Leitsatz (redaktionell)

1. In der Regel kommt für die Auslegung des Inhalts eines Bescheides im einzelnen nur die Feststellung der Schädigungsfolgen in Betracht. Ausnahmsweise ist aber auch die Feststellung über die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit auslegungsbedürftig, nämlich dann, wenn zweifelhaft sein kann, welche Schädigungsfolgen bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit berücksichtigt wurden. Diese müssen nicht mit den im Bescheid ausdrücklich festgestellten Schädigungsfolgen übereinstimmen. Dies ist besonders dann nicht der Fall, wenn der Versorgungsberechtigte nur Rente beantragt, die Feststellung von Schädigungsfolgen aber ausdrücklich ausgeschlossen oder in einem Verschlimmerungsantrag unter Angabe einer weiteren Schädigungsfolge die Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit, nicht aber die Feststellung dieser neuen Schädigungsfolge begehrt hat. Welcher Inhalt einem Bescheid beizumessen ist, muß notfalls unter Heranziehung der Unterlagen und medizinischen Beurteilungen aus der Zeit vor der Anerkennung ermittelt werden.

2. Ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen eines weiteren (neuen), im Bescheid nicht ausdrücklich festgestellten Leidens erhöht worden, so ist der Bescheid dann tatsächlich und rechtlich unrichtig, wenn das weitere Leiden zu Unrecht als Schädigungsfolge angesehen worden ist. Die Berichtigung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist dann davon abhängig, inwieweit das weitere Leiden zweifelsfrei als Schädigungsfolge auszuschließen und die Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit weder ganz noch teilweise durch eine Verschlimmerung des (ausdrücklich) anerkannten alten Leidens zu rechtfertigen ist.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27; KOVVfG § 22 Fassung: 1955-05-02; BGB § 133; KOVVfG § 41 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. September 1960 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger wurde 1943 zum Heeresdienst einberufen und 1944 durch Granatsplitter an der linken Ferse verwundet. Nach Untersuchung durch den Amtsarzt Prof. Dr. H wurden bei ihm mit Bescheid vom 18. April 1946 nach dem Wehrmachtfürsorge- und -versorgungsgesetz (WFVG) "Narben an der linken Ferse und am Unterschenkel nach Granat-Stecksplitter-Verletzung" als Wehrdienstbeschädigung anerkannt. In dem Bescheid war vermerkt: "Versteifung des rechten Hüftgelenks und Bewegungsbehinderung des rechten Kniegelenks mit Verkürzung um 6 cm nach früherer Hüftgelenksentzündung kann nicht als Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden, da es sich um ein altes Leiden handelt, welches im Wehrdienst weder entstanden noch verschlimmert worden ist". Entsprechend lautete der nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 erlassene Bescheid vom 18. Februar 1948. Rente wurde nicht gewährt, da die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die anerkannten Schädigungsfolgen unter 30 vom Hundert (v.H.) lag.

Im Verschlimmerungsantrag vom 16. Juli 1948 bezog sich der Kläger auf das Attest des Fachorthopäden Dr. G vom 9. Juli 1948. Darin ist ausgeführt, beim Kläger habe eine 1939 entstandene Hüftgelenkentzündung zur Versteifung des rechten Hüftgelenks geführt. Es müßten die Verschlimmerung dieses Leidens durch den Wehrdienst und eine Zunahme des Wackelknies und der Kniegelenkbeschwerden zusätzlich zu den bestehenden Verwundungsfolgen am linken Fuß anerkannt werden. Die wehrdienstbedingte MdE schätzte er auf 40 v.H. In dem auf Veranlassung der Landesversicherungsanstalt (LVA) erstatteten Gutachten vom 2. September 1948 bezeichnete Dr. G nur allgemein den Leidenszustand; er gab die MdE auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit 60 v.H. und die durch Wehrdienstbeschädigung verursachte mit 40 v.H. an. Unter Bezugnahme auf dieses Gutachten hob die LVA durch Bescheid vom 7. Oktober 1948 den Bescheid vom 18. Februar 1948 auf, stellte als Leidenszustand nach Splitterverletzung Narben an der linken Ferse fest und gewährte ab 1. August 1947 Rente nach einer MdE um 40 v.H. In dem ohne Nachuntersuchung erlassenen Umanerkennungsbescheid vom 27. August 1951 wurden Narben an der linken Ferse und am Unterschenkel als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt und Rente nach einer MdE um 40 v.H. gewährt. Nach einer 1953 vorgenommenen Zwischenuntersuchung durch den Ärztlichen Dienst ordnete das Versorgungsamt am 29. März 1954 erneute Überprüfung an. Dr. E kam im Gutachten vom 13. Juli 1954 zu dem Ergebnis, die anerkannten Schädigungsfolgen seien mit einer MdE um 10 v.H. ausreichend bewertet. Die Veränderungen am Hüft- und Kniegelenk rechts seien vor dem Wehrdienst entstanden und durch den Wehrdienst nicht verschlimmert worden. Die Einstufung nach einer MdE um 40 v.H. sei unter gänzlich falschen Voraussetzungen erfolgt. Der Beklagte änderte darauf mit Berichtigungsbescheid vom 21. Mai 1957 die in den Bescheiden vom 7. Oktober 1948 und 27. August 1951 enthaltene Feststellung einer MdE um 40 v.H. durch die Feststellung ab, aus den anerkannten Schädigungsfolgen ergebe sich keine zum Rentenbezug berechtigende MdE, stellte die Rente ab 1. Juli 1957 ein und sah von einer Rückforderung der gewährten Bezüge ab. Die geänderten Bescheide seien aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zweifelsfrei unrichtig gewesen, weil bei Festsetzung der MdE auch das Hüftgelenk- und Knieleiden berücksichtigt worden sei, obwohl es sich nicht um eine Schädigungsfolge im Sinne des Versorgungsrechts gehandelt habe. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos.

