Leitsatz (redaktionell)

Ein Bescheid, der sich zu Unrecht auf KOV-VfG § 41 stützt, kann im gerichtlichen Verfahren ausnahmsweise in einen Bescheid nach BVG § 62 umgedeutet werden, wenn es sich nur um die Entziehung der Rente für die Zukunft handelt; denn die in dem Verfügungssatz zur Höhe der Rente ausgesprochene Rechtsfolge ist bei der Anwendung der einen wie der anderen Vorschrift dieselbe. Die Entscheidung der Verwaltungsbehörde ist in einem solchen Fall nur falsch begründet (vergleiche auch BSG 1960-12-15 11 RV 892/60 = SozR Nr 11 zu § 41 VerwVG).

 

Normenkette

KOVVfG § 41 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27; BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 2. Juli 1959 wird insoweit aufgehoben, als es unter Abweisung der Klage und in Abänderung des Widerspruchsbescheids vom 11. April 1957 den Bescheid vom 8. Mai 1956 bestätigt hat; ferner wird die Kostenentscheidung dieses Urteils aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Bei dem im Juli 1943 zur Wehrmacht einberufenen Kläger wurde alsbald eine Behandlung wegen Magenbeschwerden notwendig, die zur Feststellung eines chronischen Zwölffingerdarmgeschwürs und am 26. November 1943 zur Entlassung aus dem Wehrdienst führte. Durch Bescheid des Versorgungsamts Kolberg vom 7. Dezember 1943 wurde "chronisches Zwölffingerdarmgeschwürsleiden mit Entleerungsverzögerung des Magens und erheblicher Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens und der Leistungsbreite" als Wehrdienstbeschädigung anerkannt und dem Kläger Versehrtengeld nach Stufe II gewährt. Im Bescheid vom 25. Mai 1948 wurden die Schädigungsfolgen übernommen und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 50 vom Hundert festgestellt. Das auf Grund einer Nachuntersuchung erstattete Gutachten der Drs. Ch und J vom 29. Oktober 1949 sah wegen eines bereits 1938 aufgetretenen Magendarmkatarrhs nur eine Verschlimmerung als wehrdienstbedingt an; diese habe seit August 1947 weiter zugenommen, weshalb die MdE mit 70 v. H. zu bewerten sei. Der Bescheid vom 15. Januar 1950 bezeichnete die in den vorangegangenen Bescheiden festgestellten Schädigungsfolgen als infolge unmittelbarer Kriegseinwirkung entstandene Gesundheitsstörungen und erhöhte die MdE auf 70 v. H. Der Umanerkennungsbescheid vom 25. April 1951 übernahm ohne vorherige Untersuchung MdE und Schädigungsfolgen, letztere jedoch nur im Sinne der Verschlimmerung. Dr. C kam im Gutachten vom 4. August 1953 zu dem Ergebnis, die wehrdienstbedingte Verschlimmerung des Magenleidens mindere die Erwerbsfähigkeit des Klägers - bei einer Gesamt-MdE um 50 v. H. - nur um 20 v. H.. Durch Bescheid vom 12. September 1953 wurde gemäß § 86 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) die Rente des Klägers auf den einer MdE um 50 v. H. entsprechenden Betrag gesenkt; als Schädigungsfolgen wurde "Entleerungsverzögerung des Magens und Schleimhautentzündung nach chronischem Zwölffingerdarmgeschwürsleiden und Beeinträchtigung des allgemeinen Befindens und der Leistungsbreite im Sinne der Verschlimmerung" festgestellt. