlichen Rückerstattungspflicht auf den Gebieten der KOV und der Rentenversicherung ist es durch aus vereinbar, daß Einschränkungen des Erstattungsanspruchs in den einzelnen Rechtsmaterien je nach ihrer Eigenart unterschiedlich geregelt sind. Was insoweit vor und seit dem Inkrafttreten des SGG für das Recht der KOV vorgeschrieben war und ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben; denn die Klägerinnen haben bisher keine Verwaltungsentscheidung darüber nach den einschlägigen Vorschriften herbeigeführt.

Hit dem ungeschriebenen Rechtsgrundsatz, der die Empfänger vorläufiger "Urteilsrenten" auf allen in § 51 SGG aufgeführten Rechtsgebieten grundsätzlich zur Rückerstattung verpflichtet, ist der allgemein, aber mit vielerlei Einschränkungen im öffentlichen Recht herrschende Grundsatz, daß zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzuerstatten sind (BSG 14, 59, 63; BSG 29, 6, 7; Langkeit, DOK 1971, 341, 342; Eckart Weber, Der Erstattungsanspruch, Berlin 1970, S. 12 mit weiteren Nachweisen) für das Vollstreckungsrecht in der Sozialversicherung und in der KOV in typischer Weise besonders ausgestaltet worden, Seine Geltung wird dadurch bestätigt, daß auch in der Zivil-, Arbeits-, allgemeinen Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit die auf Grund vorläufig vollstreckbarer Urteile erbrachten Leistungen - allerdings im Wege des Schadensersatzes - zurückzuzahlen sind, wenn das Urteil aufgehoben und abgeändert worden ist (§ 717 Abs. 2 ZPO, § 62 Arbeitsgerichtsgesetz, §§ 167, 168 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung, § 151 Finanzgerichtsordnung; vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, NJW I 960, 1875, 1876 und Zitate in BSG 27, 102, 105 f). Wie die vorläfige Ausführung eines Urteils eines Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit jedenfalls in der praktischen Wirkung der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach der ZPO, nach dem Arbeitsgerichtsgesetz, nach der Verwaltungsgerichts Ordnung und nach der Finanzgerichtsordnung gleichkommt, muß auch die Beseitigung ihrer Wirkung in allen Gerichtsbarkeiten grundsätzlich die gleiche Rechtsfolge haben.

Der erkennende Senat entnimmt also für Fälle der vorliegenden Art im Ergebnis übereinstimmend mit der bisherigen Rechtsprechung der KOV-Senate des BSG die Ermächtigung zur Rückforderung der "Urteilsrente" einem allgemeinen Rechtsgrundsatz. Dieser gilt auch dann, wenn er aus einer anderen als der vom 8. und vom 10. Senat zugrunde gelegten Rechtsquelle herzuleiten ist. Mithin weicht der Senat im Ergebnis nicht von diesen Entscheidungen ab und brauchte daher den Großen Senat nicht anzurufen.

Im Ergebnis war die Berufung der Klägerinnen als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Unterschriften

Dr. Schwarz Dr. Renner Dr. Wulfhorst

 

Fundstellen

BSGE, 118

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