Das Sozialgericht (SG) holte ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. R ein und hob mit Urteil vom 28. Mai 1958 die angefochtenen Bescheide mit der Begründung auf aus der Bewertung der MdE mit 40 v.H. gehe hervor, daß nach dem Willen der Versorgungsbehörde auch das Hüft- und Kniegelenkleiden - im Sinne der Verschlimmerung - als Schädigungsfolge anerkannt werden sollte. Es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, daß das Leiden ohne jeden Zweifel durch Wehrdiensteinflüsse keine Verschlimmerung erfahren habe, die einer MdE von 40 v.H. entspreche.

Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 16. September 1960 zurück und ließ die Revision zu. Die MdE des Klägers sei zwar überbewertet. Die Berichtigung sei aber nicht durch § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) gerechtfertigt, denn die berichtigten Bescheide beruhten nur auf falschen rechtlichen Folgerungen, nicht auf unrichtigen Tatsachen. Das Hüft- und Kniegelenkleiden sei als Schädigungsfolge nicht anerkannt. Die anerkannten Schädigungsfolgen ließen eine Auslegung über den Umfang der Anerkennung nicht zu. Durch die Gewährung von Rente nach einer MdE um 40 v.H. habe der Beklagte nicht zugleich einen wehrdienstbedingten Verschlimmerungsanteil des Hüft- und Kniegelenkleidens anerkannt. Die unzutreffende Beurteilung des Grades der MdE durch die Versorgungsverwaltung liege somit auf rechtlichem, nicht auf tatsächlichem Gebiet; irrige rechtliche Folgerungen allein könnten nicht nach § 41 VerwVG berichtigt werden.

Mit der Revision rügt der Beklagte Verletzung der §§ 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und 41 VerwVG. Das LSG verstoße gegen die Denkgesetze, wenn es die Bewertung eines Leidens mit einer bestimmten MdE als "rein rechtliche Feststellung" ansehe. Rein rechtliche Feststellungen seien undenkbar, denn jede rechtliche Subsumtion setze die Feststellung eines Sachverhalts voraus. Für die Bewertung der MdE müßten zunächst gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen der Schädigung (§ 1 Abs. 1 BVG) und sodann die körperliche Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben, seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen in ihrer Auswirkung sowie die Betroffenheit im Beruf (§§ 29, 30 BVG) festgestellt werden. Rechtsanwendung sei erst die Gewährung der Rente, welche der tatsächlich festgestellten MdE entspreche. Dies habe das LSG verkannt. Von seinem Standpunkt aus könne es eine Berichtigung der Rentenhöhe nach § 41 VerwVG überhaupt nicht geben. Tatsächliche Unrichtigkeit im Sinne dieser Vorschrift sei gegeben, wenn der wahre Sachverhalt bei Erlaß des Bescheides nicht bekannt gewesen sei, ebenso auch, wenn sich der wahre Sachverhalt zwar aus den Akten ergebe, diese jedoch erkennbar unrichtig ausgewertet worden seien. Bei Feststellung der MdE um 40 v.H. sei die Versorgungsverwaltung irrtümlich davon ausgegangen, daß sich diese MdE im Gutachten des Dr. G nur auf die Splitterverletzung und nicht auf andere Leiden beziehe. Im übrigen genüge für die Anwendung des § 41 VerwVG - entgegen BSG 8, 198 - die tatsächliche "oder" rechtliche Unrichtigkeit des zu berichtigenden Bescheides im Zeitpunkt seines Erlasses. Der Beklagte beantragt, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückzuverweisen; hilfsweise, die Klage unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Das angefochtene Urteil verletze weder Verfahrensrecht noch beruhe es auf unzutreffender Anwendung materiellen Rechts.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 124 Abs. 2, 165, 153 SGG).