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte durch Bescheid vom 5. Mai 1954 zurück. Im Mai 1955 wurde wegen ständig rezidivierender Ulcusbildungen beim Kläger eine Magenresektion durchgeführt. Prof. Dr. G kam im Gutachten vom 1. Oktober 1955 zum Ergebnis, die seit 1950 aufgetretenen Ulcusbildungen sowie die Operation seien nicht auf Wehrdiensteinflüsse zurückzuführen; die wehrdienstbedingte MdE wegen abgrenzbarer Verschlimmerung habe im Zeitpunkt der Operation höchstens 20 v. H. betragen. Gleichwohl schätzte der Gutachter aber in seinem Vorschlag für die Neufeststellung der Rente die MdE auf 30 v. H. Durch Berichtigungsbescheid vom 8. Mai 1956 hob das Versorgungsamt gemäß § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) alle vorangegangenen Bescheide auf und entzog dem Kläger ab 1. Juli 1956 die Rente. Die Anerkennung von Schädigungsfolgen sei außer Zweifel unrichtig gewesen, da das Magengeschwürsleiden schon 1938 begonnen habe und eine durch den Wehrdienst von wenigen Monaten allenfalls bedingte abgrenzbare Verschlimmerung durch Lazarettbehandlung ausgeglichen sei. Der Kläger legte Widerspruch ein. Es wurden Krankenblätter über seine Behandlung im Januar/Februar 1938 vom St. H.-Krankenhaus Berlin und über Behandlungen in den Jahren 1948, 1950, 1951 und 1955 vom Städtischen Krankenhaus Husum beigezogen. Danach hatte der Kläger 1938 zur Vorgeschichte angegeben, bereits seit 1923 periodenweise Magenbeschwerden gehabt und 1935 eine Kur von 14 Wochen wegen eines röntgenologisch festgestellten Zwölffingerdarmgeschwürs durchgemacht zu haben.

Der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 11. April 1957 ua. mit der Begründung zurückgewiesen, nach der Magenoperation sei nur noch eine nicht durch den Wehrdienst bedingte MdE um 30 v. H. vorhanden. Das Sozialgericht (SG) hob mit Urteil vom 28. Januar 1958 die angefochtenen Bescheide auf und verurteilte den Beklagten zur Weiterzahlung der Rente, weil es, wie Dr. I bestätigt habe, nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft bis zum Jahre 1951 nicht zweifelsfrei unrichtig gewesen sei, den Wehrdienst als Ursache eines Zwölffingerdarmgeschwürsleidens anzusehen. Auf die Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 2. Juli 1959 das Urteil des SG auf, wies die Klage ab, soweit sie sich gegen die Rentenentziehung ab 1. Juli 1956 richtete und hob im übrigen den Bescheid vom 8. Mai 1956 auf. Es ließ die Revision wegen der grundsätzlichen Rechtsfrage zu, ob ein auf § 41 VerwVG gestützter Bescheid in einen Neufeststellungsbescheid nach § 62 BVG umgedeutet werden könne. Aus dem schon vom SG angeführten und auch von dem Sachverständigen Dr. H bestätigten Grunde sei es tatsächlich und rechtlich nicht außer Zweifel unrichtig gewesen, das Magengeschwürsleiden des Klägers auf wehrdienstliche Einflüsse zurückzuführen, zumindest im Sinne der Verschlimmerung § 41 VerwVG rechtfertige daher nicht die Aufhebung der dem Berichtigungsbescheid vorangegangenen Bescheide; der Berichtigungsbescheid müsse deshalb insoweit aufgehoben werden. Er sei aber nicht zu beanstanden, soweit er dem Kläger die Rente ab 1. Juli 1956 entzogen habe, denn es sei davon auszugehen, daß nur eine Verschlimmerung des Geschwürsleidens versorgungsrechtlich erheblich sein könne, weil die Bescheide vom 25. April 1951 und 12. September 1953 rechtsverbindlich geworden seien und sich aus den Krankenunterlagen ergebe, daß der Kläger lange vor Beginn des Wehrdienstes schon unter Zwölffingerdarmgeschwüren gelitten habe. Es handele sich nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Ch, Dr. C, Dr. I und Dr. H nur um eine zwar anhaltende, aber abgrenzbare Verschlimmerung. Die in den Jahren von 1949 bis 1955 beim Kläger festgestellte MdE sei nicht durch diese wehrdienstbedingte, übrigens durch Lazarettbehandlung ausgeglichene abgrenzbare Verschlimmerung, sondern durch neue, nach Aufhören der wehrdienstbedingten Belastungen aufgetretene Schübe der Geschwürskrankheit verursacht. Die aus abgrenzbarer Verschlimmerung hergeleitete MdE um 70 und 50 v. H. in den Bescheiden vom 25. April 1951 und 12. September 1953 sei also tatsächlich und rechtlich außer Zweifel unrichtig gewesen. Bei Erlaß dieser Bescheide habe sich die wehrdienstbedingte Verschlimmerung nicht mehr in rentenberechtigendem Grade auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers ausgewirkt. Die Rentenentziehung sei aber auch nach § 62 BVG gerechtfertigt, denn nach Erlaß des Bescheides vom 12. September 1953 sei in den für diesen Bescheid maßgebenden Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten. Die 1955 beim Kläger durchgeführte Magenresektion habe die Entleerungsverzögerung und Magenschleimhautentzündung beseitigt und damit die Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens und der Leistungsbreite gebessert. Die 1953 noch mit 50 v. H. festgestellte Gesamt-MdE habe im September 1955 nach Prof. Dr. G. nur noch 30 v. H. betragen. Im gleichen Maße wie die Gesamt-MdE müsse daher auch die wehrdienstbedingte MdE zurückgegangen sein. Selbst wenn also 1953 noch eine zum Rentenbezug berechtigende wehrdienstbedingte MdE bestanden haben sollte, so sei das zumindest seit Juli 1956 nicht mehr der Fall, da zu diesem Zeitpunkt die Gesamt-MdE nur noch 30 v. H. betragen habe.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 95 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Gegen diese Vorschrift verstoße die vom LSG vorgenommene Umdeutung eines fehlerhaften, nach § 41 VerwVG erlassenen Bescheides in einen Neufeststellungsbescheid nach § 62 BVG. Hiernach sei der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden habe, Gegenstand der Klage. Deshalb dürfe ein Bescheid, den die Verwaltung nicht auf § 62 BVG gestützt habe, von den Gerichten nicht unter dieser Vorschrift bestätigt werden. Die Umdeutung des angefochtenen Bescheides sei aber auch wegen der tiefgreifenden Unterschiede der Berichtigung nach § 41 VerwVG einerseits und der Neufeststellung nach § 62 BVG andererseits ausgeschlossen. Schließlich sei der Kläger im vorliegenden Fall durch die erst in der mündlichen Verhandlung beim LSG erfolgte Umdeutung mit einer völlig neuen Rechtsansicht überrascht worden, die ihm das Vorbringen neuer Tatsachen zur Frage der wesentlichen Änderung seiner Verhältnisse unmöglich gemacht habe. Selbst wenn man aber die Umdeutung zulassen wolle, habe das LSG doch von der im Bescheid vom 12. September 1953 anerkannten MdE um 50 v. H. ausgehen müssen und nicht nur einen Teil derselben als wehrdienstbedingt ansehen dürfen. Folglich habe dem Kläger, wenn schon ein Absinken der MdE auf 30 v. H. angenommen worden sei, jedenfalls die dieser MdE entsprechende Rente belassen werden müssen. Der Kläger beantragt, das Urteil des LSG Schleswig vom 2. Juli 1959 insoweit aufzuheben, als es unter Bestätigung des Bescheides vom 8. Mai 1956 dem Kläger Rente ab 1. Juli 1956 versagt hat; hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zu verwerfen; hilfsweise, sie zurückzuweisen. Er hält die Revisionszulassung für unwirksam, da die Frage der Umdeutung eines nach § 41 VerwVG erlassenen Berichtigungsbescheides in einen Neufeststellungsbescheid nach § 62 BVG für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung sei. Das LSG habe nämlich zutreffend die Voraussetzungen des § 41 VerwVG bejaht. Deshalb könne die Frage der Umdeutung in einen Bescheid nach § 62 BVG dahingestellt bleiben; sie habe hier keine grundsätzliche Bedeutung. Im übrigen sei das Urteil des LSG nicht zu beanstanden.