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG) und daher zulässig. Sie ist auch begründet.

Die Rüge der Revision, das LSG habe bei der Anwendung des § 41 VerwVG gegen die Denkgesetze verstoßen und dadurch § 128 SGG verletzt, geht fehl. Diese Rüge bezieht sich auf die Formulierung im angefochtenen Urteil, die Bewertung eines Leidens sei keine tatsächliche, sondern eine rechtliche Feststellung. Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, daß jede Rechtsanwendung die Feststellung eines Tatbestandes voraussetzt und die Rechtsanwendung in der Einordnung des Tatbestandes unter eine Norm bestehe. Diesen Zusammenhang von Sachverhalt und Rechtsanwendung hat das LSG aber auch nicht verkannt; denn anschließend an den von der Revision beanstandeten Satz führte das LSG aus, es sei Aufgabe der Verwaltung wie der Gerichte, aus den Angaben der ärztlichen Sachverständigen über den Umfang der Einschränkung der körperlichen und geistigen Fähigkeit eines Verletzten die entsprechenden Folgerungen zu ziehen und dabei zu würdigen, wie sich die anerkannten Schädigungen auf die Fähigkeit des Beschädigten auswirken, seine Arbeitskraft im allgemeinen Erwerbsleben, gegebenenfalls in seinem Beruf nutzbringend zu verwerten. Das LSG hat hiernach nicht angenommen, daß die Bewertung der MdE ohne tatsächliche Feststellungen möglich sei; aber es ist zu dem Ergebnis gelangt, daß im vorliegenden Fall ausschließlich eine falsche rechtliche Folgerung gezogen worden sei, weil die Verwaltung den Sachverhalt zwar vollständig und zutreffend erkannt habe, besonders den für die Bemessung der MdE in Betracht kommenden wehrdienstbedingten Leidenszustand, daß es aber dennoch bei der Anwendung des Gesetzes eine offensichtlich falsche MdE von 40 v.H. angenommen habe. Diese Folgerung widerspricht nicht den Denkgesetzen. Das LSG hat hierbei vorausgesetzt, daß die Versorgungsverwaltung in den Bescheiden vom 7. Oktober 1948 und 27. August 1951 bei der Bemessung der MdE nur die anerkannten Schädigungsfolgen, nicht auch das Hüftgelenksleiden habe berücksichtigen wollen; eine Anerkennung sei nur dann der Auslegung fähig, wenn die Schädigungsfolgen unklar oder unbestimmt bezeichnet seien. Hier seien die Schädigungsfolgen eindeutig angegeben. Bei dieser Auslegung der berichtigten Bescheide trifft jedenfalls die Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen die Denkgesetze nicht zu.

Mit Recht beanstandet jedoch die Revision, daß das LSG § 41 VerwVG unrichtig angewendet habe. Zu beurteilen war die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 21. Mai 1957, durch den die Bescheide vom 7. Oktober 1948 und 27. August 1951 teilweise zurückgenommen wurden. Eine auf § 41 VerwVG gestützte Berichtigung eines Bescheides wirkt regelmäßig nicht über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerwVG (1. April 1955) hinaus zurück (BSG in SozR VerwVG § 41 Ca 3 Nr. 9). Im vorliegenden Fall hat die Versorgungsbehörde die Bezüge erst mit Wirkung vom 1. Juli 1957 ab nicht mehr gewährt und von einer Rückforderung der bis dahin zu Unrecht erhaltenen Bezüge abgesehen. § 41 VerwVG findet daher seinem zeitlichen Geltungsbereich nach auf den Bescheid vom 21. Mai 1957 Anwendung.