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Sie ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Zulassung der Revision nicht gesetzwidrig. Die prozessuale Entscheidung der Revisionszulassung liegt allein im Entscheidungsbereich des LSG und kann grundsätzlich vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft werden (BSG 6, 71; 10, 270, 271). Nach einhelliger Rechtsprechung der Zivil-, Arbeits-, Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit bindet die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht das Revisionsgericht nur dann nicht, wenn sie offensichtlich entgegen dem Gesetz erfolgt ist (vgl. BGHZ 2, 396; MDR 1959, 378; BAG NJW 1955, 278, 1128; 1956, 1332; 1958, 1014; BVerwG DÖV 1958, 259; 1959, 396; BSG 1, 104; 10, 240, 269). Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Die Revision kann zwar nicht wegen einer Rechtsfrage zugelassen werden, die offensichtlich ohne Bedeutung für die Entscheidung des Rechtsstreits ist; denn es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, theoretische Rechtsfragen zu entscheiden. Enthält jedoch das Urteil des LSG wie hier eine Hilfsbegründung, die dazu bestimmt ist, notfalls alternativ das Ergebnis zu rechtfertigen und läßt das LSG wegen dieser Begründung die Revision zu, so ist davon auszugehen, daß das LSG mit der Möglichkeit gerechnet hat, das Revisionsgericht werde sich der Hauptbegründung nicht anschließen. Dann kommt es aber auf die Rechtsfrage, die Anlaß zur Zulassung der Revision gegeben hat, möglicherweise an. Die Zulassung der Revision hätte sonst keinen vernünftigen Sinn. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Hilfsbegründung für das Urteil nicht unerheblich, sondern wesentlich, auch dann, wenn wie hier Hauptbegründung und Hilfsbegründung einen unterschiedlichen Tatbestand voraussetzen. Würde man annehmen, die Revision dürfe wegen einer Hilfsbegründung nicht zugelassen werden, so könnte eine Entscheidung über die Statthaftigkeit der Revision immer erst getroffen werden, wenn materiell geprüft wären, ob es auf die Hilfsbegründung ankommt. Das wäre mit Sinn und Zweck der Zulässigkeitsprüfung, zu der auch die Frage nach der Statthaftigkeit der Revision gehört, unvereinbar, denn nach § 169 SGG ist es dem Revisionsgericht verwehrt, in die materielle Prüfung einer nicht zugelassenen oder nicht statthaften Revision einzutreten. Die Zulassung der Revision ist daher hier nicht zu beanstanden.

Abgesehen hiervon hat die Revision auch mit Erfolg einen wesentlichen Verfahrensmangel nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt. Sie bringt zutreffend vor, das LSG habe bei Würdigung der Magenoperation unter dem Gesichtspunkt des § 62 BVG von der im Bescheid vom 12. September 1953 anerkannten wehrdienstbedingten MdE um 50 v. H. ausgehen müssen und nicht nur einen Teil dieser MdE als wehrdienstbedingt ansehen dürfen. Wenn schon infolge der Operation ein Absinken der MdE auf 30 v. H. angenommen worden sei, so habe dem Kläger jedenfalls die dieser MdE entsprechende Rente belassen werden müssen; das LSG habe zu Unrecht auch diese MdE nur zu einem Teil, der den Bezug einer Rente nicht mehr rechtfertige, als wehrdienstbedingt angesehen. Die Revision rügt damit