Nach § 41 VerwVG können Bescheide über Rechtsansprüche zuungunsten des Berechtigten geändert oder aufgehoben werden, wenn außer Zweifel steht, daß sie im Zeitpunkt ihres Erlasses tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen sind. In BSG 8, 198, 201 f ist eingehend dargelegt, daß diese Formulierung im Sinne eines kumulativen Tatbestandsmerkmals zu verstehen ist. Im Urteil vom 18. Januar 1963 (SozR VerwVG § 41 Ca 14 Nr. 19) ist ausgeführt, daß auch die Neufassung der Vorschrift durch Art. II Nr. 5 des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) daran nichts geändert hat. Die Auffassung, daß § 41 VerwVG die rechtliche und tatsächliche Unrichtigkeit des Bescheides, der berichtigt werden soll, verlangt, entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (SozR VerwVG § 41 Ca 15 Nr. 20). Indes kommt es auf diese Frage für den vorliegenden Fall nicht an, wenn die Bescheide vom 7. Oktober 1948 und 27. August 1951 in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht unrichtig gewesen sind.

Das LSG hat den Bescheiden vom 7. Oktober 1948 und 27. August 1951 entnommen, daß die nach seiner Auffassung bei weitem überbewertete MdE von 40 v.H. nur für die zutreffende erkannten und festgestellten Gesundheitsstörungen, nämlich Narben an der linken Ferse und am Unterschenkel nach Granatsplitterverletzung, bewilligt worden sei. Das LSG hat damit den Bescheiden einen Inhalt gegeben, der ihnen nicht zukommt. Soweit erheblich ist, welcher Sinngehalt und welche Tragweite den in einem Bescheid getroffenen Feststellungen beizumessen ist, handelt es sich nicht um die Feststellung von Tatsachen, sondern um die rechtliche Würdigung einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde. Das Revisionsgericht ist daher befugt zu prüfen, ob die Auslegung, die der Bescheid durch das Berufungsgericht gefunden hat, rechtlicher Prüfung standhält (BSG 7, 56). In der Regel kommt für die Auslegung des Inhalts eines Bescheides im einzelnen nur die Feststellung der Schädigungsfolgen in Betracht, nicht die MdE, weil sie gewöhnlich nur eine Bewertung der in dem Bescheid anerkannten Schädigungsfolgen darstellt. Ausnahmsweise ist aber auch die Feststellung über die Höhe der MdE auslegungsbedürftig, nämlich dann, wenn zweifelhaft sein kann, welche Schädigungsfolgen bei der Bemessung der MdE berücksichtigt wurden. Diese müssen nicht mit den im Bescheid ausdrücklich festgestellten Schädigungsfolgen übereinstimmen; dies ist besonders dann nicht der Fall, wenn der Versorgungsberechtigte nur Rente beantragt, die Feststellung von Schädigungsfolgen aber ausdrücklich ausgeschlossen oder in einem Verschlimmerungsantrag unter Angabe einer weiteren Schädigungsfolge die Erhöhung der MdE, nicht aber die Feststellung dieser neuen Schädigungsfolge begehrt hat. Welcher Inhalt einem Bescheid beizumessen ist, muß notfalls unter Heranziehung der Unterlagen und medizinischen Beurteilungen aus der Zeit vor der Anerkennung ermittelt werden (Urteil des erkennenden Senats vom 29. Oktober 1963 - 9 RV 934/62 -). Bedenken hiergegen ergeben sich jedenfalls dann nicht, wenn diese Beurteilungsunterlagen dem Beschädigten im wesentlichen bekannt waren oder in dem Bescheid ausdrücklich auf sie Bezug genommen wurde. Im vorliegenden Fall hat das LSG den Inhalt der Bescheide vom 7. Oktober 1948 und 27. August 1951 nicht zutreffend gewürdigt. Der Bescheid vom 7. Oktober 1948 enthält den ausdrücklichen Hinweis, daß auf Grund der Nachuntersuchung vom 2. September 1948 der Grad der bisherigen Erwerbsbehinderung von unter 30 % auf 40 % geschätzt wurde. Im Gutachten des Dr. G vom 2. September 1948 ist zwar nur der Leidenszustand beschrieben; es fehlt die Angabe, ob und inwieweit das Hüftgelenkleiden nach Auffassung des Sachverständigen auf Einflüsse des Wehrdienstes zurückzuführen ist. Dagegen ergab sich bereits aus der von dem Kläger zu den Akten gereichten Bescheinigung dieses Arztes vom 9. Juli 1948, daß das Hüftgelenkleiden nach seiner Auffassung durch den Wehrdienst verschlimmert worden sei und die wehrdienstbedingte MdE mit 40 v.H. zu bemessen sei. Derselbe Grad der MdE war auch in dem Gutachten vom 2. September 1948 angegeben. Nur durch Vergleich der Bescheinigung vom 9. Juli 1948 mit dem Gutachten vom 2. September 1948, das eine Ergänzung der Bescheinigung vom 9. Juli 1948 darstellt, konnte somit die Versorgungsbehörde feststellen, welchen Leidenszustand der Sachverständige als wehrdienstbedingt mit einer MdE um 40 v.H. bewertet wissen wollte. Ohne Berücksichtigung dieses Zusammenhangs zwischen den beiden ärztlichen Äußerungen, die mit dem Gutachten vom 7./20. Januar 1946 und den früheren Bescheiden nicht in Einklang gebracht werden konnten, fehlt es an jedem Anhalt dafür, warum in dem Bescheid vom 7. Oktober 1948 die MdE überhaupt erhöht wurde und welche Gesundheitsstörungen damit bewertet werden sollten. Abzulehnen ist jedenfalls die Auslegung, daß die MdE nur für die ausdrücklich festgestellten Schädigungsfolgen, die auch vorher schon anerkannt waren, nämlich die Narben, auf 40 v.H. erhöht wurde, denn der Bescheinigung vom 9. Juli 1948 kann ebensowenig wie dem Gutachten vom 2. September 1948 entnommen werden, daß die Verschlimmerung der Beschwerden im linken Bein allein eine Erhöhung der MdE auf 40 v.H. erforderlich machte. Dagegen hatte Dr. Grünkorn als Begründung für die höhere Bewertung der MdE die Verschlimmerung des Hüftgelenkleidens durch den Wehrdienst besonders hervorgehoben. Diese Schädigungsfolge ist in dem Bescheid vom 7. Oktober 1948 zwar nicht angegeben, dasselbe gilt auch für den Bescheid vom 27. August 1951. Daraus darf aber nicht gefolgert werden, daß bei der Bemessung der MdE auf 40 v.H. die Verschlimmerung des Hüftgelenkleidens, die Dr. Grünkorn ausdrücklich als Schädigungsfolge bezeichnet hatte, nicht berücksichtigt wurde. Es liegt viel näher und ist darum auch anzunehmen, daß die Versorgungsbehörde entweder bei der Bezeichnung der Schädigungsfolgen das Hüftgelenkleiden versehentlich weggelassen oder aber das Begehren des Klägers vom 16. Juli 1948 nur als einen Antrag auf Erhöhung der Rente, nicht auch auf Feststellung der weiteren Schädigungsfolge (Verschlimmerung des Hüftgelenkleidens) aufgefaßt hat. Das letztere ist deshalb nicht auszuschließen, weil der Kläger in dem Antrag vom 16. Juli 1948 "die Gewährung der Rente entsprechend dem vorgenannten Gutachten" begehrte, was das Versorgungsamt dahin ausgelegt haben kann, es komme dem Kläger auf die ausdrückliche Feststellung der Verschlimmerung des Hüftgelenkleidens als Schädigungsfolge nicht an.