sinngemäß in noch ausreichender Weise eine Verletzung des § 128 SGG, dahingehend, daß das LSG sich seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gebildet habe. Wenn das LSG den angefochtenen Berichtigungsbescheid wegen der im Mai 1955 durchgeführten Magenoperation hilfsweise in einen Neufeststellungsbescheid nach § 62 BVG umdeutete, so kam es von seinem Rechtsstandpunkt aus auf eine wesentliche Änderung in den für den Bescheid vom 12. September 1953 maßgebenden Verhältnissen an. Das LSG mußte anhand der in diesem Bescheid getroffenen Feststellungen prüfen, ob sich das hier als durch den Wehrdienst verschlimmert anerkannte Leiden des Klägers durch die Operation gebessert hatte und ob dabei eine Verminderung der mit 50 v. H. anerkannten wehrdienstbedingten MdE eingetreten war. Die Tatsache, daß Dr. C. im früheren Gutachten vom 4. August 1953 bei einer Gesamt-MdE um 70 v. H. nur noch eine wehrdienstbedingte MdE um 20 v. H. angenommen hatte, war in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, denn Änderungen, die vor Erlaß des Bescheides vom 12. September 1953 eingetreten waren, konnten eine Änderung dieses Bescheides nach § 62 BVG nicht rechtfertigen. Das LSG mußte die in diesem Bescheid festgestellte Schädigungsfolge mit einer MdE um 50 v. H. zugrunde legen; es durfte nicht von einem Inhalt des Bescheides ausgehen, der nach seiner Auffassung der materiellen Sachlage entsprochen hätte. Wenn das LSG daher trotz der im Bescheid vom 12. September 1953 festgestellten wehrdienstbedingten MdE um 50 v. H. von einer "Gesamt"-MdE gleichen Grades ausging, von der ein "wehrdienstbedingter Anteil" abzugrenzen sei, so hat es seine Überzeugung insofern nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens abgeleitet, als es außer Acht ließ, daß nach Erstattung des Gutachtens von Dr. C im Bescheid vom 12. September 1953 eine "wehrdienstbedingte" MdE um 50 v. H. anerkannt worden war. Damit ist § 128 SGG verletzt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die weitere Rüge des Klägers zutrifft, er sei in seinem rechtlichen Gehör beeinträchtigt worden, weil das LSG erst in der mündlichen Verhandlung erörtert habe, daß auch eine Umdeutung des angefochtenen Berichtigungsbescheides in einen Neufeststellungsbescheid nach § 62 BVG in Betracht kommen könne; denn auch die bei einer zulässigen Revision in vollem Umfang eröffnete sachlich-rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils (vgl. BSG 3, 180) muß zu seiner Aufhebung führen.

Der Kläger hat noch ausreichend Verletzung des § 41 VerwVG, also des materiellen Rechts gerügt: er hat ausgeführt, daß ein fehlerhafter Bescheid nach § 41 VerwVG nicht in einen solchen nach § 62 umgedeutet werden könne und hat damit zugleich dem Sinne nach zum Ausdruck gebracht, daß das LSG nicht die Folgerungen aus der von ihm selbst festgestellten fehlerhaften Anwendung des § 41 VerwVG gezogen habe. Es habe, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf BSG 13, 227 noch näher dargelegt hat, nicht ohne Verletzung des § 41 VerwVG als zweifelsfrei feststellen können, daß im Juli 1956 eine zum Bezug einer Rente berechtigende wehrdienstbedingte Verschlimmerung nicht mehr bestanden habe. Diese Rüge ist begründet.

Streitig ist nur noch der Rentenanspruch für die Zeit ab 1. Juli 1956, da das LSG nur insoweit der Berufung des Beklagten stattgegeben und nur der Kläger Revision eingelegt hat. Die von dem LSG zu § 41 VerwVG getroffenen Feststellungen sind widerspruchsvoll. Es hat nämlich zunächst den Berichtigungsbescheid aufgehoben, soweit er die in den vorangegangenen Bescheiden - anfangs im Sinne der Entstehung, später im Sinne der Verschlimmerung - enthaltene Anerkennung der Schädigungsfolge als von Anfang an in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht außer Zweifel unrichtig zurücknahm. Damit hat es festgestellt, daß es bei der im Sinne der Entstehung und später im Sinne der Verschlimmerung ausgesprochenen Anerkennung der Schädigungsfolgen verbleiben muß. Im Widerspruch hierzu hat es später ausgeführt, der Berichtigungsbescheid sei jedoch nicht zu beanstanden, soweit er die Rente mit Wirkung vom 1. Juli 1956 entzogen habe, denn es sei tatsächlich und rechtlich außer Zweifel unrichtig gewesen, die MdE "auf Grund der abgrenzbaren Verschlimmerung" 1951 auf 70 v. H. und 1953 auf 50 v. H. zu schätzen, weil sich die wehrdienstbedingte Verschlimmerung damals nicht mehr im rentenberechtigendem Grade erwerbsmindernd ausgewirkt habe. Es ist aber nicht miteinander vereinbar, einerseits zu sagen, die Anerkennung im Sinne der Entstehung sei nicht außer Zweifel unrichtig und müsse bestehen bleiben, andererseits, die MdE sei außer Zweifel unrichtig, weil nur von einer abgrenzbaren Verschlimmerung auszugehen sei. Das LSG konnte zwar bei der rechtlichen Würdigung des Berichtigungsbescheides zwischen der Anerkennung der Schädigungsfolgen und der Bewilligung der Rente unterscheiden; es konnte feststellen, daß die frühere Anerkennung des Leidens nicht zweifelsfrei unrichtig, daß aber dennoch die Rente von Anfang an wegen zweifelsfrei unrichtiger Bewertung der MdE nicht gerechtfertigt war. Wenn es aber von der Unzulässigkeit der Rücknahme auch der Bescheide ausging, die die Entstehung des Leidens dem militärischen Dienst zugeschrieben hatten, konnten auch die späteren Folgen dieses Leidens auf den militärischen Dienst zurückzuführen sein. Eine solche Möglichkeit konnte jedenfalls nicht als zweifelsfrei unrichtig ausgeschlossen werden. Es kam dann eine dem Leidenszustand entsprechende Rente auch für die Zeit nach dem 30. Juni 1956 in Betracht. Allerdings war der 1953 ergangene Bescheid, in dem nur noch eine Verschlimmerung des Leidens durch den militärischen Dienst anerkannt worden war, bindend geworden. Diese Bindung konnte aber - auch hinsichtlich der MdE - nicht wiederum nach § 41 VerwVG beseitigt werden, weil das LSG die Rechtswidrigkeit des Berichtigungsbescheides gerade damit begründet hatte, daß das Leiden nicht nur durch den militärischen Dienst verschlimmert sein konnte, sondern möglicherweise durch ihn entstanden war. Das LSG hätte darum von dem 1953 anerkannten Grade der MdE ausgehen müssen, obgleich nur noch eine Verschlimmerung anerkannt war. Eine andere Beurteilung wäre nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn der Leidenszustand nach restlosem Abklingen des alten Leidens völlig neuen Ursachen zuzuschreiben gewesen wäre. In dieser Weise hat das LSG seine Entscheidung aber nicht begründet; es hat vielmehr ausgeführt, die Rentenentziehung ab 1. Juli 1956 sei gerechtfertigt, weil nach den Krankenunterlagen und dem Gutachten der im Verfahren gehörten Sachverständigen nur eine abgrenzbare Verschlimmerung vorgelegen habe; die wehrdienstbedingte Verschlimmerung sei durch Lazarettbehandlung ausgeglichen worden; nicht diese Verschlimmerung, sondern neue Schübe des Leidens hätten die seit 1949 beim Kläger festgestellte MdE verursacht. Nach der Auffassung des LSG handelt es sich hierbei um dasselbe Leiden, das im Sinne der Entstehung anerkannt wurde und später zu neuen "Schüben" geführt hat. Diese Schübe waren also ebenfalls Folge des anerkannten Leidens. Das LSG konnte somit zwar davon ausgehen, daß die späteren Bescheide, die die Schädigungsfolgen nur noch im Sinne der Verschlimmerung anerkannt hatten, bindend geworden waren; es mußte dann aber diese Bindung - auch hinsichtlich der MdE - beachten und durfte sich nicht unter Berufung auf § 41 VerwVG darüber hinwegsetzen, nachdem es zuvor zu dem Ergebnis gelangt war, daß die Voraussetzungen dieser Vorschrift schon hinsichtlich der Anerkennung im Sinne der Entstehung nicht erfüllt waren. Diese Feststellung schloß es jedenfalls aus, die MdE nach § 41 VerwVG mit der Begründung herabzusetzen, daß nur eine - abgrenzbare - Verschlimmerung gegeben sei.