Sonach ist davon auszugehen, daß in den Bescheiden vom 7. Oktober 1948 und 27. August 1951 bei der Bemessung der MdE die Verschlimmerung des Hüftgelenkleidens als Wehrdienstbeschädigung berücksichtigt wurde. Die Bescheide waren somit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unrichtig, wenn das Hüftgelenkleiden zu Unrecht als Wehrdienstbeschädigung im Sinne der Verschlimmerung angesehen worden war. Ihre Berichtigung nach § 41 VerwVG hing davon ab, ob ihre tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses außer Zweifel stand. Da die Berichtigung sich nur auf die Höhe der Rente bezog, war zu prüfen, inwieweit zweifelsfrei das Hüftgelenkleiden als Schädigungsfolge ausgeschlossen werden mußte und die Erhöhung der MdE auch nicht ganz oder teilweise durch eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen am linken Bein gerechtfertigt sein konnte. Insoweit genügte nicht die Feststellung, daß eine Verschlimmerung dieser Schädigungsfolgen nur unwahrscheinlich war (vgl. BSG SozR VerwVG § 41 Ca 15 Nr. 20). Das LSG hat somit den Inhalt der früheren Bescheide unzutreffend ausgelegt und ist damit zu einer unrichtigen Anwendung des § 41 VerwVG gelangt.

Das angefochtene Urteil beruht auf dieser unrichtigen Anwendung des § 41 VerwVG (§ 162 Abs. 2 SGG). Es ist möglich, daß das LSG zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn es diese Vorschrift richtig angewendet hätte. Das Urteil war deshalb aufzuheben. Der Senat konnte nicht selbst entscheiden, weil das Urteil keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu der Frage enthält, ob bei der Bemessung der MdE das Hüftgelenkleiden ohne Zweifel zu Unrecht als Schädigungsfolge im Sinne der Verschlimmerung angesehen worden ist, und der Senat die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann. Die Sache war daher nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2304644

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