Das angefochtene Urteil kann hiernach nicht aufrecht erhalten werden, soweit es auf § 41 VerwVG gestützt ist. Es ist aber auch nicht gerechtfertigt, soweit es - hilfsweise - in Anwendung des § 62 BVG zu demselben Ergebnis gekommen ist. Der Senat ist zwar mit dem LSG der Meinung, daß ein Bescheid, der sich zu Unrecht auf § 41 VerwVG stützt, im gerichtlichen Verfahren ausnahmsweise in einen Bescheid nach § 62 BVG umgedeutet werden kann, wenn es sich, wie hier, nur um die Entziehung der Rente für die Zukunft handelt; denn die in dem Verfügungssatz zur Höhe der Rente ausgesprochene Rechtsfolge ist bei der Anwendung der einen wie der anderen Vorschrift dieselbe. Die Entscheidung der Verwaltungsbehörde ist in einem solchen Fall nur falsch begründet (vgl. auch BSG SozR VerwVG § 41 Ca 5 Nr. 11); auch wird durch eine Umdeutung dieser Art die Rechtsposition des Versorgungsberechtigten zumindest nicht verschlechtert. Geht man von diesen Grundsätzen aus, läßt sich dennoch das angefochtene Urteil nicht halten. Das LSG hätte nämlich, wenn es die Entziehung der Rente auf § 62 BVG stützen wollte, von der Bindungswirkung des Bescheides vom 12. September 1953 und somit von einer durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG geminderten MdE um 50 v. H. ausgehen müssen. Es hätte feststellen müssen, inwieweit nach diesem Zeitpunkt sich die MdE verringert hatte. Die Entscheidung darüber, ob durch die im Mai 1955 durchgeführte Magenoperation eine wehrdienstbedingte MdE verringert wurde, hängt davon ab, ob im Zeitpunkt der Operation - unter Beachtung der Bindungswirkung des Bescheides vom 12. September 1953 - eine solche MdE überhaupt noch bestand. In diesem Zusammenhang mußte außer Betracht bleiben, ob sie bereits durch Lazarettbehandlung ausgeglichen war. Es war vielmehr festzustellen, inwieweit der Leidenszustand im Vergleich zu dem im Bescheid vom 12. September 1953 anerkannten Zustand abgeklungen war. Bestand aber im Zeitpunkt der Operation noch eine wehrdienstbedingte MdE, was auf Grund der mit Erfolg angegriffenen Feststellungen, die das LSG bei Anwendung des § 62 BVG getroffen hat, nicht auszuschließen ist, so war die Operation durchaus geeignet, die zuletzt im Bescheid vom 12. September 1953 mit 50 v. H. bewertete wehrdienstbedingte MdE etwa auf die von Prof. Dr. G im Gutachten vom 1. Oktober 1955 angenommene MdE zu vermindern, so daß dem Kläger danach Rente nach einer MdE um 30 v. H. zustünde.

Da die Feststellungen des LSG, soweit sie nicht mit Erfolg von der Revision angegriffen sind, zu einer Entscheidung nicht ausreichten, mußte das angefochtene Urteil, soweit es die Entziehung der Rente ab 1. Juli 1956 betraf, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an das LSG zurückverwiesen werden.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2290836

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